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Veilchenlila (Was will ich mit Edelsteinen?)

Summary:

Leslie hat in ihrem letzten Schuljahr wirklich besseres zu tun, als sich über alberne Dinge den Kopf zu zerbrechen. Bio lernen, zum Beispiel. Aber jeder Mensch würde ihr zustimmen, dass Charlotte sich komisch benimmt - Warum hat sie so kurz vor den A Levels noch den Kurs gewechselt? Warum setzt sie sich plötzlich in der Cafeteria zu Raphael an den Tisch und ist nett zu Gwen? Und vor allem, warum kriegt Leslie immer dieses komische Gefühl im Magen, wenn Charlotte ihr in die Augen sieht?

Das Letzte, was Charlotte noch gebrauchen kann, ist unnötiges Drama, jetzt, wo die Loge endgültig beschlossen hat, dass für sie kein Platz mehr ist. Aber wer hätte denn ahnen können, dass ein einfacher Kurswechsel solche Konsequenzen haben könnte? Außerdem benimmt sich Gideon in letzter Zeit wie ein noch größeres Arschloch als sonst, und wenn sie noch EIN Mal Nachts um drei "The Winner Takes It All" aus Gwens Zimmer hören muss wird das gravierende Konsequenzen haben. Und zu allem Überfluss ist da noch das Bioreferat mit Leslie - als ob das Leben als einsame, ungeküsste, ungeoutete Lesbe nicht schon schwer genug wäre!

Notes:

(See the end of the work for other works inspired by this one.)

Chapter 1: Prolog

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Chatverlauf Gwen und Leslie

"Miss Hay?" 

Ich schreckte hoch. Miss Priddy hatte sich vor meinem Pult zu ihrer ganzen, zugegebenermaßen nicht sehr beeindruckenden Größe aufgebaut und funkelte mich böse an.

"Ja Miss?"

"Miss Hay, wie sie vielleicht feststellen werden wenn Sie Ihren Blick auf die große, runde, unübersehbare Uhr die über der Tür hängt richten, hat die Stunde bereits vor zehn Minuten angefangen. Wenn Sie also die Güte hätten Ihr Mobiltelefon zur Seite zu legen und meinem Unterricht zu folgen?"

Schuldbewusst schluckte ich und ließ das Handy in die Tasche gleiten. Miss Priddy nickte zufrieden und marschierte zurück in Richtung Tafel.

 „So.“ Es war wirklich krass, welche einschläfernde Wirkung diese Stimme hatte. Besser als jedes Betäubungsmittel. Kurz überlegte ich, ob man da einige Versuche anstellen könnte – lag es and der Art, wir Miss Priddy die Worte aussprach, dass man sofort den Drang verspürte, zurück ins Bett zu kriechen und jahrelang dort zu bleiben? War es der Syntax? Oder doch das Thema und die Tatsache, dass es Montagmorgen war und man gleich eine Doppelstunde im Biosaal unterm Dach verbringen musste?  

„Letzte Stunde haben wir bereits über den Aufbau von eukaryotischen Zellen im Vergleich zu prokaryotischen gesprochen. Das Thema der heutigen Stunde - “ In diesem Moment klopfte es an der Tür.

„Herein!“ Ich konnte sehen, dass Miss Priddys dunkle Augenbrauen sich unter der Laborbrille fast zu einem einzigen buschigen Strich zusammengezogen hatten, der sich aber sofort wieder teilte als sie sah wer vor der Tür stand.

„Miss Montrose! Direktor Gilles hat mich bereits informiert, kommen Sie herein. Ich fürchte allerdings es sind nur noch Plätze in den hinteren Reihen frei.“

Ich traute meinen Augen kaum. Das war tatsächlich Charlotte, die mit ihrer schicken Ledertasche zur Tür hineinstolziert kam und sich an einen der einzigen zwei freien Tische setzte. Die arme, es war nur noch ganz hinten links in der Ecke, bei den in Alkohol eingelegten Tieren, etwas frei. Die Dinger starrten einen aus ihren kalten bleichen Augen immer so an. Aber vielleicht störte Charlotte das ja nicht. Wenn man Gwen Glauben schenken konnte (und das konnte man meistens), dann hatte sie letztes Jahr ohne zu zögern mit einem Pilzmesser ein ausgestopftes Krokodil von Kopf bis Schwanz aufgeschlitzt und in den Eingeweiden herumgewühlt. Wenn man so etwas fertig bringt, dann stören einen bestimmt auch keine fünfzig Jahre alten toten Lurche in Apothekergläsern.

Jemand tippte mir von hinten auf die Schulter.

„Psst!“, zischte Cynthia. „Leslie! Was macht Charlotte im Biokurs?“

„Keine Ahnung, woher soll ich das wissen?“, flüsterte ich zurück.

„Du weißt doch sonst immer alles über Gwens Familie! Sag mal, ist um diese Zeit nicht immer der LK Geschichte? Heißt das etwa, Charlotte hat den Kurs gewechselt? Im November?!“ Cynthia klang bei der Aussicht auf brand neue Klatschgeschichten gerade zu verzückt.

„Keine Ahnung! Frag sie doch selber wenn du’s unbedingt wissen willst!“

Oh Gott, das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war, die ganze Stunde lang von Cynthia vollgequasselt zu werden. Mir fiel es auch schon so schwer genug, aufzupassen, und das machte sich leider an meinen Noten bemerkbar. Und in meinem allerletzten Schuljahr konnte ich mir sowieso keine Patzer leisten. Ich beugte mich über meinen Ordner und tat, als wäre ich ganz darauf konzentriert, den Hefteintrag, den Miss Priddy an die Tafel schrieb, abzumalen. Hinter mir hörte ich, wie Cynthia ein Stück Papier aus ihrem Heft riss, etwas drauf kritzelte, und den Jungen neben ihr nicht ganz leise aufforderte, den Zettel an Charlotte weiter zu geben. Ich riskierte einen Blick in Richtung Charlotte. Sie hatte ihr Schreibzeug sorgfältig auf dem Pult ausgebreitet und saß kerzengerade und annähernd regungslos, fast wie eine Schaufensterpuppe, in ihrem Stuhl und schrieb, ohne auf ihr Heft zu sehen. Krass. Als der Zettel bei ihr ankam faltete sie ihn nicht mal auseinander, sie legte ihn einfach in ihr Mäppchen und lächelte dieses kleine Lächeln - das, von dem Gwen behauptet, es sähe genau so aus wie das von der Mona Lisa. Ich fand das nie. Ich fand immer schon dass Charlotte dann immer so aussah, als hätte ihr jemand etwas ganz unhöfliches gesagt und sie müsste sich davor zurückhalten, diesem jemanden mit dem Fuß in die Fresse zu schlagen. Oder schlimmeres.

Eines war auf jeden Fall sicher: Langweilig würde der Biokurs ab heute wohl nicht mehr sein.  

 

Notes:

Fun fact: Lennyface gibt es seit ca Mitte November 2012, und da Leslie in den Büchern ja sehr sehr internetaffin ist, halte ich es daher für durchaus plausibel dass ihr Meme Game ein Jahr nach den beschriebenen Events so gut war dass sie eine der ersten ist, die Lennyface benutzt und verbreitet.
Außerdem ein Tipp von mir: Gebt euch nie so viel Mühe beim Fake-Chatverläufe-Erstellen wie ich es getan habe, so 90% von dem was da eigentlich auftauchen sollte zeigts eh nicht an :(

Chapter 2: Charlotte

Notes:

ACHTUNG!!! Hier kommt der "heftig implizierte Essstörung"- Tag zum ersten Mal ins Spiel! VORSICHT ist beim Lesen geboten!!!

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Warte – nochmal. Charlotte ist was?“

„Oh man Gwenny pass doch auf! Charlotte ist in meinem Biokurs.“

„Echt?!“

„Ja echt! Glaubts du, ich verarsch dich? Als ob ich dich anlügen würde! Wenn ich’s dir doch sage! Die Tür ging auf und Prickly Priddy hat ausgesehen als stünde Rosalind Franklin persönlich vor der Tür und dann marschiert deine Kusine rein als würde ihr der Biosaal gehören und setzt sich an den Tisch ganz hinten in der Ecke, du weißt schon, der neben den Regalen mit den toten Lurchen - “

Oh Gott. Als ob mein Tag nicht schon schlimm genug wäre. Erst die Sache mit Raphi, dann war ich auch noch zu spät zur Schule gekommen, und jetzt musste ich mir auch noch anhören, wie die super heiße beste Freundin meiner Cousine über mich redete, als wäre ich irgendein…Monster.

Ich meine, nicht dass ich in Leslie verliebt wäre und mein Wille zu leben mit diesen Sätzen zerstört würde oder so. Mir wurde jetzt nicht das Herz gebrochen. Aber Leslie war echt super hübsch mit ihren Sommersprossen und dieser süßen Nerdbrille und irgendwie war es immer scheiße, wenn man nicht nur wusste, dass man keine Chance hat, sondern einem immer wieder ins Gesicht gerieben wurde, wie sehr das objet d’affection einen verabscheute.

Naja egal. Sie war eh hetero. Ich war mir ziemlich sicher, dass ALLE Mädchen in meinem Jahrgang hetero waren, außer Sahra natürlich. Aber erstens war Sahra vergeben, und zweitens war sie sowieso nicht mein Typ.

Ich seufzte.

Eigentlich hätte ich mich jetzt gerne ans andere Ende der Cafeteria verzogen. Entgegen der allgemein vorherrschenden Meinung war ich nämlich wirklich kein Androide und höre mir nicht unbedingt gerne an, wie über mich gelästert wurde. Nur – Raphi.

Raphi und ich - wir waren nicht wirklich gut befreundet. Wir hatten ziemlich wenig gemeinsam, und ich war mir ziemlich sicher, dass er mich insgeheim unheimlich prüde und langweilig fand, aber wir wussten beide, wie es war, mit Gideon Zeit verbringen zu müssen, wenn er sich mal wieder wie der aller letzte Arsch benahm. Das schweißt zusammen. Nur ich hatte den Vorteil, dass ich mir nicht mit dem Sack ein Apartment teilen musste.

Über den Sommer, als Gwen und Gid ständig zusammen waren und Raphi und Leslie sich frisch getrennt hatten, hatten wir deswegen eine Menge Zeit miteinander verbracht, und jetzt waren wir – wenn nicht Freunde, dann wenigstens Verbündete. Mitleidende. Außerdem hatte er mir beigebracht, wie man auf Französisch flirtet, ohne zu klingen, als wäre man direkt vom Hofe des Louis XIV entflohen, und dafür schuldete ich ihm was. Also unterdrückte ich den Drang, mich mit meinem Tablett in Richtung hinterste Ecke zu verziehen, und setzte mich neben ihn.

„Du kannst meinen Pudding haben.“, sagte ich, und der ganze Tisch wurde schlagartig still. Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen wie nervös mich das machte.

„Äh, danke?“

Ich rollte mit den Augen. Als ob ich nicht wüsste, wie sehr er Schokopudding mit Birnenkompott liebte. Als ob ich nicht nachvollziehen könnte, wie es ihm gerade ging. Und ich aß meinen sowieso nicht – ich hatte schon wieder zugenommen. Noch 300 Gramm, und meine schwarzen Jeans würden enger sitzen. Noch 300 Gramm, und es würde auffallen und ich dürfte mir wieder von Mutter anhören, wie sehr ich mich doch gehen gelassen habe seit der Sache mit den Zeitreisen und dass ich besser auf meine Gesundheit achten soll und dass ich immer noch eine Montrose bin und eine Montrose bewahrt stets eine gute Figur, metaphorisch UND wörtlich, und dann kriegt Mr. Bernhard wieder Instruktion, die Schokolade zu verstecken, als würde ich Nachts Schokolade klauen damit hab ich aufgehört als ich acht war und Mutter mich zum dritten Mal erwischt hat, und Mrs. Brompton bereitet zwei Wochen lang alle Desserts zuckerfrei und ohne Butter oder Sahne zu, und Großmutter wird sich wieder mit Mutter streiten und Tante Grace wird wieder diesen sauren Gesichtsausdruck bekommen wenn sie mich ansieht und Caroline bei Essen immer demonstrativ viel auf den Teller tun und Gwen wird wieder in der Schule herumerzählen, dass ich SCHON WIEDER eine neue Diät mache, und Großtante Maddy wird wieder versuchen, mir Zitronenbonbons zuzustecken und - . Ich würde meinen Pudding nicht essen, war der Punkt. Da konnte Raphi den ruhig haben, der konnte das vorübergehende Glück, dass Fett und Zucker brachten, heute wirklich gebrauchen.

Langsam hatten die Tischgespräche zum Glück wieder Fahrt aufgenommen. Ich hatte immer noch das Gefühl, dass mich alle beobachteten, aber wenigstens starrten sie mich nicht mehr alle offen an. Nur Leslie und Gwen guckten noch wie Kühe auf dem Mond.

„Sag mal Charlotte, was machst du eigentlich hier? Und was soll das mit dem Pudding?“ Leslie klang mehr verwirrt als feindlich, aber trotzdem war ich sofort in der Defensive.

„Das geht dich Garnichts an.“, sagte ich, und lächelte. Das hatte ich mir von Großmutter abgeguckt – meistens ließen die Leute einen in Ruhe, wenn man so lächelte. Hoffentlich fragte sie nicht weiter nach, ich konnte nicht erklären was ich hier machte, ohne Raphi zu verraten. Ich wollte nicht aus Panik den Tisch zerdeppern. Zum Glück guckte Leslie nur genervt und widmete sich wieder ihrem Eintopf.

Ich stach mit Kraft in meinen Salat (ohne Soße) und versuchte, niemanden direkt anzusehen. Ich schob mir eine Gabel lasches Grünzeug in den Mund und versuchte, nicht zu würgen. Es gelang mir ganz gut, was nicht verwunderlich war. Schließlich hatte ich eine Menge Übung.

„Jetzt mal ehrlich Charlotte.“ Raphi flüsterte nicht, was gut war. Flüstern hört man deutlicher als leises Reden. „Was machst du hier? Du sitzt doch sonst höchstens bei Cindy wenn kein leerer Tisch mehr frei ist.“

Er machte das mit Absicht, das mit der Namensvertauscherei. Ich glaubte, Gwen hatte das immer noch nicht begriffen. Aber ich konnte es ihm nicht verdenken, vor allem wegen rezenter Ereignisse hatte Cynthia wirklich keine Sympathie verdient, und dass man sie beim Namen nannte schon gar nicht.

Ich zuckte so lässig wie ich konnte mit den Schultern.

„Ich dachte, du könntest die Gesellschaft gebrauchen.“

Darauf guckte er mich ungläubig an. Na gut, das hatte ich verdient, auch wenn’s keine Lüge war.

„Ich meins ernst!“, sagte ich deshalb.

„Du bist nicht allein. Und Gid ist ein Arsch, das bestätigt sich leider immer wieder.“

Er wendete den Blick ab und spielte mit seinem Löffel herum, aber ich sah, dass seine Ohrenspitzen rot wurden. Der Schokopudding, fiel mir auf, war verschwunden und die Schüssel blank ausgekratzt, obwohl er den Rest von seinem Essen kaum angerührt hatte.  

„Danke.“, sagte er leise, und ich spürte, wie mein Herz auf die geschätzt zehnfache Größe anschwoll und ich den Drang bekam, ihm mit der Hand durch die Haare zu wuscheln. Fühlte es sich so an, kleine Geschwister zu haben? Irgendwie machte einiges an Gwens Verhalten Nick und Caroline gegenüber schlagartig Sinn.

.

Ich hatte vergleichsweise früh aus, und deswegen beschloss ich, Gid einen kleinen Besuch abzustatten.

Nur war der mal wieder nicht da.

Zum Glück hatte ich einen Schlüssel zu der Wohnung; Damals, als wir noch dachten wir würden gemeinsam durch die Zeit reisen, hatten wir hier gemeinsam eine Menge Zeit verbracht. Genug Zeit, dass er mir einen eigenen Schlüssel hatte anfertigen lassen. Dass das schlagartig aufgehört hatte, als Gwen das Gen bekam, hatte mir mehr weh getan, als ich zugeben wollte. Bevor Raphi und ich unsere gemeinsame Liebe zu bunten Cocktails mit Schirmchen und schmalzigen Vampirromanen entdeckt hatten, hatte ich oft aus lauter Verlegenheit angefangen zu putzen, nur um etwas zu tun zu haben außer blöd rum zu stehen und auf Gid zu warten. Das hatte sich zum Glück gegeben, und zwar nicht wegen mir, sondern weil, wie sich nach einigen Wochen zu unser aller Überraschung rausgestellt hatte, Raphi einen riesigen Putzfimmel hatte. Sauber machen war schwer, wenn alles schon aussah wie mit dem Hochdruckreiniger abgesprüht.

Ich zog die Schuhe aus, schmiss meine Jacke in Richtung Kleiderständer, und fläzte mich auf das Sofa. Gideons Sofa war das einzige, auf dem ich mich das traute. Zuhause oder in der Schule und in Temple hatte ich immer Angst, beobachtet zu werden. Angst, mich anders zu geben als Miss Charlotte Montrose, das Mädchen, das der Rubin hätte sein sollte.

Mal sehen, es war viertel vor drei und Montag. Das hieß, Gid hatte heute drei Vorlesungen, und die letzte war vor einer halben Stunde vorbei, also sollte er in ungefähr zwanzig Minuten spätestens zuhause aufkreuzen. Vielleicht wäre es schlau gewesen, sich das vorher zu überlegen, dann hätte ich einen anderen Bus nehmen können und mich nicht so beeilen müssen. Naja, das war jetzt auch egal.

Ich beschloss mir die Zeit damit zu vertreiben, den Stapel Bücher auf dem Couchtisch durch zu sehen. In letzter Zeit machte ich mir einen blöden Spaß daraus, auf Grund der Themen zu raten, in welcher Zeit er diese Woche umherrannte. Heute waren es einige Biographien von Jules Verne und H.G. Wells, ordentlich gestapelt auf einem riesigen Bildband über Männermode in den Goldenen Zwanzigern. Zu einfach.

Weil ich eh nichts Besseres zu tun hatte, wühlte in meiner Tasche und zog meinen Aktuellen Schmalzroman raus: Was der Vampir begehrt, von Lindsay Sands. Mal eine VampirIN zur Abwechslung, das war ziemlich ungewöhnlich; sonst hatte man ja immer den steinreichen, untoten Grafen, der die ahnungslose, aber bildhübsche Frau verführte. Ich hatte mir das nächste (Und ewig lockt der Vampir) auch gleich bestellt und Raphi wollte es sich auch sofort ausleihen, wenn ich es durch hatte (und sobald er mit Die Diebin von J.R. Ward fertig war. Nicht ganz mein Fall – zu kompliziert - aber Raphi schien es zu gefallen).

Als ich das nächste Mal auf die Uhr sah war es fast halb vier. Das hieß wahrscheinlich, dass Gid direkt nach Temple zum Elapsieren gefahren war. Machte auch Sinn – Gwen war sicher schon lange da. Also ging es jetzt um die Entscheidung: Taxi rufen? Oder nach Hause fahren und ein ganzes Jahr Bio Stoff nach zu holen versuchen?

Zehn Minuten später saß ich im Auto.    

Es fing an zu regnen als ich in Temple aus der Taxe stieg, und als ich es ins Gebäude geschafft hatte, waren meine Haare unangenehm feucht und meine Tasche tropfte auf die Marmorfliesen im Eingangsbereich. Es war niemand da, also machte ich mich allein auf den Weg in Richtung Kostümfundus. Selbst wenn ich Gideon nicht traf, Giordano würde sicher wissen, wo er war. Ich klopfte an die Tür und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten.

„Buon giorno signore Giordano!“, rief ich in den Raum.

„Buon giorno bella Charlotte!“, hörte ich es aus einer der hinteren Ecken zurückschallen. Ich musste grinsen. Ich schlängelte mich vorsichtig durch die vollgepackten Kleiderständer, vorbei an Kostümen aus allen Jahrhunderten, und versuchte, nicht daran zu denken, dass ich keines dieser Teile jemals tragen würde. Giordano stand hinten am Tisch mit der Nähmaschine und musterte kritisch eine Reihe von farbigen Stofffetzen.

„Charlotte, liebes, gut dass du da bist. Du hast doch so ein gutes Auge für Farben, schau dir mal diese Muster an: Lieber das Altrosé oder das tiefe Violett zum Samtgrün? Ich schwöre, Rossini macht das nur um mich zu ärgern, steck den Jungen in die Sachen der er letztes Mal getragen hat, sage ich, er trifft niemanden, der ihn letztes Mal gesehen hat, sage ich, aber nein! Zwei neue Abendröcke, und Madame weigert sich, für ihn zu schneidern seitdem er im August den dritten Anzug zerrissen hat. Es bleibt alles an mir hängen.“

„Ich finde das Altrosé besser.“, sagte ich. „Das violett macht einen zu dunklen Gesamteindruck, und Gid ist schon von Natur aus deprimierend genug.“

Giordano warf mir einen wissenden Blick zu. Heute war das Augenmakeup pfauenblau und glitzerte wie tausend kleine Sterne, was einen tollen Kontrast zu dem ansonsten ganz in matt schwarz gehaltenen Outfit ergab. Zum Glück hatte ich ihn auch endlich überreden können, diesen schrecklichen Bart, den er sich vor zwei Jahren hatte wachsen lassen, los zu werden. Endlich sah er wieder aus wie der 29-jährige international bewunderte Modedesigner der er war, und nicht als hätte ihm jemand den U-Bahn Plan auf die Wangen gesprüht.    

„Recht hast du.“, sagte er, und setzte sich auf die Tischkannte. „Und jetzt setz dich neben mich und erzähl mal: Was hat er diesmal getan?“

„Er ist einfach ein riesiges Arschloch. Wie läufts mit der neuen Kollektion?“

„Sehr gut. Ich habe endlich einen Stoffanbieter gefunden, der seine Arbeiter bezahlt und lasse jetzt die gesamte Marke Bio zertifizieren. Aber lenk nicht ab, süße. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck doch. Da steckt mehr dahinter als das übliche Arschlochgetue. Komm schon, lass es raus. Ich hör dir zu.“ Er schlug die Beine übereinander, stützte das Kinn in die Faust, und hob erwartungsvoll die Augenbrauen. Plötzlich fühlte ich es hinter meinen Augen prickeln. Niemand sonst benahm sich so mir gegenüber – als würde es ihn wirklich interessieren, was ich zu sagen hatte. Nicht meine Mutter, für die ich immer noch die perfekte Tochter sein musste, nicht meine Großmutter, die mich nur mochte, weil ich mich am Essenstisch besser benahm als meine Cousins, und meine Tanten schon gar nicht. Giordano war wie der große Bruder, den ich mir immer gewünscht und nie gehabt hatte, und ich sah ihn viel zu selten.

„Es ist nichts…nur…“ Ich schluckte. Genervt stellte ich fest, dass meine Stimme ganz gepresst klang. „Er ist einfach so ein riesen Arschloch und ich meine ich kann das ein Stück weit verstehen er ist halt so aufgewachsen aber…aber…“

„Aber du wünschst dir, er würde wenigstens versuchen, dich zu verstehen. Und ein bisschen nett zu sein.“ Giordano sah mich mitleidig an. Ich nickte schwach, und dann fing ich richtig an zu heulen.  

„Ach Schätzchen….das wird schon wieder, lass es alles raus, so ist es gut, gleich geht es dir besser.“ Giordano zog mich an seine Brust, und ich rotzte ihm eine gefühlte Ewigkeit lang wie ein Kleinkind das Hemd voll während er mir über die Haare tätschelte und besänftigenden Unsinn von sich gab.  Als ich mich endlich ausgeheult hatte, zog er das seidene Taschentuch aus der Brusttasche und bot es mir an.

„Geht das nicht kaputt wenn es nass wird?“, fragte ich.

„Ach was, dieser alte Fetzten? Davon hab ich bestimmt hunderte, mach dir um meine Garderobe mal keine Sorgen Schätzchen.“

Ich schnäuzte mir kräftig die Nase.

„Willst du darüber reden?“

Ich schüttelte den Kopf. Giordano nickte weise.

„Keine Sorge, Liebes. Das ist bloß die Jugend. Warte ein paar Jahre, dann wirst du sehen, dass dein Wert nicht annähernd so sehr von der Meinung irgendwelcher Männer abhängt wie du denkst. Es wird alles besser im Alter.“

Ich lächelte matt.

„Große Worte für jemanden, der sich bei seiner letzten Geburtstagsfeier mit Champagner besoffen hat und dann der gesamten Gästeschar einreden wollte, es sei tatsächlich sein neunzehnter und nicht sein neunundzwanzigster.“

„Charlotte, liebes, das ist ganze sechs Wochen her. Inzwischen bin ich geistig gewachsen und habe mich damit abgefunden, endlich meine Rolle als dein weiser und unheimlich gutaussehender Mentor anzutreten. Was meinst du, sollte ich mir die Haare grau färben? So der Glaubhaftigkeit wegen. Ich glaube, das würde mir stehen, findest du nicht?“ Er fuhr sich mit der Hand über die gegeelten Haare und machte ein übertrieben nachdenkliches Gesicht. Ich hatte Giordano lieb. Er wusste immer, wie man mich aufheitern konnte. Aber so gerne ich hierbleiben und mich weiter trösten lassen wollte, ich war ja nicht einfach so aus Spaß hier. Ich holte tief Luft und wischte mir die letzten Tränen aus den Augen.  

„Apropos irgendwelche Männer – du weißt nicht zufällig, wo Gideon sich gerade herumtreibt? Ich hab noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen.“

Giordano blickte auf seine riesige Armbanduhr.

„Eigentlich sollte er bald wieder da sein um sein Kostüm ab zu geben. Frühes zwanzigstes Jahrhundert, die Herrschaften wollten Lady Tilney und – Ah da ist er ja!“

Gideon hatte die Tür mit einem Knall aufgeworfen und stürmte in den Raum. Hinter ihm kamen Mr. George und Mr. Marley hineingedackelt, beide etwas außer Atem. Als sie mich erblickten, stutzten sie kurz. Komisch. Ich war ja oft genug hier, da sollte es nicht gerade als Überraschung kommen, mich zu sehen. Ich drehte mich zu Gideon.

„Du Gid, wir müssen mal reden.“

Er grunzte nur und knöpfte sein Hemd auf.

„Es geht um Raphael.“

Er seufzte genervt.

„Na gut.“, sagte er, „Dann komm schnell mit. Ich muss noch kurz zu einer Besprechung mit Falk in den Drachensaal, du kannst auf dem Weg dahin reden.“

Er zog sich die Chucks an die Füße, steckte die Schnürsenkel in die Seiten, anstatt sie zu binden, und drehte sich erwartungsvoll zu mir um.

„Und? Worauf wartest du? Los geht’s.“

Mr. George räusperte sich.

„Das wird leider nicht möglich sein.“

„Wie, das wird nicht möglich sein?“ Gideon klang geradezu affrontiert. „Charlotte wird ja wohl noch die fünfzig Meter durchs Haus laufen dürfen, auch wenn sie jetzt kein offizielles Kreismitglied mehr ist.“ Er packte mich am Handgelenk und zerrte mich auf den Flur. „Komm jetzt Charlotte, ich will nach Hause. Gwen wartet bestimmt schon.“

Meine Güte, der war ja toll drauf heute.

„Was ich damit meine,“ Mr. George und Mr. Marley waren uns auf den Flur gefolgt. „Ist, dass Miss Montrose leider keinen Zutritt mehr zum Drachensaal hat.“

„Was.“ Ich blieb wie angewurzelt stehen.

„Es tut mir leid, Miss.“ Marley hatte nicht einmal die Güte, besonders zerknirscht auszusehen. „Angesichts der Beendigung Ihrer Tätigkeiten als Beraterin für den Rubi- äh, Miss Shepherd, und der Tatsache, dass sie keinen Adeptengrad innehalten, ist ihnen der Zutritt zu diesen Räumen nicht länger gewährt.“

„Und mit ‚diesen Räumen‘“, fügte Mr. George sanft hinzu, „ist leider das gesamte Gebäude gemeint.“

Notes:

Erinnert ihr euch noch an Sahra? A.k.a der einzige nicht-Hetero Charakter, den ich jeh in einem Kerstin Gier Buch gefunden hab, der nicht à la Giordano lächerlich gemacht wurde? (Merkt ihr, dass ich wegen Giordanos Charakterisierung ETWAS salty bin? Deswegen verarbeite ich hier alle meine Giordano Headcanons: Der Bart war eine schreckliche Idee und KEIN permanentes feature, Giordano ist relativ jung, Giordano war Gwen gegenüber ein Arsch weil er genau wusste, wie sehr sich Charlotte auf alles gefreut hatte, Giordano und Charlotte sind sehr gut befreundet, etc etc etc. Wer Interesse an einem Rant darüber, dass Giordano der beste Charakter im ganzen Buch ist, hat, der schreibts in die Kommentare.) Und keine Sorge, ihr erfahrt schon früh genug was es mit der Sache mit Raphael auf sich hat ;). Die Bücher, die Charlotte und Raphael lesen, gibt es übrigens wirklich, und die Zusammenfassungen auf Thalia.de klingen tatsächlich ziemlich interessant. Eigentlich wollte ich Charlotte und Raphael ja die Fortsetzung von "Im Schatten der Vampirhügel" lesen lassen, aber das gibt es leider NICHT in Echt und ich hatte nicht groß Lust, eine ganze Reihe von schwülstigen Vampirromanen zu erfinden. Außerdem konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern, wie der Typ da hieß, und mein Originalplan war, dass Charlotte und Raphael eine Art Buchklub haben wo sie regelmäßig die Protagonisten ihrer Romane auf einer Skala von Gordon zu Idris Elba nach Sexyness bewerten, und das geht schlecht wenn man nicht mehr weiß wie die heißen. Kommentare und Reviews sind übrigens immer willkommen, ich freue mich über jedes Zeichen, dass das Dings hier tatsächlich gelesen wird!

Chapter 3: Charlotte @ Gideon

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Kapitel 3: Charlotte und Gideon

Notes:

Es gibt keinen Weg, wie die Loge, eine Organisation, die auf der nahezu religiösen Verehrung des Grafen von Saint Germain, dem Macho Mann schlechthin, basiert, und die genialen Entdeckungen eines promovierten Historikers deswegen nicht ernst nimmt, weil der Mann Makeup trägt und sich flamboyant kleidet, nicht so homophob ist, dass es auf Gideon abgefärbt hat. Zumal der Junge in der Loge aufgewachsen ist. Und offenbar eine natürliche Veranlagung zum Arschloch-sein besitzt, man denke nur an die ganze Sache mit dem "Gwen in sich verliebt machen" und so. Außerdem bin ich ganz Leslies Meinung dass man wertvolle Originaldokumente NICHT IN HOSENTASCHEN AUFBEWAHRT, und dafür muss Gid jetzt zahlen.
Ich hoffe, Charlottes Heulkrampf aus dem letzten Kapitel ist jetzt ein wenig nach zu vollziehen; Ich denke, jeder, der sein Outing noch vor sich hat, kennt das schreckliche Gefühl im Magen, dass man kriegt, wenn man merkt, dass einige Menschen, die einem wichtig sind, homophobe Arschlöcher sind. Und für Charlotte wird das alles nochmal schlimmer weil Gideon 2/3 ihres gesamten Freundeskreises ist, und obendrein der, der sie am längsten kennt.
Kommentare und Reviews sind, wie immer, herzlich willkommen :D

Chapter 4: Leslie

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Inzwischen war es zwei Wochen her, dass Charlotte – unerwartet, mitten im November, und im letzten Schuljahr vor den A Levels - im Biokurs aufgetaucht war, für den sie anscheinend den Leistungskurs Geschichte eingetauscht hatte.

Warum sie das getan hatte, war mir immer noch unbegreifbar – ich meine hallo?! Warum würde irgendwer so kurz vor den A Levels überhaupt noch wechseln wollen? Und dann auch noch von dem Kurs, in dem einem eine eins mit voller Punktzahl so gut wie garantiert war in einen, den man vor drei Jahren abgewählt hatte?

Inzwischen hatten die meisten Leute zwar aufgehört, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich meine, klar, wir hatten alle wirklich besseres zu tun. Selbst Cynthia hatte sich überraschend schnell beruhigt. Aber mich lies die Sache irgendwie nicht los. Natürlich glaubte ich nicht an die gängigen Verschwörungstheorien – dass Charlotte ein Alien war oder eine Spionin, die auf Miss Priddy angesetzt war glaubte ich eher weniger, zumal ich ja dank Gwenny aus erster Hand wusste, dass zumindest das mit der Spionin nicht sein konnte, und zwar deswegen, weil sie gar keine Zeit dazu hatte. Irgendetwas musste da aber dran sein, das spürte ich.

Ich hatte Charlotte ganz genau beobachtet – naja, so genau das halt geht, wenn man jemanden beobachtet, der nicht mitbekommen soll, dass er oder sie beobachtet wird - seitdem sie im Bio Unterricht aufgetaucht war, und sie benahm sich einfach rund um komisch.

Erstens hatte sie aufgehört, sich zu schminken.

Es war mir peinlich, aber ich musste gestehen, dass mir vorher eigentlich gar nicht bewusst war, dass Charlotte sich überhaupt schminkte. Sie sah einfach so natürlich aus. Wie aus der Werbung für Gesichtswasser oder Makeup Entferner. Als wäre sie einfach von Natur aus pickelfrei und hatte vollkommen ebenmäßige Haut, ohne Poren und Verunreinigungen oder Härchen auf der Oberlippe. Jetzt, wo sie ihre ganze Makeup Routine offenbar einfach weg lies, hatte sie Augenringe. Und Poren auf der Nase. Und einen winzig kleinen Leberfleck am Kinn der sich bewegte, wenn sie redete. Und ganz helle Wimpern, auch wenn sie immer noch länger waren als alles was man im Laden an Extensions kaufen konnte.

Pickel hatte sie aber immer noch keine, was ich ziemlich unfair fand. Ich bekam ständig welche, und wenn ich Pech hatte, würde dass auch so bleiben. Meine Mum hatte mir nämlich leider ihre PMS-bedingten Hautausschläge vererbt, und die bekam sie mit fast 47 immer noch.

Zweitens saß sie jetzt in jeder Mittagspause bei Raphael am Tisch, und auch sonst waren die beiden plötzlich allerbeste Freunde. Und das komischste daran war – Raphael weigerte sich, mir zu sagen, worüber die beiden zusammen redeten, und tat überhaupt so, als wären sie seit immer schon befreundet gewesen, und die Tatsache, dass sie sich vor drei Wochen nicht einmal auf dem Gang zugenickt hätten, vollkommen normal.

Und drittens – sie hatte komplett aufgehört, mit Cynthia zu reden. Damit meinte ich nicht ein „ich bin sauer auf dich“ nicht-reden. Ich meinte damit ein so gründliches Ignorieren von Cynthias bloßer Existenz, dass jeder, der mit Charlotte zu tun hatte meinen könnte, Cyn wäre nie geboren worden.

Das war, von allen komischen Dingen, die mit Charlotte passierten, das besorgniserregendste, denn Cynthia war die einzige im ganzen Jahrgang, mit der Charlotte auch nur ansatzweise befreundet war. Wenn man gelegentliches Beisammensitzen am Tisch in der Cafeteria und Aufsatz-abschreiben-lassen Freundschaft nennen konnte. Das alles zementierte für mich den Fakt, dass irgendetwas wirklich ganz gravierend nicht stimmte.

Ich versuchte, Gwen diskret aus zu horchen, aber die war leider als Informationsquelle so gut wie nutzlos, und zwar deswegen, weil Gideon offenbar an einem riesigen, mehrere Wochen andauernden Anflug von Epischer Mannespein litt. Was genau das ausgelöst hatte, wusste Gwen auch nicht. Was ich hingegen wusste, war dass Gwen immer noch viel zu verknallt in den Sack war. Seit Tagen bekam ich abends um kurz nach halb sieben, wenn Gwen gewöhnlich vom Elapsieren zurückkam, immer verzweifelter klingende Anrufe, in denen mir Gwen erst schilderte, wie abweisend und schlecht gelaunt Gideon ihr gegenüber war, und dann eine Reihe Erklärungen für sein Fehlverhalten auflistete und analysierte.

Überraschend oft kam auf dieser Liste seine Garderobe vor – offenbar hatte er zugelegt oder zu viel trainiert oder so, und alle seine Jacken warfen jetzt komische Falten und zwickten unter den Armen. Außerdem waren seine Hosen ständig zu kurz oder zu lang, egal, wie oft er vermessen wurde, und Giordano hatte ihn einmal bei einer Anprobe mit einer Nadel voll in den Schritt gepiekt.  

Ganz ehrlich, Gwen und Gideon waren ein süßes Paar und sie passten toll zueinander, aber langsam wurde ich es leid, über jedes Detail der Beziehung konstant auf dem laufenden zu sein. Zumal mein Beziehungsglück den Bach runter zu laufen schien, seitdem die beiden zusammengekommen waren. Die Sache mit Raphi hatte keine neun Monate gehalten, und schön war es schon nach den ersten zwei nicht mehr gewesen.

Aber meine eigenen Beziehungsprobleme waren hier nicht der Punkt. Der Punkt war: Charlotte benahm sich komisch. Und ich würde herausfinden, was mit ihr los war.

Ich meine, was, wenn es etwas schlimmes war? Was, wenn Charlotte insgeheim wieder irgendetwas plante und heimlich nach der Schule irgendwelche Biowaffen zusammenkochte? Oder noch schlimmer, was, wenn sie die komischen Rezepturen vom Grafen von Saint Germain weiterentwickelt hatte und jetzt irgendeinen Sexpollen oder ein Gegengift zum Glitzersalz oder so zusammengekocht hatte?  

Das alles bestätigte mich in meiner Entscheidung, unabhängig zu ermitteln. Unabhängig deshalb, weil ich von Gwenny zurzeit leider wirklich keine Hilfe erwarten konnte. Und das alles war auch der Grund, warum ich nachmittags um halb fünf noch in der Schulbücherei war, obwohl ich eigentlich schon seit Stunden aus hatte, und in der Young Adult Abteilung bei der fünfsprachigen Sammlung von Harry Potter Büchern herumlungerte.

Ich hatte mich (natürlich) verkleidet, und ich hoffte, dass Charlotte mich in Latzhosen, Cap und Sonnenbrille nicht erkennen würde, sollte sie mich wieder allen Erwartens entdecken. Charlotte selbst saß an einem der großen Tische in der Mitte der Bücherei, umgeben von einem riesigen Stapel Biologiebänden, und kritzelte abwechselnd in ihr Heft und funkelte wütend die Bücher an.

Von meinem Platz hinter dem Regal aus hatte ich fast uneingeschränkte Sicht auf den ganzen Tisch, aber bisher konnte ich noch nichts spannendes Beobachten.

Charlotte sah wie immer toll aus. Ihre Haare glänzten wahnsinnig. Ob sie wohl so weich waren, wie sie aussahen? Vielleicht solle ich Gwen mal dazu anhalten, mir etwas von ihrem Shampoo zu klauen. Der Name von der Marke würde ja eigentlich schon reichen, aber so wie ich Gwenny kannte würde sie gleich eine ganze Geheimoperation daraus machen, da konnte sie mir genauso gut auch gleich ein bisschen mitbringen.

Meine Güte, warum hatte ich bloß gedacht, dass das hier eine gute Idee wäre. Seit Stunden lungerte ich nun in Charlottes genereller Nähe herum, stand mir die Beine in den Bauch, und alles, was ich bisher herausgefunden hatte, war, dass Charlotte fünf identische blaue Kugelschreiber hatte, die sie im Viertelstundentakt rotierte. Interessant, aber nicht besonders boshaft.

Ich überlegte, wie lange ich das hier noch durchziehen wollte. Einerseits hatte ich zu lernen, Hausaufgaben, und obendrein noch zwei Englischaufsätze zu schreiben. Andererseits – irgendetwas war mit Charlotte. Ich wusste es. Und wenn ich gerade im falschen Moment weg ging und dann alles verpasste, würde ich es mir nie verzeihen.

Also lungerte ich weiter hinter dem Regal herum, und als Charlotte um zwanzig vor fünf endlich ihre Sachen zusammenpackte und aus der Schule heraus in Richtung Bushaltestelle marschierte, gab ich ihr einen kleinen Vorsprung und folgte ihr.

Zu meiner Enttäuschung schien sie den Bus zu nehmen, den Gwenny auch immer nach Hause nahm. Trotzdem schmuggelte ich mich im letzten Moment mit an Bord, setzte mich ganz nach hinten, und behielt sie weiterhin im Auge. Vielleicht würde sie ja an einer anderen Haltestelle aussteigen. Oder ihr Geheimlabor war tatsächlich bei den Montroses im Stadthaus, im Geheimkeller vielleicht.

Tatsächlich stieg Charlotte an der richtigen Haltestelle aus. Ich fuhr noch eine weiter, lief dann zu Fuß zurück, und versuchte, mir auf den Weg zum Bourdon Place Nr. 81 einen Grund einfallen zu lassen, warum ich unangemeldet dort auftauchte, wenn ich doch genau wusste, dass Gwen noch mindestens eine halbe Stunde lang in Temple sein würde.

Wie es sich herausstellen sollte, hätte ich mir die Mühe zu 100% sparen können.

Als ich nämlich vor der Haustür stand und gerade die Hand zur Klingel ausgestreckt hatte, schwang dieselbige plötzlich auf, und offenbarte Charlotte, die mit gekreuzten Armen und sehr, sehr abweisenden Gesichtsausdruck am Türpfosten lehnte.

Einen Moment lang stand ich wie angewurzelt mit erhobenem Finger vor ihr. Dann erinnerte ich mich zum Glück daran, warum ich überhaupt hier war, und prompt fiel mir auch meine Ausrede wieder ein.

„Hallo Charlotte! Ich weiß, Gwen ist grad nicht da, aber sie hat den ersten Entwurf zu unserem Referat auf ihrem Schreibtisch liegen und ich brauche das total dringend, weil ich doch nicht heut Abend zum Besprechen vorbeikommen kann, weil mein Hund, Bertie, den kennst du doch oder – naja, Bertie hat was ganz Falsches gefressen – tonnenweise Müll und Plastikverpackungen und Schokolade, das vertragen Hunde ja überhaupt nicht - und wir müssen sobald ich daheim bin zum Tierarzt. Also kann ich kurz reinkommen und mir das schnell schnappen? Das wär super.“

Charlotte rührte sich kein bisschen. Ich schluckte reflexhaft. Langsam fing ich an zu schwitzen. Hoffentlich sah man mir das aber nicht an. Charlotte blinzelte langsam, wie eine Raubkatze, die auf eine arme, unschuldige kleine Gazelle ins Visier nahm.

„Und für welches Fach soll das sein, dieses Referat?“

Oh Mist, das hatte ich mir gar nicht überlegt.

„Äh, naja, es ist was Fächerübergreifendes, eigentlich – “

„Spar mir das Gebrabbel. Ich weiß wieso warum du wirklich hier bist.“

„A – Ach ja?“

„Ja.“ Charlotte lächelte fein und trat langsam an mich heran, Schritt für Schritt, bis sich unsere Nasen fast berührten.

„Du –“ – sie stach mir mit dem Zeigefinger vor die Brust – „denkst, ich habe etwas vor.“

Ihre Stimme klang ganz weich, fast schmeichelhaft.

„Und deswegen läufst du mir schon den ganzen Tag lang hinterher und denkst, ich bemerke es nicht, was lächerlich ist. Und ich möchte, dass du damit aufhörst.“

Ich musste nochmal schlucken.

„Und was, wenn nicht?“

Meine Stimme klang nicht samtweich; meine Stimme klang, als hätte ich mit Tafelkreide gegurgelt.

Charlotte lehnte sich zurück und sah mich von Oben herab an.

„Wenn nicht, dann binde ich dich in meinem Geheimversteck an die Decke und benutze dich als Boxsack, und ich lasse dich erst dann gehen, wenn dein Bäuchlein nicht mehr schwabbelt, wenn ich mit der Faust hineinschlage.“ Und damit drehte sie sich auf dem Absatz um, warf das Haar in den Nacken, welches mir prompt in einer Wolke von Mangoduft ins Gesicht klatschte, und schlug mir die Tür vor der Nase zu.

Ich war fassungslos. Und ich zitterte geradezu vor Wut. Was bildete sich diese Hexe ein, wer sie war?! Wer gab ihr das Recht, so mit mir zu reden?! Ich verfluchte mich selbst, dass ich jemals auch nur ein bisschen daran geglaubt hatte, dass sie auch nur ansatzweise nett sein konnte.

Aber damit war es jetzt vorbei. Wenn diese Ziege Streit wollte, bitte, dann sollte es Streit geben.       

 

Notes:

Falls es nicht klar sein sollte, ich modeliere die A Levels einfach komplett nach dem Vorbild vom Abi, und zwar vom G9. Soweit ich weiß gibt es zwar schon einige Unterschiede in Fächerwahl und Prüfungen etc etc aber ich hab schon eine Prüfung zur allgemeinen Hochschulreife hinter mir, und ehrlich keine Lust die nächsten zwanzig Jahre lang auch nur an ähnliches zu DENKEN, außerhalb von Horrorgeschichten über Lehrerausfälle oder ähnlichem.
Ich hoffe, in diesem Kapitel wird etwas deutlich, welche Diskrepanz zwischen Charlottes Gedanken und Selbstbild und der Art, wie sie auf andere wirkt, herrscht. Wie ich schon im letzten Kapitel gesagt hab - ich verarbeite hier aaaaaaaaaaaaaaaalle meine Headcanons ;). Wobei ich aber schon finde, dass man Charlotte echt als sehr introvertiert und leicht verunsichert lesen kann.
Kommentare, Kudos und Reviews sind wie immer sehr sehr erwünscht!

Chapter 5: Charlotte

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Es war drei Uhr nachts und ich lag wach im Bett und presste mir mein Kissen so fest es irgendwie ging um die Ohren, was ziemlich fest war, und ich hörte es immer noch. Von schräg über mir, aus Gwens Zimmer, warbelten leise die Töne eines Synthesizers, einer hohen Frauenstimme, und einer Klaviermelodie zu mir hinunter.  Ich kannte die Melodie. Und die Stimme. Und die Band und den Titel des Albums, auf dem dieser Song zu finden war, und weil diese Band eine von Gwen und Tante Maddys absoluten Lieblingen war, wusste ich auch, dass der Song höchstens vier Minuten lang war, und deswegen konnte ich mir ausrechnen, wie oft ich ihn seit Mitternacht schon gehört hatte. Sehr oft war die Antwort. Viel zu oft.

Plötzlich setzte die Musik kurz aus. Vorsichtig nahm ich das Kissen von den Ohren. Tatsächlich – es war still. Vielleicht waren Gwens CD Player endlich die Batterien aus gegangen. Ich kuschelte mich in mein Bett, Zog die Decke bis zum Kinn, und wollte gerade erleichtert einschlafen, als es wieder los ging.

„The winner takes it all…the looser hast to fall…”

Ich hätte schreien können. Ich kontemplierte Selbstmord aus Verzweiflung. Ich überlegte, ob Mr. Bernhard noch wach war und wusste, wo im Haus ein geheimer Vorrat an Ohrstöpseln zu finden war. Ich geriet in Versuchung, mich doch wieder mit Cynthia zu versöhnen und sie anzuflehen, mich bei ihr übernachten zu lassen. Am Ende schrieb ich aber nur Raphi, in der Hoffnung, er würde Gideon aufwecken und sagen, er solle Gwen anrufen und sie trösten. Und wenn nicht das, dann sollte der Arsch sie wenigstens lange genug beschäftigen, dass ich  einschlafen konnte.

CHapter 5 pt 1

Fuck. Also war Gideon nicht die Lösung des Problems, sondern das Problem selbst. Im Nachhinein hätte ich mir das irgendwie denken können, wieso sonst hätte Gwen denn an einem Schultag zu dieser Nachtzeit noch wach sein und das vielleicht traurigste Lied, das ABBA je geschrieben hatte, in Dauerschleife hören? Das hieß mit Schlafen war es jetzt wahrscheinlich endgültig vorbei…

.

Das ich am nächsten Morgen tatsächlich aufwachte und nicht immer noch wach war, grenzte an ein kleines Wunder.

Als um halb sieben mein Wecker klingelte, war es still im Haus, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, ob es schon so gewesen war, als ich eingeschlafen war, oder ob ich irgendwann trotz Agnetha Falksdings & Co. vor Erschöpfung weggenickt war. War ja auch egal. Ich war wach, und ich hatte zumindest kurz geschlafen, und heute war Schule. Alles andere war Nebensache. Ich schlüpfte in meine Sportsachen, Band mir die Haare aus dem Gesicht, und machte mich auf den Weg nach unten.

Bevor ich zum Frühsport ging, machte ich aber noch einen kleinen Abstecher in die Küche und schnappte mir ein Glas Wasser und einen grünen Apfel. Auf dem Weg zum Ballsaal kam mir Gwen entgegen. Sie sah aus als wäre sie öfters vom Bus überrollt worden. Dass sie heute früh toll aussehen würde hatte ich natürlich nicht gedacht – aber, dass es so schlimm sein würde? Langsam wurde ich fast neugierig ob Gid mit Absicht versuchte, alle gegen sich auf zu hetzen.  

Als ich knapp anderthalb Stunden später aus dem Haus trat und mich auf den Weg zur Bushaltestelle machen wollte, stolperte ich fast über Raphi, der auf den Treppen vor der Tür saß.

„Seit wann sitzt du schon da?“

Er zuckte mit den Schultern. „Viertel Stunde vielleicht?“

„Und warum bist du nicht reingekommen?“ Wieder zuckte er mit den Schultern. Langsam kam mir das ganze seltsam vor. Ich setzte mich vorsichtig neben ihn. Er schaute auf den Boden zwischen seinen Füßen und spielte abwesend mit dem zerfledderten Lederband von seiner Uhr.

„Raphi ist alles ok?“

„Mhmm.“ Er sah mich immer noch nicht an.

„Sicher?“ Er seufzte tief.

„Ich hab heute einfach keinen so tollen Tag. Und ich will nicht drüber reden.“

„Ok das kann ich verstehen. Aber auch wenn‘s dir heute nicht so toll geht, ich hab keinen Bock, den Bus zu verpassen. Wollen wir?“

Ich stand auf und streckte meine Hand zu ihm aus. Er lächelte matt, und zusammen machten wir uns auf den Weg zur Haltestelle.

.

Irgendwie war heute alles seltsam. Alle schienen schlechte Laune zu haben – sogar die Lehrer waren fast noch gestresster und ungeduldiger als sonst. Und irgendwie lag eine komische Spannung in der Luft, fast wie kurz vor einem Gewitter auf dem Land. So als ob alle auf irgendetwas warten würden.

Cynthia – die blöde Ziege – war die einzige, die nicht betroffen zu sein schien von diesem seltsamen Gefühl. Tatsächlich schien sie von der komischen Atmosphäre geradezu Kraft zu ziehen – ihr Kreis von bewundernden Unterstufenmädchen schien noch größer als sonst, und immer wenn sie im Gang anhielt, um mit irgendwem zu quatschen, schienen die Leute um sie und ihr Grüppchen herum förmlich die Ohren in ihre Richtung zu strecken in der Hoffnung, irgendetwas mit zu hören.

Mir war das alles unheimlich, und absolut nicht geheuer. Immer wenn Cynthia so gute Laune hatte, hieß das meistens, dass irgendwem anders irgendwas richtig Skandalöses passiert war und sie gerade dabei war, sein Leben zu ruinieren. Ich versuchte, so wenig wie möglich auf zu fallen, mich so wenig wie möglich in der Nähe von großen Menschenmengen auf zu halten, und ihr so gut es irgendwie nur ging aus dem Weg zu gehen.

Im Laufe des Tages schien es Raphi immer blöder zu gehen. Als wir uns zum Mittagessen in der Cafeteria trafen, sah er so aus als würde er sich jeden Moment über seinen Fleischauflauf von undefinierbarer Herkunft übergeben. Ob er krank war? Er aß nicht einmal seine Nachspeise. Langsam machte ich mir wirklich sorgen.  

Ich wollte ihn gerade frage, ob ich mit ihm zur Krankenschwester gehen sollte oder ob wir unsere Jacken holen und kurz nach draußen gehen und etwas frische Luft schnappen sollten, als Leslie und Gwen am Tisch ankamen. Ich war kurz abgelenkt von Leslies süßen rosa Wangen, aber aus diesem Mindset schnappte ich ganz schnell wieder raus als sie ihr Tablett förmlich auf den Tisch knallte und mir einen funkelnd bösen Blick zu warf. Oha. Dann war das also eine Wutrötung und kein Rouge.

Kurz hatte ich ein schlechtes Gewissen – ich hatte mich letzten Donnerstag wirklich danebenbenommen, und ich wusste, eigentlich hätte ich mich entschuldigen sollen. Aber wie sollte man so etwas bitte ansprechen? Hi Leslie kann ich dich kurz sprechen es tut mir leid, dass ich dir vor vier Tagen heftig damit gedroht hab, dich als Boxsack zu benutzen und außerdem war das mit deinem das mit deinem Bauch echt zu viel, sorry, deine Kurven sind echt sexy und ich wünschte, ich könnte so aussehen wie du ohne mich vor mir selbst zu ekeln, zu meiner Verteidigung ich hatte einen echt schlechten Tag und es macht mich nervös, wenn du mich so anschaust als wäre ich ein Puzzle, das du lösen musst, und mich drei Stunden lang von hinter einem Bücherregal in der Bibliothek aus beobachtest? Nee, da sparte ich lieber uns beiden ein unangenehmes Gespräch und schürte dafür weiter die Gerüchte, ich sei in einer Fabrik zusammengesetzt worden.

Diese Entscheidung begann ich allerdings doch zu überdenken, als Leslie ihr Tablett beim Aufräumen „aus Versehen“ aus der Hand glitt und ich plötzlich einen dreckigen Teller und einen halben Becher Pfirsichlimonade auf dem Rock hatte.

In der ganzen Aufregung hatte ich keine Zeit mehr, Raphi nach seinem Wohlbefinden aus zu fragen, und wir sahen uns erst nach der achten an der Bushaltestelle wieder. Er sah immer noch miserabel aus, aber ich merkte, dass er irgendwie erleichtert schien, als Cynthia an ihrer Haltestelle ausstieg und nochmal ihren Fans zu winkte. Ich war nochmal versucht, ihn aus zu quetschen, aber er hatte gesagt, er wolle nicht darüber reden, und ich war ehrlich selbst auch ziemlich geschafft. Stattdessen machten wir zusammen unsere Hausaufgaben bei mir Zuhause im Musikzimmer, guckten die neue Folge Bend It Like Beckham, und als er gegen sechs ging, packte ich ihm vorsichtshalber noch einige Bücher ein.

Gegen Kummer half nichts auf der Welt so gut wie schmalzige und übermäßig detailliert geschriebene Vampirromane.  

Beim Abendessen war Gwen nicht anwesend. Sie war aus Temple zurückgekommen und hatte sich direkt ohne auch nur ein Wort zu sagen in ihr Zimmer verzogen. Ich hatte das blöde Gefühl, dass ich heut Nacht wieder zu dem sanften Kreischen von ABBA einschlafen würde. Ob ich mal mit Gideon reden sollte? Seit fast zwei Wochen hatten wir nicht voneinander gehört. Vielleicht war mir mein Schlaf wert, das Schweigen, das zwischen uns herrschte, zu unterbrechen.

Wie es sich herausstellte, musste ich diese Entscheidung nicht selbst fällen. Als ich nach oben ging und mein Handy anschaltete, wartete bereits eine Nachricht auf mich.

Chapter 5 pt 2

Jetzt war die Frage: Mit ihm reden und mich und Raphi verraten? Passiv aggressiv sein? Richtig aggressiv sein? Oder nett sein und darauf hoffen, dass Gid sich ändern würde, wenn er nur genug Zeit hätte, sich mit der ganzen Situation ab zu finden? Bevor ich mir noch weiter lange den Kopf zerbrechen konnte, tippte ich einfach das erste, was mir in den Sinn kam, und schickte es ab.

Chapter 5 pt 3

Heute war wirklich ein komischer Tag.

Notes:

Während ich das hier schreibe, sitze ich auf dem Sofa, neben mir ein Teller mit kalter Pizza und Fladenbrot von gestern, und in meinem Nacken scheint die Sonne. Mir geht es super, also ist es nur logisch, dass das Drama hier endlich richtig anfängt >:D
Sorry übrigens dass es so lang gedauert hat, bis das nächste Kapitel gekommen ist. Ich hatte eine Reihe von komischen Träumen die ich versucht habe, schriftlich zu verarbeiten, und das hat mich....etwas abgelenkt. Aber hier bin ich wieder! Ich hoffe, es gefällt euch :). OH und ich habe gerade gesehen, dass jemand das Ding hier gebookmarked hat??? Wow danke dafür ihr glaubt ja nicht, was das für ein Motivationsschub ist, wenn man merkt, dass das Dings hier tatsächlich gelesen wird!
Das Album, das Gideon hört, ist übrigens Living Things - das Internet sagt, das ist 2012 raus gekommen, und ich hoffe, das passt zeitlich halbwegs. "Victimized" als das Lied, das er mitgröhlt deshalb, weil ich mir dachte, das passt ganz gut zu der Charakterisierung, die ich für ihn gedacht hab. Er fühlt sich ja nicht im Unrecht mit seiner Arschlocherei, und jetzt, wo immer mehr Leute mit ihm Probleme haben wegen seinen Wertevorstellungen, fühlt er sich als das Opfer.

 

Kommentare, Kudos und Reviews sind wie immer herzlich erwünscht!

Chapter 6: Unnamed @ Cynthia

Notes:

Der Chatgenerator, den ich sonst für die Chatverläufe benutze, funktioniert heute nicht, aber ich wollte das Kapitel trotzdem unbedingt heute schon raus bringen, deswegen ist heute mal alles in Text. Sobald das Ding wieder funktioniert tausch ich das aber aus >:(

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Anon

Cynthia

Ich hab grad von Jenny das mit Raphael und Jean-Luc von der Parisfahrt gehört

Cynthia sag dass das nicht wahr ist

Cynthia

tut mir leid schätzechen

du kennst mich doch ; )

was gerüchte angeht sag ich immer die wahrheit ; )

Anon

O M G

Ich muss sofort Maddy und Annebelle bescheid geben

Die werden beigeistert sein dass ihr otp canon ist

Cynthia

???

Anon

Is ne internet sache mach dir keinen kopf

Cynthia

: )

Anon

O M G

Jenny hat ihm monatelang Liebesbriefe in den Spind geworfen

Kein wunder dass sie so sauer war

Und kein wunder dass er nie was gesagt hat :OOOOOOO

Cynthia

; )

Anon

Ich kanns immer noch nicht fassen

Irgendwie fühlt sich das wie ein riesiger Scherz an

Cynthia 

das ist kein scherz glaub mir

ich hab die beiden im louvre beim knutschen erwischt

und ich wette mit dir charlotte wusste davon

Anon

Charlotte???

Nee die macht sich doch total an ihn ran

Wenn sie wüsste dass er schwul ist hätte sie doch schon längst aufgegeben

Cynthia

 hmmmm sei dir da mal nicht so sicher ; )

Notes:

*cue böses Lachen der Autorin*

Chapter 7: Leslie & Charlotte

Notes:

ACHTUNG: Wie im letzten Kapitel angedeutet - in diesem Kapitel wird ein Charakter unfreiwillig geoutet. Besagter Charakter wird nicht selbst beschimpft oder ähnliches, aber es gibt eine Menge Homophobie und es wird durchaus angesprochen, dass das kein gutes Gefühl ist. Also alle, die mit sowas nicht gut klar kommen, bitte vorsichtig lesen.

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Leslie

.

Als ich am Mittwoch in die Schule kam, war alles in Aufruhr. Alle schienen sich gegenseitig entsetzt an zu schreien, niemand ging in die Klassen, und man kam auf dem Gang nicht voran, weil sich alle in kleinen Gruppen zusammengetan zu haben schienen, die wie im Football im Kreis zusammenstanden und untereinander flüsterten. Es war, als hätte jemand endlich Beweise gesammelt, dass Madonnas Tochter tatsächlich bei Mrs. Counter in der Siebten saß.

Ich hatte natürlich die Nachrichten gehört, ich meine – wer hatte das denn nicht? Cynthia war dieses Jahr wieder einmal nicht umsonst die zum xten Mal in Folge offiziell gekrönte Königin des Schulhofklatsches.

Ich fand es natürlich schrecklich, dass das so ans Licht kommen musste. Das sollte etwas sein, das man selbst entschied, und nicht etwas, das einfach so ausgeplaudert wurde. Aber wenn ich ganz ehrlich war – ein bisschen fühlte ich mich doch…verletzt. Ich meine, das würde wohl jedem Mädchen so gehen, wenn es erfährt, dass der Ex mit Frauen nichts am Hut hat, oder? Man begann dann doch etwas, an der eigenen Weiblichkeit zu zweifeln. 

Immerhin machte jetzt einiges an Raphis Verhalten in den letzten Monaten Sinn – ich meine hallo? Welcher heterosexuelle Mann gründete mit Charlotte einen Buchklub, OHNE sich an sie ran machen zu wollen? Ein Buchklub obendrein, in dem ausschließlich schmalzige Vampirromane gelesen wurden. Als ich ihre Leseliste gefunden hatte, hatte ich mich schlapp gelacht - er hatte natürlich versucht, alles ab zu streiten als ich sie ihm gezeigt hatte, aber ich hatte im Sommer fast alle Bücher, die auf dem Zettel aufgelistet waren, hinter ein paar von Gideons Modebänden im Regal versteckt gefunden. Die Beweise logen nicht. Und da war außerdem die Sache mit den Cocktails – am Anfang waren Gwen und ich ja noch ziemlich begeistert gewesen, als Raphi behauptete, dass er fast so gut mixen konnte wie ein professioneller Bartender und sich auch gleich anstellte, das zu beweisen. Im Nachhinein hätte ich mir doch vielleicht Gedanken über die Unmengen an Fruchtsaft, winzig kleiner Schirmchen, und rosa Lebensmittelfarbe machen sollen, die für ungefähr alles was er konnte unabdingbar zu sein schienen.

Aber trotzdem – meine eigenen gekränkten Gefühle waren hier nicht der Punkt. Der Punkt war, dass Cynthia etwas rausgeplaudert hatte, was sie und auch sonst alle einen absoluten Scheiß an ging, und Raphael sich wahrscheinlich super kacke fühlte. Ich sollte mich wie eine gute (ex) Freundin benehmen und etwas Solidarität zeigen. Deswegen war ich für meine Verhältnisse noch ganz schön spät auf dem Gang unterwegs und hielt nach ihm Ausschau, als Gordon mich anquatschte.

„Wusstest du, dass dein Ex ne Schwuchtel ist?“ Einem Moment war ich überrumpelt und antwortete deswegen nicht sofort, was ein Fehler war, denn das gab Gordon Gelegenheit, weiter zu reden.

„Ich meine, ich hab das natürlich sofort gewusst. Jeder Mann, der so gut aussieht, ist schwul. Das ist quasi ein Naturgesetz. So eine pickelfreie Haut kriegt man nicht von allein, der muss sich doch schminken. Und dann auch noch der französische Akzent – Franzosen sind einfach im Generellen schwuler als Engländer, das hat mit – “ Im Laufe seines Monologes hatte seine Stimme ein Glissando über mindestens zwei Oktaven vollzogen, und ich bekam langsam echt Kopfschmerzen.

„Gordon?“

„Ja?“

„Fick dich du kleiner homophober Wichser.“

„Hey es gibt keinen Grund, so mit mir zu reden! Du willst doch nur nicht zugeben, dass ich recht hab! Weißt du was, ich glaub du bist auch lesbisch! Du warst ja mal mit ihm zusammen, wahrscheinlich habt ihr euch zusammengetan und –“  

Ich drehte mich weg, stapfte zornig davon, und sah gerade noch Charlottes roten Pferdeschwanz in der Tür zum Physiksaal verschwinden. Und dann klingelte die Glocke. Scheiße. Ich hatte, im Gegensatz zu Charlotte und Raphael, in der ersten LK Mathe statt Physik, und wenn ich nicht rannte wie der verdammte Wind würde Mr. Blotsworth die Drohung für einen Verweis wegen wiederholten Zuspätkommens am Ende doch noch wahr machen. Also rannte ich.

Ich schaffte es gerade so noch vor dem zweiten Klingeln, aber ich saß im Unterricht und bekam kein Wort mit. Ich wusste nicht warum, aber was mir Gordon hinterhergeschrien hatte- das mit dem lesbisch sein – das hatte bewirkt, dass ich so ein ganz unangenehmes Gefühl im Bauch bekam. Es saß im Magen, und ein bisschen fühlte es sich an, wie wenn man eine Prüfung verkackt hatte und einen die Lehrer dann so abwertend und enttäuscht ansahen. Wenn ich schon Bauchschmerzen bekam, wenn Gordon mir etwas hinterher schrie das nicht einmal wahr war, wie mochte es dann Raphael gehen?

Der Rest des Tages verlief ähnlich – ich hielt zwischen den Stunden verzweifelt nach Raphael Ausschau, während um mich herum alle kicherten und gelegentlich unauffällig mit dem Finger zeigten, und dann musste ich rennen, um noch rechtzeitig zur Stunde zu kommen. Zu allem Überfluss konnte ich außerdem Gwen nirgendwo finden. Sonst fuhren wir jeden Tag gemeinsam mit dem Bus (oder der Bahn, wenn wir den Bus verpasst hatten), aber heute hatte ich vergeblich gewartet, meine Texte blieben ungelesen, und meine Anrufe wurden ignoriert. So, wie ich Gwen kannte, hatte sie einfach verschlafen und ihr Handy in der Eile irgendwo zuhause liegen gelassen, ich machte mir also keine allzu großen Sorgen. Aber trotzdem. Es wäre schön, wenn ich mit jemandem über die Sache reden könnte, und zwar face to face, und nicht wie gestern Abend kurz übers Telefon, bevor Mum sich wieder darüber beschwerte, dass ich zu spät ins Bett kam.

Immerhin war heute Mittwoch, und Mittwoch war in der Mensa Pfannkuchentag, also war nicht alles schlecht. Außerdem hatte ich heute zur gleichen Zeit wie Raphi Mittagspause, also würde ich ihn einfach dann abpassen.

Also, gesagt, getan, Tablett geholt und an den üblichen Tisch gesetzt. Und dann saß ich da und wartete. Wartete eine halbe Stunde, verputze meine erste Portion Pfannkuchen, holte mir eine zweite, und als ich diese auch dezimiert hatte, saß Charlotte immer noch alleine am Ende des Tisches, kein Raphi weit und breit zu sehen. Vielleicht war er ja zuhause geblieben?

Ob ich Charlotte einmal fragen sollte? Sie schien ja in letzter Zeit zu Raphis bester Freundin geworden zu sein.

Andererseits- die Sache mit dem Boxsack blieb mir doch noch ziemlich in Erinnerung. Und Charlotte war mir gegenüber bestimmt auch nicht so toll eingestellt, nach dem Kram, den ich in den letzten Tagen aus Rache abgezogen hatte. Nicht, dass sie es nicht verdient hätte – aber so rückblickend hatte ich doch einiges getan, was das schon irgendwie rechtfertigen würde, wenn sie nicht mit mir reden wollte. Die Nacktschnecken im Spind, zum Beispiel.

Trotzdem – einen Versuch war es wert. Ich schluckte den letzten Rest von meinem Apfelsaft hinunter, stapelte mein dreckiges Geschirr ordentlich auf dem Tablett, und rutschte auf der Bank so weit rüber, dass ich in Charlottes Hörweite war, aber nicht nah genug, dass sie mich mit irgendetwas von ihrem immer noch halb vorhandenem Mittagessen treffen konnte ohne weit ausholen zu müssen. Ich hoffte, dass mir das im Ernstfall genug Zeit geben würde, um mich schnell unterm Tisch zu verkriechen.

„Charlotte?“ Sie funkelte mich von unter ihren Augenbrauen mit einem Blick an, der so hasserfüllt war, dass mir tatsächlich kurz wieder flau im Magen wurde. „Weißt du, wo Raphael ist?“

Sie legte ihre Gabel auf den Teller, lehnte sich zurück, und betrachtete mich argwöhnisch.

„Wenn ich‘s wüsste, wieso sollte ich ausgerechnet dir etwas sagen?“

„Naja…ich hab von Cynthia die Sache mit Jean-Luc gehört, und ich meine, wir hatten ja mal was, und da wollte ich…“

„Da wolltest du ihn fragen, ob er nur mit dir zusammen war, weil du aussiehst wie ein Kerl und mehr Haare am Kinn hast als Gordon Gelderman mit Drei-Tage-Bart.“ Charlotte sah aus, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen, und mir schwante übles.  

„Nein! So hab ich das garnicht gemeint, ich wollte nur – “

„Spar mir das Gefasel.“ Ihre Stimme war ganz leise, aber mir lief es kalt den Rücken runter. „Cynthia hat heute ein riesen großes Geheimnis ausgeplaudert, ein Geheimnis, dass sie und den Rest der Schule einen feuchten Dreck an geht, und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, kommst jetzt du an, und willst von ihm wissen, was das für deinen eigenen Sex Appeal bedeutet. Und weißt du was? Dafür brauchst du Raphi gar nicht fragen. Das kann ich dir auch sagen. Willst du wissen, ob Raphi nur wegen deinem Damenbart mit dir zusammen war? Ob er sich beim Knutschen David Beckham vorgestellt hat? Ob ihr deswegen nie miteinander geschlafen habt, weil er deine Möpse so abstoßend fand? Du brauchst mich nur fragen.“

Ich war, schon wieder, fassungslos. So dachte sie also von mir? Dann brauchte ich dieses Gespräch ja auch nicht weiter zu führen. Ich stand ruckartig auf, knallte mir mein Knie an der Tischkante an, drehte mich nicht mehr um, obwohl ich Charlottes hämisches Grinsen in meinem Nacken förmlich spüren konnte, und stapfte wütend zur Geschirrabgabe.   

Als ich auf den Gang hinaus ging, läutete es zum Stundenwechsel, und ich traf tatsächlich Gwen an den Spinden. Sie hatte riesige Wutflecken auf den Wangen.

„Und? Was ist bei dir so los?“

Gwen knallte förmlich die Tür vom Spind zu und wirbelte zu mir herum.

„Du wirst es nicht glauben. Leslie ich bin so wütend, ich glaub ich explodier gleich. Dieser Arsch, dieses miese kleine Drecksstück, dieser hochtrabende Hosenscheißer, der kann sich auf was gefasst machen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, ich sags dir -“

„ Aus deinem wütenden Monolog lese ich – es hat was mit Gideon zu tun und es ist ne längere Geschichte.“

„Das hast du richtig gelesen. Heute nach der Schule bei mir, ich fahr erst abends nach Temple.“

Mit diesen Worten stapfte sie davon. Na dann. Meinen Plan, nach der Schule bei Gideon und Raphael in der Wohnung auf zu tauchen, konnte ich wohl knicken.     

.

Charlotte

.

„Charlotte? Weißt du, wo Raphael ist?“

Ach du scheiße. Das hatte mir ja gerade noch gefehlt. Erst Cynthia, dieses Miststück, das ernsthaft erwartet hatte, dass ich mit ihr über Raphi mitlästern würde, dann die komische Bande Zehntklässler, die unbedingt von mir wissen wollten, wie es war, „echte Ja-o-ii-s“ zu kennen, was auch immer das sein sollte,  dann Sarah mit ihrer selbstgebastelten „wir stehen zu dir“-Karte mit den gesammelten Unterschriften aller bekannter nicht-hetero Leute des Jahrgangs, also mit ihrer, und jetzt kam Leslie an, und wollte wissen, wo Raphi war.

Warum sie das wissen wollte, konnte ich mir denken. Ich war mit meiner Geduld sowas von am Ende.

 „Wenn ich‘s wüsste, wieso sollte ich ausgerechnet dir etwas sagen?“

Leslie setzte ihren Hundeblick auf. Mein Gott, wie konnte jemand so große und so runde Augen haben. Das sollte illegal sein. Ich würde mich nicht erweichen lassen, ich würde mich nicht erweichen lassen, ich würde mich nicht erweichen lassen.

„Naja…ich hab von Cynthia die Sache mit Jean-Luc gehört, und ich meine, wir hatten ja mal was, und da wollte ich…“       Uuuuuuuuuuuuuuund…da wars.

Ich hatte echt die Nase voll von diesem scheiß Heterogewäsch. Jeder noch so kleine Dreck musste irgendwie auf sie bezogen sein, und egal was es war, alles kam immer darauf zurück, dass unsere bloße Existenz für sie beleidigend war. Hatte irgendjemand heute mal daran gedacht, wie es Raphi ging (außer Sarah, Sarah war mein neuer Lieblingsmensch)? Nein! Es war immer nur „kannst du glauben, dass Jenny aus der Achten ihm die ganze Zeit Liebesbriefe in den Spind geworfen hat“ und „kein Wunder, dass er nicht mit mir auf den Herbstabschlussball gehen wollte“ und „wir waren mal zusammen, heißt das, ich sehe aus wie ein Kerl“. Ich. War. Es. Leid.  

„Da wolltest du ihn fragen, ob er nur mit dir zusammen war, weil du aussiehst wie ein Kerl und mehr Haare am Kinn hast als Gordon Gelderman mit Drei-Tage-Bart.“

Besser, ich kam gleich zum Punkt, als dass Leslie mich noch eine halbe Stunde lang mit diesen Kugelaugen anstarrte und um die Sache herumredete.

„Nein! So hab ich das gar nicht gemeint, ich wollte nur – “

Natürlich hatte sie es nicht so gemeint! Und weil sie es so überhaupt nicht gemeint hatte, ist das erste, was sie mir erzählt, dass sie mal was mit Raphi hatte! Als ob ich das nicht wüsste! Für wie blöd hält man mich eigentlich?!

„Spar mir das Gefasel.“

Den ganzen Tag lang hatte ich mich einigermaßen zusammengerissen. Ich hatte nicht angefangen, los zu schreien und stattdessen immer kalt gelächelt, wenn mich jemand etwas Blödes gefragt hatte, ich hatte mich davon abgehalten, Cynthia so zusammenzuschlagen, dass sie eine Woche lang überhaupt nichts mehr sagen konnte, und ich hatte nicht angefangen zu heulen, als Sarah mir die Karte überreicht und mit diesem unheimlich ernsten Gesichtsausdruck „ich will nur, dass er weiß, dass er nicht alleine ist“ gesagt hatte. Aber das hier? Das war echt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und dass Leslie mich immer noch aus diesen riesigen Augen anstarrte als wüsste sie ehrlich nicht, was sie falsch gemacht hatte, half der Sache auch nicht gerade.

„Cynthia hat heute ein riesen großes Geheimnis ausgeplaudert, ein Geheimnis, das sie und den Rest der Schule einen feuchten Dreck an geht, und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, kommst jetzt du an, und willst von ihm wissen, was das für deinen eigenen Sex Appeal bedeutet. Und weißt du was? Dafür brauchst du Raphi gar nicht fragen. Das kann ich dir auch sagen. Willst du wissen, ob Raphi nur wegen deinem Damenbart mit dir zusammen war? Ob er sich beim Knutschen David Beckham vorgestellt hat? Ob ihr deswegen nie miteinander geschlafen habt, weil er deine Möpse so abstoßend fand? Du brauchst mich nur fragen.“

Das mit den Möpsen hätte ich nicht sagen sollen. Jetzt musste ich nämlich drauf starren und sah deshalb genau, wie sie fast zu zittern schienen, als Leslie vor Wut nach Luft schnappte. Meine Güte, ich dachte nicht, dass ich so etwas jemals sagen würde, aber wer auch immer entschieden hatte, dass die Blusen für die Schuluniform gerade weit genug sein sollten, um maximal Körbchengröße 75 C einigermaßen zu bedecken, verdiente einen Orden. Ich war einen kleinen Moment lang wie in Trance, und ich schnappte erst wieder raus, als jemand mit voller Wucht gegen den Tisch stieß und ich zum zweiten Mal in der Woche ein Glas über den Rock gekippt bekam. Zum Glück war es diesmal nur Wasser und kein Zuckersaft.

.

Als ich nachmittags nach Hause kam, informierte mich Mr. Bernhard, dass Mum im Musikzimmer auf mich wartete, und sofort war mein Tag nicht mehr nur unheimlich schlecht, sondern aktiv katastrophisch. Das letzte Mal, als Mum mich ins Musikzimmer berufen hatte um etwas zu besprechen, war, als ich ihr eröffnet hatte, dass ich im letzten Schuljahr von Geschichte zu Biologie wechseln wollte. Beklommen erklomm ich dir Treppen.

Mum lehnte mit verschränkten Armen vor dem Fenster und betrachtete mit abfälliger Miene das Haus der Nachbarn gegenüber.

„Du wolltest mit mir reden?“

„In der Tat.“ Sie drehte sich zu mir um und mit Schrecken stellte ich fest, dass sie eins meiner Bücher in der Hand hielt. Aber keins das unten in mein Regal gehörte, sondern eins von denen, die ich Raphi ausgeliehen hatte. War Raphi, während ich in der Schule gewesen war, hergekommen und hatte ihr das Buch übergeben? Unwahrscheinlich. Raphi wusste, dass ich nicht wollte, dass meine Mutter die Anmerkungen las, die er immer an die Ränder schrieb. Das hieß also, sie musste es ihm abgenommen haben, was wieder um bedeutete –

„Es geht um den jungen Herrn DeVilliers-Bertelin, der seit zwei Stunden in deinem Zimmer sitzt und irgendwelche Dinge mit seinem Telefon anstellt.“

Ich schluckte, und machte mich schonmal auf eine Standpauke darüber, dass es sich als Gastgeberin nicht gehörte, Gäste schon einmal allein aufs Zimmer zu schicken, und vor allem nicht wenn diese Gäste Männer waren („mein Gott Charlotte, wir sind doch kein Bordell wo fremde Männer heimlich zwischen den Zimmern hin und her schleichen wie es ihnen passt!“) gefasst.

„Ich habe vor etwa einer halben Stunde einen Anruf von seinem großen Bruder erhalten. Gideon hat mir da etwas von einer gewissen …Verwirrung…erzählt, die Raphael wohl in Bezug auf andere Männer hat.“

„Mum, ich denke wirklich nicht – “ Sie hielt die Hand hoch und ich hörte beschämt auf zu reden.

„Unterbrich mich nicht! Wie ich also gerade sagen wollte, bevor du dazwischengeredet hast wie eine Proletin, Gideon und ich haben uns ein wenig unterhalten, und wir sind uns einig, dass angesichts Raphaels Alter und seiner turbulenten Kindheit diese Phase wohl nicht wirklich ernst zu nehmen ist. Der Junge will einfach ein wenig Aufmerksamkeit. Trotzdem, Charlotte. Ich hoffe, du lässt dich nicht von so einem Quatsch beeinflussen. Natürlich würde ich dir so etwas niemals unterstellen, aber Gideon hat mir erklärt, dass solche…Experimente… bei den Teenagern in eurem Alter zurzeit ziemlich beliebt sind. Queercoding nennt sich das, glaube ich. Hast du davon schon mal was auf dem Schulhof gehört? Oder kennst du jemanden, der das macht?“

„Nein, Mum.“

„Da bin ich ja beruhigt. Denk daran, du hast als Montrose immer noch ein gewisses Image zu wahren, also selbst, wenn du da einmal auf irgendeine Weise hineinrutschen solltest, sieh zu, dass es wenigstens niemand mitbekommt.“

„Ok.“

„Gut. Dann währe das ja geklärt. Und jetzt geh runter zu deinem Gast. Ich habe ihm einen Teller Kekse und eine Kanne Tee nach oben bringen lassen, damit den Regeln der Gastfreundschaft wenigstens nicht gänzlich unobserviert bleiben. Aber ich denke, das ist eine Ausnahmesituation, und ein Mal schon zu verantworten, solange es nicht zur Gewohnheit wird. Wer weiß, vielleicht ist deine Gesellschaft ja genug, um den Jungen aus dieser …Phase…heraus zu helfen. Und du hast ja jetzt auch freie Kapazitäten, wo die Sache mit dem Gelderman-Erben sich endgültig ausgespielt zu haben scheint.“

Auf dem Weg nach unten in mein Zimmer grübelte ich über Mums letzte Worte nach. Was sollte das bedeuten, freie Kapazitäten? Hoffte sie, dass ich Raphi zur Heterosexualität bekehren würde? Falls ja sollte sie sich lieber mal auf eine schwere Enttäuschung gefasst machen.

 

Raphi lag tatsächlich auf dem Bauch auf meinem Bett und daddelte auf seinem Handy rum. Er sah aus wie jemand, der sich sehr darum bemühte, so auszusehen, als sei er entspannt. Er konnte nur leider überhaupt nicht schauspielern.

Ich setzte mich neben ihn, und musste daran denken, wie ich gestern genau dasselbe gemacht hatte. Hätte ich ihn doch dazu zwingen sollen, mit mir zu reden? Vielleicht hätte er mir dann von der ganzen Sache mit Cynthia und ihrem WhatsApp Kettenbrief erzählt, und ich hätte irgendetwas unternehmen können.

Ach, was dachte ich da. Was hätte ich denn machen sollen? Ihr drohen? So wie man Cynthia kannte hätte nur der Gehirntod sie daran hindern können, ihre Gerüchte zu verbreiten, und selbst dann hätte ich im ganzen Krankenhaus das Internet blockiert und jeder einzelnen Krankenschwester Ohrstöpsel verpasst, nur um ganz sicher zu gehen.

Vorwürfe machte ich mir trotzdem ein bisschen. Und ich hatte ziemliche Angst, auch wenn ich das niemals zugeben würde. Wenn Cynthia es schaffte, so etwas über Raphi raus zu finden, und dann absolut null Probleme damit hatte, es der ganzen Schule zu erzählen, wie kurz davor war sie dann, mein Geheimnis zu entdecken und zu verbreiten? Hatte sie überhaupt einen Verdacht? Oder hatte sie mich schon durchschaut? War es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich an diesen einen Nachmittag vor zwei Jahren erinnerte, als ich sie gefragt hatte, ob sie eigentlich schon mal ein Mädchen geküsst hatte?

Normalerweise würde ich mit Gid über sowas reden. Über Dinge, die mir Angst machen. Wir waren zehn Jahre lang die allerbesten Freunde gewesen, wir hatten uns alles erzählt. Er war der erste, dem ich davon erzählt hatte, wie neidisch ich auf Gwen, Nick und Caroline war, dass sie einander hatten, und er war auch der einzige, der wusste, wie große Angst davor ich gehabt hatte, dass Mum und Lady Arista mich nicht mehr lieben würden nachdem klar war, dass ich das Gen nicht hatte. Ich war bis heute die einzige, die wusste, dass er bei seinem ersten Zeitsprung eine halbe Stunde lang vor Angst heulend in der Londoner Kanalisation herumgelaufen war und nicht, wie er allen erzählt hatte, sich in den 1920ern in ein Café gesetzt und ganz ruhig einen Kaffee getrunken hatte, und ich war auch die einzige, die wusste, dass er neben seinem Medizinstudium heimlich Mitglied der Theatergruppe war.

Zu sehen, wie er jetzt Raphi behandelte? Und mir ausmalen zu müssen, wie er mich behandeln würde, wenn er von meinem Geheimnis wüsste? Das war schlimmer, als es die Sache mit den Zeitreisen jemals sein konnte, und wenn ich zu lange darüber nachdachte, bekam ich feuchte Augen und den Drang, mich unter meinem Bett zu verkriechen und niemals wieder heraus zu kommen. Ich vermisste Gid die ganze Zeit, aber jetzt, als ich mit seinem Bruder auf meinem Bett saß und wir beide miserabel daran scheiterten, so zu tun, als wäre alles in Ordnung, war meine Sehnsucht so groß, dass es eigentlich fast hätte reichen müssen, um ihn einfach aus dem Nichts heraufzubeschwören.

Er tauchte aber nicht spontan auf und umarmte uns beide, bis alles wieder gut war, egal, wie sehr ich es mir auch wünschte.

„Wie war’s in der Schule?“ Raphi klang betont desinteressiert, aber er hatte sein Handy ausgeschaltet, auch wenn er es immer noch in der Hand hielt, und er schaute mir nicht in die Augen, als er mit mir redete. Kurz überlegte ich, ob ich lügen sollte.

„Es war…absolut schrecklich.“

Am Ende half das Lügen keinem von uns. Ich schnappte mir ein Kissen und drückte es an mich.

„Cynthia kennt offenbar die ganze Schule, weil ich schwöre, dass es niemanden gab, der nicht davon wusste. Ein paar winzige Mädchen aus der Zehnten oder so haben mich gefragt, ob ich euch jemals beim Küssen zugesehen habe. Und Leslie will wissen, ob du nur mit ihr zusammen warst, weil sie aussieht wie ein Kerl. Naja, ich denke jedenfalls, dass das ihre Frage war. Ich hab ihr nicht wirklich die Chance zum Ausreden gegeben.“

„Ein paar Mädchen aus der Zehnten haben was gefragt?“ Raphi sah ungläubig und angewidert aus, was immer noch nicht gut war, aber immerhin besser als kurz-vorm heulen.

„Ja, das war irgendwie komisch. Die haben die ganze Zeit irgendetwas von Jaa-o-iis gefaselt? Was soll das sein? Irgendeine neue Müslimarke?“

„Nein...nein, Charlie, das ist keine Müslimarke.“

„Was soll das dann sein?“

„Japanische Schwulencomics. Nur sind die meisten weniger von Schwulen für Schwule, sondern eher…von Heteros für Heteros.“

„Wie…was? Für Heteros? Schwulencomics?“

Raphi lächelte zynisch.

„Wie Lesbenpornos. Nur auf Papier und die Zielgruppe ist weniger Männer allen Alters und mehr Frauen allen Alters.“

Ich war komplett baff. Dass das auch anders rum ging, dass mit den Männern die Lesben geil fanden, dass hätte ich nie gedacht. Einige Zeit lang herrscht Schweigen, während ich diese Sache verdaue.

„Man schreibt es übrigens y a o i. Und Lesbenmangas nennt man Yuri. Y u r i. Aber ich hab keine Ahnung, ob das auch sone Sache wie mit den Yaois ist, oder ob das wirklich eine von-Lesben-für-Lesben Sache ist.“

Ich nicke nur stumm.  Eine Weile saßen wir einfach nur da und schwiegen uns an. Es fühlte sich an wie eine Totenwache, aber das war es ja auch, in einer gewissen Weise. Tod der vermeintlichen Heterosexualität. Tod der Normalität. Tod der heilen Welt, die wir allen um uns herum vorgespielt hatten.

„Wenigstens hab ich jetzt nicht mehr das Problem, dass kein Mann merkt wenn ich ihn anmache weil ich einfach nicht schwul genug aussehe.“

Ich durchschaute den Versuch, das alles mit einem Witz ab zu tun, und aus lauter Panik, irgendetwas falsch zu machen, tat ich einfach, was ich mit Gid getan hätte- was ich mir von Gid gewünscht hätte-, und nahm ihn in den Arm. Er fing sofort an zu schluchzen.

„Ich weiß gar nicht, warum ich jetzt so losheule!“, stammelte er zwischen den Tränen hervor. „Ich meine, alle, die’s wissen müssen, wissens schon! Mum und Papa ist es egal, Gideon ist ein Arsch, und du bist einfach du!“

Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass allein die Tatsache, dass mein Name auf dieser List auftauchte schon genug war, damit mir jetzt auch die Augen ein wenig feucht wurden.

„Jean-Luc wollte ich auch nie verstecken! Wir sind ja nur deswegen die ganze Zeit so rumgeschlichen, weil ich Angst hatte, Cynthias Gefühle zu verletzen! Und jetzt isses raus und ich dachte immer, es wäre mir egal, wenns jemand rausfindet, ich dachte immer, ich will mich nicht verstecken, und jetzt…“

„Ich weiß.“

Verdammt, jetzt musste ich doch losheulen.

„Ich meine, du bist der einzige, der es bei mir weiß,", presste ich zwischen Tränen hervor, „und wenn ich nicht die halbe Flasche Vodka intus gehabt hätte als ich‘s dir gesagt hab, ich glaub, ich hätte dir vor Angst auf die Schuhe gekotzt.“

„Du HAST mir auf die Schuhe gekotzt.“

„Ja, aber nicht aus Angst!“

Raphi kicherte. Und dann war es auf ein Mal, als wäre ein Gewicht von unseren Schultern gefallen, und plötzlich lagen wir auf meiner dekorativen Tagesdecke mit den kleinen Fledermäusen drauf und lachten uns krumm.

Rückblickend war es ja auch wirklich zum totlachen gewesen, jene Nacht. Gideon und Gwendolyn auf geheimer Mission, Raphi und ich allein in der Wohnung, nichts im Kühlschrank außer drei Kartons schlechter Milch, einer angebrochenen Literflasche Vodka, und einer leeren Eierpackung. Wir hatten indisches Essen bestellt, uns vor Gids riesiges Fenster gesetzt, und uns gegenseitig die schwülstigsten Szenen aus Raphis riesiger Romansammlung vorgelesen. Wer lachte, musste trinken.

Irgendwann spät nachts lagen wir dann unter dem Flügel, weil wir aus irgendeinem Grund dachten, dass sich der Raum dann nicht drehen konnte, ich hatte mir Gids Dreispitz – den, den er aus Giordanos Privatsammlung geklaut hatte, was Giordano nur deswegen zu übersehen beschloss, weil er ein Polyesterfutter hatte von dem er immer Kopfhautjucken bekam – auf den Kopf gesetzt, und ich weiß nicht mehr wieso, aber Raphi hatte Schuhe an. Lederstiefel, um genau zu sein, die Art, die fake aussehen, aber es nicht sind. Und Raphi hatte irgendwas in Richtung „wenn mich eine super heiße Vampirin in ihr Schloss einladen würde, ihr würdet mich niemals wieder sehen“ gesagt, und ich hatte nur gelacht und „mich auch nicht“ gesagt, und dann hatte Raphi gelacht und gesagt „bist du lesbisch oder was“ und ich hatte ja gesagt, einen Schluckaufanfall bekommen, und als ich aufstehen wollte um mir ein Glas Wasser zu holen, wurde mir erst schwindelig und dann ganz schnell schlecht und ich hatte ihm auf die Schuhe gekotzt.

Am nächsten Tag wurden wir gegen Mittag unsanft von Gid geweckt, der auf der Suche nach seinem Laptop fluchend durch die Wohnung polterte. Wir hatten die Reste der letzten Nacht in der Mikrowelle aufgewärmt, und über lauwarmes Curry und Unmengen an Leitungswasser hatte mir Raphi von dem Parisaustausch erzählt, wie sehr er sich darüber freute, mal wieder in Frankreich zu sein, und darüber, dass er hoffte, die Jungs dort drüben seien nicht so verbohrt wie die in England, weil ihm in letzter Zeit der Gedanke gekommen war, dass er eigentlich gerne mal jemanden mit Bartstoppeln küssen würde, und sich in unserem kalten prüden Land noch niemand gefunden hatte, der willens wäre, mit ihm diesen Gedanken in die Tat um zu setzten. Und das war dann das.   

Das mit der Parisfahrt war ja toll ausgegangen. Erst hatte ich mich für Raphi gefreut, dass er jemanden gefunden hatte, mit dem er seine Hypothesen bezüglich Bartstoppeln testen konnte, aber dann hatte ich mitten während des Schultages die Nachricht bekommen, dass Cynthia ganz eventuell etwas mitbekommen hätte und ihm jetzt ein bisschen Angst machte mit ihren bedeutungsschweren Blicken. Und dann hatte Jean-Luc drei Wochen später beschlossen, dass ihm eine Fernbeziehung doch zu anstrengend war. Und dann hatte Raphi sich bei Gideon ausgeheult, und Gideon, der es irgendwie geschafft hatte, nicht mitzubekommen, dass Raphis französische Flamme ein Mann war, hatte undenkbar schlecht reagiert. Dass Cynthia jetzt doch beschlossen hatte zu plaudern war nur die Kirsche auf dem Eisbecher.

Aber das ganze mal beiseite – apropos Bartstoppeln.

„Weißt du, als du mir gesagt hast, dass du mit Jean-Luc zusammen bist, hab ich mir irgendwie schon gedacht, dass dein Bartstoppelkussexperiment einen positiven Ausgang hatte, aber richtig erzählt, was dabei raus gekommen ist, hast du mir nicht.“

„Willst du wissen, ob es sich nicht doch vielleicht lohnen würde, es mal aus zu probieren?“

Ich schnaubte verächtlich durch die Nase. Oha, das klang aber ganz schön feucht.

„Taschentuch?“

„Ja, danke.“

„Ich denke, ich nehme auch eins.“

Als er mir das Tütchen Tempos rüber reichte, sah ich, dass Raphis Nase mindestens genauso rot war wie meine. Als ich schnäuzte und neben mir ähnliche Trompetengeräusche vernahm, musste ich unwillkürlich in mein Taschentuch lächeln. Ich war froh, dass ich Raphi hatte. Und ich hoffte, er fand meine Gesellschaft auch nicht zu unerträglich.

„Um deine Frage zu beantworten: Nee. Die einzigen Bartstoppeln, die ich beim Küssen toleriere, sind die von einem rasierten Damenbart.“

„Und wenn besagte Dame nen richtigen Vollbart hatte vorm rasieren? Ist das auch in Ordnung? Oder liegt die Grenze bei sonem kleinen Oberlippenbärtchen wie Mrs. Counter ihn hat?“

„Ihhhhh ich will doch nicht Mrs. Counter küssen!“

„Aber Bart im Generellen?“

„Ist kein Dealbreaker solange er an einer Frau befestigt ist.“

Raphi lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

„Ich glaube, mir macht es nichts aus, ob der Bart einem Mann oder einer Frau gehört.“

Ich legte mich neben ihn. Er klang immer noch ein bisschen verheult. Ich glaube, das tat ich auch.

„Aha. Also bist du nicht schwul?“

„Nee. Bi nennt man das, glaub ich. Wenn man beides mag.“

Ich schwieg einen Moment lang.

„Wenn dir was an dem Selbstwertgefühl deiner Ex liegt, solltest du vielleicht Leslie sagen, dass der Grund für eure Trennung nicht ihre Brüste waren. Ich hab da heut Mittag…sowas in die Richtung impliziert. Sorry.“

 

 

Notes:

Dieser Moment, wenn das Kapitel, das man hoch lädt, fast so lang ist wie der ganze Rest von der Fic. Naja, ich hab mir eh vorgenommen, längere Kapitel zu schrieben lol.
Ich würde gerne die Gelegenheit hier nutzen, um eines klar zu machen: Jemanden gegen dessen Willen zu outen, oder auch nur ohne explizites Einverständnis etwas weiter zu erzählen, wenn man nicht zu 200 % sicher weiß, dass das ok ist, ist niemals, NIEMALS, in Ordnung. N I E M A L S.
Fun fact: Wusstet ihr übrigens, dass der allergrößte Teil aller Bisexuellen nicht geoutet ist? Und dass einige Forscher vermuten, dass wenn alle Menschen, die bi sind, auch geoutet wären/sich offen als bi identifizieren würden, die Heteros wahrscheinlich in der Minderheit wären? Und dass Bisexuelle prozentual den deutlich größten Anteil an der LGBTQIA Community aus machen? Krass, nicht?

Chapter 8: Leslie

Notes:

Eine kleine Notiz zur Aussprache: Raphael spricht "Charlie" französisch aus, also "Scharlie". Leslie tut dasselbe, nur mit einem sehr sehr schlechten französischen Akzent.
Außerdem: Alle ernährungstechnischen Informationen sind zu 100% frei erfunden.

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Also. Was genau hat Gideon jetzt getan?“ Gwen schmiss sich auf ihr Bett und stöhnte gequält.

„Die bessere Frage währe wohl: Was hat er nicht getan.“

Oh nein. Ging es hier wieder um irgendwelches Beziehungsdrama? Hatte ich meine Gelegenheit, bei Raphael in der Wohnung vorbei zu schauen, dafür verpasst, mich wieder einmal von Gwen vollheulen zu lassen? Gwen schien meinen genervten Gesichtsausdruck zu bemerken und beeilte sich, zu klarifizieren.

„Du hast gehört, was Cynthia überall rum erzählt, oder? Das mit Jean-Luc?“

„Na klar hab ich das gehört. Seh ich so aus als würde ich unter einem Stein leben?“

„Ein bisschen schon. Die Jeans, die du immer trägst, sind einfach nicht anders zu erklären.“

„Hey!“

„Stimmt doch! Dieser Schnitt ist schon zu Tanta Maddys Zeiten out gewesen! Wo hast du die Dinger überhaupt immer her? Aus dem Müll hinter der Altkleidersammlung? Nee, Scherz. Die stehen dir echt gut, auch wenn der Schnitt wirklich uralt ist.“ Ich hob die Augenbrauen. Gwen schluckte mit Mühe ein Lachen herunter. „Zurück zum Thema. Cynthia hat mir heut früh so gegen sieben persönlich geschrieben. Und ein Bild geschickt.“

„Ein Bild? Was denn für ein Bild?“

Gwen hielt mir ihr Handy hin. Sie hatte den Chatverlauf mit Cynthia geöffnet. Das Bild, dass Cynthia geschickt hatte, war ziemlich verschwommen, aber Raphi konnte man darauf trotzdem noch gut erkennen. Er war von der Seite abgebildet, halb verdeckt von einer großen steinernen Sphinx, und er hatte die Arme um den Hals von einem braunhaarigen jungen Mann geschlungen, der ihn gerade auf die Wange küsste. Jean-Luc. Wenn ich nicht gewusst hätte, wer das Bild gemacht hatte, hätte ich es echt süß gefunden. Raphi sah so glücklich aus. Aber so, wie es war, drehte es mir den Magen um.

„Cynthia hat dir ein Beweisfoto geschickt?“

„Sieht ganz danach aus.“

„Wieso?“

„Lies die Nachrichten.“

„Cynthia: Dein hübscher Freund hat ein dunkles kleines Geheimnis. Darauf du: Fragezeichen Fragezeichen Cynthia was soll das. Darauf Cynthia: Ich wäre mir an deiner Stelle nicht so sicher, dass er dich liebt. Offenbar haben die DeVilliers ganz besondere Vorlieben, was ihre Partner betrifft. Dann du: Cynthia rede keinen Scheiß und sag einfach was los ist. Darauf das Bild. Oh. Ooooooh. Also ist es ihr noch nicht genug, Raphael fertig zu machen, sie will deine und Gideons Beziehung mit in den Dreck ziehen.“

„Jup. Ich glaub, sie ist sauer, dass sie den einen Bruder sicher nicht kriegt, und will jetzt auch nicht, dass jemand anderes den anderen bekommt. Oder sie hofft einfach darauf, dass wir uns trennen.“

„Könnte auch sein. So, wie sie euch im Sommer alle Dates vermasselt hat…“

„Oh Gott. Weißt du noch das eine Mal, als sie von Anna rausbekommen hat, dass wir im Kino waren und uns The Dark Knight Rises angeschaut haben, und sie dann mitten in der Vorstellung noch in den Saal geplatzt ist, sich neben Gid gesetzt hat, und ihn dann den kompletten Rest vom Film damit vollgequatscht hat, wie sehr ihr ihr Praktikum in der Anwaltskanzlei von den DeVilliers gefällt? Und dann haben Gid und ich als wir zum Elapsieren in Temple waren Falk gefragt, ob man in der Kanzlei eigentlich Praktika machen kann, und er hat nein gesagt?“

„Wie könnte ich das vergessen? Das war so peinlich.“

„Aber davon abgehalten, Gid nach zu stellen, hat es sie nicht.“

„Das war ja das peinliche dran.“ Wir schnitten beide eine Grimasse.

„Aber nochmal zurück zum Anfang: Warum bist du jetzt auf Gid sauer?“

Gwens Miene schien sich mit einem Schlag zu verdunkeln. Auf einmal sah sie fast aus wie eine jüngere Version von Lady Arista wenn der Florist wieder mal die falschen Blumen liefert, nur dass die dunklen Haare und die blasse Haut nochmal den Eindruck erweckten, sie sei aus so einem alten verfluchten Foto entstiegen. Gruselig.

„Das ist jetzt das allertollste an der Sache. Ich hab sofort nachdem ich das Bild bekommen hab versucht, Raphael an zu rufen, damit er wusste, was auf ihn zu kommt in der Schule. Aber ich hab ihn nicht erreicht. Also hab ich Gid angerufen.“

„Und Gid war…nicht erfreut über die Sache mit Jean-Luc?“

„Schlimmer. Viel schlimmer.“

„Wie das?“ 

„Also. Wie es scheint, wusste Gid schon davon. Und als ich ihm gesagt hat, er soll Raphael sagen, er soll vielleicht zuhause bleiben weil Cynthia sowas ganz sicher nicht für sich behält, hat er ernsthaft angefangen zu lachen und wortwörtlich gesagt: ‚Geschieht ihm recht. Wenn er schon sowas für Aufmerksamkeit vorspielt, dann soll er sich auch nicht wundern, wenn er die dann auch bekommt.‘ “

„Nein. Das glaub ich nicht.“

„Es ist wahr.“

Ich war geschockt. Dass Gideon nicht der toleranteste Mensch auf der Welt war, das hatte ich mir ja irgendwie schon gedacht. Aber das…

„Und was hast du gemacht?“

„Ich hab erst mal vor Wut angefangen zu heulen - “

„Was echt jetzt?“

„Ja! Echt! Kannst du das fassen? Naja, dann hat er natürlich erst mal nen riesen Schreck gekriegt, und dann hat er sofort angefangen, sich zu entschuldigen und zu sagen, dass hätte er nicht so gemeint und so. Und dann hab ich einfach aufgelegt.“

„Hast du nicht.“

„Hab ich doch.“

„Wahnsinn. Gwenny, ich bin ehrlich stolz auf dich.“

Sie lächelte einen Moment lang zufrieden. Und dann fiel der Gesichtsausdruck in Rekordzeit in sich zusammen und ganz plötzlich sah sie aus wie die händeringende besorgte Kammerfrau in jedem Historiendrama, das jemals gedreht wurde.

„Die Sache ist nur – was mach ich jetzt? Ich meine, ich kann ihn nicht totschweigen, dass haben wir ja letztes Jahr mit dem Grafen gemerkt wie gut das funktioniert. Und obendrein haben wir da nächste Woche noch diesen komischen Besuch bei den Tudors im sechzehnten Jahrhundert oder so, also kann ich nicht mal darum bitten, zu einer anderen Zeit zu elapsieren, weil wir uns noch vorbereiten müssen und Grußformeln lernen und alles. Aber ich kann das doch nicht einfach so stehen lassen! Ich meine, Les, das ist schrecklich was Gid da macht! Und als seine Freundin fühle ich mich doch irgendwie ein bisschen verantwortlich für diese Scheiße, ich meine, als wir damals Bend It Like Beckham geschaut haben und er die ganze Zeit so komische Kommentare über Keira Knightley gemacht hat, da hätt ich doch was sagen können, oder? Oder als Sahra von ihrem Onkel und seinem Freund von der Schule abgeholt wurde und er die ganze Zeit nur darüber geredet hat, dass er es ja toll findet, dass Männer heutzutage offener Zuneigung zu ihren Freunden zeigen können ohne gleich als feminin abgestempelt zu werden, oder als er gesagt hat, dass er nicht auf Giordanos Geburtstagsfeier gehen will, weil - “

„Gwen, Gwen, stopp. Atme erst mal gaaaaanz tief durch. Und dann setzt dich hin und hör mir mal ganz genau zu: Du bist Gideons Freundin, nicht seine Erziehungsberechtigte. Außerdem ist der Arsch einundzwanzig Jahre alt, seine bescheuerten Weltansichten sind zu einhundert Prozent seine eigene scheiß Verantwortung. Hättest du was sagen können? Klar. Ist es deine Schuld, dass dein Freund offenbar ein homophober Wichser ist? Nein. Du darfst dich nicht für seine Entscheidungen verantwortlich machen!“

„Ja, aber- “

„Nichts aber! Wir als Frauen werden von Kindesbeinen an dazu erzogen, uns für alles verantwortlich zu fühlen, was in der Männerwelt schiefläuft! Das musst du erkennen lernen und dann dagegen ankämpfen! Verdammt, Gwen, stell dir vor, Gideon schießt morgen den Selfridges um die Ecke zusammen. Ist das dann auch deine Schuld, weil du seine Wohnung nicht zwei Mal täglich nach Waffen durchsuchst?“

„Du hast Recht.“

Ich lies mich auf Gwens Schreibtischstuhl sinken. Meine Güte, ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich vor Erregung aufgesprungen war.

„Natürlich hab ich Recht. Ich bin schließlich Leslie Hay, und ohne mich wärst du verloren.“

„Pass auf, du klingst schon fast wie Charlotte.“

„Pah! Als ob! Mit der Ziege hab ich nichts gemeinsam!“

„Ich glaube, du wärst überrascht.“

„Was soll das denn heißen?“ Irgendwie war mir das Thema unangenehm. Ich? Charlotte? Gemeinsamkeiten? Uahhh, bäh, niemals. „Und überhaupt, wieso reden wir jetzt plötzlich über mich und Charlotte? Ich dachte, hier geht’s um dich und Gideon.“

„Ich sag ja nur.“ Irgendwie gefiel mir nicht, wie Gwen mich ansah. „Aber du hast Recht. Was mach ich denn jetzt mit der ganzen Sache?“

„Hmmm…ich glaube, ich hätte da schon ein paar Ideen…“

.

Am Wochenende traf ich mich mit Raphi. Und darüber war ich echt froh, als ich am nächsten Montag auf dem Gang stand und zusah, wie er das Schulgebäude betrat. Sobald er nämlich den Schulhof betrat wurde er von allen Seiten geradezu mit Fragen und Kommentaren bombardiert. Es formte sich in Sekundenschnelle eine riesige Menschentraube um ihn herum, und diese löste sich erst auf, als zehn Minuten nach Stundenbeginn Mr. Derrysworth, der neue Geschichtslehrer, den Kopf aus seinem Klassenzimmer streckte und der versammelten Menge eine Standpauke über schülerische Verantwortung hielt, die sich gewaschen hatte. Kaum vorzustellen, mich da durch zu zwängen. Wenn ich wirklich so lange gewartet hätte, um mit ihm zu reden, ich glaube, das wäre für uns beide wirklich nicht schön gewesen.

 Montags deckte sich mein Stundenplan mit Ausnahme der ersten beiden Stunden komplett mit Raphaels, und ich setzte mich immer, wenn ich konnte, neben ihn und guckte fies, wenn jemand ihm eine blöde Bemerkung zu flüsterte.

Raphael hatte mir Samstag nämlich über heiße Schokolade und Marmeladentörtchen in unserem Lieblingscafé wirklich alles nochmal ganz genau erklärt – das mit Jean-Luc und der Parisfahrt, das mit der Bisexualität, und das mit Cynthia und dem Louvre.

Ich war absolut stinksauer.

Also, noch stinksaurer, als ich es vorher sowieso schon war.  Ich hatte deswegen beschlossen, Raphi zu beschützen und zu unterstützen, so gut ich konnte. Ich hatte meinen bösen Blick stundenlang im Spiegel geübt – an Gwens Oma kam ich nicht ran, aber es war trotzdem ganz ordentlich-, mich im Internet über die top 10 besten Argumente, um Homophobe für immer zum schweigen zu bringen informiert, und mich darauf vorbereitet, um Raphaels Willen mit Charlotte zusammen zu arbeiten.

Diese Vorbereitung hatte hauptsächlich daraus bestanden, mir zu überlegen wie ich Charlotte ihre fiesen Unterstellungen von letzter Woche heimzahlen konnte, ohne dass Raphi etwas mitbekam. Ich war nicht sehr erfolgreich gewesen, was das anging. Was Rache betraf hatte ich immer schon ein Faible für unübersehbare Gesten gehabt.

Während des Stundenwechsels und in den Paar Stunden, die Raphi, Charlotte, und ich gemeinsam hatten, ignorierte ich Charlotte deshalb einfach komplett, aber das klappte nur bis zur Freistunde in der Fünften. Quasi die gesamte Schule wartete auf dem Pausenhof auf uns, wie eine Meute Hunde, die einen Fuchs im Bau wittert, und deswegen hatte Raphael die geniale Idee, in einem unbeobachteten Moment aus dem großen Fenster vom Jungsklo, das in Richtung Straße öffnete, zu klettern und die Freistunde im nächstgelegenen Dunkin‘ Donuts zu verbringen.

Das einzige Hindernis, die Vorrichtung, die verhinderte, dass man das Fenster weiter als einen Spalt breit öffnen konnte, hatte Charlotte innerhalb von 30 Sekunden mit einem winzigen Taschenmesser, das sie aus einer ihrer Rocktaschen zog, erledigt. Ich fand das wahnsinnig cool, wollte es aber nicht zu geben, und schwieg deswegen die ganzen zehn Minuten, die wir bis zum Laden brauchten.

Charlotte fragte Raphael währenddessen über alle aus, die ihm heute Probleme gemacht hatten. Ich hatte fast den Eindruck, sie merkte sich alle Namen, um die dann alle nach der Schule abzupassen und zu verprügeln.

Ob Charlotte wohl auch Schlösser knacken konnte? Bestimmt, oder? Schließlich hatte Gideon damals ja angedeutet, dass das quasi zur Ausbildung eines Zeitreisenden dazu gehörte. War sie gut darin? Wenn sie beim Mysterienunterricht genauso eine Streberin war wie in der Schule, dann war sie bestimmt besser als James Bond. Ob sie wohl das Schloss vor der Tür im U-Bahn-Gang letztes Jahr hätte schneller knacken können als Gideon? Vielleicht sollte Gwen sich von Charlotte mal Schlösserknacken beibringen lassen, dass würde ihr in der näheren Zukunft bestimmt einige Nahtoderfahrungen sparen, wenn das alles stimmte, was sie über ihre Missionen erzählte. Vielleicht sollte ich mir –

„Leslie? Hallo? Irgendwer zuhause?“ Charlotte schnipste mir mit den Findern vorm Gesicht rum. Ups, da war ich wohl kurz weggetreten. „Du bist dran.“

„Ähhh, ja, einen Schokodonut, einen mit Erdbeerfüllung, und einen großen Kaffee bitte.“

Charlotte verzog abwertend den Mund.

„Bist du dir ganz sicher? Also bei der Menge an Kohlenhydraten und gesättigten Fettsäuren würde ich an deiner Stelle doch zwei Mal überlegen. Und die langkettigen Polysaccharide in der Schokoglasur können vom menschlichen Verdauungssystem nicht mal komplett aufgespalten werden, wusstest du das? Das wird dann alles so eingelagert, wie es ist.“

„Meine Güte, Charlotte, wenn’s dich stört wie ich esse dann schau halt nicht hin!“

Darauf lächelte sie zuckersüß. Der Leberfleck am Kinn hüpfte ein paar Millimeter zur Seite.

„Ich will doch nur, dass du weißt, was du dir da gerade alles in den Körper steckst! Es würde dir auch nicht schaden, ein wenig auf dich Acht zu geben, vor allem in Bezug auf deine Ernährung sehe ich da ja bedarf für- “

Ich hatte schon den Mund auf, um ihr mal gehörig die Meinung zu geigen – ich meine, hallo? wenn sie was gegen Donuts hatte hätte sie ja nicht mitkommen müssen!- aber Raphi kam mir zuvor.

„Ach komm Charlie, lass die zukünftige Diätberaterin mal zuhause. Ich weiß du meinst es gut, aber manchmal kommt das echt fies rüber, chérie. Il faut se montrer tolérant.“

„Genau, Charles, leben und leben lassen. Ich halte dir ja schließlich auch nicht jedes Mal einen Vortrag über Klimapolitik und saisonales Gemüse, wenn du mitten im Winter Erdbeeren isst.“

Ha! Endlich war mal jemand auf meiner Seite! Charlotte sah echt beleidigt aus.

„Zu deiner Information, in unserer Küche steht ein Automat, der nennt sich Gefriertruhe, das schreibt man Gee- friiiier-truuu-heeee, mit dem kann man auch außersaisonales Obst, Gemüse und sogar Fleisch für mehrere Monate präservieren und dann einfach wieder auftauen! Aber vielleicht kennt man so etwas in den bildungsfernen Schichten nicht, wenn du willst könnte ich dir durchaus einmal Zutritt zu unseren Kellergemäuern gewähren und den Gebrauch eines solchen Gerätes demonstrieren, ich verspreche auch, keine Fachbegr- “

„Jetzt hör mir mal ganz genau zu, du eingebildete fiese kleine- “

„Ladies! Ladies, beruhigt euch mal kurz!“ Raphi hatte sich zwischen uns aufgebaut und schaute mit einem geradezu komisch bekümmerten Gesichtsausdruck zwischen uns hin und her. „Wir sind nicht hierhergekommen, damit ihr euch über Kühltruhen streiten könnt! Wir sind hier um Donuts zu essen und fiese Geschichten über Cynthia zu erzählen! Also können wir uns bitte einfach irgendwo hin setzten und eine halbe Stunde lang so tun als wärt ihr keine Erzfeinde oder was auch immer! Bitte.“  

Oh nein. In meinem Eifer, Charlotte fertig zu machen, hatte ich Raphael und den eigentlichen Grund, warum wir überhaupt hier waren, glatt vergessen, und Charlottes zerknirschten Gesichtsausdruck zu urteilen nach, ging es ihr genauso. Wir tauschten einen Blick aus.

„Letztens, als ich beim Fechten war, hab ich mit Morgan Smith geredet, wisst ihr noch? Die, die angeblich die Schule gewechselt hat, weil Cynthia sie gemobbt hat?“

Ich nickte erleichtert. Raphael sah verwirrt aus.

„Morgan Smith?“

„Klein, asiatisch, amerikanischer Akzent, hat immer diesen angeekelten Gesichtsausdruck gehabt, wenn du deine Krawatte nicht richtig gebunden hast.“

„Da klingelt nichts.“

„Kein Wunder.“, sagte ich. „Erstens passt sie nicht in dein Beuteschema, und zweitens ist sie so fünf Tage, nachdem du zu uns gekommen bist, auf die Frognal Academy gewechselt.“

„Passt nicht in mein Beuteschema? Was soll das denn bitte heißen?“

„Keine Sommersprossen, unter Körbchengröße C.“

Charlotte verschluckte sich fast an ihrem Kaffee.

Ich deutete auf mich. „Beweisstück A.“

Charlotte hatte ihr Handy gezückt und hielt es uns hin. Auf dem Bildschirm war ein Bild von Raphi am Pool zu sehen, neben Jean-Luc, der sich ein Bikinioberteil vor die Brust hielt und dazu übertrieben die Kamera anschmachtete. Er füllte die Körbchen tatsächlich gar nicht mal so schlecht aus.

„Beweisstück B.“

Charlotte lächelte überlegen, und normalerweise hätte ich dieses Lächeln echt nervig gefunden, aber in diesem Kontext war es das witzigste überhaupt. Und Raphis absolut empörter Gesichtsausdruck verstärkte das nur. Ich spürte, wie sich ein eigenes fieses Grinsen auf meinem Gesicht breit machte.

„Oh man! Hört auf, so zu lächeln! Was ist denn jetzt mit Maggie Smith?“

„Morgan Smith.“, korrigierte ich ihn.

„Meinetwegen, dann halt Morgan Smith. Charlie erzähl endlich weiter.“

Charlotte lehnte sich mit dem Kaffeebecher in der Hand in ihrem Stuhl zurück.

„Also. Wie schon gesagt, ich treffe Morgan beim Fechten. Und nachher in der Umkleide spricht sie mich an, ob ich eigentlich noch so gut mit Cynthia befreundet bin. Und ich sage, nein, wieso, und sie meint, sie müsse mir unbedingt von diesem einen Gerücht erzählen, was bei denen in der Schule um geht.“

„Warte. Die auf der Frognal kennen Cynthia?“

Charlotte sah etwas irritiert aus, dass ich sie unterbrochen hatte.

„Offenbar. Naja, wie ich dabei war, zu erzählen – wie es scheint, hat unsere liebe Cindy auf irgend eine Weise die Nummer von einem der Jungs aus der Mittelstufe bekommen. Und hat ihm dann weis gemacht, sie wäre eine berühmte Schauspielerin, und wolle sich mit ihm treffen. Als er dann am Treffpunkt aufgetaucht ist, hat sie ihn gefilmt, wie er mit einem Strauß Rosen eine halbe Stunde lang im Restaurant gewartet hat, und dann ist sie offenbar hinein gegangen, hat ihm die Aufnahme gezeigt, und dann gedroht, sie werde das alles öffentlich machen, wenn er ihr nicht Karten für irgend so einen komischen Ball besorgen würde. Und jetzt hat sie offenbar eine Anklage wegen Erpressung am Hals.“

„Irgendwie, je mehr ich über Cynthia erfahre, desto mehr tut ihr mir Leid, weil ihr sie schon seit mindestens der Fünften kennt, und nicht erst seit letztem Jahr wie ich.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Jeder Film braucht einen Bösewicht, oder? Ich meine, wenn das hier Die Tribute von Panem wäre, könnte nicht jeder Jennifer Lawrence sein. Und eigentlich war sie auch nicht so schlimm, die letzten Jahre.“

Charlotte schnaubte verächtlich.

„Hast du was zu sagen, Charles?“

„Ach, nichts. Ich finde es nur witzig, wie du das einfach so leicht sagen kannst. ‚Cynthia ist gar nicht so schlimm. Jede Geschichte braucht einen Bösewicht.‘ Vielleicht solltest du mal daran denken, dass wir hier in der realen Welt leben. Das ist hier nicht so wie in einem von den Filmen, die Gwen und du so gerne guckt, wo sich am Ende alle wieder vertragen. Manche Dinge sollte man nicht verzeihen, und diese laissez-fair Einstellung gegenüber personaler Verantwortung, die du anscheinend hast, finde ich ehrlich beschämend.“

„Und ich finde es witzig, wie du hier mal wieder die Heilige spielst, obwohl du doch bis letztes Jahr noch ihre allerbeste Freundin warst.“

„Ich war nicht ihre allerbeste Freundin, ich hab sie nur ab und an meine Aufsätze abschreiben lassen. Und außerdem-“

„Du hast sie als einzige deine Aufsätze abschreiben lassen, du hast dich mittags immer an ihren Tisch gesetzt, du warst auf jeder ihrer Partys eingeladen UND bist aufgetaucht, und jeden Sommer bist du mit ihr ins Kino gegangen und Schwimmen und Eis essen, und immer, wenn Gwen dich eingeladen hat, hast du ihr einen Vortrag über Diabetes und leere Kalorien gehalten. Sorry, aber wenn ihr nicht best friends wart, was wart ihr bitte dann?“

„Hast du vielleicht schon mal in Betracht gezogen, dass ich einfach nur nicht mit euch beiden Eis essen gehen wollte? Hm? Dass ich einfach nur keine Lust darauf hatte, zu zusehen, wie ihr euch gemeinsam industrielle Mengen an Farbstoffen und künstlichen Aromen reinschaufelt und dabei auf einem Niveau Konversation betreibt, das so tief ist, dass man es im Mariannengraben unterm Teppich hätte ausbuddeln müssen?“

„Ach, und Cynthia ‚The Sun‘ Dale betreibt Konversation auf einem höheren Niveau?“

„Leslie, Charlotte, ich glaube wirklich nicht-“

„Im Vergleich zu euch, sicher. Immerhin spricht sie ab und an auch Themen an, die etwas politisch relevanter sind als ‚kannst du glauben, dass Christian Bale Batman spielt‘.“

„Mädels, vielleicht sollten wir wirklich das Thema wechseln und lieber über-“

„Oho, ‚Gordon Gelderman könnte so heiß sein wenn er sich endlich mal den komischen Bartflaum abrasiert und den Stimmbruch überwindet‘ hat also politische Relevanz, ja? Wird diese Information deine Wahlentscheidung für 2015 maßgeblich beeinflussen? Hast du mit dieser Aussage etwas gelernt, das deine Ansichten ins Wanken bringt?“

Charlotte stand abrupt auf und knallte beide Handflächen auf den Tisch. Aus ihren Augen schienen förmlich Blitze zu schießen, ihre Wangen waren zart gerötet, und ich erwartete halb, dass ihr gleich Rauch aus den Ohren kommen würde, wie in einem Comic. Zwei unserer Kaffeebecher fielen um, nur Raphi konnte seinen in letzter Sekunde retten.    

„Du kleine miese Ratte hast doch absolut keine Ahnung, was-“

„Entschuldigung?“

Wie als hätten wir es choreographiert drehten wir uns alle drei in einer flüssigen Bewegung zu dem Mittzwanziger in Dunkin‘ Donuts Uniform um, der vorhin noch hinter der Theke gestanden hatte und sich jetzt vor unserem Tisch aufgebaut hatte.

„Ich muss sie leider bitten, die Filiale zu verlassen. Sie stören die anderen Gäste.“

„Welche anderen Gäste?“ Ich stemmte die Hände in die Hüften. „Außer uns ist niemand hier.“

„Hätten sie lieber, dass ich ihnen Hausverbot erteile?“

„Nur zu.“ Charlotte hatte sich neben mir aufgebaut. „Allerdings wird sie vielleicht interessieren, dass meine Familie-“

„Zut, Charlie, lass uns einfach verschwinden.“ Raphi packte jede von uns am Arm und zog uns energisch nach draußen auf den Fußweg. Ich drehte mich noch schnell um und schnappte die Papiertüte mit meinen Donuts, die immer noch unberührt auf dem Tisch lag.

„Ich kann nicht glauben, dass du ernsthaft versucht hast, dich mit einer ‚meiner Oma gehört dieser Laden‘ Nummer rauszureden versucht hast, Charles.“

„Und ich kann nicht glauben, dass du ernsthaft noch diese schrecklichen Fettkringel mitnehmen musstest.“

„Wieso sollte ich sie da liegen lassen, kannst du mir das erklären? Ich hab schließlich für die Dinger bezahlt!“

Raphi blieb urplötzlich stehen. Weil er immer noch sowohl mich als auch Charlotte am Arm fest hielt und keine von uns auf einen plötzlichen Stopp vorbereitet gewesen war, fielen wir fast übereinander.

„Wisst ihr was, ich hab genug von eurem ewigen Gezanke.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und setzte einen entschlossenen Gesichtsausdruck auf.

„Und ich weiß auch, wie wir das hinkriegen, dass ihr beide aufhört euch ständig wegen jeder Kleinigkeit anzukeifen.“

„Ach ja?“ Charlotte verschränkte auch die Arme vor der Brust, nur sah sie nicht entschlossen aus, sondern so, als könnte sie jeden Moment einen Karateschlag gegen Raphis Kiefer ausführen. Ihn schien das nicht zu stören. „Und warum müssen wir uns überhaupt vertragen?“

„Weil ihr meine Freundinnen seid, und ich jedes Mal, wenn ich was mit euch beiden zusammen unternehmen will, auf eine nukleare Explosion gefasst sein muss, und das nervt echt.“ Er grinste schelmenhaft. „Aber ich weiß schon genau, wie ich das geregelt krieg!“

Er zückte sein Handy. Ich sah, dass er WhatsApp geöffnet hatte. Er tippte auf die Option ‚neue Gruppe erstellen‘. Ich ahnte schreckliches. Sag es nicht, sag es nicht, sag es nicht –

„Groupchat!“

Notes:

Glaube ich, dass die Montroses Aktien der Dunkin Donuts Gesellschaft besitzen? Nein. Würde Charlotte sich trotzdem mit "meine Oma besitzt den größten Anteil an der Firma Sie können mir nichts tun ohne ihren Job zu verlieren" raus zu reden versuchen weil sie genau weiß, dass das niemanden, der bei Dunkin Donuts arbeitet, interessiert, wem die Firma eigentlich gehört und es deswegen eine ziemlich gute Chance gibt, dass man ihr glaubt? Absolut.
Der Film "Bend It Like Beckham" aus dem Jahr 2002 ist übrigens allerwärmstens zu empfehlen. Hier habe ich ihn erwähnt, weil ein Running Gag im Verlauf der Handlung ist, dass die Mutter von Jules (gespielt von Keira Knightley) denkt, ihre Tochter sei in einer romantischen Beziehung mit der Hauptcharakterin Jess (gespielt von Parminder Nagra). In Wirklichkeit gibt es Fußballdrama. Der Film ist auf Netflix (unter dem deutschen Titel "Kick It Like Beckham"), wenn ihr euch was Gutes tun wollt. Wer aufmerksam liest erinnert sich an den Titel aus einem der letzten Kapitel. Das liegt daran, dass ich aus irgend einem Grund im Hinterkopf hatte, dass es neben dem Film auch eine britische Kultserie mit dem selben Titel gibt, die bis Mitte der 2010er lief. Tja, das kommt davon, wenn man nicht alles an Popkultur googelt, was man in so eine Fanfiction rein schreibt.
Was haltet ihr übrigens von der Kapitellänge? Ohne hier spoilern zu wollen, aber von dem, was ich geplant hab für die Geschichte haben wir jetzt mehr oder weniger gerade erst richtig angefangen, und ich dachte mir, wenn das Ding am Ende 50 + Kapitel hat, die alle nur so 1k lang sind, wird das ziemlich nervig zu lesen. Außerdem hab ich mich (endlich) ein wenig eingeschrieben und mit den längeren Kapiteln hab ich nen deutlich besseren Flow. Nachteil an der Sache ist halt, dass es etwas länger mit den Updates dauert.
Aber was ist euch lieber? Die Länge? Kürzer? Länger? Schreibt's in die Kommentare, und wenn's euch gefallen hat, freu ich mich natürlich auch, wenn ihr ein Kudos oder ein Review da lasst ;)

Chapter 9: Raphael @ Leslie & Charlotte

Notes:

Ein Chatgenerator, der einen Gruppenchats erstellen lässt, ist eine ernsthafte Marktlücke.

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

 

Du hast dir Gruppe Les trois friends erstellt

Du hast Leslie und Charlie hinzugefügt

 

also ok hier snid die regeln

1 ich hab euch beide privat blockiert also entweder hier reden oder garnicht

2 keine streits

3 wer wen beleidigt ohne guten grund wird rausgeschmissen 😊

 

Charlie

Und was wenn ich mal was GANZ PRIVATES mit dir besprechen muss???

 

musst du mich halt anrufen XD

Leslie

Und wenn man dich gerade nicht anrufen kann?

Oder du grad beschäftigst bist oder so?

pech

 

Charlie hat den Gruppennamen zu Les trois ennemis geändert

 

Leslie

äääähm

 

Leslie hat den Gruppennamen zu Les deus ennemis + Raphi geändert

 

Wenn dann machs wenigstens richtig Charles : )

 

Charlie

: )))))

Charlie hat den Gruppennamen zu Les deux ennemis + Raphi geändert

 

Sagt offenbar genau die Richtige : ))))))))

 

Leslie

🙄

: (

seid nett zueinander

 

Du hast den Gruppennamen zu <3 wir sind hier alle freunde <3 geändert

 

Charlie

:/

 

Leslie

:/

 

Charlie hat den Gruppennamen zu Raphi Protection Squad (NOT friends) geändert

 

Leslie

Besser

 

Charlie

:)

: (

Du hast den Gruppennamen zu <3 WIR SIND HIER ALLE FREUNDE <3 geändert

 

Charlie

Nein

 

Leslie

Nein

doch : ))))

sosnt red ich garnicht mehr mit euch : ))))))

Notes:

Es nimmt langsam alles Fahrt auf >:)

Chapter 10: Charlotte

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Als sich diese Nacht gegen elf ein dumpfer Bass durch die Decke zu mir ins Zimmer wummerte, war ich vorbereitet. Ich zog also die Schublade von meinem Nachtschränkchen auf, wühlte ein wenig herum, bis ich in dem Chaos die kleine Blechdose gefunden hatte, die ich mir von Mr. Bernhard besorgt hatte, und fischte das größte Paar Schaumgummiohrstöpsel heraus, das ich fand. Ich drehte die Teile vorsichtig zu einer Spirale, schob sie mir in die Ohren, und atmete erleichtert tief durch. Stille.

 

Gruppe <3 WIR SIND HIER ALLE FREUNDE <3

 

Ich

 

Ohrstöpsel sind die beste Erfindung aller Zeiten und wer auch immer die Idee dazu hatte verdient einen Friedensnobelpreis

 

Leslie :/// 

 

wozu brauchst du um halb 12 an einem Wochentag Ohrstöpsel machen eure Nachbarn ü80 Disco oder was

 

Ich

 

Es ist November unsere Nachbarn sind alle auf Teneriffa

 

Leslie :///

 

Weiß ich doch nicht!

Wozu brauchst du jetzt die Ohrenstöpsel wenn eure Nachbarn so still wie immer sind?

 

Ich

 

Warum interessiert dich das überhaupt?

 

Leslie :///

 

DU hast das in den Chat geschrieben!!!!!!!!!!!!!

Außerdem ist mir sau langweilig

 

Ich

 

Bist du nicht im LK Chemie

Ich dachte ihr schreibt morgen Kurzarbeit

 

Leslie :///

 

Ja und?

 

Ich

 

Musst du nicht lernen????

 

Leslie :///

 

Ja und????

Kann ich nicht gleichzeitig lernen und mich langweilen???

 

Ich

 

Oh tut mir leid dass ich nicht verantwortlich sein will wenn du morgen eine 6 schreibst

 

Leslie :///

 

Ich steh in Chemie auf 1,0 selbst wenn ist das für meinen schnitt egal

 

Ich

 

Ach und das soll ich wissen

 

Leslie :///

 

Nein, das solltest du nicht wissen

Deswegen hab ichs dir ja grad gesagt

Anyways was ist jetzt mit den Ohrstöpseln

 

Ich

 

Mein Zimmer ist direkt unter Gwens

Und ich hasse ABBA

 

Leslie :///

 

Gwen hört ABBA?

nicht gut

und WIE KANN MAN ABBA HASSEN?????????

 

Ich

 

Abba ist schrecklich

Und was meinst du mit ‚nicht gut‘?

 

Leslie :///

 

ABBA ist alles was gut ist in dieser Welt eingewickelt in bunten Kostümen und garniert mit den besten Melodien die sich jemals jemand ausgedacht hat

Gwen hört immer ABBA wenn sie Streit mit Gideon hatte

Aber wenns nur ABBA ist isses noch nicht zum Äußersten gekommen damals als die sich kurz getrennt hatten wars Halleluja von Bon Jovi und eine scheiß Menge Linkin Park

 

Ich

 

Gid hört auch immer Linkin Park wenn er traurig ist aber das macht er auch so

Bei ihm kommts auf die Lieder drauf an

ABBA ist der Soundtrack der Hölle und das einzige, was schlimmer ist, ist die Halleluja Version von Bon Jovi

 

Leslie :///

 

Gott ja die ist sowas von scheiße!!!!!!!!!!!

Absolut 0 Gefühl

 

Ich

 

Und die Gitarre!!!!

 

Leslie :///

 

Gleiches Gefühl wie Bachs Toccata & Fugue in D Moll auf einer Melodika

 

Ich

 

HA

Die einzig gute Coverversion ist eh die von Jeff Buckley

 

Leslie :///

 

Kenn ich nicht ich kenn nur das Original & die Bon Jovi Kacke

 

Ich

 

https://www.youtube.com/watch?v=y8AWFf7EAc4

 

Leslie :///

 

:,O

Ich bin am heulen

 

Ich

 

>: )

 

Raphi :)

 

awww ihr werdet ja doch ganz schnell ffreunde <3 <3 <3

 

Leslie :///

 

Nur weil man denselben Musikgeschmack hat heißt das nicht automatisch dass man Freunde ist!!!!

 

Ich

 

^^

 

ABBA war für Gwen also der Kurz-vor-der-Trennung Soundtrack? Das hatte ich nicht gewusst. Vielleicht sollte ich mir doch Raphis Rat einmal zu Herzen nehmen und versuchen, ein wenig nett zu den Leuten um mich herum zu sein. Schaden konnte es ja nicht, oder? Höchstens meinem eigenen Image, aber das hatte ich ja sowieso nicht lieb.

 

.

 

„Wie ihr sicherlich alle schon von den Jahrgängen vor euch gehört habt, mache ich im vorletzten Halbjahr vor den A Levels keine mündlichen Noten.“

Mrs. Priddy rückte sich ihre Brille zurecht. Oh Gott, mir taten die Ohren weh. Die Stöpsel hatten doch einen entschiedenen Nachteil.

„Stattdessen werdet ihr in Zweiergruppen ein zwanzigminütiges Referat halten, und zwar zu einem Thema, dass wir so zwar nicht im Unterricht behandelt haben, was aber trotzdem mit dem Stoff der letzten zwei Jahre zusammenhängt. Die Themen sind vorgegeben, ich schreibe euch gleich eine Liste an die Tafel, wenn ihr die abgeschrieben habt, könnt ihr gehen. Überlegt euch bitte, mit wem ihr zusammenarbeiten wollt und welches Thema ihr haben wollt, und diskutiert das untereinander aus, ja? Am Montag hätte ich dann gerne, dass ich das einfach alles eintragen und Termine vergeben kann.“

Als ob es nicht schon Stress genug wäre, den ganzen Stoff seit der Elften nach zu holen! Jetzt auch noch diese Kacke! Meine einzige Chance, das einigermaßen zu überleben, war, ein Thema zu erwischen, was mir gut lag. Mal sehen…Klassische und Operante Konditionierung als Mittel der Werbeindustrie…Rezessiv vererbte Krankheiten in den Königshäusern Europas…Die Bedeutung von Einzellern als Glied der Nahrungskette…Biodiversität- Tod der modernen Landwirtschaft?...Massensterben als Mittel der Evolution…Altruismus im Bienenstaat…Methoden der Pränataldiagnostik…Lebenszyklus des Frosches…Parkinson und Alzheimer als Beispiele degenerativer Nervenkrankheiten…Die Geschichte des Giftmordes- BINGO!

Ich hatte im Mysterienunterricht ungefähr alles über Gifte lernen müssen, was es überhaupt zu wissen gab. Woraus man sie machte, wie sie schmeckten, wo ich sie herbekommen konnte, welche Symptome sie hervorriefen, wie lange es dauerte, bis man starb, usw. Damals hatte ich gedacht, es ginge um meine eigene Sicherheit. Nach der Sache mit Mr. Whitman war mir langsam schleichend der Verdacht gekommen, es ging darum, dass ich wusste, welches Pulver ich in den Tee von ungeliebten Widersachern des Grafen schütten sollte.

Aber die Loge hin oder her – dieses Thema war meine einzige Chance auf eine halbwegs gute Note für dieses Halbjahr. Hoffentlich hatte sonst niemand allzu großes Interesse. Und dann war da ja noch die Sache mit der Partnerarbeit. Cynthia fiel als Partnerin durch, das war ja wohl klar. Außer ihr war aber annähernd niemand sonst im Kurs, den ich halbwegs gut kannte, außer Leslie natürlich. Aber mit Leslie zusammenarbeiten? Nach den Sachen, die ich ihr an den Kopf geworfen hatte? Und den Dingen, die sie danach mit meinem Spind und meiner Uniform gemacht hatte? Absolut außer Frage.

Vielleicht konnte ich ja Sahra ansprechen. Die war zwar heute nicht da, aber sie hatte nur ein Volleyballturnier. Morgen in der Mittagspause könnte ich sie sicher fragen. Oder noch besser, ich ging zu Mrs. Priddy und bat darum, alleine arbeiten zu dürfen. Waren wir im Kurs nicht sowieso eine ungerade Anzahl, seitdem ich dazugekommen war? Außerdem war es eigentlich unfair, dass irgendwer gezwungen sein sollte, mit mir Partnerarbeit zu machen. Ich meine, ich war im letzten Jahr in den Biokurs gewechselt und hatte die Prüfung, die ich dafür hatte ablegen müssen, nur mit Müh und Not bestanden. Ich würde ungefähr jeden, der mit mir arbeiteten musste, um Noten runterziehen, es sei denn, wir würden einzeln bewertet. Aber ich bezweifelte ehrlich, dass sich Mrs. Priddy die Mühe machen würde, bei dreiundzwanzig Schülern.

„Charlotte, weißt du schon, welches Thema du haben willst?“

Ich zuckte fast zusammen. Anna hatte sich vor mir aufgebaut und tippte ungeduldig mit ihrem Schuh auf den Fliesen.

„Also?“

„Ähh ja, ich dachte mir, die Geschichte des Giftmords wäre ganz interessant.“

„Sehr gut. Ich wollte nämlich den Lebenszyklus des Frosches, dann kommen wir uns also schonmal nicht in die Quere. Wir sehen uns dann in der sechsten.“

„Ja…bis Chemie dann.“

Oh Kacke. Daran, dass ich eventuell nicht die einzige war, die das Thema haben wollte, hatte ich noch gar nicht gedacht. Sollte ich jetzt auch noch im ganzen Kurs jeden einzeln ansprechen, um heraus zu finden, mit wem ich diskutieren musste, um mein Traumthema zu bekommen? Da hatte ich nicht die Zeit zu! Von den Nerven mal ganz abgesehen!

„Charlotte, welches Thema wolltest du haben?“

Christy diesmal. Mit einem Zettel in der Hand.

„Das mit den Giftmorden.“

„Ah. Schlüssel-Schloss-Prinzip, ATP Verarbeitung, Hormone, Aufbau des ZNS, und noch eine geschichtliche Komponente. Da hast du dir ja ganz schön was vorgenommen.“

Sie kritzelte irgendwas auf den Zettel. War das etwa…

„Machst du eine Themenliste?“

„Jup. Damit wir am Ende nicht alle dasselbe nehmen. Du hast Glück, guck, außer dir wollte das mit dem Gift noch niemand haben.“

„Du hast aber noch nicht alle gefragt, oder?“

„Nee aber fast. Die meisten haben ja schon ihre Partner gefunden und dann muss ich nicht jeden einzeln fragen. Mir fehlen aber auch nur noch so fünf Leute, also es sieht ziemlich gut aus für dich.“

Meine Güte, da war ich ja erleichtert. Eine Sorge weniger.

„Das ist echt toll, dass du das machst. Wenn ich jeden einzeln fragen müsste ich glaube ich würd wahnsinnig werden.“

Christy sah mich verwundert an. Kam ich wirklich so kalt rüber, dass die Leute überrascht waren, wenn ich nett zu ihnen war?

„Ich machs ja gern. Also dann ich muss los.“

„Ja, tschüss.“

Ich winkte wie irgendein bedröppelter Nerd. Meine Güte, was tat ich denn da? Ein Mal war ich nett zu wem und schon gingen mir die Gehirnzellen flöten. Ich drehte mich um, umklammerte fest den Riemen von meiner Tasche und stapfte den Gang entlang.

Also jetzt nur noch die Sache mit der Partnerarbeit. Was würde ich machen, wenn Sahra nicht mit mir zusammenarbeiten wollte? Oder schon wen anders hatte? Und Mrs. Priddy mich nicht alleine arbeiten lassen würde? Im schlimmsten Fall würde sie mich wahrscheinlich irgendwem zu teilen. Ob ich dann wenigstens das Thema behalten durfte?

In der Freistunde verzog ich mich an einen Tisch in der Ecke des Aufenthaltsraumes und versuchte, mir noch einmal den ganzen Lateinstoff rein zu quetschen, den ich letzte Woche wegen Physik und den Essays für Englisch komplett vernachlässigt hatte. Ich war, dank der Loge, was Übersetzungen anging ziemlich fließend, aber wir nahmen in Vorbereitung auf die A Levels gerade noch einmal Petron durch, und da hatte auch ich ganz schön zu büffeln.

Dass ich von Seneca bis Marc Aurel praktisch aus jedem philosophischen Werk das jemals auf Latein verfasst wurde zitieren konnte und von Catull und Martial und den ganzen anderen homoerotischen Dichtern nicht einmal gehört hatte als ich in die Oberstufe kam, war angesichts der ganzen Homophobie in der Loge nicht überraschend, aber sehr frustrierend. Ich war gerade dabei, mir zum wiederholten Mal den Artikel über das ambivalente Genre des Satyrikons, den wir laut Mrs. Wordsmith praktisch im Schlaf können sollten, zu Gemüte zu führen, als sich Christy zu mir an den Tisch setzte.

„Also ich hab gute Nachrichten für dich.“

„Gute Nachrichten?“

„Ja, wegen Bio.“

Sie zog den Zettel von heute früh aus einer Tasche an ihrem Rucksack.

„Hier, guck.“

Sie zeigte auf eine Zeile. ‚Giftmordgedöns‘ stand da, und daneben zwei Nummern.

„Ich hab die Liste abgeschrieben, und jedem in der Klasse eine Nummer zugeteilt. Da, die Zwölf, das bist du.“

„Und wer ist die Fünf?“

Christy lächelte überlegen.

„Das ist deine Partnerin.“

„Wie, meine Partnerin?“

„Du hattest doch noch keinen Partner, oder?“

Ich nickte.

„Ich hab einfach jeden zu seinem Wunschthema eingetragen, und außer dir waren noch drei Leute partnerlos. Und es geht sich mit einer Dreiergruppe genau aus, wenn sich einfach alle nach Wunschthemen zusammentun. Dann musst du niemanden mehr suchen und hast garantiert jemanden, der das Thema auch haben wollte.“

„Verstehe. Und wer ist jetzt die Fünf?“

„Die Fünf ist Leslie.“

„Wie, die Fünf ist Leslie.“

Ich musste mich verhört haben. Ausgerechnet Leslie war die Einzige, die die Giftmorde auch haben wollte? Was hatte ich dem Universum getan, um so bestraft zu werden.

„Das geht nicht.“

Christy runzelte die Stirn.

„Wie, das geht nicht? Was soll da nicht gehen? Ihr wollt beide das Thema haben, also arbeitet ihr zusammen. Fertig.“

„Hast du Leslie gesagt, dass ich die Nummer Zwölf bin?“

„Nee, ich hab nicht gedacht, dass das ein Problem für sie ist. Und sie hat auch nicht gefragt.“

Aha. Das hieß ich würde immerhin nicht wie das Arschloch dastehen, das das einzige Hindernis einer ansonsten problemlosen Gruppenarbeit war. Ich sah mich im Raum um. Leslie saß mit Gwen auf einem der Sofas. Am besten, wir klärten das jetzt sofort.

„Leslie komm mal rüber!“

Leslie drehte sich um und warf mir einen genervten Blick zu.

„Komm du doch rüber! Warum soll ich bitte aufstehen, du hast doch auch zwei funktionierende Beine.“

Ich rollte mit den Augen.

„Es geht um die Bioreferate.“

„Ja und? Kann man das nicht auch auf dem Sofa diskutieren?“

„Komm einfach rüber.“

Wiederwillig erhob Leslie sich vom Sofa und kam zu mir und Christy herübergeschlendert.

„Also. Was ist jetzt wegen Bio?“

Christy tippte auf den Zettel.

„Du und Charlotte wollt beide das Referat mit den Giftmorden. Guck, die Fünf bist du und die Zwölf ist Charlotte. Wenn Jamie zu Anna und Kathy geht, geht’s sich genau auf.“

Leslies Augen waren ganz groß geworden.

„Aber das geht nicht!“

„Was geht nicht?“

„Ja das! Ich! Und Charlotte! Zusammen! Referat!“

Ich nickte zustimmend.

„Siehst du?“

Christy seufzte.

„Was wollt ihr jetzt machen?“

Leslie sah mich an.

„Na, einer von uns muss ein anderes Thema nehmen!“

Ich nickte.

„Wenn Jamie zu einem von uns zu den Giftmorden geht und wer auch immer von uns nicht die Giftmorde nimmt zu Anna und Kathy geht, dann passt doch wieder alles, oder?“

Christy sah uns zweifelnd an.

„Eine von euch würde wirklich die Geschichte des Giftmords für den Lebenszyklus des Frosches eintauschen, nur damit ihr nicht zusammenarbeiten müsst?“

Leslie und ich antworteten gleichzeitig.

„Ja.“

„Na dann! Und wer nimmt jetzt die Giftmorde?“

Wieder antworteten wir gleichzeitig.

„Ich.“

Christy nickte weise.

„Ich sehe schon, wir haben ein Problem. Soll ich euch das einfach ausdiskutieren lassen und ihr sagt mir dann bescheid, oder…?“

„Nein, du kannst gleich hier bleiben.“

Ich strich mir eine Haarsträhne hinter die Ohren.

„Da gibt es gar nichts zu diskutieren. Ich nehme die Giftmorde.“

„Hallo?! Und das entscheidest du einfach ganz allein?“

„Ja, das entscheide ich einfach ganz allein.“

Ich funkelte Leslie böse an.

„Ich hab keine Alternative.“

„Doch, die hast du! Du kannst auch ein Referat über die Frösche halten!“

„Nein, das kann ich nicht! Ich hab echt nicht die Zeit, mich noch in irgendein neues Thema ein zu arbeiten, und das mit den Giftmorden ist das einzige, bei dem ich schon Vorwissen habe!“

Christy sah verwirrt aus.

„Du hast Vorwissen über Giftmorde aber du weißt nicht, dass Frösche Eier legen?“

Leslie schob ihre Brille nach oben.

„Das ist jetzt nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass du schlechtes Zeitmanagement hast, ist nicht meine Schuld. Ich hab genau so ein Recht wie du auf dieses Thema.“

„Aber ich will es haben.“

„Ach, und ich hab mich da zum Spaß eingetragen?“

„Nein, um mich zu ärgern. Du wusstest doch ganz genau, dass ich in Christies System die Zwölf hab.“

„Sag mal, tickst du eigentlich ganz richtig? Glaubst du ernsthaft, ich will mich mit dir streiten? Freiwillig?“

„Nee, aber dass du mir Nacktschnecken in den Spind tun würdest hab ich auch nicht gedacht.“

„Wisst ihr was?“

Christy sah ehrlich genervt aus.

„Ihr spielt jetzt eine Runde Schnick-schnack-schnuck, und wer gewinnt, der kanns haben.“

„Das ist unfair! Das Spiel basiert auf-“

„Das geht nicht! Was ist, wenn-“

„Schnick, schnack…“

Schnell formte ich eine Faust. Leslie tat es mir gleich. Wir sahen uns in die Augen. Ich versuchte, so einschüchternd und intensiv wie möglich zu wirken. Leslie tat es mir gleich. Hatte sie das geübt? Mir kribbelte es tatsächlich ein wenig im Magen.

„…Schnuck!“

Leslie hatte Schere. Ich hatte Papier.

Scheiße.

Naja, immerhin war es nicht der Kack mit den Erbkrankheiten in den europäischen Königshäusern. Und darum, einen Referatspartner zu finden, musste ich mir jetzt auch keine Sorgen machen. Ich hatte ja jetzt gleich zwei.

Notes:

Ich war letztens einmal auf dem Tumblr Tag "Rubinrot" unterwegs (übrigens: ich hab meinen alten Bookblr für Fandomzwecke reaktiviert, @ vdoesbookrecs, wenn ihr mal vorbei schauen wollt!), und zu meiner ehrlichen Überraschung gibt es offenbar eine Menge (naja, für die Anzahl an Leuten, die im Fandom aktiv sind, ist es eine Menge) Leute, die Leslie und Gwen shippen. Ich hab da echt nie drüber nachgedacht, aber irgendwie Sinn machen tuts. Irgendwie hab ich Lust, da nen kleinen Oneshot zu schrieben. Würdet ihr das lesen wollen? Und wenn ja, habt ihr irgendwelche Prompts oder Wünsche, die ihr gerne da verwirklicht sehen wollt, wo ich grad schon dabei bin?
Die Referatsthemen sind inspiriert von den Referaten, die mein Kurs damals halten durfte. Wens interessiert, ich hab über Klassische und Operante Konditionierung als einfache Lerntheorien gehalten und hab meinen Hund in den Unterricht mitgenommen. Einfachste Eins meines Lebens.
Kudos, Kommentare und Reviews sind wie immer herzlich willkommen!

Chapter 11: Leslie

Notes:

Ich bin seit mehreren Wochen auf Magendiät und quäle mich selber mit Kochbüchern und Backsendungen. Deshalb müssen jetzt Charlotte und Leslie meine Fantasien, was Essen betrifft, ausleben, weil ich es ja nicht kann. Warnung für Fast Food, für den Fall, dass jemandem beim Lesen schlecht wird. Genießt das Kapitel, ich geh zurück zu meiner Hühnersuppe und meinem Schwarzbrot :(.

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Die erste Dezemberwoche war ja, traditionell, eine Zeit der Besinnung, der Ruhe, des Friedens, und der Harmonie. Man schmückte den Adventskranz zum ersten Advent und zündete die erste Kerze an (wenn man denn Advent feierte), man fing damit an, die erste Ladung Plätzchen zu backen und die ersten Geschenke zu kaufen, und man freute sich über warme Getränke, Spekulatius, und Lebkuchen in der Mensa.

Meine erste Dezemberwoche wurde mir in jedem dieser Punkte gründlichst ruiniert.

Es fing damit an, dass Mum beschloss, dass es dieses Jahr wegen der ganzen Nadeln keinen Kranz und obendrein auch keinen Baum geben sollte. Und keine Weihnachtsgans und keine Butterplätzchen mit Marmelade, weil sie im Internet diesen neuen Essenstrend entdeckt hatte, bei dem man gar keine tierischen Produkte aß. Es ging damit weiter, dass in der Mensa die Kaffeemaschine, die auch für die heiße Schokolade, die ich ja jetzt zuhause nicht mehr bekam, verantwortlich war, kaputt ging. Und dann musste Miss Priddy mir noch den allerletzten Schlag versetzten, der garantierte, dass es mit Frieden und Harmonie für dieses Jahr auch noch vorbei sein sollte. 

Die Doppelstunde Bio am Montag war ja von vornherein schon schrecklich, aber diese Woche schien es mir sofort gleich doppelt schlimm, und zwar deswegen, weil Miss Priddy, anstatt einfach wie gewohnt ihren Unterricht zu halten und ab und an böse zu gucken, wenn jemand in den mittleren Reihen tuschelte, mit einer schier unendlich langen Rede eröffnete. Sie fing mit „Angesichts rezenter Ereignisse an der Schule, die mich und meine Kollegen wirklich zutiefst beunruhigt haben, möchte ich die Gelegenheit ergreifen, um mit euch allen ein Wörtchen über die Gefahren von Mobbing und Cliquenbildung zu reden“ an, und ab da hatte ich schon abgeschaltet und kam erst dann wieder aus meinem Tagtraum (ich träumte von einer ganzen Parade an Plätzchen und Keksen aller Art, die wie im Schlaraffenland direkt in Richtung meines Mundes marschierten) heraus, als sie sagte „und deswegen werde ich die Einteilung der Referatsthemen selbst vornehmen.“

Verwirrt drehte ich mich zu Anne, die neben mir saß.

„Ich hab nicht aufgepasst- worum gings da jetzt?“

„Keine Ahnung.“, flüsterte Anne zurück, „Irgendwas wegen Mobbing und Drogen und Kriminalität und ner Lehrerkonferenz wegen Diskriminierung auf dem Schulhof und so. Aber echt kein Plan warum das gerade jetzt kommt.“

Das konnte ich mir denken, warum das gerade jetzt kam. Offenbar war Mr. Derrysworth noch nicht lange genug im Geschäft um zu wissen, dass es absolut nichts brachte, wenn man wegen Diskriminierung oder Gewalt zur Schulleitung ging.    

„Und deswegen macht die Priddy die Gruppenzuteilung jetzt selbst?“

Anne zuckte mit den Schultern, ohne von der Kritzelei in ihrem Heft auf zu sehen. Ich linste unauffällig rüber und wünschte sofort, ich hätte es nicht getan. Es gab einige Teile von Narutos Anatomie, über die ich mir wirklich niemals Gedanken machen wollte, und dass der Sasuke, den Anne daneben skizziert hatte, das offenbar ganz anders sah, machte es auch nicht besser.

„Sieht offenbar so aus.“

Na toll, auch noch. Aber vielleicht war das ja was Gutes. Immerhin würde es jetzt keinen Streit mehr darüber geben, dass jemand etwas abbekam, dass er nicht haben wollte, weil wir jetzt wahrscheinlich alle scheiß Themen kriegen würden. Aber blöd wars schon, dass ich jetzt nach Murphys Gesetz wahrscheinlich die Giftmorde abgeben müssen würde. Und das ganze auch noch nach der ganzen Sache mit Charlotte. Da hatte ich das Ding gerade im Zweikampf gewonnen und dann – aber wer weiß. Vielleicht hatte ich ja riesen großes Glück und Miss Priddy teilte mir das Thema doch noch zu.

„Also, hier sind alle Themen.“ Miss Priddy hatte eine Seite der Tafel aufgeklappt. „Ich gehe jetzt einfach von oben nach unten die Liste ab und teile willkürlich zwei von euch zu jedem Referatsthema zu. Wer am Ende übrig bleibt, kommt zum letzten dazu, um eine Dreiergruppe zu bilden.“

Sie rückte ihre Brille zurecht und hob die Kreide an die Tafel. „Nummer eins: Rezessiv vererbte Krankheiten in den Königshäusern Europas. Charlotte Montrose- “

HA!

„-und Leslie Hay.“

Oh. Kacke.

.

„Ich verstehe, dass das hier nicht die Idealsituation ist, aber Miss Priddy wird sicher keine Beschwerden annehmen, und deswegen sollten wir uns einfach damit abfinden. Also bleib mal kurz stehen und lass uns über die Sache reden wie Erwachsene.“

„Charlotte, wir können gerne darüber reden, wie wir es schaffen, dieses Referat mit einem Minimum an tatsächlicher Zusammenarbeit zu bewältigen, aber nicht auf einen leeren Magen. Ich hab seit mindestens vier Stunden nichts gegessen und ich sterbe gleich vor Hunger.“

Das kann ich ja noch einsehen, aber ich ziehe eine Linie bei deiner Restaurantwahl. MacDonalds? Bist du absolut wahnsinnig? Ist dir klar, wie viele Kalorien allein in einem Happy Meal stecken?“

Ich atmete tief durch. Ruhig bleiben.

„Charles, ich hatte heute einen sehr schlechten Schultag. Ich will einen verdammten McFlurry und mindestens drei große Pommes. Und entweder du kommst jetzt mit oder du fährst nach Hause. Wenn du rennst, erwischst du vielleicht sogar noch den Bus.“

Charlotte warf mir einen sehr angepissten Blick zu.

„Im Gegensatz zu manch anderen habe ich so etwas wie Arbeitsethik. Und netter Versuch aber so leicht wirst du mich nicht los.“

„Ich weiß nicht, wie ich das in deinen fetten Schädel rein gehämmert kriegen soll, aber ich hab auch keinen Bock auf eine Sechs in Bio und ich versuche nicht, dich los zu werden.“

„Ich hab einen fetten Schädel? Wenigstens ist das der einzige Teil von mir der einen überdurchschnittlichen Umfang hat.“

Ich blieb stehen.

„Sag mal Charles, was ist eigentlich dein Problem? Hast du eigentlich auch ein anderes Setting als ‚übermäßig besorgt über Sachen, die dich einen feuchten Dreck an gehen?‘ Oder hast du deswegen eine Obsession mit meinem Bauchumfang, weil du selber aussiehst als wärst du eine verpasste Mahlzeit davon entfernt, einen Job auf dem Friedhof als Grabdeko zu bekommen?“

Charlotte wurde rot. Hatte ich sie wütend gemacht, oder schämte sie sich tatsächlich?

„Wenigstens bin ich nicht die Art von Mensch, die Schulprojekte im MacDonalds bespricht!“

„Offenbar bist du das doch, oder warum läufst du mir immer noch hinterher?“

„Ich laufe dir nicht hinterher, ich-“

Ich stöhnte laut auf.

„Das hat doch keinen Sinn!“

Einen kurzen, verdatterten Moment standen wir nur auf dem Bürgersteig und schwiegen uns gegenseitig trotzig an.

„Was hat keinen Sinn?“

„Ja das hier! Diese ganze Kacke!“

Ich deutete zwischen uns hin und her. Charlotte verlagerte ihr Gewicht auf ein Bein und kreuzte die Arme vor der Brust. Ich hasste, wie sie es fertigbrachte, trotz der schrecklichen Schuluniform immer auszusehen wie von einem Filmplakat heruntergesprungen.    

„Wir sollten uns darüber Gedanken machen, wie wir es hin kriegen mit diesem absoluten Scheißthema zwanzig Minuten und eine DINA4 Seite Handout zu füllen, von einer guten Note mal ganz abgesehen, und wir kriegen es nicht mal auf die Reihe, zusammen die zweihundert Meter zum nächsten Maccies zu laufen!“

„Wenn’s nach mir ginge, würden wir auch nicht zum Maccies laufen.“

„Das ist jetzt nicht der Punkt!“

„Ach ja? Ich finde, das ist überhaupt gerade der Punkt! Wir sind absolut grundverschieden, wir können uns nicht ausstehen, und ich finde, wir sollten nicht noch einen unnötigen Konflikt provozieren und einfach zu mir nach Hause gehen um das ganze Zeug zu besprechen.“

„Weißt du was? Das können wir genauso gut auf dem Weg zum Maccies ausdiskutieren.“

Ich setzte mich in Bewegung. Charlotte seufzte widerwillig und folgte mir.

„Am liebsten würde ich dieses blöde Referat einfach gar nicht halten. Und keine mündlichen Noten- wie soll man da seinen Schnitt verbessern können? Ein schlechtes Thema erwischt und ein Mal Pech in der Klausur, und schon hat man das ganze Halbjahr versaut.“

„Ja, erzählt das mal Prickly Priddy.“

„Ich verstehe echt nicht, warum alle sie so nennen. Eigentlich ist sie total nett, wenn man sich ihr gegenüber nicht benimmt wie der allerletzte Arsch.“

„Du bist so eine Schleimerin, ehrlich Charles, manchmal bin ich überrascht, dass du keine Spur hinterlässt.“

„Nur weil ich nett zu Lehren bin, bin ich plötzlich ne Schleimerin? Aber weißt du was, ich traue deinem Urteil, mit Nacktschnecken kennst du dich ja aus.“

Ich stieß die gläsernen Doppeltüren auf, und es blies uns eine Wolke aus warmer Luft und diesem unverwechselbaren Geruch nach unheimlich fetten Essen entgegen. Ich musste kurz die Augen schließen. Das hatte ich heute gebraucht – warme Burger, Pommes, und keine Spur von Tofu weit und breit.

Ich stellte mich in die Schlange. Charlotte stellte sich zögerlich neben mich.

„Weißt du was?“, sagte ich während ich das Leuchtmenü über dem Tresen studierte, „Damit kannst mich nicht mal beleidigen. Das hattest du zu einhundert Prozent verdient, und ich bin stolz darauf.“

An der Art, wie Charlotte den Mund verzog, sah ich, dass ihr eine fiese Erwiderung auf der Zunge lag, aber die McDonalds Mitarbeiterin kam ihr zuvor.

„Was darfs sein?“

„Drei große Pommes, ein KitKat McFlurry, und eine mittlere Cola.“ Ich warf Charlotte einen fiesen Seitenblick zu. „Und sie nimmt einen BigMac.“

„Ich will keinen verdammten-“

„Ketchup oder Majo mit den Pommes?“

„Beides.“

Die Frau nickte und griff sich ein Tablett.

„Was soll das!“, zischte Charlotte mich von der Seite an. Ich grinste blöd.

„Was soll was? Du hast doch bestimmt auch riesen Hunger.“

„Du weißt ganz genau, was ich von diesem Zeug halte! Ich werde ganz sicher nicht- “

„Das macht dann sieben Pfund zwanzig.“ Ich schob eine zwanzig Pfund Note über den Tresen und schnappte mir das Tablett.

„Danke sehr. Komm Charles, wir setzen uns rüber ans Fenster.“

Ich schob das Tablett auf den Tisch, lies mich auf die rot gepolsterte Bank fallen, und machte den Plastikdeckel vom McFlurry ab. Charlotte setzte sich widerwillig mir gegenüber.

„Weißt du, was wir brauchen?“

„Ein anderes Thema? Und andere Partner?“

Charlotte rollte mit den Augen.

„Ich glaube nicht, dass das jetzt noch realistisch ist. Nein.“ Sie nickte entschieden. „Was wir brauchen, ist eine Abmachung. Wie wärs damit: Wir treffen uns fünf Mal fürs Referat, den Rest machen wir über WhatsApp, und den Rest der Zeit tun wir so, als würden wir uns nicht kennen.“

Ich rümpfte die Nase.

„Fünf Mal ist ein bisschen wenig. Und außerdem brauchen wir eine Art Waffenstillstandregelung. Ich hab keine Lust, mir während ich die Stammbäume von inzestuösen Royals analysiere auch noch anhören zu müssen wie schrecklich du meinen Bauchspeck findest.“

„Na gut. Waffenstillstand bis wir mit dem Referat fertig sind, keine Beleidigungen von irgendeiner Seite, und Treffen nach Bedarf. Und keine Nacktschnecken auf meinen Mathebüchern mehr. Aber das Ganze ist sofort vorbei sobald wir den Vortrag hinter uns haben.“

Ich streckte meine Hand über den Tisch. „Bis wir die Noten haben, und du musst deinen Burger essen.“

Als ich den Burger erwähnte stand Charlotte die Abscheu förmlich ins Gesicht geschrieben, aber sie schlug trotzdem ein. Dass sie das wirklich machen würde hätte ich nicht gedacht, eigentlich hatte ich das mit dem Burger nur zum Spaß gesagt. Sie musste wirklich verzweifelt sein.

„Deal.“

Wir schüttelten einmal kräftig die Hände. Meine Güte, wie musste das von außen aussehen? Zwei Mädchen in Schuluniformen schließen über ein MacDonaldstablett einen Geschäftsdeal ab. Eigentlich war die Situation fast schon komisch.

Ich begann, den McFlurry zu dezimieren. Charlotte nahm sich zögerlich die Pappschachtel mit dem BigMac und öffnete sie widerwillig. Sie nahm den Burger heraus und drehte ihn eine ganze Weile einfach nur in den Händen hin und her.

„Ich hab so ein Ding noch nie vorher gegessen.“

„Was? Nen Big Mac?“

„Nee.“ Nachdenklich nahm sie die obere Hälfte des Brötchens ab und betrachtete eingehend die Gurkenscheibchen auf dem Fleischpaddy. „Einen Burger.“

„Warte, du hast noch nie vorher nen Bürger gegessen? Wirklich nicht? Nicht mal so nen komischen Gourmetburger mit 100% Biorind und Hummer und Trüffelsoße und so?“

Charlotte schüttelte den Kopf. Ich war baff.

„Wieso?! Warst du dir da immer zu fein zu oder was?“

„Hey, keine Beleidigungen gilt auch für dich!“

„Sorry.“

„Schon ok.“

„Aber warum hast denn jetzt nie nen Burger gegessen?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Naja, ich musste die Figur halten. Und die Dinger sind auch total ungesund, oder?“

Sie musternde zweifelnd was sie da in der Hand hatte.

„Ich wette, in diesem Brötchen ist nicht mal echtes Mehl.“

Oh nein, fing das schon wieder an.

„Probier einfach. Ein Bissen wird dir schon nicht schaden. Und wenn du willst, kannst du den Rest mir geben, ich ess das gerne, bei mir zuhause gibt’s zur Zeit nur Tofu.“

„Tofu ist aber gut für dich. Wusstest du, dass japanische Frauen-“

„Beiß einfach ab.“

Sie biss zögerlich in den Burger. Erst sah sie angewidert aus, dann überrascht.

„Und? Soll ich den Rest für dich aufessen?“

„Vielleicht…die Hälfte?“

Ich musste mir ein Lächeln verkneifen.

„Iss einfach so viel wie du schaffst und gib mir den Rest.“

Sie nickte. Ein paar Atemzüge lang saßen wir still da, während sie an ihrem Burger kaute und ich Ketchup über meinen Pommes verteilte.

„Warum musstest du eigentlich die Figur halten?“

„Hm?“

„Warum hat es einen Unterschied gemacht, wie viel du gewogen hast? Ich meine, konnten die die Kostüme nicht anpassen oder was?“

„Na klar können die die Kostüme ändern.“

„Und warum war dann dein Gewicht ein Problem?“

Charlotte lies langsam den Burger sinken.

„Ich weiß es nicht so genau. Damals, als ich da noch voll drin war, hieß es immer, ich soll auf mich achtgeben und so gesund wie möglich leben und essen damit das Risiko, dass ich krank elapsieren muss und irgendwas in die Vergangenheit mit schleppe so klein wie möglich ist. Und wenn man jede Woche mehrere Stunden Reitunterricht, Fechtunterricht, und drei verschiedene Arten von Tanzunterricht hat, dann verbrennt man eh schon fast mehr an Kalorien als man essen kann.“

Sie hob den Burger wieder hoch und nahm noch einen Bissen.

„Klingt ziemlich krass.“, nuschelte ich um einen Mund voll Pommes herum.

„War es auch. Ich wusste gar nicht, was ich machen sollte, als das alles plötzlich vorbei war.“

„Und deine Lösung dafür war, mit Raphi einen Buchklub auf zu machen und Ernährungsberaterin zu werden?“

Charlotte schnaubte ziemlich unattraktiv durch die Nase. Gott sei Dank gab es immerhin etwas was selbst sie nicht hübsch aussehen lassen konnte. Ich meine, sie hatte es ja sogar fertiggebracht, sich beim Burger essen nicht einmal ein bisschen ein zu sauen.

„Genau, das ist es. Die Charlotte Montrose 100% garantiert wirksame Methode gegen jeglichen Kummer: Obsessives Kalorienzählen und Kitschvampirromane, die man mit dem kleinen Bruder von seinem…ex-Zeitreisepartner zusammen liest.“

Sie klang ganz schön verbittert, als sie Gideon erwähnte. Langsam dachte ich echt, dass Gwen wirklich recht hatte, und Charlotte in Gideon verknallt gewesen war. Vielleicht war sie es ja immer noch. Aber warum wurde mir bei dem Gedanken so komisch mulmig im Bauch?

Charlotte hatte sich währenddessen ein wenig in Rage geredet.

„Irgendwie ist das doch schon krank, oder? Ich meine, da verbringe ich mehr als die Hälfte meines Lebens damit, für ein höheres Ziel zu trainieren und ausgebildet zu werden, und dann ist- Schwupps! - plötzlich alles weg, und die Welt steht Kopf. Und zu allem Überfluss kommt dann raus, dass das, wofür man seine ganze Kindheit quasi geopfert hat, ein riesiger Scheiß war und anstatt dass jetzt alles besser wird, kann ich jetzt in Temple nicht mal ohne Eskorte durch die Gänge laufen, und ein ganzes Jahr später kann ich immer noch keinen verdammt Burger essen, ohne dass ich wieder Falk mit seinem ‚gib auf dich acht, Kind‘ im Ohr hab. Und dabei ist das alles Bullshit!“

Charlotte warf sich in ihrem Stuhl zurück und gestikulierte heftig, denn Burger immer noch in der Hand.

„Ich meine, hast du mal gesehen, wie die damals alle ausgesehen haben? Warst du mal im Museum und hast dir die ganzen Bilder von den nackten Frauen angeschaut, die sie in der Renaissance und im Rokoko und so gemalt haben? Die sind alle fett! Unheimlich fett! Die haben ja Bäuche, da hätte ich mir zwei Kissen unters Kleid stopfen können! Und diese ganzen Ladies im Elisabethanischen Zeitalter hatten ja Dekolletees, da kommt Gwen mit zwei Push Ups nicht hin! Wenn ich da hingereist wäre, was hätten die dann gemacht?“

Sie griff sich mit der freien Hand and die Brust.

„Tittenprothese?“

Scheiße, bei dem Wort ‚Tittenprothese‘ spuckte ich fast meine Pommes über den Tisch.

„Und dafür hab ich seit acht Jahren keine Pizza mehr gegessen, damit die mir das alles wieder dran bauen können, das ich mir seit Ewigkeiten runterhungere?“ 

Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen. Oh nein. Das war kaum aus zu halten, besonders, da ich genau sehen konnte, wie sehr sie versuchte, sie zurück zu halten.

„Wenns dich aufheitert, ich finde deine Brüste in jedem Jahrhundert schön.“

Was. War das gerade wirklich auf meinem Mund gekommen?! Oh, Scheiße Scheiße Scheiße…

„Ich meine, nicht dass ich lesbisch wäre oder so, ich meine nur, aus ästhetischer Sicht passen sie sehr gut zu deinem Körper und ich glaube, mit größeren Brüsten würdest du ziemlich komisch aussehen und die sind auch wirklich nicht so toll wie alle immer denken ich meine, man findet nie schöne BHs und man hat ständig Rückenschmerzen und….und ich glaube, ich höre jetzt auf zu reden.“

Ich spürte, dass ich ganz knallrot angelaufen war. Ich traute mich gar nicht, Charlotte anzusehen, ich wartete nur darauf, dass sie mich auslachen würde. Aber da kam nichts. Ich wagte einen Blick in ihre Richtung. Sie hatte total rote Wangen, und ihre Ohren leuchteten förmlich, aber sie saß da und lächelte ganz klein und verlegen den Boden an. Unsere Blicke trafen sich und wir sahen beide gleichzeitig schnell weg und räusperten uns.

„Wie sind die Pommes?“

„Ganz ok. Aber die vom Burger King sind besser.“

Scheiße, war das peinlich. Aber immerhin weinte sie nicht mehr.

 

.

 

Ich konnte nicht fassen, dass ich das tatsächlich gesagt hatte.

Im Großen und Ganzen war das Treffen mit Charlotte, nachdem wir das mit dem Waffenstillstand geklärt hatte, überraschend einvernehmlich und konstruktiv verlaufen. Wir hatten einen groben Plan für die Recherche und ein Paar Ideen zur Referatsstruktur, und wir hatten uns auch gleich für Samstag bei mir zum Informationsabgleich verabredet. Aber mir geisterte immer noch im Kopf herum, was ich über Charlottes Brüste gesagt hatte.

Warum hatte ich das gesagt? Wie war das überhaupt aus meinem Mund gekommen? Was war da überhaupt aus meinem Mund gekommen?

Ich lies mich mit dem Gesicht zuerst in mein Bett fallen und stöhnte gequält. Genau, was war da überhaupt aus meinem Mund gekommen?

Ich meine, nicht, dass es nicht stimmte. Charlotte mit großen Brüsten war einfach eine lächerliche Vorstellung. Aber dass mir das ausgerechnet so rausrutschen musste?

Vielleicht hatte ich in den letzten Wochen einfach zu viel Zeit mit Raphi verbracht. Seitdem er geoutet war, bekam ich gleich doppelt das Ohr abgequatscht über sowohl Frauen als auch Männer, die er toll fand. Raphi hatte einfach zu viele Hormone. Ob das abfärbte? Das mit der Bisexualität offensichtlich nicht – aber vielleicht war es einfach zu lange her, seitdem ich das letzte Mal jemanden geküsst hatte. Gute sechs Monate war nicht gerade wenig, und die Tatsache, dass Raphi die Art von Mensch war, die wahrscheinlich auf eine Beerdigung gehen und mit fünf Dates nach Hause kommen könnte, verstärkte nur meine Frustration.

Vielleicht gab es einfach einen Punkt, ab dem das Gehirn so mit Testosteron und Östrogen und was weis ich was noch vollgepumpt war, dass einfach jeder Körper ein sexy Körper war. Oder? Ich meine, ich und Frauen. Ich, und auf Frauen stehen. Das war doch lächerlich. Absolut lächerlich. Ich hatte noch nie in meinem Leben eine Frau so angesehen, nicht einmal Keira Knightley, und wenn man nicht wegen Keira Knightley lesbisch wurde, dann war man‘s ja wohl auch nicht, oder? Und ich wollte auch noch nie eine Frau küssen. Höchstens mit der Hand durch schön glänzende Locken fahren. Oder wissen, welche Farbe Lipgloss sie grad trug, aber das war auch schon der einzige Grund, warum ich manchmal Frauen auf den Mund guckte.

Aber das war doch normal, dass man Frauen schön fand! Wer tat das denn nicht? Das war doch vollkommen alltäglich! Und wenn man sagen konnte, dass eine Freundin schöne Haare hatte, dann konnte man doch wohl auch eingestehen, dass die schlimmste Feindin schöne Brüste hatte, oder? Alles komplett normal. Und dass ich sie in den Arm nehmen und trösten wollte, wenn sie weinte, das war auch normal. Das war einfach Empathie. Und dass ich sie witzig fand und mehr Zeit mit ihr verbringen und sie lachen sehen wollte und schon mental eine Liste zusammenstellte, was ich ihr alles an Junkfood zeigen würde, nur um diesen überraschten Gesichtsausdruck wieder zu sehen, das war auch vollkommen normales alltägliches heterosexuelles Verhalten.

Ich meine, es war ja nicht so als würde ich mit ihr schlafen wollen, oder? Also alles normal wie immer. Ich stand nicht auf Frauen.

Notes:

Die Szene im MacDonalds habe ich schon in meinen Handynotizen gehabt, seitdem ich überhaupt die Idee zu dieser Fanfiction hatte, und seitdem freue ich mich darauf, die endlich ein zu bauen. Wer gerne nachlesen würde, wie die unheimlich kurze Originalversion sich von dieser gepimpten Version unterscheidet, der kann gerne mal auf Tumblr vorbei schauen (@ vdoesbookrecs), wo ich von Zeit zu Zeit darüber schriebe, wie's mit den Updates läuft!
Kommentare, Kudos und Reviews sind wie immer herzlichst erwünscht! Erzählt mal, was haltet ihr von der Geschichte? Wer ist bis jetzt euer Lieblingscharakter? Wen könnt ihr nicht ausstehen? Wie lange glaubt ihr dauert es, bis Leslie und Charlotte endlich zusammen kommen? Was glaubt ihr, schaffen die beiden es wirklich, eine gute Referatsnote zu bekommen? Schreibts in die Kommentare, und wenn ihr Glück habt, erzähl ich euch ein bisschen was von dem, was ich noch so geplant habe ;D.

Chapter 12: Leslie

Notes:

I'M BACK BABES! Ich hoffe, ihr habt mich nicht allzu sehr vermisst ;-)
Chatgeneratoren sind übrigens SO SCHEIßE. Ich bin die Dinger LEID und deswegen gibt's jetzt keine fake WhatsApp Chatverläufe bis ich mit dem ganzen Ding fertig bin und die Muße habe, stundenlang timestamps für Nachrichten einzugeben.

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Gwennygwen

 

Leslie kannst du vorbei kommen :(

 

Ich

 

kla muss hier nur noch schnell mathe fertig machen

 

Gwennygwen

 

Leslie kannst du JETZT vorbei kommen???

 

Ich

 

ist was passiert???!!!!

 

Gwennygwen

 

keine sorge niemand ist tot oder so

 

Ich

 

da bin ich ja beruhigt

 

Gwen

 

Aber……..

 

Ich

 

say no more bin aufm weg

 ich ruf dich jetzt an dann kannst du mir schon mal erzählen worum es geht bis ich da bin

 

 

 

Gruppe <3 WIR SIND HIER ALLE FREUNDE <3

 

Prinzessin Charles

 

Wtf seit wann hört Gwen Rock

 

Raffaello 

 

vielleicht hat gid endlich abgefärbt lol

iridescent und burning in the skies auf repeat seid ner halben stunde ich glaube mir fallen gleichd ie ohren ab

 

Prinzessin Charles 

 

Es steht halt nicht jeder auf Nightcoreversionen von obskuren russischen Popsongs

 

Raffaello

 

pfff

banausen allesamt

 

Prinzessin Charles

 

Warte Gid hört A Thousand Suns???

 

Raffaello

 

ja so heißt das album 

 

Prinzessin Charles

 

Raphi das ist jetzt wichtig

Wo ist sein Plattenspieler

 

Raffaello

 

auf dem couchtisch?

oh endlich ein anderes lied

 

Prinzessin Charles

 

Und was liegt daneben?

 

Raffaello

 

waiting for the end glaub ich isses jetzt

hybrid theory

 

Prinzessin Charles

 

Scheiße das ist sein Trennungssoundtrack

 

Raffaello

 

dann is das was gwen hört...?

 

 

Ich

 

Hallelujah. Von Bon Jovi.

Notes:

A Thousand Suns ist das traurigste Linkin Park Album, dass ich bis jetzt durchgehört habe (ich arbeite mich nach und nach durch alles, was die jeh aufgenommen haben. Mann, ich hätte L damals echt zuhören sollen als der immer über die geredet hat, dann hätt ich die früher 'entdeckt'. Naja. Besser spät als nie). Und wenn Gideon nicht der Diamant wäre, dann wär er ein riesen Emo, fight me on this.
Ich freue mich übrigens immer über Kommentare, Kudos, und Reviews ;)

Chapter 13: Charlotte

Notes:

An alle, die die Geschichte abonniert haben: Es kann sein, dass ihr keine Benachrichtigung bekommen habt, dass ich das letzte Kapitel gepostet hab. Ich hab da nämlich, anstatt das Kapitel zu löschen und neu zu posten, den Text gelöscht und neu eingefügt und ich glaube, AO3 registriert das dann halt nicht als benachrichtigungswürdiges Update.

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Die Hays wohnten in einem kleinen Reihenhaus, etwas außerhalb des Zentrums, und in zehn Minuten waren Leslie und ich dort verabredet, um die erste Runde an Informationen, die wir zusammengetragen hatten, zu vergleichen. Seit fünf Minuten lungerte ich auf der Straße herum.

Ich hatte, aus Angst, die Adresse nicht zu finden, den Bus eine halbe Stunde früher genommen als ich gemusst hätte. Ich war die Straße dann zwar sehr sehr langsam abgegangen, aber viel zu früh war ich trotzdem da. Ich zog (zum dritten Mal seitdem ich aus dem Bus gestiegen war) das Handy aus der Manteltasche und guckte nach der Uhrzeit. Zehn Minuten zu früh. Zehn Minuten. Das ging ja fast schon. Wenn ich noch einmal die Straße runter ging und dann gaaaaanz langsam auf die Tür zu, dann würde ich wahrscheinlich genau pünktlich kommen.

Gedacht, getan. Und schon wieder verrechnet. Als ich die drei Stufen zur Haustür erklomm hatte ich noch ganze fünf Minuten.

An der Tür hing ein interessantes Gebilde. Es sah aus wie ein Weihnachtskranz, nur ohne Tannenzweige, also quasi nur der Strohring, an den der ganze Schmuck gebunden wurde. Darauf klebten ein kleiner Weihnachtsmann aus Filz und ein paar Rentiere. Sehr avant garde. Äußerst interessant. Wenn ich mir das zwei Minuten lang anguckte war das absolut verständlich und sicher keine Zeitverschwendungstaktik.

So. Jetzt war ich fertig. Und jetzt musste ich auch klingeln. Durch das große Glasfenster neben der Tür würde man mich von innen sehen, und das kam bestimmt unheimlich komisch rüber, wenn ich einfach so vor der Tür stehen blieb und ins Haus starrte. Widerwillig zog ich die Hand aus der Jackentasche. In Zeitlupe bewegte sich mein Finger auf die Klingel zu.

Kurz bevor er sie berührte, öffnete sich die Tür wie von Geisterhand. Verunsichert erstarrte ich. Ob die Hays vergessen hatten, ab zu schließen? Oder war vielleicht eingebrochen worden und der Einbrecher noch im Haus? Scheiße, wurde Leslie vielleicht in ihrem Zimmer gefangen gehalten? Fanden meine Krav Maga Künste heute zum ersten Mal außerhalb der Turnhalle Anwendung?

Ich atmete tief durch, wippte ein wenig auf den Fußballen, fand meine innere Mitte, und schüttelte meine Hände aus. Vorsichtig trat ich über die Schwelle. Hinter der Tür hörte ich ein leises Winseln. Dann das Kratzen von Nägeln auf glattem Boden, und dann plötzlich eine Stimme.

„Toll Bertie, jetzt hast du uns den ganzen Streich verdorben.“

„…Leslie?“

Die Tür schloss sich wieder und offenbarte tatsächlich Leslie, die ein riesiges, sabberndes blondes Ungetüm mit beiden Händen am Halsband festhielt. Das Ungetüm blickte mich aus runden braunen Augen an und winselte wieder. Das war dann wohl der berühmt berüchtigte Bertie, den ich sonst nur von den Fotos auf der Pinnwand in Gwens Zimmer kannte. Leslie fing an zu kichern.

„Sorry, dass wir dich so verarscht haben, aber wir haben dich von oben aus dem Fenster gesehen und konnten es uns einfach nicht verkneifen. Bist du ernsthaft fast zwanzig Minuten auf der Straße rumgelungert? Hast du nicht ne Geheimagentenausbildung oder so? Ich dachte, da lernt man, sich vor neugierigen Blicken zu schützen.“

Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Leslie lachte nur weiter.

„Irgendwie isses ja schon süß, dass du dir offensichtlich solche Sorgen machst wegen nem einfachen Referatstreffen.“

„Ich hab mir überhaupt keine Sorgen gemacht! Ich hab einfach nur den falschen Bus erwischt und wollte nicht unhöflich sein!“

„Jaja. Da fährt alle fünf Minuten einer, dass kannst du wem anders erzählen, aber nicht mir.“

„Ist doch auch egal mit welchem Bus ich gekommen bin, oder? Lass uns einfach anfangen.“

„Na gut.“ Leslie drehte sich von mir weg und ging ins Haus hinein. „Schuhe bitte ausziehen! Ich bin gleich wieder da, ich muss nur schnell Bertie wegsperren. Das neue Futter richtet ganz schön was mit seiner Verdauung an und das gepupse müssen wir uns nicht antun.“

Ich zog mir die Schuhe aus, stellte sie ordentlich neben Leslies Turnschuhe auf die Fußmatte, und ärgerte mich, dass ich ausgerechnet heute das Paar Flauschesocken anhatte, das mir Caroline zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Sie waren regenbogenfarben gestreift und sahen aus wie etwas aus Pippi Langstrumpf.

Aus dem Haus klang jämmerliches Winseln und Leslies strenge Stimme. Ob ich ihr helfen gehen sollte? Wohl nicht, schließlich kannte ich mich Hunden überhaupt nicht aus. Andererseits – Bertie war schon ein ganz schön großes Biest. Ob Leslie mit ihm alleine zurechtkam? Nein, ich ließ das lieber sein.

Verlegen inspizierte ich stattdessen die Bilder, die im Flur aufgehängt waren. Sie zeigten alle die Hay Familie, an verschiedenen Urlaubsorten, mal mit, mal ohne Hund. Auf dem, das mir am nächsten war, war Leslie zwischen ihren Eltern auf einem Skilift eingequetscht. Alle drei hatten hochrote Nasen und Wangen und strahlten übers ganze Gesicht. Sie sahen so glücklich aus.

Ich wusste nicht, ob von meiner Familie so ein Foto existierte. Eins, auf dem wir alle glücklich waren. Ich war mir ziemlich sicher, dass es sowieso schwierig sein würde, überhaupt welche zu finden, auf denen wir alle drauf waren, von Großmutters alljährlich geforderten Weihnachtsportraits mal abgesehen. Und auf den Weihnachtsportraits guckte niemand glücklich, nicht mal Nick und Tante Maddy, und die schafften es ja sogar noch, einer Lebensmittelvergiftung etwas Komisches abzugewinnen.

„Fragst du dich gerade, welche verrückte Familie so oft in den Urlaub fährt, dass sie einen ganzen Flur mit Bildern tapezieren kann?“

Ich zuckte vor Schreck kurz zusammen. Ich war so in die Bilder versunken gewesen, dass ich Leslie gar nicht hatte kommen hören.

„Das Geheimnis ist: Von jedem Urlaub kommen immer mindestens drei Bilder an die Wand, aber nicht an dieselbe Stelle. So schaffen wir es, ein Mal im Jahr nach Wales zu fahren und trotzdem den Eindruck zu erwecken, wir wären schon vier Mal in der Karibik gewesen.“

Ich zog bewundernd die Augenbrauen hoch.

„Das ist ganz schön raffiniert.“

„Ja, nicht?“ Leslie lächelte stolz. „Das war meine Idee. Mum und Dad haben nämlich diese komische Fehde mit den Cotsworths nebenan, wo sie sich gegenseitig zweimal im Monat zum Essen zu sich einladen und sich dann sehr höflich darüber streiten, wer das bessere Leben führt. Im Moment gewinnen wir, weil Dad auf einem Firmenausflug in einem Resort in Tahiti war und echte frische Kokosnüsse mitgebracht hat, nicht die verschrumpelten die es manchmal im Supermarkt gibt. Die Bilder waren die Antwort darauf, dass Mrs. Cotsworth Mum bei einem Treffen des Yogaklubs vor vier Jahren eine halbe Stunde lang damit das Ohr abgeschwatzt hat, dass sie und ihr Mann niemals zwei Mal im selben Land Urlaub machen und schon in Spas auf fast allen Kontinenten waren.“

„Und das konnten deine Eltern natürlich nicht auf sich sitzen lassen.“

„Oh man, ich weiß, es klingt total bescheuert wenn man‘s so sagt. Aber es stimmt halt leider.“

„Ist auf jeden Fall interessanter als die Fehden, die meine Mum am Laufen hat.“

„Ach ja?“

„Ja. Letztes Jahr musste ich als Zeugin vor Gericht aussagen, weil eine von den Frauen im Rotary Club Mum auf Schadensersatz verklagt hat, weil sie angeblich beim Einparken ihren brandneuen Aston Martin touchiert hat und dann ein Teil der Innenbeleuchtung ausgefallen ist. Und jetzt dürfen wir nicht mehr bei der Patisserie Columbine einkaufen, weil sie eine der Hauptinvestorinnen in die Konditorei ist.“

„Das ist…ganz schön hart.“

Wir waren ganz oben im Haus angekommen. Leslie öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. Ich zuckte mit den Schultern.

„Mum macht keine halben Sachen.“

„Und das bringt was?“

Leslie ließ sich auf eines der Sitzkissen vor dem runden Fenster fallen. Ich setzte mich auf das ihr gegenüber und versuchte, nicht nach draußen zu gucken. Dritter Stock. Warum kam mir das so hoch vor?

„Das eine Familie die Patisserie boykottiert?“

„Ehrlich gesagt, ich hab keine Ahnung. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Mrs. Brompton sowieso nicht daran hält, auf dem Teilchenteller sind immer noch genau dieselben Teile wie vor dem Prozess.“

„Hm. Naja, wollen wir mal anfangen?“

„Klar.“

Ich zog meine Tasche zu mir rüber und fischte meinen Block und einen Bleistift heraus. Leslie zog drei Bücher, ein Notizheft, dass vor Post Ist und Lesezeichen förmlich überquoll, sowie sechs Textmarker und eine Handvoll Glitzerstifte aus dem Haufen auf dem kleinen Beistelltischchen neben ihrem Schreibtisch. Ich gab mir Mühe, nicht allzu blöd zu gucken.

„Ich glaube, wir beide haben sehr verschiedene Herangehensweisen an das Thema Recherche.“

Leslie lächelte verlegen.

„Ich glaube auch.“

Scheiße, dieses Lächeln. Ich hatte kurz das Gefühl, dass mein Herz einen Aussetzer machte.

„Hast du Lust auf nen Snack?“

Leslie hatte sich wieder umgedreht, worüber ich sehr froh war, weil förmlich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss.

„Ich hab sogar gesundes Zeugs da. Studentenfutter, Walnüsse, Schokolinsen…ok, vielleicht willst du keine Schokolinsen, aber…“

„Ich hätte eigentlich ganz gerne ein paar Schokolinsen.“

„Echt?“ Leslie klang überrascht. Ich war es von mir selber auch.

„Ähh, ja? Ich meine, ich muss es ja nicht übertreiben. Aber ein oder zwei…“

Auf Leslies Gesicht breitete sich ein großes Grinsen aus.

„Glaub mir, Charles, es ist nie nur ein oder zwei Schokolinsen.“

„Ich glaube, ich kann mich beherrschen.“

„Wie du meinst. Aber ich hab auf jeden Fall genug da, dass du dich nicht aus Höflichkeit einschränken musst.“

Sie schob eine riesige Packung Schokolinsen zwischen uns. Das Ding wog sicher mindestens ein Kilo. Und dazu noch eine absolut monströse Tüte Studentenfutter. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.

„Alles klar.“

Wir schlugen beide unsere Notizen auf.

„Also, zuerst zu den Stammbäumen. Was hast du da gefunden?“

„Das ist tatsächlich hochinteressant und sowas von krank. Hey, kennst du das, dass man bei manchen Pferden den Inzuchtkoeffizienten ausrechnet? Weißt du was wir machen sollten?“

„Du schlägst nicht ernsthaft vor, dass wir den Inzuchtkoeffizienten Ihrer Majestät ausrechnen.“

„Vielleicht nicht gerade den von Lizzie selbst, aber vielleicht von einem der Prinzen. Harry, zum Beispiel. Der sieht so aus, als könnte der Spaß verstehen…“

Ich schüttelte den Kopf und griff in die Tüte mit den Schokolinsen.

„Nur weil Harry aussieht, als könne er Spaß Verstehen, glaubst du doch nicht ernsthaft, dass…“

So ging es weiter. Und ehe wir uns versahen, war es draußen finster und die Schokolinsen fast leer.

Leslie streckte die Arme über den Kopf und gähnte. Ich hörte mindestens drei Wirbel knacken.

„Boah, krass, wie schnell es dunkel wird, oder?“

Ich konnte mir ein Gähnen auch nicht verkneifen.

„Mmhm.“

„Nimmst du den Bus zurück?“

„Ich denke schon. Wieso?“

Leslie streckte ihre Beine von sich und begann, sich die Waden zu massieren.

„Scheiße, Beine eingeschlafen. Ich komm vielleicht mit. Ich wollte nochmal mit Gwen reden.“

„Wie geht’s ihr eigentlich?“

„Das weißt du nicht?“

„Naja, seit der ganzen Zeitreisesache letztes Jahr ist Gwen noch schlechter auf mich zu sprechen als sie’s eh schon war.“

„Ah. Ja, da hast du nen Punkt. Also, Gwen geht’s ziemlich scheiße, weil sie offenbar grad auch bei den Wächtern sone fette Sache am Laufen haben und sie Gideon deswegen nicht mal aus dem Weg gehen kann. Aber da weißt du sicher schon, oder? Ich mein, du bist da näher dran als ich und –“

„Bin ich nicht mehr.“

„Bist du nicht?“

„Ne. Die haben mich…entlassen…als klar geworden ist, dass Gwen auch ohne mich bestens zurechtkommt. Vor ungefähr nem Monat.“

Es begann wieder, hinter meinen Augen zu prickeln. Leslie sah mich an, als hätte ich ihr gerade eröffnet, dass ein ganzer Wurf Welpen in der Themse ertrunken war.

„Oh nein, Charles. Das ist ja schrecklich!“

Ich versuchte, mir so unauffällig wie möglich die Augen trocken zu wischen.

„Es geht schon.“

Leslie sah mich immer noch so an, als wäre sie kurz davor, selbst los zu heulen.

„Darf ich…darf ich dich in den Arm nehmen?“

„Es geht schon wieder. Aber danke.“

Wenn ich mich von Leslie in den Arm nehmen lies, dann hörte ich mit dem Heulen dieses Jahr sicher nicht mehr auf. Leslie sah mich immer noch aus diesen riesigen feuchten Augen an und kaute auf ihrer Unterlippe herum, so als würde sie sich mit aller Kraft daran zu hindern versuchen, etwas zu sagen.

„Also, wenn ich ganz ehrlich bin…ich an deiner Stelle wäre froh, da raus zu sein.“

Sie klang so, als hätte sie Angst, dass ich ihr für diese Bemerkung den Kopf abreißen würde.

„Ach ja? Ich meine, ja, bin ich, aber warum meinst du ich sollte da raus?“

Sie sah mich überrascht an.

„Naja…also…diese ganze Sache letztes Jahr…mit dem Unsterblichkeitszeug…und dann wollte Mr. Whittman…als der Graf…die Sache mit Gideon und so…“

Ich nickte verständnisvoll.

„Ja, das, klar. Und dann ist noch die ganze Sache mit dem Sexismus und der Tatsache, dass die ganze Organisation so schrecklich ist, dass weder Giordano noch Madame Rossini für ihre Arbeit bezahlt werden, sondern praktisch in ihrer Freizeit Kostüme nach Maß machen und dann ist da natürlich noch die Sache mit der Homophobie…ähh…“

Oh Mist, verplappert. Bitte nicht nachfragen bitte nichtnachfragen.

„Das muss hart sein für Giordano. Erst kein Geld und dann auch noch diese toxische Atmosphäre.“

Uff. Schwein gehabt.

„Ja das ist echt nicht schön für…Giordano…“

Plötzlich sah Leslie aus, als würde ihr was Schreckliches dämmern.

„Warte mal - Giordano und Madame Rossini werden echt nicht bezahlt?“

„Sie kriegen den Stoff von der Loge und die ganze Ausrüstung, also Nähmaschine, Stecknadeln, Korsettstäbchen und so weiter, aber sonst nicht, nein.“

Leslie sah ziemlich entgeistert aus.

„Und warum machen sie’s dann überhaupt? Und wie können sie dann davon leben? Ich meine, Giordano hat ja seine Modemarke und alles, aber die Madame?“

„Also Giordano hat angefangen, weil er unbedingt in die Loge wollte und weitergemacht wegen dem Archiv. Und den historischen Schnittmustern. Und als ich ihn kennengelernt habe hat er immer gesagt, er kann mich nicht mit dieser Horde an alten, weißen, heterosexuellen Männern alleine lassen, ich hätte sonst spätestens mit Zwanzig graue Haare und mehr Falten auf der Stirn als ein Akkordeon und das wäre unverantwortlich von ihm.“

Leslie musste lächeln.

„Ich glaube aber, dass er bald aufhört. Er kriegt nämlich seit fünf Jahren jedes Jahr wieder eine Einladung von Cambridge, da einen Lehrauftrag in der Juniorprofessur für mittelalterliche Geschichte anzunehmen und das hat er immer nur deshalb abgelehnt, weil er noch nicht damit fertig ist, das Archiv der Wächter für seinen Privatgebrauch zu digitalisieren. Aber ich glaube, damit ist er im Februar spätestens auch endlich fertig.“

„Das hätte ich…nicht von ihm gedacht.“

„Du hast ihn nie kennengelernt, oder?“

Leslie schüttelte den Kopf.

„Nee. Ich kenn ihn nur aus den Erzählungen von Gwen.“

„Ja, dann kann ich verstehen, woher das kommt. Giordano kann Gwen nicht besonders gut leiden. Ich glaube, ein bisschen macht er sie dafür verantwortlich, dass ich jetzt nicht mehr dabei bin.“

„Und du nicht?“

„Und ich nicht was?“

„Und du machts nicht Gwen verantwortlich für deine…Entlassung?“

Ich zuckte mit den Schultern. Was sollte ich darauf schon groß sagen? Dass ich mich manchmal immer noch in den Schlaf weinte, wenn ich daran dachte, wie schnell mich alle, mit denen ich jahrelang zusammen trainiert und gelebt hatte, für Gwen hatten fallen lassen? Das ich immer noch davon träumte, Shakespeare zu treffen oder mich mit Mary Shelley über Literatur zu unterhalten, nur dass ich jetzt wusste, dass das für mich niemals Realität werden würde? Dass das jetzt die Realität einer anderen war? Das ich vor allem auf Mum sauer war, die mich von frühester Kindheit an auf ein Leben in der Loge und nichts, aber auch gar nichts anderes vorbereitet hatte?

„Nicht mehr.“

Das traf es vielleicht am besten.

„Und Madame Rossini?“

„Madame Rossini ist eigentlich festangestellt als Kostümbildnerin bei der BBC, aber ihr Exmann ist Mitglied des inneren Kreises und der hat sie wohl überredet, für die Zeitreisenden zu schneidern. Nach der Scheidung hat sie dann weiter gemacht, weil sie wollte, dass er immer, wenn er das Gebäude betritt, daran denken muss, dass die Missionen ohne sie unmöglich sind. Und weil sie Mrs. Jenkins nicht alleine lassen wollte, die wäre sonst die einzige Frau in der Loge außer Großmutter und dem Reinigungsteam, aber die kommen nur nachts.“

Ich hatte inzwischen meine Tasche fertig gepackt und wir waren zusammen die Treppen hinuntergelaufen und standen jetzt wieder im Flur vor der Haustür. Ich griff nach meinen Schuhen. Leslie zog sich auch ihre Sneaker an die Füße.

„Ich glaube, ich komme wirklich nochmal mit zu euch. Gwen hat gestern am Telefon ziemlich fertig geklungen, und sie meinte, sie müsste heute vier Stunden lang mit dem Arsch auf einen Ball und so tun, als wären sie das glückliche Paar von und zu sowieso.“

Sie warf mir einen zerknirschten Blick zu.

„Sorry, dass ich Gideon einen Arsch genannt habe.“

„Kein Ding.“

Ich zog mir die Mütze über die Haare und hoffte, dass ich nicht allzu bescheuert aussah. Die Hays hatten keinen Spiegel in der Garderobe, worin ich hätte kontrollieren können, ob mir irgendwas komisch zu Berge stand.

„Ich hab ihn inzwischen schon so im Handy eingespeichert. Gideon de ARSCHLOCH. ARSCHLOCH in nur Großbuchstaben.“

Leslie kicherte als sie sich einen dicken gestreiften Schal um den Hals wand, und ich spürte wieder, wie meine Wangen warm wurden. Meine Güte, was war nur heute mit mir los?

Auf dem Weg zur Bushaltestelle schwiegen wir. Es war gerade mal halb sechs, aber bis auf die Straßenbeleuchtung war es wirklich absolut stockfinster. Und es war kalt. So verdammt kalt. Ich bereute es zutiefst, dass ich nicht noch einen Pullover mitgenommen hatte. Und dann mussten wir auch noch zehn Minuten auf den Bus warten. Ich saß neben Leslie auf der Bank, sah meinem Atem dabei zu, wie er kleine Wölkchen in der Luft bildete, und versuchte, nicht zu zittern. Es gelang mir nicht besonders gut. Außerdem klapperten mir die Zähne.

Leslie schaute mich eine Weile nur nachdenklich von der Seit an, dann begann sie, sich den Schal wieder aus zu ziehen. Sie hielt ihn mir hin.

„Hier. Du wirst ja ganz blau.“

„Ich brauche keinen –“

„Mein Gott, Charles, nimm einfach den verdammten Schal. Mir ist warm genug.“

Ich nahm den Schal und drapierte ihn mir um die Schultern. Er war gestrickt, aus dicker, schwerer Wolle, und warm genug, dass ich tatsächlich mit dem Zähneklappern aufhörte.

„Danke.“

Leslie rutschte verlegen auf der Bank herum.

„Kein Ding. Ich schreib mal schnell Gwen, dass ich komme.“

Der Bus war da. Wir stiegen ein und setzten uns zusammen nach fast ganz hinten und schwiegen verlegen. Jetzt, wo wir nicht mehr über Blutgruppen und Kreuzungsquadrate redeten, schien uns irgendwie der Gesprächsstoff ausgegangen.

Ob ich ihr den Schal wiedergeben sollte? Warm war es im Bus. Aber irgendwie…irgendwie wollte ich ihn noch behalten. Und auf dem Weg von der Haltestelle nach Hause war es schließlich auch kalt, da lohnte es ja praktisch nicht, wenn ich ihn ihr jetzt zurückgab und sie ihn mir dann gleich wieder auslieh.

„Wie geht’s Gideon eigentlich, mit der Trennung?“

Ich zuckte zusammen. Aus irgendeinem Grund hatte ich nicht erwartet, dass sie mich was fragen würde.

„Was?“

„Wie es Gideon geht.“

„Oh.“ Ich zupfte an den Fransen des Schals. „Keine Ahnung. Wir reden nicht mehr miteinander.“

„Was echt jetzt?“ Leslie klang erstaunt. „Gar nicht? Ich dachte, ihr steht euch ziemlich nahe.“

Ich lachte zynisch.

„Ja, das war bevor ich rausgefunden hab, was er von Jean-Luc hält. Oder besser gesagt, von der Tatsache, dass Jean-Luc ein Mann ist.“

„Und deswegen redest du nicht mehr mit ihm? Wow, nimms mir bitte nicht übel, aber…das hätte ich nicht gedacht von dir.“

„Wieso? Weil ich Raphi seit nem knappen Jahr kenne und Gid seitdem ich sechs war? Oder hast du wirklich gedacht, ich bin so ein riesengroßer Haufen Scheiße, dass ich das einfach blind ignoriere, dass mein bester Freund seit kindestagen mit seinen zurückgebliebenen Weltansichten seinen Bruder verletzt und den kleinen Rest an Familie, den er noch hat, zerstört?“

„Also wenn ich ganz ehrlich bin…zugetraut hätt ich’s dir. Ich meine…mit Gwen hattest du immer herzlich wenig Mitleid, wenn die Leute sie komisch angeschaut haben wegen der ganzen Geistersache und so. Ich hab dich irgendwie nie als einen besonders weltoffenen Menschen eingestuft.“

„Das ist doch nicht Weltoffenheit, wenn ich nicht mit Raphi die Freundschaft kündige, weil er sich in einen anderen Mann verliebt. Das ist doch…das ist doch einfach selbstverständlich. Und ich meine, was geht mich das an, wen Raphi küsst oder nicht? Garnichts, das geht mich das an. Und Gid geht das genauso wenig was an, und das kriegt er nicht in seinen dicken Affenschädel.“

„Recht hast du.“ Leslie lächelte mich an. Und hörte nicht auf damit. Irgendwie war mir das unangenehm.

„Was soll das?“

„Was soll was?“

„Dieses Lächeln.“

„Darf ich dich nicht anlächeln?“

Und jetzt wurde ich rot. SCHON WIEDER. Meine Güte, ich musste aufhören damit! Das war ja schrecklich! Ich kam mir vor wie eine von den Heldinnen aus meinen Schmalzromanen.

„Ich werds dir nicht verbieten.“

„Gut, ich habe nämlich nicht vor, damit aufhören.“

Ich konnte spüren, wie ich noch röter wurde. Inzwischen leuchtete ich bestimmt wie eine Weihnachtskugel und Leslie sah mich immer noch so an. Meine Güte, fühlten sich meine Klassenkameradinnen so, wenn Gid mal wieder eine Charmeoffensive startete, um Gwen zu ärgern? Alles machte plötzlich Sinn.

Der Bus hielt, wir stiegen aus, und auf dem Weg zu mir nach Hause schwiegen wir wieder, aber es war ein anderes Schweigen. Ich musste sie ständig ansehen, und aus irgendeinem Grund konnte ich mir ein bedröppeltes Lächeln nicht verkneifen. Und sie sah mich immer noch so an. So.…ach, ich konnte es gar nicht beschreiben. So anders, eben. Irgendwie sanfter als sonst, keine Ahnung.

Vor der Tür wartete schon Gwen auf uns, in kniehohen Absatzstiefeln, die haargenau so aussahen, wie das Paar, das mir Raphi zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich hatte gerade den Mund aufgemacht, um was zu sagen, als ich in Gwens verheultes Gesicht sah und es mir doch anders überlegte. Sie würde die Stiefel schon nicht kaputt machen. Und ich brauchte sie heute wirklich nicht mehr.

„Hi Leslie, hi Charlotte.“

Gwen und Leslie umarmten sich. Ich stand verlegen daneben, Schlüssel in der Hand, und wartete darauf, dass Gwen die Tür frei machte.

„Ich wollte heute nicht wieder im Zimmer hocken und mir selbst leidtun, deswegen dachte ich, wir könnten noch ein bisschen Tanzen gehen. Ich mein, es ist Samstag, wer hockt schon am Samstag im Bett und heult, oder?“

Leslie nickte.

„Klar, Mum und Dad kommen heute eh erst spät heim, sie wollten noch nen Film gucken, glaub ich.“

Gwen lächelte erleichtert. Ihre Augen waren wirklich sehr rot. Ihre Nase auch.

„Super. Dann los geht’s, oder?“

„Jup.“

Ich hatte den Schlüssel schon ins Schloss gesteckt als ich Leslies Hand auf meinem Arm spürte.

„Tschüss, Charles.“

Ich musste schlucken. Sie stand so nah vor mir, dass ich die Sommersprossen auf ihrer Nase hätte zählen können.

„Tschüss.“ Irgendwie funktioniert meine Stimme nicht richtig. Ich musste das Wort fast schon mit Gewalt hervor pressen.

„Leslie, wo bleibst du! Der Bus kommt gleich!“

„Ich komme schon!“ Sie drehte sich auf dem Gehsteig noch einmal um und lächelte mich an, und ich stand wie zur Salzsäule erstarrt mit der Hand auf dem Schlüssel vor der Tür und sah ihr hinterher.

Als ich es endlich fertigbrachte, hinein zu gehen und meine Wintersachen aus zu ziehen, bemerkte ich, dass ich immer noch Leslies Schal anhatte.

Und plötzlich fühlte ich mich ganz leicht, geradezu beschwipst, und grinste schon wieder wie eine Verrückte vor mich hin.

Notes:

Ich schreibe dieses Kapitel in einem Krankheitszustand, der so beeindruckend jämmerlich ist, dass ich es eine ganze Woche nicht in die Uni schaffe und sogar ausnahmsweise mein Referat in einem von meinen Kursen verschieben durfte. Wenn ihr Rechtschreib- und Grammatikfehler findet, sagt bitte Bescheid, weil mein Hirn ist Matsch und ich hab die beim Durchkorrigieren sicher nicht alle gefunden.
Kommentare, Kudos und Reviews herzlichst erwünscht!

Chapter 14: Charlotte @ Giordano

Notes:

Was ist das, zwei Kapitel hintereinander??? Am selben Tag??? Ja. Consider this meine Entschuldigung dafür, dass das letzte Update so lange auf sich hat warten lassen.

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Ich

 

Giordano kann ich dich was fragen

 

Giordano 8)

 

schieß los *Pistolenemoji*

 

Ich

 

*Augenrollemoji*

 

Giordano 8)

 

es gibt garkein Augenrollemoji

 

und das wüsstest du wenn du dir endlich mal ein Handy zulegen würdest dass Emojis kann

 

Ich

Nur um dich zu ärgern behalte ich mein Motorola noch ein Jahr extra

 

Mum wollte mir zu Weihnachten ein neues Iphone kaufen aber dir zuliebe sag ich ihr sie kann sich das Geld sparen

 

Giordano 8)

 

: (

 

erzähl mal was los ist

 

ich brauche eine Ablenkung um diesen tiefen Schlag zu verkraften

 

Ich

 

*selbst schuld emoji*

 

Also folgende Situation:

 

Stell dir vor du hättest wen kennen gelernt

 

Und dieser jemand ist super süß

 

Aber ihr könnt euch nicht ausstehen

 

Giordano 8)

 

uuuuuuuh so ein sexy ihr könnt euch nicht ausstehen?

 

mit gegenseitig an Wände drücken und langem heißen Augenkontakt und so?

 

Ich

 

So ein ‚Nacktschnecken im Spind‘ ihr könnt euch nicht ausstehen

 

Giordano 8)

 

IHHH

 

ok erzähl weiter

 

Ich

 

Und dann müsst ihr zusammen was machen und dann merkst du dieser jemand ist gar nicht so schlimm!!

 

Und du würdest diesen jemand gerne näher kennen lernen!!

 

Aber du weißt ganz genau dass dieser jemand dich nicht mag

 

Und nicht auf dich steht

 

Nicht dass du irgendwie verknallt wärst oder so du magst diesen jemand halt

 

Was würdest du dann tun?

 

Giordano 8)

 

ach bella

 

du bist gerade dabei dich in irgendein hetero Mädchen zu vergucken stimmts?

 

Ich

 

NEIN

 

Und woher weißt du das es um ein Mädchen geht

 

Giordano 8)

 

schätzchen ich kenne dich seit sechs Jahren

 

glaubst du ernsthaft dass ich

 

ICH

 

das nicht gemerkt hab dass Gideons Wangenknochen dich ein wenig zu kalt lassen?

 

Ich

 

Gideons Wangenknochen sind garnicht mal so gut

 

Giordano 8)

 

das stimmt in der Tat meine sind viel besser

 

aber mal im ernst

 

du warst immer mehr an meinen Praktikantinnen interessiert als du es jemals an irgendwelchen Jungen warst

 

und jedes Mal wenn Falk und die anderen alten Säcke Witze darüber gemacht haben dass Gideon dich endlich mal zum Essen ausführen soll hast du ausgesehen als wolltest du am liebsten im Boden versinken

 

du bist nicht gerade subtil *Tränenlachemoji*

 

naja für mich wenigstens nicht aber ich bin auch ungewöhnlich observant wie mein Reikilehrer immer sagte. *Kirschblütenemoji*

 

aber Charlotte liebes ich hoffe dass du weißt dass ich immer für dich da sein werde <3 <3 <3

 

Ich

 

Ich weiß

 

Es tut mir leid dass ich nicht früher was gesagt hab

 

Ich meine ich weiß du hast nichts dagegen aber…ich weiß nicht

 

Giordano 8)

 

es ist einfach schwer

 

ich weiß liebes

 

ich hab das auch schon alles hinter mir

 

Ich

 

Danke dass du für mich da bist Giordano <3

 

Giordano 8)

 

ach süße da ist doch nichts zu danken!

 

das ist doch mein Job als dein weiser Mentor, dich in allen Bereichen deines Lebens zu führen und zu unterrichten!

 

„wie bin ich ein riesengroßer Homo“ gehört da natürlich dazu und zu deinem großen Glück gibt es auf der ganzen Welt niemanden, der sich da besser auskennt als ich.

 

Ich

 

Das stimmt allerdings

 

Giordano 8)

 

und ob das stimmt!

 

weißt du was, morgen kommst du zu mir ins Atelier und wir feiern ein bisschen, ja?

 

laden wieder etwas positive Energie du weißt doch wie wichtig positive Energie ist

 

ich nehme mir den Tag frei und zaubere ein bisschen was zusammen

 

nimm deinen Raphael mit wenn du willst

 

Ich

 

…woher weißt du das mit Raphael?

 

Giordano 8)

 

soll Rossini sich mal mit dem kleinen Schrecken abmühen es gibt noch drei Paar Halskrausen und eine Perücke zu machen bis Sonntag da wünsche ich ihr viel Spaß

 

wie kann ich das NICHT wissen?

 

außerdem hat ers mir gesagt als er neulich da war um seinen Bruder ab zu holen. Wir hatten ein sehr klärendes Gespräch

 

Ich

 

Ach ja?

 

Giordano 8)

 

ja und ich bin schon wieder ein monogrammiertes Taschentuch ärmer

 

wenn du den Bengel das nächste Mal siehst sag ihm ich wills zurück haben

 

Ich

 

Solange klar ist dass du immer noch MEIN Mentor bist…

 

Giordano 8)

 

kein Grund zur Eifersucht *Grinseemoji*

 

auf jeden Fall wir setzten uns zusammen, no heteros allowed, und quatschen ein wenig über dein Mädchen ; )

 

Ich

 

Sie ist nicht MEIN Mädchen

 

Sie ist halt………süß

 

Giordano 8)

 

nicht DEIN Mädchen soso…*zweifelnder Emoji*

 

Ich

 

*hör AUF sie ist WIRKLICH nicht mein Mädchen Emoji*

Notes:

I <3 Giordano. Merkt man, oder?
Kommentare, Kudos, Reviews - Her damit!!!

Chapter 15: Charlotte @ Gideon

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Und, wars schön auf der Homofete?

 

 

Ich

 

Gideon ich bin SO kurz davor dich zu blockieren

Und wenn nicht in 5 Sekunden eine Entschuldigung für diesen Scheiß kommt dann tu ichs auch

5

4

3

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Na gut, na gut!

Es tut mir Leid.

 

 

Ich

 

Was tut dir Leid?

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Ja was wohl?

 

 

Ich

 

Ja WAS wohl Gideon

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Ja was weiß ich.

Das was dich sauer gemacht halt!

 

 

Ich

 

Du meinst du WIEST es nicht?!

Weißt du was mir reichts

Gideon Alexander Rhodion Philipp de Villiers III du bist ein kolossaler Arsch und ich hoffe ich muss nie wieder mit dir reden

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

WARTE.

Es tut mir Leid dass ich Raph und Giordano Homos genannt hab.

Es tut mir außerdem Leid dass ich so passiv aggressiv war.

 

 

Ich

 

Oh und das macht jetzt auf magische Weise alles besser wenn du dich bei mir entschuldigst anstatt bei den zwei Menschen die du beleidigt hast oder was?

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Oh man Charlotte!

Bitte machs mir nicht so schwer.

 

 

Ich

 

Gib mir einen guten Grund

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Weil wir Freunde sind?

Und weil du die Einzige bist, die mich versteht?

 

 

Ich

 

Gideon was soll das

Du weißt genau dass diese ‚du bist anders als andere Mädchen‘ nummer nicht bei mir zieht

Was willst du

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Aber du BIST anders als andere Mädchen.

 

 

Ich

 

Gideon was WILLST du

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Na gut.

Kannst du mal mit Gwen reden?

 

 

Ich

 

Warum sollte ich das tun

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Ich dachte du verstehst das!

Gwen benimmt sich wie

Wie

Gwen weiß nicht was sie tut und das weißt du.

Ich meine, sie kennt Raph doch gar nicht!

 

 

Ich

 

Na und?

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Nichts mit ‚na und‘ sie weiß ja gar nicht wie er vorher war!

Dann wäre ihr auch klar wie absurd das Ganze ist!

Ich will doch nur meine Gwen zurück.

 

 

Ich

 

Weißt du was mir reichts

 

 

Wollen Sie ‚Gideon de ARSCHLOCH!!!‘ wirklich blockieren? ‚Gideon de ARSCHLOCH!!!‘ kann Ihnen dann keine Nachrichten mehr senden.

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!

 

Also dass Gwen sich von dieser Sache beeinflussen lässt hätte ich mir ja denken können aber dass DU da mit machst das ist echt beschämend.

 

 

Gideon de ARSCHLOCH!!!‘ wurde blockiert.

Notes:

Manchmal tuts mir schon Leid wie ich den armen Gideon so malträtiere, aber dann muss ich wieder an die Szene in Saphirblau denken, wo er Gwen gesteht, dass er den Auftrag des Grafen, sie auf romantischer Ebene zu manipulieren, angenommen hat bis ihm klar geworden ist dass eine Frau manchmal auch ein Mensch ist, und dann verschwindet dieses Gefühl wieder.

und JA!!! Ich bin wieder da!! Es geht weiter!!! Das nächste Kapitel ist in Arbeit, länger als 200 Wörter, und kommt hoffentlich vor 2021 raus (sorry, ist es noch zu früh für diese Witze?) und bis jetzt ist es zieeeemlich geil, also freut euch schonmal!

Kommentare, Kudos, Reviews, wütende Nachrichten weil ich das erste Mal seit...November 2019? update - her damit!

Chapter 16: Leslie

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

“Hier, guck dir das an.“

„Hm?“ Es war acht Uhr morgens und ich war ausnahmsweise mal pünktlich im Unterricht. Überpünktlich, wenn mans genau nahm. Was bedeutete, dass ich aus Zeitgründen auf meinen morgendlichen vierfachen Espresso vom Starbucks an der Baker Street verzichtet hatte und jetzt nur mit riesiger Mühe, die ich mir im Übrigen nicht gab, wach bleiben konnte.

„Leslie, mach die Augen auf.“

Ich kuschelte mein Gesicht ein wenig fester in meine Jacke, die ich zusammengefaltet auf mein Pult gelegt hatte.

„Will nicht.“

Kurz war es still. Und dann war plötzlich mein improvisiertes Kissen weg und ich knallte mit der Wange auf das kalte und sehr, sehr harte Pult.

„Aua! Man, was soll das?“

Verwirrt schaute ich mich um. Die Suche nach dem Übeltäter fand ein schnelles Ende; Charlotte stand mit der Jacke in der Hand vor meinem Pult.

„Ah, gut, du hast die Augen auf. Hier, schau dir das mal an.“

Sie schob mir ihr Handy unter die Nase.

„Charles, ich schwöre, wenn das einer von den Artikeln über El Hechizado ist, die du mir seit Tagen schickst…“

„Lies einfach.“

Ich rollte mit den Augen und nahm Charlotte das Handy aus der Hand. Sie hatte einen Chatverlauf geöffnet. Gideon de ARSCHLOCH schrieb da was über….

„Warte. Was.“

Ich scrollte nochmal hoch und las von vorne.

„Was?!“

Charlotte nickte verständnisvoll.

„Genau! Kannst du es fassen?“

Ich schüttelte ungläubig den Kopf.

„Also dass der Kerl Eier in der Hose hat wusste ich ja, aber dass er sich DAS traut…hätt ich nicht gedacht. Meine Güte.“

„Und das ist noch nicht mal das Beste.“ Charlotte stützte sich mit den Händen auf dem Pult ab und lehnte sich vor zu mir. „Er hat mich tatsächlich zehn Minuten später angerufen und als ich ihn weggedrückt hab hat er ernsthaft um halb elf abends noch bei uns aufm Festnetz angerufen. Mr. Bernhard hat mir heute früh berichtet, dass er gefragt hat ob er mich ans Telefon holen kann, weil was mit meinem Handy offenbar nicht stimmt weil seine Nachrichten nicht ankommen.“

„Ja, und? Was hat Mr. Bernhard gesagt?“

„Er meinte, dass es sich nicht gehöre eine Dame nach 20 Uhr ans Telefon zu holen und eigentlich sollte der gnädige Herr das wissen, oder wären all die Etikettenstunden, die er dank der Loge hinter sich hat, umsonst gewesen?“

„Nein.“

„Doch!“

„Und Gideon hat das echt nicht gecheckt dass du ihn blockiert hast?“

„Offenbar nicht!“

„Wahnsinn.“

„Was ist Wahnsinn?“

Raphi war hinter Charlotte aufgetaucht und lugte über ihre Schulter.

„Dein Bruder weiß nicht wie WhatsApp funktioniert.“ Charlotte steckte schnell das Handy weg bevor der den Chatverlauf lesen konnte, drehte sich zu ihm um und rümpfte die Nase. „Kannst du immer noch keinen Krawattenknoten?“

„Doch, kann er.“ Ich kuschelte mich zurück auf mein Pult, diesmal in meine Arme und nicht in einen…Kissenersatz. Charlotte fing an, mich in die Seite zu piksen und dabei ‚nicht wieder einschlafen‘ zu zischen, was ich gepflegt ignorierte. „Aber er hofft, dass James aus seinem Mathekurs sie ihm richtig bindetbindet, wenn er nur traurig genug guckt.“

Charlotte schnaubte amüsiert durch die Nase.

„Na dann viel Glück. So weit ich weiß hat James nämlich was entschieden heterosexuelles mit der großen Schwester von Kenneth aus der zwölften am Laufen.“

„Man, Charlie, woher weißt du das immer?“ Resigniert löste Raphi den Doppelknoten, der ihm um den Hals hing. Charlotte zuckte mit den Achseln.

„Die MacDougals haben ihre Pferde im selben Reitstall stehen wo Großmutter und ich Unterricht haben. Spricht sich dann halt rum.“

„Wenn du alles immer weißt.“ Ich musste mitten im Satz gähnen. „Weißt du dann auch was es mit dieser Vollversammlung am Nachmittag auf sich hat?“

„Nein, keine Ahnung.“ Charlotte verzog entschuldigend die Mundwinkel und der keine Leberfleck an ihrem Kinn hüpfte ein paar Millimeter zur Seite. Mann, warum fiel mir das eigentlich ständig auf? „Vielleicht wüsste ja Cynthia was, aber…“

„Aber dann müsste man mit Cynthia reden.“ Vervollständigte Raphi den Satz.

„Genau.“

„Und das tun wir uns nicht an.“ Ich nickte zustimmend. „Naja egal. Wir werden’s schon früh genug erfahren.“

Gerade wollte ich meinen Kopf wieder auf mein Pult sinken lassen und meinen bitter zu kurz geratenes Nickerchen fortsetzten, aber dann betrat Mrs. Counter den Raum und bat um absolute Ruhe und ungeteilte Aufmerksamkeit, schließlich müsse uns bewusst sein, dass wir hier auf unsere A Levels hinarbeiteten. Mist. Also zückte ich widerwillig einen Stift und gab mir Mühe, wenigstens so zu tun als würde ich aufpassen.

Als sich dann in der dritten Stunde die ganze Jahrgangsstufe in der Aula versammelte herrschte neugierige Anspannung. In den ersten beiden Stunden hatte ich schon alles Mögliche an wilden Theorien gehört über das, was uns hier erwarten sollte. Von ‚Mr. Whitmann kehrt aus der Geschlossenen zurück um Psychologie zu unterrichten‘ über ‚jemand hat Madonnas Tochter gekidnapped und wir müssen jetzt alle Schweigeverträge unterschreiben und dann kriegt jeder eine Detektivausrüstung und müssen sie suchen‘ zu ‚Direktor Gillies macht eine Geschlechtsumwandlung und präsentiert sich heute zum ersten Mal als Frau“ war alles mit dabei.

Umso enttäuschter waren wir als Mrs. Counter ans Rednerpult trat und uns eröffnete, dass es ‚nur‘ um unsere verpasste Studienfahrt ging.

„Wie euch allen sicherlich noch gut in Erinnerung ist, gab es letztes Jahr zur Zeit der eigentlich regulär am Ende der zwölften geplanten Studienfahrt einen…etwas pikanten Vorfall, in dem einer der damals hier unterrichtenden Lehrer verwickelt war.“

Gwen, die neben mir saß, schnaubte bei den Worten ‚pikanter Vorfall‘ durch die Nase. Charlotte, die auf meiner anderen Seite saß, bekam einen Hustenanfall.

„Natürlich haben wir angesichts dieser Umstände die Studienreise abgesagt.“, fuhr Mrs. Counter fort. „Allerdings haben wir nur, auf Drängen der Jahrgangsstufensprecher hin, einige Möglichkeiten dahingehend investigiert, die Studienfahrt doch noch stattfinden zu lassen.“

Ein Raunen ging durch die Aula als 300 Schüler sich kollektiv zu ihren Nachbarn umdrehten und fragten, ob sie sich verhört hätten.

„Ruhe bitte!“ Mrs. Counter blicket streng hinter ihren Brillengläsern hervor. „Uns allen in der Lehrerschaft ist er natürlich bewusst, dass – ich sagte Ruhe bitte, Miss Dale! – nun, wie ich schon sagte, es ist uns allen bewusst, dass das kein optimaler Zeitpunkt ist. Allerdings sind wir der Meinung, dass eine einwöchige Fahrt nach Neapel keine negativen Auswirkungen auf ihre Noten und ihren Lernfortschritt haben sollte, zumal Sie ja – RUHE bitte!- zumal Sie ja im letzten Jahr durch den Ausfall der Studienfahrt bereits ein wenig im Unterricht vorgreifen konnten.“

Ich lehnte mich zu Gwen rüber.

„Wollen die uns ernsthaft im Winter noch nach Neapel schicken?“

Gwen zuckte mit den Achseln.

„Ich schätze, ich kann eh nicht mitfahren. Ich meine, ich kann den Chronographen plus geschätzte fünfzig Kilo Kostüme doch wohl schwer im Handgepäck verstauen, oder?“

Scheiße, das war mir ja komplett entfallen.

„Oh man, Gwen, tut mir leid, ich hab ja ganz vergessen dass-“

„Schon ok. Ich mein, ich hätts ja auch fast vergessen wenn nicht –“

„Psst!“ Charlotte zischte uns aus dem Mundwinkel an. „Man kann kein Wort verstehen wenn ihr so laut redet dabei!“

Ich rollte genervt mit den Augen. Typisch Charlotte. Aber na gut, irgendwie hatte sie schon recht.

Wir konzentrierten uns wieder auf Mrs. Counter, die inzwischen mit zunehmend saurem Gesichtsausdruck damit beschäftigt war, Fragen aus der Menge zu beantworten.

„Sind wir immer noch im selben Hotel untergebracht?“ Das war Jenny aus meinem Mathekurs.

„Nein, wir sind in einem sehr attraktiven Feriendorf.“

„Was ist mit dem Wetter?“ Das war James’ samtweicher Bariton. Raphi lies neben Charlotte ein leises, sehnsüchtiges Seufzen vernehmen.

„Garantiert nicht schlimmer als London im Sommer.“ Wo sie recht hatte…

„Bleibt das Programm gleich?“ Wieder Jenny. Man, da wollte aber jemand den Titel als Am Besten Organisiert unbedingt über seinem Namen im Jahrbuch sehen.

„Weitgehen ja, mit dem kleinen Unterschied, dass sämtliche Strandausflüge in Museumsausflüge umgewandelt wurden.“

Die versammelte Menge buhte laut.

Charlotte hob die Hand.

„Wie werden die Zimmer neu verteilt?“

Mit einem Schlag war es wieder still im Saal.

Mrs. Counter räusperte sich.

„Es wird am schwarzen Brett eine Liste ausgehängt, in der die Zimmer aufgelistet sind. Bis übernächste Woche Mittwoch trägt sich bitte jeder, der mitfährt, in ein Zimmer ein. Sollte es Konflikte geben bezüglich der Zimmerverteilung werden wir – das heißt ich und Mr. Derrysworth in unserer Funktion als Vertrauenslehrer- am folgenden Donnerstag mit den betroffenen Parteien noch Gespräche führen.“

Es herrschte einige wenige Sekunden erschlagenes Schweigen als wir alle diese Nachricht verdauten. Dann brach das absolute Chaos aus.

„Wie, wir müssen uns neue Zimmereinteilungen ausdenken das ist doch –“ „Wie viele Leute können überhaupt in ein Zimmer nicht dass es wieder nur Doppelzimmer gibt wie damals in-“ „- wollte sowieso nie mit dir in ein Zimmer, du arrogante Ziege, du- “ „-und wenigstens werden wir dann vielleicht Gordon los wenn wir uns schnell genug in ein fünferzimmer-“

Ich drehte mich zu Charlotte und flüsterte ihr leise ins Ohr. „Wenn du’s schlau anstellst wirst du Cynthia los.“

Oh Gott, sie roch so gut. Ein ganz bisschen nach Pfirsich und Vanille und ihrem Mangoshampoo aber hauptsächlich einfach nach…Charlotte. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, mein Gesicht in ihrem Hals zu vergraben und einfach –

- ich drehte mich schnell wieder weg bevor man mir ansah, was ich dachte. Mir schoss das Blut in die Wangen und ich hoffte nur, dass ich nicht so rot wurde wie mir grad heiß war.

„Ja.“, flüsterte Charlotte zurück. Ihr Atem kitzelte mich im Nacken und mit einem Mal brach mir am ganzen Körper Gänsehaut aus. „Nur wenn ich nicht mit Cynthia ins Zimmer gehe, mit wem dann?“

„Ich glaube nicht, dass du Schwierigkeiten damit haben wirst, ein anderes Zimmer zu finden. Ich meine, wenn man die Wahl zwischen dir und Cynthia hat, ist doch klar, dass man sich nicht freiwillig für Cynthia entscheidet.“

Charlotte zuckte mit den Schultern und biss sich gedankenverloren auf die Unterlippe. Und sah dabei natürlich aus wie auf nem Fotoshooting. Meine Fresse, wie machte sie das bloß immer?

„Hoffentlich hast du Recht.“

 

Am Nachmittag saßen Gwen, Charlotte, Raphi und ich zusammen im Bus, weil Charlotte und ich bei ihr zuhause noch an unserem Bioreferat arbeiten wollten und Raphi sich spontan einfach dazugeladen hatte, als Cynthia sich auf einen freien Platz vor uns setzte und begann, auf uns einzureden.

Eigentlich war das an sich schon beeindruckend, weil sowohl Gwen als auch Charlotte ihre Lady Arista Mörderblicke drauf hatten und Raphi sie so abfällig musterte, dass mir selbst ein wenig mulmig wurde. Und das, obwohl ich nur neben ihm saß und das nicht am selben Leib erfuhr.

„Oh man, ist das nicht absolut geil, dass wir jetzt doch noch ne Woche nach Neapel fahren? Ich meine, das wird soooo toll, stellt euch doch nur mal vor, den ganzen Tag Sonne und Pizza und Bikinis und die heißen italienischen Männer…“ Bei den Worten warf sie Raphael einen verschmitzten Blick zu. „Und wir mittendrin! Ach Leuteee…ich freu mich so! Vor allem, weil wir zusammen ins Zimmer kommen, Charlotte!“

Bitte was? Hatte ich mich da verhört? Charlotte, in einem Zimmer mit Cynthia? Schnell warf ich ihr einen Blick zu. Oh, sah wohl so aus, als wäre das auch für sie neu.

„Wir? In einem Zimmer?“

Charlottes Stimme klang richtig gefährlich. Gwen und Raphi zogen simultan eine Grimasse und lehnten sich von ihr weg. Ich tat das Gegenteil, ich lehnte mich weiter vor. Es sah so aus, als währe Charlotte kurz davor, Cynthia mit bloßen Händen durch die Busfensterscheibe zu werfen, und das wollte ich unbedingt mitbekommen.

„Ja natürlich!“ Cynthia strahlte in die Runde wie ein Atomkraftreaktor kurz vor dem Supergau. „So hatten wir es doch ausgemacht letztes Jahr!“

Sie blickte uns grinsend an und bemerkte scheinbar jetzt erst, wie wir sie alle ansahen. Das Strahlen wurde um einige Megawatt gedimmt.

„Erinnerst du dich nicht? Wir haben letztes Jahr ausgemacht, dass du, ich, Jenny und Martha in ein Zimmer gehen. Ich dachte, das steht noch. Ich hab uns jetzt schon für den Bungalow 3 eingetragen. Mit Kuli.“

Charlotte bekam sichtbar rote Wutflecken auf der Wange und holte grade tief Luft, wahrscheinlich, um Cynthia erst anzuschreien und dann wirklich durchs Fenster zu werfen, als sich, zu unser allen Überraschung, ausgerechnet Gwen einmischte.

„Ähm, sorry Cynthia, aber Charlotte kann nicht mit dir ins Zimmer.“

Cynthia zog die Augenbrauen hoch.

„Ach, und warum denn nicht?“

„Weil sie schon bei mir und Leslie im Zimmer ist.“

„Was?“

Ja genau, was? Ich warf Gwen einen schnellen fragenden Blick zu. Sie erwiderte ihn mit einem Augenbrauenwackeln, das mir zu verstehen gab, dass ich bitte mitspielen sollte.

„Ja, genau.", sagte ich schnell. „Charlotte ist mit mir und Gwen in Bungalow 2, hast du das nicht gesehen als du den Zettel ausgefüllt hast?“

Cynthia runzelte die Stirn.

„Ich dachte in Bungalow 2 währen Simon, Gordon und Theo.“

Ich nickte zustimmend.

„Ja, stimmt, aber das war bevor wir getauscht haben.“

„Genau.“, übernahm Gwen wieder. „Laut Lageplan ist das Bungalow 2 ja direkt neben dem von den Lehrern, das wollten die dann doch nicht. Das würde ja Theos Plan, sich im Dorf mit Weinkanistern einzudecken und jede Nacht Party zu machen, komplett zerstören! Und wir hatten eigentlich den Bungalow 10, der mit den zwei Viererzimmern, aber dann haben sich Jenny und Sarah wieder in die Wolle gekriegt, weil es ja nur eine Dusche gibt und Jenny mit ihrer Neurodermitis natürlich wegen der ganzen Sonnencreme zweimal am Tag duschen muss und Sarah meinte, das würde der Badezimmerplan, den sie erstellt hat, nicht her geben, bei acht Mädels im Zimmer. Und das war uns dann zu blöd und wir haben die Jungs gefragt, ob sie mit uns tauschen wollen.“

Cynthia runzelte die Stirn.

„Und das soll gehen? Vier Mädels und vier Jungs in einem Bungalow? Und überhaupt, woher habt ihr den Lageplan? Ich hab da keinen hängen gesehen.“

Gwen schluckte nervös.

„Ja, also, natürlich geht das nicht, aber das wissen die Jungs doch nicht, oder? Und wir wollten das Bungalow 2, weil das viel näher am Strand ist als die anderen. Und der Lageplan, ja, den haben wir…“

Gwen sah flehend in die Runde, und zum Glück kam Charlotte zur Rettung.

„Den haben wir von Mrs. Counter.“ Sie lächelte ihr Mona Lisa lächeln.

Oh scheiße, gleich kam bestimmt was richtig fieses.

„Und den hättest du bestimmt auch bekommen, wenn du nicht die ganze letzte Stunde damit beschäftig gewesen wärst, Raphi auf den Hintern zu starren. Sag mal, wie ist es eigentlich so, wenn man weiß, dass man keine Chance hat und sich trotzdem noch an Männer ranschmeißt, die überhaupt nichts mit einem zu tun haben wollen? Findest du das vielleicht geil, wenn ständig über dich geredet wird? Weil anders kann ichs mir langsam echt nicht mehr erklären.“

Jep, das hatte einen Nerv getroffen. Cynthia wurde bis auf ihre Wangen ganz bleich im Gesicht und an ihrer Schläfe begann eine kleine Ader sichtbar zu pochen. Ich wünschte mir verzweifelt eine Tüte Popcorn.

„Das musst du grade sagen. Du bist doch die, die hier ständig mit der Schulmatratze rumläuft und trotzdem als einzige nie was mit ihm hatte!“

Ich hörte, wie Raphi neben mir nach Luft schnappte, aber ich konnte die Augen nicht von Charlotte und Cynthia lassen.

„Stimmt.“ Charlottes Lächeln wurde noch eine Spur kälter. „Aber im Gegensatz zu dir will ich nichts von ihm und er hängt trotzdem mit mir ab. Du dagegen bist die einzige Frau der Welt, die trotz Minirock, tiefen Ausschnitten und Kiloweise Lipgloss von weder von dem einen noch dem anderen De Villiers auch nur einen Blick abkriegt. Weißt du was, ich an deiner Stelle würde mich langsam ernsthaft mal fragen, woran das liegt. Persönlich tippe ich ja auf deine fette Nase und diese absolut abstoßende Persönlichkeit die du da hast, das würd ich wirklich mal von nem Profi untersuchen lassen.“

Cynthia schnappte entgeistert nach Luft und fasste sich an die Nase. Charlotte blickte sie mitleidig an.

„Willst du vielleicht die Nummer von einem echt sehr guten Schönheitschirurgen haben? Da war meine Cousine nachdem ihr ein Pferd das Gesicht eingetreten hat, danach hat sie fast ausgeschaut wie du. Aber die sieht jetzt wirklich aus wie neu! Wegen deiner Persönlichkeit kann ich dir leider niemanden empfehlen, das Problem hab ich nämlich selber nicht.“

„Wisst ihr was?“ Cynthia stand auf, immer noch mit einer Hand vor der Nase. „Ihr seid doch krank. Ihr hättet auch einfach sagen können, dass ihr zusammen in ein anderes Zimmer wollt! Es hat euch niemand drum gebeten, mich gleich fertig zu machen!“

Sie stolperte auf den Gang zwischen den Sitzen hinaus und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Platz ganz hinten.

„Das musst du grade sagen!“, rief Raphi ihr hinterher. „Wer von uns ist hier die homophobe Zicke, die nicht versteht, dass man sie nicht daten will, nachdem sie einen unfreiwillig geoutet und vor der ganzen Schule bloßgestellt hat? Du oder einer von uns?“

Cynthia drehte sich um und streckte Raphi beide Mittelfinger entgegen, worauf er sich demonstrativ an die Nase fasst und ihr die Zunge rausstreckte. Sie schrie wütend auf und klatschte sich beide Hände vors Gesicht.

Der Bus hielt an der Haltestelle vor dem Pret-a-Manger fünf Blocks vor Gwen und Charlottes Haus.

Cynthia hatte ihren angestammten Platz erreicht und langsam begann es aus dem hinteren Teil des Busses laut zu werden.

„Kommt.“, sagte ich. „Raus hier. Die paar Straßen schaffen wir auch zu Fuß und ich habe echt keinen Bock, mir das da hinten auch noch zehn Minuten lang anzuhören.“

Wir schnappten alle schnell unsere Taschen und Rucksäcke und hüpften aus dem Bus.

Die Türen schlossen sich mit einem Zischen hinter uns.

Der Bus fuhr weiter, und einen Moment lang standen wir nur vor dem Pret-a-Manger auf der Straße rum und schwiegen uns an, bis wir plötzlich alle wie wild loszulachen begannen.

„Man, habt ihr ihren Blick gesehen als Charlie ihre Nase erwähnt hat?“ Raphi klopfte Charlotte fest auf die Schulter. „Das war Gold wert! Man, Charlie, das hat fast alles wieder gut gemacht, was diese blöde Ziege mich die letzten Tage an Scheiße hat durchleben lassen!“

„Wie du ihr einfach den Schönheitschirurgen von Cousine Janet empfohlen hast! Ich habs echt nicht fassen können!“ Gwen grunzte fast schon. „Man, Charlotte, das war echt genial!“

„Ja!“ Mir standen vor Lachen die Tränen in den Augen. Meine Brille beschlug schon. Ich nahm sie ab und blinzelte Charlotte an. „Charles, ich dachte nicht, dass ich das jemals sagen würde, aber ich liebe dich grad so sehr. Das war wirklich das Geilste, was ich jemals erlebt habe.“

Der verschwommene Blob, der Charlottes Gesicht war, verfärbte sich rot. Ich setzte die Brille wieder auf. Charlotte lachte sich mit uns schlapp, und ihre Wangen waren wirklich sehr rosa, was einen hübschen Kontrast ergab zu…Moment mal, war das etwa –

„Ist das mein Schal, den du da an hast?“

Charlotte wurde noch röter, was ich fast nicht für möglich gehalten hatte, und zupfte verlegen an einer losen Masche.

„Ich wollte ihn dir eigentlich heute zurückgeben, ich schwörs, nur dann war mir heut früh super kalt und ich habs vergessen. Willst du ihn – “ Sie machte Anstalten, den Schal auszuziehen.

„Nein, nein!“ Schnell schüttelte ich den Kopf. „Behalt ihn ruhig noch ne Weile! Den hab ich vor n paar Jahren gestrickt als ich so ne Handarbeitsphase hatte, ich trag den eigentlich fast gar nicht.“

„Oh.“ Charlotte lächelte verlegen. „Danke.“

Gwen und Raphi sahen sich an und schmunzelten blöd.

„Was ist?“, fragte ich. „Was soll dieser Blick?“

„Nichts, nichts.“, meinte Gwen und grinste breit.

Raphi hakte sich bei mir und Charlotte ein und grinste uns genauso breit an.

„Wir findens nur süß, wie ihr euch vor ein paar Wochen auf den Tod nicht ausstehen konntet und jetzt teilt ihr Klamotten.“

Jetzt wurde ich auch rot.

„Wir sind nicht süß!“

„Außerdem verstehen wir uns überhaupt nicht gut!“, pflichtete mir Charlotte bei. „Wir haben bloß Waffenstillstand! Wegen dem Referat!“

„Waffenstillstand, so nennt man das hier in England also.“ Raphis Grinsen wurde immer blöder. Ich kniff ihn für die Bemerkung in die Seite, zur gleichen Zeit, als Charlotte ihm von der anderen Seite mit Kraft gegen die Schulter boxte.

„Ha!“ Er lies uns los und tänzelte selbstzufrieden vor uns auf der Straße herum. „Winterparka! Ich habe überhaupt nichts gespürt!“

„Ach ja?“ Charlotte nahm ihre Tasche von der Schulter und drückte sie Gwen in die Hand. „Wollen wir das ändern?“

„Neeeiiiin!“, rief Raphi und sprintete los, Charlotte dicht auf seinen Fersen.

Gwen schüttelte lächelnd den Kopf und warf sich Charlottes Tasche über die Schulter.

Gemütlich schlenderten wir den beiden hinterher.

„Du, aber mal ganz ohne Quatsch.“ Gwen stieß ihre Schulter sanft gegen meine. „Ich bin froh, dass du und Charlotte euch gefunden habt.“

„Was?“ Ich war verwirrt. „Wie meinst du das, gefunden?“

Gwen kniff die Augen zusammen und musterte mich eingehend.

„Und was soll dieser Blick? Hab ich was zwischen den Zähnen?“ Ich kramte in meiner Jackentasche nach meinem Makeupspiegelchen.

„Ach nichts.“ Gwen zuckte ausweichend mit den Schultern. „Ich finds nur gut, dass wir mit Charlotte nicht mehr auf den Tod verfeindet sind, das ist alles. In den letzten Wochen habe ich sie in Temple geradezu vermisst.“

Ich schnaubte ungläubig durch die Nase.

„Willst du mir ernsthaft erzählen, dass du es vermisst, dir jede Woche drei Stunden lang anhören zu müssen, was du alles falsch machst und wie Prinzessin Charles das alles schon rückwärts konnte, als sie noch nicht mal aus den Windeln raus war?“

„Nein, das vermisse ich wirklich nicht. Aber keine Ahnung, ich hab irgendwie nicht gemerkt, wie viel besser ich mich gefühlt habe als wenigstens Charlotte da war um mir alles zu erklären, was ich nicht wusste. Jetzt meinen alle, ich hab einigermaßen genug gelernt um selbst zurecht kommen und ich bin voll auf mich alleine gestellt. Und ich werde ständig angeschnauzt wenn ich was falsch mache, und meistens weiß ich nicht mal, was es überhaupt war! Ich hab das nie gelernt, wie man sich in der Vergangenheit zu benehmen hat, aber ich soll nach einem Jahr Crashkurs plötzlich alles perfekt können! Das ist doch krank!“

„Und Gideon?“, fragte ich vorsichtig.

Gwen seufzte tief.

„Gideon versteht nicht, dass das, was er auf seiner Privatschule und im Mysterienunterricht gelernt hat nicht gerade Allgemeinbildung ist. Das konnte Charlotte irgendwie viel besser. Abschätzen, was ich nicht weiß, meine ich.“ Sie spielte gedankenverloren an der Schnalle am Gurt von ihrem Rucksack rum. „Außerdem ist er im Moment eh komplett nutzlos, weil er sofort wieder mit seiner ‚bitte vergib mir Gwenny‘ Nummer anfängt sobald ich ihn auch nur eine Sekunde zu lang ansehe. Naja, wenigstens ist Giordano ein wenig netter zu mir.“

„Das ist echt scheiße.“

Sie zog eine traurige Grimasse.

„Ich weiß.“

Ich schlang den Arm um ihre Schultern.

„Weißt du was? Wenn wir Charles super nett bitten, hilft sie dir bestimmt ein wenig mit deinen Wächterhausaufgaben. Sie ist doch bestimmt auch ganz scharf drauf, da wenigstens ein bisschen wieder mit machen zu dürfen. Aber jetzt gehen wir zuerst mal zu dir nach Hause und hoffen, das Charlotte Raphi auf dem Weg dorthin nicht umgebracht hat. Und dann setzten wir uns zu euch ins Musikzimmer und trinken ne Runde heiße Schokolade mit echter Milch und richtiger Schlagsahne.“

Gwen schniefte ein bisschen.

"Das klingt gut."

Raphi und Charlotte holten wir erst vor der Tür vom Bourdon Place 81 ein, wo Charles einen keuchenden Raphi im Schwitzkasten hielt.

Den Nachmittag verbrachten wir dann mit allem, nur nicht mit unserem Referat; Wir tranken Tee und heiße Schokolade, überredeten Gwen und Charlotte, uns Menuettschritte bei zu bringen, und als Gwen nach ein paar Stunden zum elapsieren musste, überredeten Raphi und ich Charlotte, mit uns Shakespeare in Love zu gucken und amüsierten uns darüber, was sie von der historisch absolut inakkuraten Handlung hielt.

Als Raphi und ich gegen halb neuen gingen stießen wir in der Tür mit Gwen, die gerade aus Temple zurückkam, zusammen.

„Ratet mal, was!“ Sie grinste uns freudig an.

„Gideon ist in die Themse gefallen und ertrunken?“ Charlotte, die uns noch zur Tür begleitet hatte, zog zitternd ihre Strickjacke fester um den Körper.

„Nein!“ Gwen trat in den Flur und schloss hinter sich die Tür. „Noch besser!“

„Ja, was ist es denn jetzt?“ Raphi wippte ungeduldig auf den Fußballen herum. „In zehn Minuten geht der letzte Bus und ich hab wirklich keinen Bock darauf, meinen Arsch von einem Bruder anrufen zu müssen damit er mich mit seinem neuen Benz abholt.“

„Ich kann mitfahren!“

Raphi runzelte verwirrt die Stirn.

„Zu Gideon?"

„Nein!" Gwen klatschte vor Freude in die Hände. „Nach Neapel!"

„Wie, nach Neapel?“ Ich konnte es kaum fassen.

„Ja!“, rief sie. „Die drehen da irgendwas mit einem von den Mitgliedern vom inneren Kreis, keine Ahnung, so richtig hab ichs auch nicht verstanden, aber ich bin dabei!“

„Jaaa!“ Wir fielen uns in die Arme und hüpften glücklich im Flur herum.

„Heißt das, wir machen wirklich zusammen ein Dreierzimmer?“, fragte Charlotte hinter uns zaghaft. Gwen und ich sahen uns eine Sekunde lang an.

„Mädelszimmer ohne Cynthia? Aber hallo!“

Notes:

Dieser Moment, wenn man die Fertigstellung von einer Fic mit dem Beginn einer neuen prokrastiniert, deren Fertigstellung man wiederum mit einer neuen prokrastiniert, deren Veröffentlichung man wiederum mit einem neuen Kapitel von der ersten Fic prokrastiniert. In diesem Sinne - ich hoffe, das neue Kapitel gefällt euch, es war eine ganz schöne Aktion (die letzten 2000 Wörter wollten nicht so richtig).

Kommentare, Kudos, Reviews - immer her damit :D

Chapter 17: Charlotte

Notes:

Wenn ich mich an meinen """Schreibplan""" halte sind's noch zwei, maximal drei Kapitel bis zum Ende und ich würde mich gerne jetzt schon bei den treuen Lesern bedanken, die 2023 dann endlich das Ende miterleben dürfen <3.

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Der Koffer war gepackt.

Ich ging mental nochmal die Liste des Inhalts durch: Kulturtasche (Zahnbürste, Deo, Sonnencreme, Gesichtsseife, Handseife, Zahnpasta, Tampons, Notfallklopapier, Haargummis, Antipickelcreme), Klamotten (drei T-Shirts, vier Tops, zwei Pullis für den Fall der Fälle, drei Hosen, drei kurze Hosen, ein Kleid, eine Garnitur Schuluniform für den Fall eines Falles, zehn Unterhosen, zwei BHs, ein Bikini weil man ja nie wissen konnte, ob es nicht vielleicht doch einen Pool gab, sechs paar leichte und zwei paar dicke Socken), Notfallausrüstung (Kompass, Karte, sehr gut verstecktes Taschenmesser), Snacks (weil man nie wissen konnte, wie gut das Essen sein würde), ein extra paar Schuhe, ein gutes Buch (Vampirroman, natürlich), eine Regenjacke, und ein paar Euro in bar, in einem Paar rosa Socken.

Dann der Rucksack: Pass, Geld (Bar und auf der Karte), Notfallpulli, Notfallsnacks, Notfallkulturbeutel mit dem Nötigsten falls der Koffer verloren ging, Notfallunterwäsche für…den Fall eines Desasters, Reiseapotheke mit Aspirin und Immodium und einem Bauschmerzmittel und ein Paar Tabletten Paracetamol, Kaugummi gegen die Druckumstellung im Flugzeug, Notfall T-Shirt und  Notfall Jogginghose, ein Schächtelchen Haarnadeln, weil ein Taschenmesser oder ein Set Dietriche in der Security sicher auffallen würde, Handy, Desinfektionsmittel, Desinfektionstücher, Blasenpflaster, Schnürsenkel, ein frisches Paar Socken, Kopfhörer, Schlafmaske.

Ich war auf den Flug und die Klassenfahrt so gut es nur ging vorbereitet, und trotzdem saß ich seit halb vier in der Früh komplett angezogen auf dem Bett und versuchte, mich nicht vor Nervosität zu übergeben. Zum Glück ging um sechs der Bus von der Schule zum Flughafen, ich würde also nur noch wenige Stunden aushalten müssen.

Gwen schien sich bei weitem nicht so viele Sorgen um die ganze Sache zu machen, was mir unverständlich war – schließlich war das für sie, genau wie für mich, das erste Mal, dass sie das Land verlassen würde. Und das erste Mal, dass sie in einem Flugzeug sitzen würde. Oh Gott, das Flugzeug. Hoffentlich bekam ich keinen Fensterplatz.

Es klopfte an meiner Tür. Inzwischen war es knapp halb fünf.

„Herein!“, rief ich leise. Meine Stimme klang vor Aufregung ganz heiser. Ich schluckte, und versuchte, die Schmetterlinge in meinem Bauch zum Landen zu bewegen. Gwen steckte ihren Kopf durch die Tür.

„Hey, willst du – “

„Nicht so laut!“, zischte ich alarmiert. „Mum schläft noch!“

Meine Cousine rollte mit den Augen, senkte aber ihre Stimme deutlich.

„Willst du mit mir und Leslie noch zum Starbucks bevor wir zum Bus müssen? Weil wir würden gleich los.“

Ich verzog reflexartig den Mund in eine abfällige Grimasse, besann mich aber doch einer besseren und schüttelte den Kopf.

„Raphi hat Gid irgendwie bewegt uns mit seinem neuen Auto zu chauffieren, ich warte nur noch auf die Nachricht, dass sie losgefahren sind.“

Gwen zuckte mit den Schultern.

„Na dann. Wenn er nach mir fragt…“

Ich grinste unwillkürlich.

„…sag ich ihm du kommst bestens ohne ihn zurecht und hast nächste Woche ein Date mit einem super heißen Typen aus unserem Englischkurs.“

Gwen grinste erleichtert zurück.

„Danke, Charlotte. Ich mach mich dann mal auf den Weg, wir sehen uns in anderthalb Stunden am Bus.“

 Sie zog die Tür hinter sich zu und ich saß wieder allein auf meinem Bett. Zum Glück dauerte es nicht lange, bis mein Handy leise bimmelte und ich eine Nachricht von Raphi hatte, dass er mit Gid vor der Haustür stand. Ich schreib ihm schnell zurück, dass ich auf dem Weg war, und schlich mich aus dem Zimmer, was mit meinem schweren Gepäck nicht ganz einfach war. Zum Glück hatte ich einiges an Übung im Herumschleichen. Und ich musste diesmal keine klappernden Absatzschuhe tragen, was ich in der Wächterausbildung aus irgendeinem unerfindlichen Grund immer hatte tun müssen. In den meisten Jahrhunderten, in die ich gesprungen wäre, hätte ich die Dinger als Frau nicht einmal tragen dürfen.

Auf der Treppe kam mir eine sehr verschlafene Tante Grace im Morgenmantel entgegen. Als sie mich sah, ließ sie vor Schreck fast ihre dampfende Kaffeetasse fallen.

„Aua! Schei…benkleister.“

Ein bisschen hatte sie geplörrt. Auf dem Ärmel des Morgenmantels breitete sich langsam ein karamellfarbener Fleck aus.

„Charlotte! Meine Güte, hast du mich erschreckt.“

„‘tschuldigung.“, murmelte ich, und setzte vorsichtig meinen langsamen Abstieg fort. Man, warum mussten die Stufen auf dieser verdammten antiken Treppe auch so verdammt schmal sein.

„Schon in Ordnung.“, gähnte sie. „Es ist ja nicht deine Schuld, dass ich so früh im Haus umhergeistere.“

Sie gähnte wieder und schlürfte an ihrem Kaffee.

„Scheiße, ist das heiß. Ich sag Glenda dann beschied, dass du los bist. Gwen hab ich grad mit Leslie los geschickt, das ist der einzige Grund, warum ich zu dieser verflucht frühen Stunde nicht im Bett liege.“

„Danke, das wäre nett.“

„Kein Problem. Viel Spaß auf eurer Klassenfahrt, Charlotte.“ Tante Grace drehte sich weg und begann wieder, langsam die Stufen hinauf zu klettern. „Eine Klassenfahrt im Dezember, eine Woche vor den Weihnachtsferien.“, hörte ich sie noch murmeln. „Wer hat sich das bloß ausgedacht…“

Ich hastete so schnell und leise wie ich konnte über die polierten Parkettböden im Erdgeschoss zur Haustür. In der Garderobe zog ich mir in Rekordzeit Schuhe, Mantel, Mütze und Leslies Schal an und drückte mit zitternden Händen die große goldene Klinke der Eingangspforte herunter. Zum Umdrehen war es ab jetzt zu spät.

„Hey.“

Raphi lehnte betont lässig am Geländer neben den Stufen und wackelte übertrieben verführerisch mit den Augenbrauen.

„Bist du öfters hier?“

Er warf mir unter seinen Wimpern einen heißen Blick zu, und ich konnte nicht anders, ich musste lachen. Raphi begann zu grinsen.

„Hallo Charlie!“

Er umarmte mich fest.

„Ich hoffe dir ist klar, dass ich nie wieder so früh aufstehen werde, nur weil du Angst hast, den Bus zu verpassen.“, murmelte er in meine Haare. „Das war das erste und einzige Mal in meinem Leben.“

„Schon ok.“, murmelte ich in seine dicke Winterjacke zurück. „Ich weiß es zu schätzen.“

„Gut.“

Raphi lies mich los und machte ‚gib mir‘ Bewegungen in Richtung meines Koffers. Ich gab ihn ihm und beobachtete mit großem Amüsement, wie er unter dem Gewicht zusammensackte.

„Scheiße, Charlie, was hast du da drin?! Backsteine?! Du weißt schon, dass wir nicht mal sieben Tage weg sind, oder?!“

Ich zuckte mit den Schultern und griff mir den Rucksack.

„Ja, sowas in der Art. Wo hat Gid geparkt?“

Raphi deutete in Richtung Selfridges.

„Da, einmal um die Ecke. Und kleine Warnung, er hat um acht ein Referat und nimmt es mir ein wenig übel, dass ich ihn vor ner Stunde aus dem Bett gezerrt habe.“

Ich nickte und kletterte die Stufen hinab.

„Alles klar.“

Zum Glück äußerte sich Gideons Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation hauptsächlich dadurch, dass er nur knapp grüßte und den ganzen Rest der Fahrt beleidigt schwieg, was mich überhaupt nicht störte. Außerdem hatte sein neues Auto ungeheuer weiche cremefarbene Ledersitze die sich heizen ließen, und dafür hätte ich sowieso einiges in Kauf genommen.

Als wir nach einer halben Stunde stockender Fahrt an der Schule ankamen, waren wir immer noch eine gute dreiviertel Stunde zu früh dran, aber trotzdem nicht die ersten auf dem Parkplatz. Ich erkannte Leslie und Gwen mit riesigen dampfenden Kaffeebechern, Gordon und Cynthia, die den beiden fiese Blicke zu warfen, ein paar Mädels aus meinem Biokurs, und Mrs Counter, die mit einem Kugelschreiber auf einem Klemmbrett herumkritzelte.

„Es geht looos!“, sang Raphi mir ins Ohr während er vom Rücksitz aus meine Schulter schüttelte.

„Setzt dich vernünftig hin ich seh nichts.“, knurrte Gideon und schmiss den BMW abrupt in den Rückwärtsgang. „Oder soll ich den Golf da unbedingt anfahren beim Einparken?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Der gehört Direktor Gilles, da hätte ich persönlich nichts dagegen.“

Gideon stöhnte genervt und drückte mit der linken Hand Raphis grinsendes Gesicht nach unten, während er mit der Rechten wild am Lenkrad drehte.

„Aber ich hätte was gegen ne Schadensersatzklage.“

Raphi und ich sahen uns an und verdrehten simultan die Augen. Gideon bremste scharf ab und zog die Handbremse hoch.

„Da sind wir.“ Er ließ den Schlüssel stecken, stieg aus dem Auto und stapfte zum Kofferraum. „Ja was ist! Ich denke, ihr müsst zum Bus!“

Mit einem Mal war das Herzrasen wieder da. Ich saß auf dem beheiztem Sitz und fühlte mich wie zu Stein erstarrt. Vielleicht sollte ich Gid doch bitten, mich wieder nach Hause zu fahren. War da nicht erst neulich ein Bericht im Fernsehen gewesen, über ein Flugzeug, das in den Ärmelkanal gestürzt war? Scheiße, und ich hatte keine Rettungsveste dabei und die im Flugzeug hatten sicher keine was ist wenn wir abstürzen was ist wenn niemand uns retten kommt was –

Es klopfte an der Scheibe.

Raphis besorgte grüne Augen leuchteten mich an. Meine Hände zitterten als ich die Tür öffnete.

„Alles gut bei dir?“

„Ja, alles gut.“ Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und musste feststellen, dass das Zittern in meinen Händen sichtbar war. Scheiße. „Ich bin nur noch nie geflogen.“

Gideon tauchte hinter Raphi auf.

„Fliegen ist die statistisch gesehen sicherste Methode der Transportation, und euer Flug dauert gerade mal vier Stunden. Die Wahrscheinlichkeit, dass was passiert, liegt bei unter einem Prozent.“, meinte er sachlich. „Außerdem überlebt man einen Flugzeugabsturz mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit wie einen Autounfall, und wenn du einen Fensterplatz bekommst, kannst du einfach das Rollo runter schieben.“

Raphi nickte bestätigend und sah dabei ein bisschen aus wie ein Wackeldackel.

„Siehst du, es wird alles nicht so schlimm.“ Er legte mir den Arm um die Schultern und zog mich sanft in Richtung Mrs. Counter. Gid lief uns mit den Koffern und einem Rucksack über jede Schulter hinterher.

„Nagut.“ Ich atmete einmal tief durch und streckte mein Kinn entschlossen nach vorne. „Zum Umdrehen ist es jetzt sowieso schon zu spät.“

„Genau! Jetzt geht’s ab nach beeeeella Itaaaaaalia!“ Raphi lies mich los um bei den letzten Worten dramatische Handgesten zu machen, um den schrecklichen Akzent zu untermalen. Ich schnaubte und ging zu Mrs Counter rüber.

„Ach, Charlotte und Raphael, wunderbar.“, murmelte sie während sie uns von ihrer Liste abhakte. „Das Gepäck zum Busfahrer, wenn ihr wollt könnt ihr euch schon Plätze im Bus aussuchen, aber wir fahren erst in einer guten halben Stunde, und dann auch nur, wenn auch wirklich alle da sind.“

„Ich mach das Gepäck schon.“, murmelte Gideon und drehte sich weg. Raphi und ich schlenderten zu Leslie und Gwen rüber, die sich auf den Bordstein am Blumenbeet gesetzt hatten und müde blinzelnd ihre Kaffees schlürften.

„Ihr seht ja aufgeregt aus.“, meinte Raphi trocken.

„Ich hab noch garnicht geschlafen.“ Gwens Stimme klang ganz monoton. „Ich hab über vier Stunden elapsiert letzte Nacht damit ich ganz sicher nicht aus Versehen während dem Flug springe und irgendein Genie hatte die Idee dass ich die Zeit dazu nutzen könnte, irgendwelche Laufburschenaufträge im Elisabethanischen Zeitalter zu verrichten. Als sie mich aus dem Kostüm geschält haben und das ganze Puder abgeschminkt und die Perücke abgenommen hatten war es zwei Uhr nachts. Ich bin nach Hause, hab gepackt, und bin sofort wieder los.“

„Aha.“ Ich nickte und sah Leslie an, die zusammengekauert in ihren Parka mit geschlossenen Augen aus einem absurd großen Einwegbecher trank. Die Flüssigkeit, die ich durch den durchsichtigen Strohhalm sah, war tiefschwarz. „Und was ist deine Ausreden?“

Leslie blinzelte mich verwirrt an.

„S’is fünf in der Früh.“, nuschelte sie um den Strohhalm herum. Gwen nickte bestätigend.

 „Alles klar.“

Gwen und Leslie schlürften weiter ihre Kaffees. Raphi fing an, irgendwas mit seinem Handy zu machen. Verlegen stopfte ich meine Hände in die Jackentaschen und sah mich auf dem Parkplatz um. Ein blauer Passat fuhr gerade vor, aber sonst war alles genauso wie vor fünf Minuten als wir angekommen waren.

„Charlotte kann ich kurz mit dir reden?“ Ich fuhr vor Schreck zusammen. Hinter mir stand Gideon. Ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, blöd in der Gegend rum zu schauen, um ihn herankommen zu hören.

Ich funkelte ihn böse an.

„Was ist denn?“

Er kratze sich verlegen am Kopf.

„Unter vier Augen?“

Ich verschränkte die Arme und setzte den fiesen Blick von Lady Arista auf. Gideon seufzte.

„Bitte?“

„Na gut.“, sagte ich graziös und folgte ihm zurück zum Auto. „Was ist denn?“

„Ich soll dir das hier geben.“ Gideon kramte in der Manteltasche rum und zog ein grausam rosarotes Seidentaschentuch mit aufgesticktem ‚G‘ Monogramm heraus. „Von Giordano.“

Ich schnaubte, konnte mir aber ein kleines Lächeln nicht verkneifen.

„Hab ich mir schon fast gedacht dass das nicht von dir kommt.“

„Da ist was drin.“ Gideon legte mir das Taschentuch vorsichtig in die Hand. Ich schlug es auf. In der Seide eingewickelt waren ein gläserner, goldgefasster Anhänger in der Form einer roten Chilischote, und ein kleines unbeschriftetes Fläschchen aus braunem Apothekerglas.

Ich runzelte verwirrt die Stirn.

„Was ist das?“

„Der Anhänger ist ein traditioneller Glücksbringer aus Neapel.“, erklärte Gideon. „Und die Flasche…“ Seine Stimme wurde leiser und ein wenig unsicher. „…ist von mir.“

„Und was soll das sein?“ Ich nahm das Fläschchen in die Hand und drehte es. Es war gefüllt mit einer klaren Flüssigkeit, und am Deckel war eine kleine Pipette befestigt.

„Bachblüten.“ Ich sah Gideon zweifelnd an. Er wurde ein wenig rot. „Die sind zwar aus medizinischer Sicht Quatsch aber mir helfen sie. Und ich dachte…schaden kanns nicht, und gegen Flugangst kann ich dir noch nichts verschreiben. Bin ja erst am Anfang vom Studium. Einfach ein paar Tropfen auf die Zunge geben. Oder auf ein Stück Würfelzucker, wenn dir das zu unhygienisch ist.“

„Ja, weil ich normalerweise Würfelzucker mit mir rumschleppe.“

„Man Charlotte, jetzt sei doch nicht so. Wenn du sie nicht willst dann gib sie halt zurück, ich zwing dich ganz sicher nicht, meine Geschenke zu verwenden.“

Ich funkelte ihn böse an.

„Du hast gut reden. Denkst du, nur weil du einmal wieder ein bisschen nett zu mir warst, ist jetzt alles wieder in Butter oder was?“

„Natürlich nicht aber…“ Gideon fuhr sich wütend durch die schwarzen Locken. „..aber ich gebe mir Mühe, ok? Ich will doch nur meine Freunde zurück.“

Plötzlich fiel mir auf, dass er unter den geröteten Augen dunkle Ringe hatte und er mit seinen fleckigen Bartstoppeln fast so aussah, als hätte er sich nur zur Hälfte rasiert. Die sonst so gut gepflegten Haare standen ihm auch verdächtig fettig und strähnig vom Kopf ab, so als hätte er sie ziemlich lange weder gekämmt noch gewaschen.

Ich wickelte die kleinen Geschenke wieder in das Seidentuch ein und steckte sie vorsichtig in meine Tasche.

„Für eine Entschuldigung bin ich die falsche Adresse.“, sagte ich kalt, und wollte mich wegdrehen und zurück zu den anderen gehen, als Gid mich am Arm packte.

„Glaubst du, ich weiß das nicht? Ich hab schon tausend Mal versucht, mich bei Raphi und Gwen zu entschuldigen aber die wollen einfach nichts davon hören.“ Langsam klang er wirklich ein wenig verzweifelt, und insgeheim tat er mir auch wirklich leid. Aber das musste mir jetzt egal sein. „Ich weiß, dass ich Scheiße gebaut habe, aber wie kann ich mich ändern, wenn ihr mir nicht sagt, wie ich‘s besser machen soll? Charlotte bitte, ich will doch einfach nur wieder mit euch befreundet sein ihr…ihr seid alles, was ich habe.“

Ich schnaubte verächtlich und drehte meinen Arm aus seinem Griff raus.

„Hier ist ein Vorschlag, Mr Ich-bin-doch-so-schlau. Denk doch mal selber darüber nach, was du falsch gemacht hast und wie man es hinkriegen kann, kein komplettes Arschloch zu sein, anstatt immer zu erwarten, dass dir jemand anderes einen Zehn-Punkte-Plan zur Lösung aller deiner aktuellen Probleme auf dem Silbertablett präsentiert.“

Ich ging ein paar Schritte rückwärts, gerade so weit, dass ich außer Reichweite war.

„Ich hab keinen Bock mehr, die ganze emotionale Arbeit für dich zu machen. Und Gwen glaub ich hat da auch gehörig die Nase voll von.“, spuckte ich ihm wütend ins Gesicht, und dann drehte mich um und stapfte zu den anderen rüber.

Raphi sah von seinem Handy auf als ich an ihm vorbei rauschte.

„Alles gut?“, fragte er.

„Ich hab keinen Bock, hier weiter draußen rum zu stehen.“, sagte ich. „Lasst uns rein gehen und die hintere Sitzreihe okkupieren bevor Cynthia auf dieselbe Idee kommt.“

.

Das Fliegen war noch viel schlimmer als ich es mir vorgestellt hatte.

Zum Glück hatte ich einen Platz zwischen Fenster und Gang, zwischen Leslie und Raphi eingequetscht mit Raphi am Gang und Leslie am Fenster, und Gwen am Fenster in der Reihe hinter uns, aber alles von dem Moment an, in dem mir der Mann am Schalter mein Ticket ausgehändigt hatte, drehte sich alles in meinem Kopf nur um die Tatsache, dass ich gleich vier Stunden und dreißig Minuten lang in einer Blechkiste fest stecken würde, die nach dem Prinzip eines Papierflugzeugs mit Düsenantrieb in tausenden Metern Höhe durch die Luft geschleudert wurde, gebaut von Leuten, die selber nicht genau wussten, warum die Dinger überhaupt flogen.

Es war die absolute Hölle.

Gideons Bachblüten hatte ich noch bevor wir abhoben – eigentlich sogar bevor wir überhaupt mit dem Boarding fertig waren – wie ein Shot gekippt, und gebracht hatte es tatsächlich was…ganze fünf Minuten lang, genau so lange, wie es dauerte, bis die Türen sich schlossen und die Turbinen los gingen. Und dann machte der Pilot auch noch eine Durchsage, dass der Start um einige Minuten verzögert wurde, weil es zu regnen begonnen hatte und er noch auf die Information vom Terminal wartete, ob wir überhaupt abheben durften. Außerdem klang er viel zu jung, der Pilot. Bestimmt machte er gerade die Flugzeugversion von einer ersten Fahrstunde und würde uns alle in Grund und Boden fliegen.

Als wir nach einer Viertelstunde ins Rollen kamen war ich kurz vorm Hyperventilieren. Ich klammerte mich mit aller Kraft an den Lehnen des Sitzes fest und versuchte, ruhig zu atmen. Ein zwei drei vier aus zwei drei vier fünf sechs sieben acht pause zwei drei vier ein zwei drei vier aus zwei drei vier fü- Scheiße wir waren am Abheben.

„Oh mein Gott, guck mal!“, rief Leslie entzückt. Reflexartig drehte ich mich zu ihr um und wünschte sofort, ich hätte es nicht getan. Sie deutete aus dem Fenster, und wie von Magneten angezogen folgte mein Blick ihrem ausgestreckten Finger. „Da ist der Buckingham Palace!“

Mir entfuhr ein kleiner Schrecklaut. Raphi sah mich besorgt von der Seite an und lehnte sich über meinen Sitz.

„Einfach die Augen zu machen.“, flüsterte er.

Ich kniff die Augen so fest zusammen, dass mir fast die Tränen kamen und ließ mich von Raphis Körper in den Sitz zurückdrücken.

Mir war schwindelig.

Ich spürte, wie ich ganz leicht zu zittern begann. Raphi, der mir halb auf dem Schoß lag, spürte es bestimmt auch.

„Hey Charles, ist alles ok bei dir?“, kam von links Leslies besorgte Stimme.

Ich schüttelte nur stumm den Kopf.

„Sie hat Höhenangst.“, hörte ich Gwen von hinten erklären.

„Gibt’s da nicht Medikamente für, die man nehmen kann? Also wenn man fliegen muss?“

„Tante Glenda hält nichts von Medikamenten.“     

Ich spürte, wie Raphi sich zurück in seinen eigenen Sitz lehnte. Dann wurden plötzlich beide meiner Hände mit einer anderen bedeckt, links von einer weichen, die begann, mit dem Daumen beruhigend über meinen Handrücken zu fahren, und rechts von Raphis riesiger Pranke, die sanft meinen Todesgriff von der Lehne löste und dann meine Finger mit ihrer verschränkte.

„Atmen, Charlie.“, hörte ich ihn sagen. „Uns passiert schon nichts.“

„Genau Charles, mach dir keine Sorgen.“, kam Leslies Stimme von der anderen Seite. „Wir sind sogar aus dem Regen raus. Gleich haben wir unsere Flughöhe erreicht, und dann hören wir auch auf zu steigen und das Flugzeug ist wieder gerade. Es ist wirklich alles gut.“

„Willst du ein Zitronenbonbon?“, fragte Gwen hinter uns. „Tante Maddie hat mir welche zugesteckt, die Guten mit Zucker.“

Ich nickte nur stumm.

„Alles klar.“

Ich hörte ein Rascheln, und dann verschwand Leslies Hand von meiner.

„Hier.“

Die Hand war wieder da, und sie drehte meine um und legte etwas Hartes in knisternder Folie hinein. Ich hob das Bonbon zum Mund und quetschte es einhändig aus der Verpackung.

„Danke.“, sagte ich mit zitternder Stimme.

„Hey, warum krieg ich eigentlich kein Bonbon?“, kam von rechts Raphis affrontierte Stimme.

Ich legte meine Hand zurück auf die Lehne, aber sie blieb kalt. Warum legte Leslie ihre nicht wieder drauf? Hatte ich irgendwas falsch gemacht?

„Ich will auch was Süßes!“ Raphi begann empört mit den Händen zu gestikulieren, was ich mitbekam, weil er meine dabei nicht losließ. „Das ist Diskriminierung! Nur weil ich ein Mann bin! Oder liegt es an meiner Sexualität? Hast du etwas gegen Bisexuelle, Gwendolyn? Ist das Homophobie? Werde ich gerade homophob diskriminiert? Charlie, Leslie, denkt ihr nicht, da hab ich langsam genug von abbekommen? Verdiene ich nicht auch schöne Dinge?“

Ich musste kichern, was wahrscheinlich genau das war, was Raphi mit dieser Aktion bewirken wollte.

„Genau, Gwen.“, hörte ich Leslie sagen. Warum klang ihre Stimme so seltsam gepresst? „Gib dem Mann ein Bonbon.“

„Ist ja schon gut!“ Gwen kicherte, und die Bonbontüte raschelte wieder. „Hier bitte. Charlotte mach mal die Hand auf, meine Arme sind nicht lang genug.“

Ich tat wie mir geheißen und bekam eine ordentliche Ladung Süßzeug hineingedrückt.

„Merci beaucoup, ma cherie! Je suis pour toujours dans ton dette.”, deklamierte Raphi dramatisch und lehnte sich wieder quer über mich um sich an den Bonbons zu bedienen. Ich bekam ein Gesicht voller nach Gideons 3-in-1 Duschgel riechender Haare.

„Bah!“, rief ich. „Nimm deinen Kopf aus meinem Gesicht!“

„Pfff.“ Es raschelte und begann nach Zitrone zu riechen als Raphi sich wahrscheinlich gleich drei Bonbons auf einmal in den Mund stopfte. „Du solltest so glücklich sein! Andere Mädchen würden sich um das Privileg reißen!“

Ich musste wieder kichern.

„Na also, geht doch! Die Eisprinzessin beginnt zu tauen!“ Ich konnte Raphis Grinsen förmlich spüren, und er drückte kurz meine Hand.

„Was meinst du?“, flüsterte er mir ins Ohr. „Kannst du die Augen wieder auf machen? Gwen und Leslie haben die Rollos runter. Außerdem sieht es gar nicht mal hoch aus wenn man von Oben auf die Wolken guckt.“

Ich schüttelte entschieden den Kopf.

„Meine Augen bleiben zu, bis wir wieder festen Boden unter den Füßen haben und das Flugzeug steht.“

 „Sicher?“ Leslies Stimme! Sie war so still gewesen, langsam hatte ich begonnen zu denken, sie wäre eingeschlafen! „Es ist wirklich nichts schlimmes mehr zu sehen, und wenn du die Augen auf machst, kannst du mitbeobachten wie Gordon kläglich daran scheitert, mit Cynthia zu flirten.“

„Uääähh.“ Ich streckte angewidert die Zunge raus. „Das ist ja gleich doppelt Grund, sie zu zu lassen, dass kann doch nicht schön aussehen.“

„Du hast recht.“ Leslies Stimme näherte sich, aber ich wartete vergeblich darauf, dass sie ihre Hand wieder auf meine legte. „Es ist wirklich erbärmlich. Und seltsam abstoßend.“

„Er fasst ihr ans Knie und versucht, langsam die Hand hoch gleiten zu lassen, aber er bleibt ständig mit seinen schrecklichen ausgerissenen Fingernägeln an ihrer Strumpfhose hängen. Wirklich, kennt man in England keine Nagelscheren? Und wenn er am Saum von ihrem Rock angekommen ist, schlägt sie seine Hand weg und zupft aber den Rock höher, und wenn sie nicht bald zusammen auf die Flugzeugtoilette verschwinden wissen wir bald alle, wie Chrystal in Unterwäsche aussieht.“, fasste Raphi trocken das Geschehen zusammen. „Lass die Augen wirklich besser zu.“

„Schade, dass unser Plan ausgerechnet dann aufzugehen scheint, wenn Cynthias Verführungskünste an anderer Stelle wirklich gut gebraucht werden könnten.“, meinte Gwen.

„Hä? Welcher Plan?“, fragte ich verwirrt.

Leslie und Gwen schnaubten gleichzeitig durch die Nase.

„Wir wollten Cynthia und Gordon am Anfang vom Schuljahr verkuppeln.“, erklärte Leslie.

„Genau, damit sie endlich aufhört, meine Dates mit Gideon zu crashen.“

Raphi begann, so stark zu lachen, dass es mich in meinem Sitz mitschüttelte.

„Na, da habt ihr euch ja mal ordentlich selbst ins Bein geschossen.“, bemerkte ich trocken.

.

Nach weiteren drei Stunden Flug, die sich, trotz Gwen und Leslies besten Bemühungen, die Zeit mit Diskussionen über irgendwelche Filme zu vertreiben die ich nicht gesehen hatte weil ich der Rubin gewesen war als sie im Kino liefen, und der Tatsache das Raphi meine Hand die ganze Zeit nicht los ließ, wofür ich sehr dankbar war als es an den Abstieg ging, wie Kaugummi in die Länge streckten, landeten wir endlich in Neapel.

Ich war während der letzten zehn Flugminuten absurd dankbar dafür, dass ich aus Nervosität auf mein Frühstück verzichtet hatte, sonst hätte ich wohl die Kotztüte, die mir Raphi schon mal vorsichtshalber in die Hand gedrückt hatte als die „Bitte Anschnallen“ Durchsage kam, wirklich gebraucht.

Als ich mit zittrigen Knien endlich wieder auf festem Boden stand hätte ich fast heulen können.

Die ersten Paar Stunden in Italien waren…unterwältigend. Der Flughafen unterschied sich, so weit ich das beurteilen konnte, nicht wesentlich von dem in London, außer natürlich, dass die ganzen Schilder auf Italienisch waren und die Mitarbeiter andere Uniformen trugen. Der Bus, der uns ins Bungalowdorf bringen sollte, hätte genauso gut in England fahren können, mal abgesehen von der Tatsache, dass der Lenker auf der falschen Seite war, und die Straßen und die Landschaft waren zwar schon anders, aber nicht wirklich fremd. Der große Aha-Moment kam, als wir aus einer Unterführung heraus fuhren und um die Ecke bogen, und plötzlich direkt da waren.

Direkt am Meer.

Ein begeistertes Rufen ging durch den Bus und Mr Derrysworth bat den Busfahrer, kurz rechts ran zu fahren, und mit einem Mal standen wir alle neben der Straße um zwei Uhr Nachmittags an einem Montag irgendwo in Italien, zwei Wochen vor Weihnachten, und starrten das Wasser an.

„Da links an der Spitze der Felsnase ist unser Bungalowdorf.“, berichtete Mrs Carter stolz.

Die Klippe, auf die sie deutete, war umgeben von glitzerndem, strahlenden Blau, und in dem Moment war ich mir sicher, dass ich nie in meinem Leben etwas Schöneres gesehen hatte.

Auf der weiteren Busfahrt kriegte ich mich vor Staunen kaum mehr ein. Die Dörfer, an denen wir vorbei fuhren, wurden immer kleiner und die Häuser immer älter, und die Weinstöcke und Zitronenbäume immer größer und dicker.

„Schön, nicht?“ Gwen grinste mich an. „Ich freu mich so, dass ich doch mit kann! Stell dir vor, ich hätte das alles verpasst, wie schrecklich wäre das denn gewesen?“

Ich nickte ein wenig benommen und war zum ersten Mal seit einem Jahr froh, dass ich dieses blöde Gen doch nicht abbekommen hatte. Ich würde immer reisen können, wenn ich wollte, und Gwen konnte nur mit auf eine Klassenfahrt zwei Länder weiter südlich, weil die Wächter noch Kontakte zu den Nachkommen von Lancelot de Villiers in Italien hatte. Theoretisch waren Gwen und Raphi ja sogar mit denen verwandt, um drei Ecken oder so. Ich war gespannt zu sehen, ob es eine Familienähnlichkeit gab. Ob diese Leute Töchter in meinem Alter hatten? Ob die weiblichen de Villiers wohl genauso gutaussehen waren wie die männlichen?

Der Bus bog in eine steile Seitenstraße ein. Als wir auf der Bergkuppe angekommen waren, machten wir noch ein paar gefährlich scharfe Kurven, und dann waren wir endlich da. Vom Parkplatz aus marschierten wir Mrs Counter hinterher, durch einen Korridor aus Zitronenbäumen und Rankpflanzen, die im Sommer bestimmt unheimlich schön blühten, durch eine schmiedeeiserne Pforte auf einen kleinen Platz vor einem abgedeckten Pool, wo wir von einem dunkelhaarigen Mann empfangen wurde, der den Lehrern eine Menge Schlüssel aushändigte. Mr Derrysworth verteilte die Schlüssel und dann kam noch irgendeine Ansprache, von der ich allerdings kein einziges Wort mitbekam, weil mich außer dem Häuschen mit der Nummer 3 drauf nichts mehr interessierte. Als sich die Gruppe endlich auflöste und Leslie, Gwen und ich geschlossen auf die Tür – unsere Tür – zu gingen, war ich so glücklich und erschöpft, dass ich fast hätte heulen können.

Leslie schloss den Bungalow auf, und ich blieb eine Sekunde lang einfach in dem schmalen Flur stehen und nahm alles in mich auf. Leslie verschwand gleich im Schlafzimmer und schmiss sich den Geräuschen nach zu urteilen sofort auf ein Bett, und Gwen lies alles stehen und liegen und hastete mit verkniffenem Gesicht in Richtung Klo.

Ich zerrte nach meinem kurzen Moment der Stille meinen Koffer auch in Richtung Schlafzimmer und blieb erst mal wie angewurzelt stehen.

Im Raum standen nur zwei Betten.

In der Ecke war ein schmales ein-Personen-Bett, und an der Wand, neben dem Fenster und direkt unter der monströsen Klimaanlage, stand ein Doppelbett, eins von der Sorte, die nur eine Matratze hatten.

Leslie hatte ihre Sachen schon an der einen Seite des großen Bettes abgestellt.

„Ich hoffe, es ist ok für dich, wenn du die Fensterseite nimmst?“, fragte sie und sah mich mit ihren großen Hundeaugen an. Auf einmal war das alles zu viel für mich.

„Du willst nicht das Einzelbett haben?“, fragte ich, und hoffte, dass sie das Zittern in meiner Stimme nicht hörte. „Ich hab nichts dagegen, wenn du es dir unter den Nagel reißen willst, wer zuerst kommt kriegt schließlich auch zuerst.“

Leslie zuckte mit den Schultern.

„Also ich hab kein Problem damit, mir ein Bett zu teilen. Und ich dachte, es ist vielleicht günstig, wenn Gwen das Einzelbett bekommt, sie hat gemeint, dass das Elapsieren immer abends nach dem Essen bis ungefähr elf ist, und vielleicht wollen wir mal früher schlafen gehen. Dann wird niemand dadurch gestört, dass Gwen mitten in der Nacht noch ins Bett steigt.“

Ich schluckte und wollte gerade irgendetwas erwidern in Richtung ich hätte einen festen Schlaf und das würde mich schon nicht stören wenn Gwen abends das Bett kurz wackelte und außerdem sah die Matratze schön fest aus da würde man doch bestimmt eh nichts spüren, als aus dem Bad ein spitzer Schrei kam.

Leslie und ich sahen uns an.

„Meinst du, wir sollten mal…“, begann Leslie, als Gwen aus dem Bad gerannt kam.

„Leute, das müsst ihr euch ansehen, das ist so eklig, kommt schnell.“, sagte sie, packte uns beide am Arm, und zerrte uns vor den Spiegel. Ich war so erleichtert, dass sie mich aus dem Schlafzimmer rauszog, dass ich ganz vergaß, mich zu wehren.

Aber was Gwen genau meinte war mir nicht ersichtlich.

„Hä? Hier ist doch nichts.“

Ich sah mich verwirrt im kleinen Bad um. Besonders schön war es nicht, aber halbwegs sauber und ich sah nirgendwo Schimmel oder Haarklumpen oder benutzte Binden rumliegen oder dergleichen.

Gwen schob mich und Leslie vor und trat einen Schritt auf den Flur hinaus.

„Mach mal den Spiegelschrank auf.“, sagte sie im selben Moment, in dem ich die erste rote Ameise im Waschbecken entdeckte, aber die Erkenntnis kam zu spät; Leslie hatte bereits den Spiegel an der Ecke gegriffen und mit ordentlich Wucht aufgerissen.

Ein pampelmusengroßes Knäuel Insekten klatschte mit einem seltsam befriedigendem Schmatzen vor uns in das Porzellanbecken.  

Notes:

GIDEON REDEMTION ARC 2K21!!!
Ähm. Sorry, dass das so spät kommt. Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen. Rückblickend hätte ich die ganzen Witze mit "hahaha hoffentlich hab ich das nächste Kapitel vor 2021 fertig!!" vielleicht sein lassen sollen.

Über Kommentare, Kudos und Reviews freue ich mich aber auch, wenn ihr eure mehrere Tausend möglichen Zeichen nur dafür verwenden wollt, mich anzuschreien wegen der langen Wartezeit auf die Updates :).

Chapter 18: Leslie

Notes:

Wer gedacht hat, das bleibt so schön innocent wie die letzten Kapitel...sorry. Ich leide zur Zeit am Sad Horny Bitch Disease und ich mache es zu eurem Problem.
Fuck, jetzt muss ich auch das Rating ändern, oder? Wer nicht so gut mit relativ explizit beschriebener Sexualität umgeht, der liest am besten weg bis zum ersten Punkt als paragraph break.

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Im Zimmer war es nachts absolut eisig. Die Klimaanlage über dem Bett sirrte gerade so laut, dass man es mitbekam, und gerade so leise, dass man es nicht ausblenden konnte wie wenn es einfach beschissene Cafémusik oder so gewesen wäre, und pustete mir dabei obendrein arktische Luft direkt auf den Hals, egal, wie ich mich drehte, und trieb mich langsam in den Wahnsinn.

Ich zog die papierdünne Decke nochmal fester um mich und drehte mich mit einem genervten Seufzen auf die Seite. Charlotte, der ich so den Rücken zukehrte, machte ein kehliges Geräusch im Schlaf. Ich schluckte und rutschte noch ein bisschen weiter Richtung Bettkante, obwohl ich jetzt schon mit den Knien drüber hing und wirklich kurz davor war, einfach komplett runterzufallen.

Verdammt, warum hatte ich auch diese beschissene Idee gehabt, mir mit Charlotte das Bett zu teilen?

Klar, Gwen musste sich mitten in der Nacht ins Zimmer schleichen, weil sie erst knapp nach Mitternacht vom Elapsieren zurück kam, und ja, es war wirklich die logische Entscheidung gewesen, ihr das Einzelbett zu überlassen, aber trotzdem…ich kam nicht über den Gedanken hinweg, dass ich mit ihr neben mir doch ruhiger hätte schlafen können. Oder überhaupt hätte schlafen können, besser gesagt.

Zum bestimmt zwanzigsten Mal diese Nacht nahm ich mein Handy vom Nachtkästchen und schob es auf, um nach der Uhrzeit zu sehen. Es war zehn nach drei Uhr morgens, ganze fünf Minuten später, als als ich das letzte Mal nachgesehen hatte. Charlotte drehte sich mit einem unzufriedenen Geräusch im Bett um. Resigniert legte ich mein Blackberry wieder ab und rutschte wieder etwas zurück auf der Matratze. Und stieß mit dem Hintern gegen etwas Warmes. Und bevor ich mich wie verbrannt zurück ziehen konnte schob sich ein starker Arm um meine Mitte und zog mich noch weiter gegen Charlottes Brust. Ich quietschte unwillkürlich und zuckte, aber Charlotte schien das nicht zu stören. Mit einem zufriedenen „Hmmm“ rollte sie sich noch näher an mich heran, schob ein Bein über meine Hüfte, und der Arm, der um meine Mitte lag, rutschte ein wenig herunter, bis ihre Finger direkt über dem ausgeleierten Bund meiner Schlafanzughose lagen. Sie seufzte einmal, ganz tief, und kitzelte mich mit ihrem Atem am Nacken.

Plötzlich brach mir am ganzen Körper die Gänsehaut aus, obwohl ich mich gleichzeitig schlagartig ganz warm fühlte. Von meinem Nacken aus jagten mir Schauer über das Rückgrat und ich spürte mit einem Mal alles…zu viel, irgendwie. Das steife Laken unter meinem Körper. Die schreckliche Baumwolldecke, die aus irgendeinem Grund nur noch auf meinen Beinen lag. Mein Schlafshirt, das jetzt irgendwie nicht mehr kuschelig weich war, sondern mir bei jedem Atemzug über den Körper zu kitzeln schien. Und Charlotte, hinter mir. Ihre weiche Brust, die gegen meinen Rücken gepresst war. Ihre tiefen Atemzüge. Ihre Hüfte, die komplett gegen meinen Arsch gepresst war. Und ihre Hand, ihre verdammte Hand, die so tief auf meinem Bauch lag, direkt auf dem kleinen Streifen nackter Haut zwischen Hosenbund und T-Shirt-Saum, und sich anfühlte, als würde sie brennen wie ein heißes Eisen. Unwillkürlich presste ich die Zähne zusammen und wünschte mir…und wünschte mir…

Und. Und dann zuckten ihre Finger. Nur ganz leicht, wie das halt manchmal passiert im Schlaf, aber plötzlich lagen sie nicht mehr über dem Bund meiner viel zu schlabberigen alten Hose sondern…sondern vielleicht nur einen halben Millimeter darunter, aber irgendwie reichte das schon, dass sich die Schauer auf der Wirbelsäule plötzlich sammelten, konzentrierten, und mit einem Schlag in mein Becken wanderten. Ich spürte, wie ich mich unwillkürlich zwischen meinen Beinen zusammenzog, wie sich meine Hüfte fast schon eigenmächtig zu bewegen begann und einen kleinen Kreis malte, bei dem ich dann sehr genau merkte, wie verdammt eng Charlotte sich im Schlaf wirklich an mich presste, und plötzlich musste ich hier weg.

Keuchend sprang ich auf, stand eine Sekunde am ganzen Körper zitternd am Bett und nahm nur noch etwas verschwommen wahr, wie Charlotte sich grummelnd auf den Bauch fallen lies und weiter schlief, bevor ich schwer atmend ins Bad stürzte. Mit unkoordinierten Händen machte ich das Licht an, schloss die Tür ab, und wankte zum Waschbecken. Aus dem Badezimmerspiegel starrten mir meine Augen glasig aus einem hochroten Gesicht entgegen. Ich stützte mich mit den Oberarmen auf dem kalten Porzellan ab, das immer noch ziemlich klebrig war von dem ganzen Deo, das wir fünf Stunden zuvor versprüht hatten, um vorm Zubettgehen nochmal die letzten Ameisen umzubringen, und versuchte, meine Atmung etwas zu beruhigen, aber es gelang mir irgendwie nicht.

Ich drehte den Wasserhahn auf. Vielleicht half ja was kaltes direkt ins Gesicht. Der Schock von kühlem Nass lies mich erst nach Luft schnappen und dann endlich tief durchatmen. Von der Wucht, mit der ich mir das Wasser ins Gesicht geschleudert hatte, war mein T-Shirt ganz nass geworden, aber das war mir egal. Das war in einer halben Stunde sowieso wieder trocken. Lieber konzentrierte ich mich auf das unangenehme Gefühl von nassem Stoff auf meinem Oberkörper als auf das Kribbeln, das immer noch auf meinem ganzen Körper hin und her raste. Mit einem letzten tiefen Atemzug stelle ich mich gerade hin und stöhnte verzweifelt auf, als ich durch die Bewegung merkte, dass ich nicht nur obenrum feucht war.

Fuck.

Verdammt, was sollte die Scheiße? Ich setzte mich auf die Toilette und riss wütend ein Stück Klopapier vom fast leeren Spender- Kacke, da waren ja echt nur noch ein Paar Blätter dran, und nirgendwo im Bungalow gab es Nachschub, das hatten wir gestern beim Einzug schon gesagt bekommen, dass man sich das von der Rezeption abholen musste – um mir den glitschigen Schleim weg zu wischen. War es wirklich schon so lange her, dass ich das letzte Mal Sex hatte, dass es schon reichte, wenn mich jemand im Schlaf an sich zog, damit ich so reagierte? Vielleicht sollte ich Gwens Rat annehmen, den sie mir nach der Trennung mit Raphi gegeben hatte, und es mir einfach öfter selbst besorgen, anstatt die Frustration so lange anstauen zu lassen, bis ich etwas völlig blödes tat. So wie Raphi im Urlaub mit seiner Familie halbe Pornos auf den Anrufbeantworter zu sprechen. Aber Charlotte machte es einem auch wirklich nicht leicht, mit ihren starken Armen und den duftenden Haaren und diesem perfekten Arsch und –

Ich hielt beim Wischen wie erstarrt inne. Was zur Hölle dachte ich da gerade? Charlotte und perfekter Arsch, in einem Satz? Seit wann fiel mir Charlottes Arsch auf? Seit wann fiel mir überhaupt was an Charlotte auf? Seit wann wurde mir beim Gedanken an Charlotte heiß im ganzen Körper, und warum war mir das nie aufgefallen, dass das genau die Art von Gefühl, war, wie wenn mir ein hübscher Typ auf der Straße zulächelte? Aber da durchfuhr es mich wie der Blitz und ich musste mich kurz an der Wand abstützen, weil sich für einen Moment alles drehte.

Es waren nicht nur Typen.

Da war auch diese Verkäuferin beim Starbucks gewesen, mit den gefärbten Haaren und den Lippenpiercings, die mir immer zuzwinkerte, wenn sie mir den Kaffeebecher überreichte. Da war diese Blondine gewesen, Liv, mit der ich mich mal zwei Stunden lang vor ihrem Gate im Flughafen in Zürich unterhalten hatte, bis ich um ein Haar verpasst hatte, dass mein eigenes Boarding los ging. Da war – Oh Gott im Himmel – da war das Flaschendrehen auf Cynthias Siebzehntem gewesen, wo ich, komplett zugedröhnt mir Vodka, Vanilleeis und Orangensaft aus der riesigen Punschschüssel, ohne zu zögern Sarah die Zunge in den Hals und die Hände unters T-Shirt, weit unters T-Shirt, geschoben hatte als die Flasche auf ihr gelandet war.

Oh Gott.

Oh verdammt.

Es war nicht, dass ich seit Raphi vor über einem halben Jahr mit niemanden mehr im Bett war oder auch nur geküsst hatte.

Es war nicht, dass ich sexuell frustriert und gleichzeitig zu faul zum Masturbieren war.

Es war Charlotte.

Die entschieden weibliche Charlotte.

Weil ich offenbar auch auf Frauen stand.

Verdammt.

.

„Geht’s dir nicht gut?“

Ich zuckte zusammen und sah von der schrecklichen karierten Vinyltischdecke hoch, direkt in Charlottes besorgte blaue Augen.

„Nein.“, stotterte ich während ich spürte, wie mir unaufhaltsam die Wangen rot anliefen und mein Herzschlag sich beschleunigte. Verdammt, verdammt, verdammt. „Also – also ja, also. Mir geht es gut.“

Ich atmete nochmal tief durch und hoffte innständig, dass der Concealer unter meinen Augen auch dem schrecklichen Neonlicht der Essenshalle des Bungalowdorfs standhielt, und dass Charlotte nicht bemerkte, wie meine Hand zu zittern begann, als ich mein Wasserglas hoch hob.

„Bist du dir sicher?“ Auf Charlottes Stirn legte sich eine kleine Falte, und der verdammte Leberfleck an ihrem Kinn hüpfte etwas zur Seite, als sie den Mund verzog. Ich wollte diesen Leberfleck küssen, schoss es mir plötzlich glasklar durch den Kopf, und ich verschluckte mich fast an meinem Wasser. „Du warst so früh auf heute. Und du siehst auch echt nicht so aus, als ob du viel geschlafen hättest.“

„Äh, ja.“ Schnell, Ausrede einfallen lassen. Alles war besser als die Wahrheit, die nämlich war, dass ich bis fast fünf in der früh im Bad gehockt und die Wand angestarrt hatte, weil es mir mit einem Mal wie Schuppen von den Augen gefallen war, dass ich auf Frauen stand, weil Charlotte mich im Schlaf umarmt hatte und mich das unendlich geil gemacht hatte. „Die Klimaanlage hat so beschissen gebrummt, da bin ich ständig aufgewacht. Ist aber nicht so schlimm, da gewöhn‘ ich mich schon dran.“

Auf Charlottes Gesicht breite sich ein kleines Lächeln aus das…fast schon erleichtert aussah. Hm, komisch.

„Ja, die ist echt bescheuert. Ist auch richtig blöde angebracht, direkt über dem Bett, mir war auch arschkalt beim Aufstehen heute. Vielleicht sollten wir das Ding heute Nacht einfach ausschalten, was meinst du?“ Fragend sah sie mich an. „Wird dann zwar bestimmt so warm, dass man nur noch in Unterwäsche schlafen kann, aber mich stört’s nicht wenn’s dich nicht stört. Und die Decken sind eh so dünn.“

Mir klappte unfreiwillig die Kinnlade runter bei dem Gedanken, neben einer Charlotte in Unterwäsche zu schlafen. In Unterwäsche neben einer Charlotte zu liegen, die auch Unterwäsche anhatte. Nur Unterwäsche. Was die zum Glück nicht mitbekam, weil hinter ihr eine verstrubbelte Gwen aufgetaucht war und sie in den Rücken piekste, damit sie sich endlich hinsetzte.

„Vielleicht versuchen wir’s einfach noch eine Nacht.“, quietschte ich. Gwen kniff die Augen zusammen und musterte mich hinter ihrem Gähnen mit einem verdächtigen Blick, aber das war mir gerade auch egal. Hauptsache verhindern, dass ich diese Nacht mit einer Charlotte im Bett landete, die noch weniger anhatte als den eh schon knappen seidenen rosa Zweiteiler, in dem sie gestern auf die viel zu schmale Matratze geklettert war. „Mr. Derrysworth meinte, tagsüber wird es im Winter hier immer noch sehr warm, und ein bisschen frieren ist mir ehrlich lieber, als jeden Tag Bettwäsche wechseln zu müssen, weil alles vollgeschwitzt ist.“

„Auch wieder wahr.“ Charlotte zuckte mit den Achseln und streckte den Arm nach der Wasserkaraffe aus.

Ich musste heftig schlucken, als ich bemerkte, wie ihre Schultermuskeln bei der Bewegung unter ihrem engen weißen Shirt spielten.

„Was ist denn hier für eine Stimmung?“, fragte Raphi, der in Flip-Flops und mit ähnlich verstrubbelten Haaren wie Gwen hinter Charlottes Stuhl getreten war und ihr jetzt die Hände auf die Schultern legte und verschlafen sein Kinn auf ihren Kopf abstützte und – oh.

Vor meinem inneren Auge zogen plötzlich eine ganze Reihe Erinnerungen vorbei und fügten sich wie Puzzleteile zu einem unüberssehbaren Gesamtbild zusammen. Fuck, natürlich. Die beiden waren heimlich zusammen. Wahrscheinlich hatten sie nur nichts gesagt, weil ich Raphis Ex war und sie nicht wollten, dass es in der Freundesgruppe irgendwie komisch wurde. In meinem Magen drehte sich etwas um. Wie hatte ich nur so verdammt blind sein können.

„Müde.“, meinte ich, und versuchte so gut es ging zu überspielen, dass mir das Herz gerade noch weiter in die Hose gerutscht war. Was ich nicht für möglich gehalten hatte. Gwen gähnte zur Bestätigung noch einmal herzhaft.

„Aha.“ Raphi zog sich den Stuhl neben Charlotte raus und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Na, dann bereitet euch schonmal drauf vor, dass ihr gleich richtig schlechte Laune kriegt. Ich hab‘ vorhin nämlich gesehen, was die uns zum Frühstück vorsetzten wollen.“

.

Raphi hatte Recht gehabt, das Frühstück, bestehend aus kaum aufgetauten Brötchen, zweifelhafter, verdächtig geleeartiger Wurst und portionsweise verpackter Marmelade, die knapp vorm Ablaufdatum stand, trug nicht unbedingt zu einer positiven Grundstimmung bei. Aber meine Laune konnte sowieso nicht mehr schlechter werden. Die ganze Nacht wachliegen (beziehungsweise sitzen, weil ich mich nicht mehr ins Bett zurück getraut hatte, wo Charlotte sich auf dem Bauch diagonal über die ganze Matratze ausgebreitet hatte) und versuchen, mit der neu entdeckten Anziehung zu Frauen im Generellen und Charlotte im Besonderen klarzukommen war ja schon beschissen genug gewesen, aber dann direkt auch noch mitzukriegen, wie sie mit Raphi rumturtelte? Das war wirklich unsäglich mies.

Und jetzt konnte ich nicht mal mit Raphi über dieses ganze Gefühlschaos reden, was ehrlich gesagt fast das Blödeste an der ganzen verdammten Sache war. Raphi hätte sicher einen guten Rat gehabt. Was Gwen tun würde, konnte ich mir ganz genau denken, aber ich hatte gerade echt keinen Bock auf Tee und ABBA. Und überhaupt, ich musste erst mal selber ein wenig klar kommen, bevor ich mit ihr über das Ganze reden wollte. Was echt schwierig werden würde, weil Charlotte sich nach dem Frühstück an mich geheftet hatte wie eine Klette, und wo Charlotte war, da war auch Raphi, und wie verdammt nochmal konnte es sein, dass mir das die letzten Wochen nicht aufgefallen war?

Immerhin konnte ich mich wegen der Klimaanlagenausrede im Bus ein wenig zurückziehen, ohne dass es blöd rüber kam. Was leider auch nur bedeutete, am Fenster zu sitzen und auf die Landschaft raus zu starren, während Charlotte auf dem Sitz neben mir mir die gesamte Fahrt über den Rücken zukehrte und über den Gang hinweg mit Raphi und Gwen herumblödelte, was mich eigentlich hätte freuen müssen, weil ich doch genau das wollte, ein bisschen Ruhe um klar zu kommen, aber gleichzeitig…Gleichzeitig wünschte ich mir plötzlich, Charlotte würde mir den Arm um die Schultern legen und mit mir so reden. Mich so anlächeln, wie sie es Raphi tat. Über meine Witze blöd kichern. Ich verschränkte beleidigt die Arme und ließ mich ein wenig den Sitz runterrutschen.

Wenigstens war die Fahrt nach Neapel nicht sonderlich weit. Und im Museum gab es Ablenkung, da würde ich Charlotte und Charlotte-und-Raphi hoffentlich ein wenig vergessen können.

Aber auch diese Annahme stellte sich als ein Fehler heraus. Der Tourguide im Museum, der so heftig akzentuiertes Englisch sprach, dass man annähernd Garnichts von dem verstand, was er erklärte, hetzte uns mit einer solchen Geschwindigkeit durch die Ausstellung, als wäre es fünf Minuten vor Ladenschluss. Nur in einem Raum lies er uns ein wenig mehr Zeit – natürlich nicht bei dem riesigen Alexandermosaik, das ich bisher nur aus dem Lateinbuch kannte, sondern in der römischen Pornokammer, wo man vor lauten Mösen und Schwänzen nicht wusste, wo man hingucken sollte. Und natürlich stand Charlotte die ganze Zeit mitten in meinem Blickfeld. Und natürlich wurde sie beim betrachten der erotischen Wandmalereien auch noch so verdammt niedlich rot, dass ich nicht mal bemerkte, dass ich stehen geblieben war, um sie durch eine Vitrine hindurch anzustarren, bis sich Gordon neben mich stellte und „So einen willst du sicher auch, oder?“ in Raphis Richtung krähte, auf die kleine Bronzeskulptur eines Fauns mit einer oberschenkellangen Erektion deutete und mich dabei kumpelhaft in die Seite stieß. Ich war so durch, ich schaffte es gerade nur noch, Gordon einen fiesen Blick zuzuwerfen und aus dem Raum zu flüchten, während ich verzweifelt versuchte, mir nicht vorzustellen, wie Charlotte wohl in einigen der Posen auf den Wandmalereien, die sie sich angesehen hatte, aussah.

Wie Charlotte wohl nackt aussah.

Wenigstens das Essen war dann aber gut, weil wir dazu nicht zurück ins Bungalowdorf fuhren, sondern uns in kleinen Grüppchen in irgendwelche Restaurants in der Innenstadt setzten. Raphi, der Weltenbummler, hatte natürlich schon einen Plan, wo man hin sollte, und am Ende saßen wir zu viert eingequetscht um einen winzigen Tisch und teilten uns die wahrscheinlich größte und käsigste und leckerste Pizza der Welt. Und obwohl meine ganze rechte Seite heiß kribbelte wo Charlotte neben mir notgedrungen ihren ganzen Körper an mich presste weil dieses Restaurant wirklich winzig war, hob sich meine Laune durch das gute und vor allem nicht vegane Essen immens.

Als wir nach dem Essen noch ein wenig durch die Gassen schlenderten passte Gwen mich ab.

„Wirklich alles gut bei dir?“, fragte sie leise, während wir eine Auslage mit kleinen gläsernen Chilianhängern betrachteten. Mir war schon aufgefallen, dass Charlotte so einen um den Hals trug, seit wir gestern früh in den Bus gestiegen waren. Ein Glücksbringer?

„Ja, klar.“, antwortete ich geistesabwesend und betrachtete weiter den Schmuck. „Hast du eine Ahnung, was es mit diesen Chilis auf sich hat?“

„Das ist eine alte neapolitanische Tradition, hat mir Madame Rossini vor der Abfahrt noch erklärt.“ Gwen streckte die Hand aus und hob vorsichtig einen der kleinen Anhänger auf. „Das sind Glücksbringer, aber mit Twist. Die funktionieren nämlich nur, wenn du sie verschenkts. Und auch nicht für dich, sondern für die Person, der du ihn geschenkt hast.“

„Das ist ja süß.“ Ich spürte, wie sich ein kleines Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete. „Willst du einen haben? Ich würd‘ dir gern ein bisschen mehr Glück verpassen, bei den Zeitreisen und der Sache mit Gideon grad kannst du’s bestimmt gebrauchen.“

Gwen strahlte wie die Sonne, und mit einem kleinen Stechen in der Magengegend fiel mir auf, wie selten ich dieses Lächeln in letzter Zeit gesehen hatte. Klar, sie hatte grad wirklich Liebeskummer wegen der Sache mit dem beschissenen der beiden DeVilliers, aber ein Stück weit lag es auch daran, dass wir uns in letzter Zeit echt wenig gesehen hatten. Weil ich immer irgendwie beschäftigt gewesen war, und das meistens mit Charlotte und unserem beschissenen Biovortrag, in den wirklich viel mehr Arbeit gesteckt wurde, als ihm zustand. Wahrscheinlich, weil das ein guter Vorwand war, Charlotte zu sehen, auch wenn mir das erst jetzt im Nachhinein klar wurde.

„Nur, wenn du dir auch einen von mir schenken lässt.“, sagte Gwen und holte mich damit in die Gegenwart zurück.

„Klar. Nehm‘ ich wirklich gern.“, sagte ich. Ein bisschen Glück konnte ich weiß Gott auch gebrauchen.

Als Gwen mir die Kette mit dem kleinen Glasanhänger überstreifte, musste ich wieder an Charlottes Anhänger denken. Ob sie den von Raphi bekommen hatte? Als Talisman gegen die Flugangst? Wie die Bachblüten, die sie gestern noch beim Boarding wie einen Shot gestürzt hatte? Die beiden waren ja sogar zusammen in Gideons schickem neuen Auto aufgetaucht, obwohl Gwen mir erzählt hatte, dass sie ihr noch angeboten hatte, mit uns mitzukommen. Sofort spürte ich, wie bei dem Gedanken die schlechte Laune von heut Morgen zurückkehrte.

Fuck, warum hatte ich mich nicht einfach in Gwen verlieben können? Nette, wunderbare Gwen, die mich schon wieder so komisch von der Seite ansah, die zwar bestimmt nicht auf Frauen stand, aber der ich es hätte wenigstens sagen können. Und dann hätte sie mir ‘nen Tee gemacht und so lange ABBA gehört, bis ich darüber hinweg war.

„Du, sag mal, bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?“ Gwen runzelte besorgt die Stirn, genau auf dieselbe Art, wie Charlotte es immer tat. Ich musste bei dem Gedanken schlucken. Dass mir das überhaupt auffiel...fuck, warum hatte ich erst jetzt erkannt, dass ich mich in Charlotte verknallt hatte? So ging das doch schon seit Wochen! 

„Ja, wirklich. Ich hab nur total schlecht geschlafen wegen der Klimaanlage, und Charles macht sich im Bett nachts echt breit.“

Gwen nickte, aber so richtig überzeugt sah sie von meiner Ausrede nicht aus.

„Na dann.“ Sie hakte sich bei mir ein und zog mich wieder rüber zu Raphi und Charlotte, die kichernd vor dem Schaufenster eines Antiquitätenhändlers standen. Wie schaffte Raphi es bloß, sie ständig zum Lachen zu bringen? Und warum sah sie mich nie so an? Und warum konnte ich verdammt nochmal nicht aufhören, solche Sachen zu denken? „Aber wenn doch was ist…du kannst immer mit mir reden, das weißt du, oder? Egal, was es ist.“

„Klar.“ Gerührt drückte ich Gwens Arm. „Danke. Aber ich hab wirklich nichts.“

Das Gwen mir das nicht glaubte konnte ich ihr zwar an der Nasenspitze ansehen, aber im Moment war es mir ein wenig egal. Solange wir noch in Neapel waren würde ich mich einfach ein wenig zusammenreißen, sonst machte Gwen noch irgendwas blödes, wie zum Beispiel mit mir die Betten zu tauschen, und dann würde alles auffliegen. So lieb ich sie hatte, lügen konnte Gwen wirklich nicht. Und im Ausredenerfinden war ich auch besser. Wenn ich irgendwann mal mit Charlotte reinen Tisch machte, was ich ehrlich gesagt nicht vor hatte jemals zu tun, dann besser zurück in London, wo ich ihr und Raphi aus dem Weg gehen konnte.

Gwen seufzte traurig.

"Meinst du, wenn ich Gideon den richtigen Talisman mit nach Hause bringe, hört er mal auf, sich so scheiße zu benehmen wie er es gerade tut?", fragte sie mich mit etwas zittriger Stimme, und damit war ich dann auch erst mal von Charlotte abgelenkt.

.

Als wir nachmittags irgendwann zurück ins Bungalowdorf fuhren war es ziemlich leise im Bus. Die Hitze hatte uns allen etwas zu schaffen gemacht, auch wenn es Dezember war und wirklich nicht warm, zumindest für italienische Verhältnisse. Aber als die Lehrer uns eröffneten, dass wir den Rest des Tages frei hatten und Mrs Counter sich als Aufsicht an den Strand unter der Klippe stationieren würde und wir unter ihren wachsamen Augen sogar ins Meer durften, waren plötzlich alle wieder wach.

„Kommst du auch mit runter?“ Charlottes blaue Augen blitzen mich freudig an während sie in ihrem Koffer nach ihrem Badezeug wühlte. Zum x-ten Mal heute musste ich schlucken, nur weil sie mich ansah. „Ah, da ist er ja!“

Erfreut zog sie ein winziges weißes Etwas mit Strasssteinchen und neonrosa Schmetterlingsaufdruck aus dem riesigen Klamottenberg und mir blieb die Luft im Halse stecken. Mein Gott, wie klein konnte ein Bikini sein?

Entschieden schüttelte ich den Kopf.

„Vielleicht später. Ich glaube, ich versuche lieber nochmal etwas Schlaf nachzuholen.“ Den Anblick von Charlotte in diesem…in diesem Hauch von Nichts würden ich und meine neugefundene Anziehung zu Frauen niemals überleben. Mal ganz abgesehen davon, dass ich wirklich nicht wissen wollte, was diese neugefundene Anziehung zu Frauen vom Rest meiner Klassenkameradinnen im Badezeug hielt. Gott, was, wenn ich auch Cynthia im Bikini sexy fand?! Aber das mit dem Schlaf nachholen war auch gelogen, das ganze Bett roch nämlich nach Charlottes Parfüm, und das war fast genauso schlimm.

„Alles klar. Na dann…gute Nacht.“

Charlotte verschwand im Bad und ich schmiss mich auf bäuchlings auf das Bett, vergrub mein Gesicht im Kissen und versuchte, nicht zu tief einzuatmen. Irgendwann hörte ich die Badezimmertür auf gehen und dann spürte ich mehr als sie hörte Charlotte, die um das Bett schlich und vorsichtig etwas auf die Matratze legte, bevor sie leise wieder verschwand. Hoffentlich dachte sie wirklich, ich würde schon schlafen.

Ich wartete, bis ich hörte, wie sie draußen vor dem Bungalow mit Gwen redete, und als sich ihre Stimmen entfernten, zählte ich vorsichtshalber auch nochmal bis dreißig bevor ich aufstand und aus der Tür ging, in die entgegengesetzte Richtung als der Weg, der runter zum Strand führte.

Als ich an den anderen Bungalows vorbei ging, kamen mir Gordon, Theo und ein paar andere Jungs mit großen Kanistern auf den Schultern entgegen.

„Hey Leslie.“ Theo grinste mich etwas bedröppelt an. „Kommst du mit, Strandparty?“

„Nee, sorry.“, sagte ich und zog die Nase kraus. Theo hatte eine ganz schöne Fahne. „Was ist denn in den Kanistern?“

„Wein!“, krähte Gordon. „Geil, oder? Gibt’s für fünf Euro der Kanister im Laden gegenüber vom Bungalowdorf. Und schmeckt auch gar nicht schlecht!“

Er drückte mir einen dünnen weißen Plastikbecher mit einer pfirsichfarbenen Flüssigkeit in die Hand. Vorsichtig nahm ich einen Schluck. Es schmeckte ziemlich nach Essig, und brannte deutlich mehr in der Kehle als der Weißwein, mit dem ich im Oktober zu Gwens Geburtstag angestoßen hatte.

„Seid ihr euch sicher?“, fragte ich skeptisch. „Das schmeckt ein bisschen hochprozentiger als Wein.“

„Und wenn schon!“ Gordon nahm mir den Becher aus der Hand und kippte den Rest darin in einem Zug runter. „Dann wird’s noch geiler! Hey, vielleicht kriegen wie der Counter auch was angedreht, wie abgefahren wäre das denn?“

Die Jungs stolperten lachend Richtung Strand und ich ging kopfschüttelnd weiter durch das Bungalowdorf, vorbei an immer mehr gleich aussehenden Türen von immer gleich aussehenden Häuschen, bis ich am Rand der Klippe eine kleine Grünstelle fand. Zwischen ein paar großen Kiefern standen sich zwei Bänke gegenüber, zwischen ihnen ein solider Holztisch. Von einer der Bänke aus hatte man einen absolut atemberaubenden Ausblick auf das glitzernde blaue Meer.

Der Wind strich sanft durch die Kiefern. Es war schön lau und warm, und als ich mich auf die Bank setzte und auf das Wasser hinaus blickte, fühlte es sich endlich so an, als könnte ich mal so richtig durchatmen.

Ruhig war es hier auch.

Erschöpft legte ich mich auf den Rücken auf die Bank und betrachtete eine Weile nur die Wolken und den Wind in den Ästen der Bäume, bis mir dann doch die Augen schwer wurden.

Als ich wieder aufwachte, dämmerte es. Eigentlich war es fast schon dunkel. Um mich herum zirpten ein paar Grillen.

Ich setzte mich auf, überlegte kurz, ob ich mich freuen oder traurig darüber sein sollte, dass ich das Abendessen verpasst hatte, und wollte mich gerade auf den Weg zurück Richtung Bungalow machen, als zwei Gestalten lachend um die Ecke kamen und auf die Bänke zu hielten. Als sie näher kamen erkannte ich Raphi, der in der einen Hand eine Wasserflasche hielt und mit der anderen einer kichernden Charlotte die Haare verwuschelte. Im selben Moment entdeckte mich Charlotte und ihr Gesicht leuchtete auf.

„Leeeeeslie!“ Immer noch blöde grinsend und kichernd löste sie sich von Raphi und taumelte auf mich zu. „Hier bist du, ich hab dich vermisst!“

Sie fiel mir gegen die Schulter. Sie roch fischig nach Meerwasser und nach billigem Alkohol, und ihre Haare waren nass und strähnig, und ihr T-Shirt so feucht, dass ich mir ziemlich sicher war, dass ich ihr Bikinioberteil hätte durch sehen können, wenn es nur ein bisschen heller gewesen wäre, und der Gesamteindruck hätte nicht annähernd so sexy sein dürfen, wie er war.

„Gweeeen!“, rief sie, ohne mich loszulassen, über ihre Schulter. „Gweeeeen, ich hab Leslie gefunden!“

Raphi fiel mehr auf die Bank gegenüber, als dass er sich setzte. Eine offensichtlich auch ordentlich angeschickerte Gwen torkelte hinter den Bäumen hervor und rutschte neben ihn. Charlotte hatte mir derweil die Arme um die Taille geschlungen und den Kopf in meinem Hals vergraben.

„Du riechst so gut.“, nuschelte sie gegen meine Haut, und ihre Lippen berührten mich dabei gerade genug, dass ich merkte, wie weich sie waren, und verdammt, ich hoffte wirklich, dass in Raphis Wasserflasche was Alkoholisches war.

Notes:

Leslie und Gwen Besties for Life!!!
Tja...da bin ich wieder. Ich verspreche, ich führe das Ding hier noch zu Ende, auch wenn's ordentlich dauert, keine Sorge xD. Und das auch hoffentlich noch dieses Jahr!
Alles, was das Bungalowdorf betrifft, von Klimaanlage überm Bett bis hin zu Ameisen mit Deo umbringen entspricht übrigens (bedauerlicherweise) gelebter Realität. Was sicherlich nicht der Realität entspricht, ist das Wetter in Neapel zum Dezember, und wahrscheinlich auch die Grillen, aber da hab ich mir einfach mal ein wenig kreative Freiheit genommen, damit ein paar von Leslies Krisen besser rein passen. Außerdem...na, wer von euch hat die zweite Anspielung auf die Silber-Reihe in dieser Fanfic gefunden? ;-)

Kommentare, Kudos, Reviews, (absolut berechtigte) Beschwerden über das Updateschedule, bitte immer her damit!

Chapter 19: Charlotte @ Giordano

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Ich

Giordano kann ich dich was fragen?

 

Giordano 8)

oh gut du bist noch wach dann muss ich dich nicht aus dem Bett klingeln

 

Ich

?? warum muusst du mich aus dem BEtt klingeln

 

Giordano 8)

rate mal, wer mir gerade mein neues cremefarbenes Rolf Benz Sofa vollkotzt nachdem ich ihn stockbesoffen im Halfway to Heaven abholen musste

ich geb dir einen kleinen Tip jetzt gerade hasse ich ihn mindestens genauso sehr wie du

 

Ich

Doch nicht etwa Gideon

 

Giordano 8)

doch, genau der

 

Ich

Warte GIDEON war im Halfway to Heaven???

 

Giordano 8)

ja

und Charlotte Liebes

als ich ihn abgeholt habe hat er nur davon gefaselt dass du mir irgendwas Recht hattest und er das wirklich machen muss

 

Ich

Oh nein

 

Giordano 8)

er saß an der Bar mit ungefähr dem ganzen Club um sich rum hat Cocktails gesoffen als wären sie Wasser und wildfremde Leute über Analsex ausgefragt

als ich ihn eingesammelt hab war er gerade dabei sich in nen 3er mit zwei Leathermen rein zu reden ohne es zu merken

und das ganze offenbar, weil du mit irgendwas Recht hattest

care to explain?

 

Ich

Scheiße ich glaube das ist meine Schuld

 

Giordano 8)

ja so viel hab ich jetzt auch mitbekommen

 

Ich

Giordano es tut mir so leid

 

Giordano 8)

keine Sorge Liebes ich bin nicht sauer ich bin nur übermüdet und verwirrt

naja ok ich bin doch sauer aber auf das Arschloch das mir den Abend ruiniert hat und nicht auf dich

und ich wüsste gerade wirklich gerne wie es dazu gekommen ist???

und warum der kleine Pisser dann ausgerechnet mich mitten in der Nacht anruft weil er nicht mehr fahren kann und nicht Falk oder sonstwen

ich sag dir das war nicht leicht Marco zu erklären warum ich um ein Uhr nachts nochmal ungeschminkt und im Pyjama los muss um einen Kerl von dem er noch nie gehört hat aus nem Club zu retten

 

Ich

Oh nein Marco ist gerade bei dir?

 

Giordano 8)

und davon dass jetzt ein kleiner griechischer Gott das neue Sofa vollkotzt ist er auch nicht begeistern

yup. hat seine Geschäftsreise extra ein wenig verlängert dass er ein paar Tage länger in London ist :)

morgen um halb 7 muss er wieder los

und jetzt sitzt er um 2 in der Nacht im Bad und hält Gideon die Haare während der sich die Seele aus dem Leib reihert

gott ich liebe diesen Mann

 

Ich

Marco ist echt toll

Da solltest du wirklich mal nen Ring dran stecken

 

Giordano 8)

versuch jetzt nicht mich mit meinem wunderbaren Freund abzulenken Charlotte

erklär mir lieber was du mit Gideon gemacht hast damit ich weiß wie sehr ich ihn morgen früh enttäuscht ansehen muss

 

Ich

Ich hab ihm gesagt wenn er will dass wir wieder mit ihm reden muss er mal selber daran arbeiten sich zu bessern anstatt darauf zu warten dass wir ihm die perfekte Entschuldigung auf dem Silbertablett präsentieren

Und naja

Ich glaub in seinem Hirn kam das an als "geh in nen Schwulenclub damit du dir ganz schnell deine Homophobie abgewöhnst"

 

Giordano 8)

...Gottverdammt

 

Ich

Und du kennst ja Gideon

Wenn ihm was unangehm ist stürzt er sich erst recht voll rein

 

Giordano 8)

dieser Junge ist so verdammt blöde

danke Cherie das erklärt einiges

dann gibts morgen erst mal eine gehörige Standpauke und dann zieh ich die PowerPoint die ich damals für Marcos Eltern gemacht hab wieder raus

 

Ich

Es tut mir echt Leid dass du da jetzt so reingezogen wurdest

Das sollte echt nicht deine Aufgabe sein

Und dann auch noch am letzten Abend bevor Marco wieder nach Wales muss

 

Giordano 8)

Cherie wirklich mach dir da keine Sorgen

und du musst dich auch wirklich nicht für Gideon entschuldigen

besser er kommt zu mir mit dieser Sache als zu Falk der redet ihm am Ende wieder irgendeinen Stuss ein

wäre zwar schön gewesen wenn ich das Sofa jetzt nicht verbrennen müsste aber was solls Marco war eh nicht begeistert von der Farbe

 

Ich

Sicher?

Irgendwie fühle ich mich echt ein wenig scheiße wegen dieser ganzen Sache

 

Giordano 8)

ach komm Schwamm drüber

(Schwammemoji) (leg dir endlich mal Emojis zu Emoji)

 

Ich

niemals-Emoji

 

Giordano 8)

erzähl mal lieber warum DU mir mitten in der Nacht noch geschrieben hast!

gehts wieder um dieses eine Mädchen? >:)c

 

Ich

Ja schon aber ich glaub das hat sich inzwischen geklärt

 

Giordano 8)

wie geklärt?

 

Ich

Ich wollte dich fragen ob es weird ist wenn ich sie mitten in der Nacht aufwecke und anbiete sie zu knuddeln weil es wieder arschkalt im Zimmer ist obwohl ich die Klimaanlage schon vor Stunden ausgeschaltet habe und ich nicht schlafen kann weil sie so doll zittert dass die ganze Matratze bebt

Aber sie sabbert mir seit ner viertel Stunde das Schalfanzugoberteil voll also. Ich denke ich hab die Situation im Griff

 

 

 

Notes:

Happy Valentines Day an alle, die feiern! Und an alle, die wie ich heut allein rumhocken, hier was zum wahlweise über die Einsamkeit trösten oder einfach nur freuen :).
Das Halfway to Heaven existiert wirklich, hat aber nicht so lange offen wie hier insinuert und ist obendrein kein Club. Aber ich fand den Namen so geil, da konnte ich nicht wiederstehen ihn hier zu verwenden!
Und ja, Gideon kriegt bei mir *wirklich* einen kleinen Redemtion Arc. Aber weil es halt Gideon ist...auf die dümmstmöglichste Art, die mir einfällt. Schreibt in die Kommentare, was ihr glaubt, was in Giordanos PowerPoint drin steht! Und schreibt gern in die Kommentare, wenn ihr erkannt habt, bei welchem Satz genau Leslie sich in Charlottes Arme gedreht hat >:)c
Kommentare, Kudos, Reviews - her damit!

Chapter 20: Charlotte

Notes:

:)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“

„Klar.“, log ich, und schaute weiter Leslie hinterher, wie sie mit Gwen im nächsten Häusereingang verschwand. Es war bewölkt und windig, aber trotzdem ziemlich warm. Sie hatte sich ihren schwarz geringelten Strickpulli um die Taille gebunden.

„Was hab‘ ich dich dann gerade eben gefragt?“ Ich sah in meinem Augenwinkel, wie Raphi eine angepisste Schnute zog.

„Ob ich mit zur Strandparty heute Abend komme.“, antwortete ich geistesabwesend. Leslie war irgendwie seltsam in letzter Zeit. Ich glaubte, sie ging mir aus dem Weg.

„Und?“

Ungefähr jede Nacht, die wir in Italien verbracht hatten, war so gelaufen, dass wir mit einem guten Meter Abstand ins Bett gegangen waren, und ich spätestens eine halbe Stunde nachdem sie neben mir eingeschlafen war einen Armvoll warme Leslie gehabt hatte. War ihr das unangenehm? Hätte ich was sagen sollen? Aber – das hätte sie ja auch machen können. Aber vielleicht dachte sie, mir wäre das unangenehm, und sie wartete die ganze Zeit nur darauf, dass ich etwas sagte, und dann sagte ich die ganze Zeit nichts…

„Was, und?“, murmelte ich in Raphis generelle Richtung.

Aber irgendwie war da doch noch was. Sie wurde immer rot, wenn ich sie nach den ganzen Bildungsaktivitäten, auf die wir geschleppt wurden, am Nachmittag zum Schwimmen einlud. Und wenn sie dann mal mit kam, dann ging sie mir immer ganz weit aus dem Weg, und sah mich überhaupt nicht an. Vielleicht lag es an meinem Körper? Sah ich irgendwie komisch aus? Ich hatte mich seit Anfang Dezember nicht mehr gewogen, vielleicht hatte ich zugenommen, hatte ich eine komische Speckfalte am Rücken? Oder einen riesigen Pickel, den ich noch nicht bemerkt hatte? Der Spiegel im Bungalow war so klein...

„Ja, ob du mit kommst!“, schrie mir Raphi förmlich ins Gesicht. Ich blinzelte verwirrt.

„Ob ich wo hin mitkomme?“

„Meine Fresse, Charlie! Ob du zur Strandparty mit kommst, über die wir seit fünf Minuten reden! Kannst du vielleicht mal zehn Minuten lang aufhören, Leslies Arsch hinterher zu starren, und mir zuhören, wenn ich mit dir rede?!“

Scheiße, er klang echt sauer. Und außerdem war er laut. Ich spürte, wie ich rot wurde, und war plötzlich sehr sehr froh, dass der Rest der Klasse ziemlich einvernehmlich beschlossen hatte, sich mit dem Tour Guide ins Amphitheater zu verziehen und die Frau über Gladiatorenkämpfe auszufragen.

„Sorry.“ Zerknirscht drehte ich mich von dem Haus weg und hüpfte über den Bordstein zurück auf die Straße, wo Raphi stand. „Klar komm ich mit. Ich wäre ja sonst ziemlich die Einzige, die im Bungalow hocken bleibt.“

Raphi hatte immer noch einen etwas beleidigten Zug um den Mund, aber immerhin schubste er meine Hand nicht weg, als er auf den unebenen Steinen der römischen Straße ins straucheln kam und ich ihn zur Stabilisierung an der Schulter packte.

Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her.

Irgendwie war es schon komisch, diese ganzen leeren Häuser anzugucken. Sie sahen irgendwie so…so echt aus, irgendwie. So, als könnten wir genauso gut in Neapel irgendwo falsch abgebogen sein, und uns in ein Stadtteil verirrt haben, in dem aus irgendeinem Grund alle in den Urlaub gefahren waren. Bis auf die fehlenden Wäscheleinen, die in den modernen Städten über die Straßen gespannt waren, und die kleinen Marktständen auf den Straßen mit kitschigen kleinen Anhängern oder Mitbringseln für Touristen sah es wirklich ziemlich ähnlich aus. Und dabei war die ganze Stadt vor mehr als tausend Jahren untergegangen, bevor Lancelot de Villiers überhaupt geboren war.

Gwen konnte bis zu Lancelot de Villiers Geburtstag in der Zeit zurück springen, das waren immerhin fast fünfhundert Jahre. Wie weit er zurück kam, hatte mir nie jemand erzählt. Wusste die Loge es überhaupt? Ich war mir nicht sicher. Vielleicht sollte ich Gwen fragen. Sie hatte die ganze Woche über jeden Abend zwei Stunden mit seiner ersten Frau, die für uns alle etwas unangenehmerweise ein Jahr jünger als Gwen und ich war, und seiner kleinen Tochter, die in wenigen Monaten an Scharlach sterben würde, verbracht, vielleicht war der Herr des Hauses selbst ja auch auf einen kleinen Plausch vorbei gekommen.

„Hast du was Neues von Gideon gehört?“, fragte Raphi irgendwann gespielt beiläufig, als wir wieder auf die zentrale Straße kamen. Wie hieß die nochmal? Via irgendwas. Als die Tourismusführerin es uns erzählt hatte, hatte Leslie mit Gwen über irgendetwas gekichert und ich war von ihren Grübchen abgelenkt gewesen.

„Nee.“ Wir setzten uns auf eine Bank kurz vor dem Tourismushäuschen. Ich sah auf meine Armbanduhr. In einer knappen viertel Stunde sollte die Museumsführung erst los gehen, wir waren zu früh am Treffpunkt. „Aber ich hab ihn auch immer noch blockiert. Und Giordano meint, er geht ihm aus dem Weg.“

Raphi schnaubte abfällig durch die Nase.

„Ja, das kann ich mir vorstellen. Hat Giordano ihm echt die PowerPoint gezeigt?“

Ich nickte.

„Er hat ihn nicht gehen lassen, bevor er das ganze Ding durch gegangen ist. Er meinte, er hat in letzter Minute sogar noch ein paar Folien zu Konsens und Safer-Sex-Praktiken eingebaut, weil er sich nicht sicher war, was Gideon im Halfway to Heaven genau vor hatte. Und dann ist Gideon so rot geworden, dass Giordano gesagt hat, dass er eine neue Idee für eine Kollektion bekommen hat. Oder einen Artikel für Antiquity. Genau hab ich's nicht wirklich verstanden.“

Raphi lachte laut auf, und ich konnte mir auch ein Grinsen nicht verkneifen.

„Da wäre ich echt gerne dabei gewesen. Kannst du dir das vorstellen? Gideon, mit dem Kater seines Lebens, und dazu Giordanos grell regenbogenfarbene PowerPoint Folien?“

„Und dann denkt er, es ist vorbei, und dann kommt eine leere Folie. Und dann eingeflogen die Überschrift – Safer Sex und du. Wie funktioniert Anal, ohne dass du danach 'ne Woche Blut scheißt.“

„Oder – Dein Würgreflex versus dieser Monsterschwanz. So bleibst du am Leben wenn seine riesige Nase hält was sie verspricht.“

„Oder -  Du denkst du machst ein Modestatement, plötzlich steckt er dir die Faust in den Arsch. Signaling für Anfänger.“

„Stopp, Stopp, hör auf!“ Raphi krümmte sich vor Lachen. „Ich kann nicht mehr! Jetzt will ich fast nicht mehr wissen, was in Giordanos Original steht, das hier ist zu gut.“

Neben ihm auf der Bank taten mir die Bauchmuskeln weh.

„Kannst du dir vorstellen, wie Gideon ausgesehen hat? Und noch besser, kannst du dir vorstellen, wie er ausgesehen hat, als er deinem Onkel Falk dann erklären musste, warum er zu spät zum Elapsieren gekommen ist?“

Wir beide krümmten uns nur so vor Lachen.

„Was ist hier denn so witzig?“

Mit Tränen in den Augen richteten Raphi und ich uns auf und sahen einer amüsierten Gwen in die Augen. Leslie stand neben ihr. Ich erhaschte kurz ihren Blick und versuchte, sie anzulächeln, und einen Moment lang blitzte irgendwas in ihren Augen auf und ich dachte, gleich sagt sie was, gleich macht sie einen Witz, und dann – drehte sie sich weg. Und tat so, als würde sie die Sicherheitshinweisungen auf der Glasscheibe der Tourismuszentrale lesen, was nicht sein konnte, weil die auf Italienisch waren. Was war bloß falsch mit mir?! Und warum sagte sie nichts?

„Wir reden über Giordanos PowerPoint.“, erklärte Raphi bereitwillig, und über Gwens Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.

„Giordano ist mein neuer bester Freund.“, lies sie uns wissen. „Allein dafür, dass er ihn wirklich hingesetzt hat und das durchgezogen hat, verzeihe ich ihm die gesamten ersten vier Wochen Etikettetraining. So dankbar bin ich dem Mann für dieses mentale Bild.“

Mir fiel das Grinsen ein wenig vom Gesicht.

„Er hat nur seine Arbeit gemacht.“

Irritiert drehte sich Gwen zu mir. Ihr war das Lachen auch vergangen. Irgendwas zog sich unangenehem in meiner Magengegend zusammen.

„Ach ja?“, fauchte sie, der ganze Spaß von vorhin schlagartig vergessen. „Und seine Arbeit hat daraus bestanden, mir die ganze Zeit vor zu halten, wie ungeeignet ich dafür bin, die eine Sache zu tun, die niemand anders kann, während du mir bei jeder Gelegenheit vorgeführt wurdest mit dem hilfreichen Hinweis, dass du egal was alle schon perfekt konntest, bevor wir mit der Grundschule fertig waren?“

„Du hättest dir ja wenigstens ein bisschen Mühe geben können!", erwiderte ich verdattert. "Der Mann hat einen Doktortitel, und du hast ihn die ganze Zeit behandelt, als wäre er eine RealityTV-Figur! Und glaub ja nicht, dass er deine schrecklichen Spitznamen nicht mitbekommen hätte –“

„Ich hätte mir mehr Mühe geben sollen?“ Gwens Stimme erreichte ungeahnte Höhenregister, und auf ihren Wangen und an ihrem Hals hatten sich wütende rote Flecken gebildet. „Falls es dir entgangen sein sollte, ich musste damit klar kommen, dass mein ganzes verdammtes Leben eine Lüge war! Und damit, dass ich in der Zeit reisen konnte! Und damit, dass meine Mum nicht meine echte Mum war! Und nebenbei wollte mich jemand ermorden! Und mittendrin hat Gideon mich auf irgendwelche romantischen Abenteuer verschleppt, obwohl er mich die ganzen Jahre wo er mit dir befreundet war nie auch nur mit dem Arsch angeschaut hat! Und das Ganze ist in nicht mal zwei verdammten Wochen passiert! Und außerdem hatte ich Geburtstag!“ Mit schrecken stellte ich fest, dass Gwen die Tränen in den Augen standen. „Also vergib mir bitte, wenn ich nicht gut damit umgegangen bin, dass die eine Person, die mir mit dem Ganzen helfen sollte, lieber die zwei Stunden am Tag, die er dazu Zeit hatte, damit verbracht hat, mich dumm zu nennen und mir Listen von Wörtern, die ich nicht mehr sagen sollte, zu schreiben!“

Gwens Unterlippe zitterte sichtbar. Mit einem Schniefen drehte sie sich weg, in Leslies wartende Arme.

Scheiße. So bescheuert es klang, das hatte ich so wie Gwen es mir jetzt an den Kopf geworfen hatte nie bedacht. Zerknirscht stand ich von der Bank auf und streckte eine vorsichtige Hand nach ihr aus. Über Gwens zuckende Schulter warf Leslie mir einen finsteren Blick zu.

„Gwen?“, sagte ich leise. Meine Stimme zitterte auch ein wenig. Verdammt, warum konnte ich nicht ein Mal in meinem Leben was richtig machen? Kein Wunder, dass ich außer Raphi keine Freunde hatte, ein Wunder, dass ich noch nichts getan hatte, um ihn davon zu jagen. „Gwen, ich habs nicht so gemeint.“

„Ach ja?“ Gwen fuhr herum und fauchte mich an. „Warum hast du es dann so gesagt?“

Erschrocken nahm ich einen Schritt zurück.

„Ich glaube…ich glaube, mir war nicht wirklich klar, wie das auf deiner Seite war.“, gab ich zerknirscht zu. „Ich weiß, das klingt wahrscheinlich ein bisschen dämlich, aber aus meiner Sicht hast du mir erst meine Bestimmung und dann meinen besten Freund weggenommen und dann auch noch zu allem Überfluss als Giordano und ich versucht haben, dir wenigstens so viel mitzugeben, dass du kein komplettes Desaster anrichtest, dich über uns lustig gemacht und bei erstbester Gelegenheit genau das Gegenteil getan.", versuchte ich mich zu erklären. "Dass du richtig was durch gemacht hast…das wusste ich zwar. Aber ich glaube, mir war es nicht wirklich bewusst, weißt du? Also…also blöd gesagt, dass es nicht nur mir scheiße ging mit der ganzen Rubin-Sache.“

Ich schniefte. Irgendwann in meinem Monolog waren mir auch die Tränen gekommen. Gwen kaute sich mir gegenüber mit glänzenden Augen nachdenklich auf der Unterlippe herum.

Mein Gott, wie konnte ich nur so verblendet gewesen sein? Natürlich hatte Gwen das alles noch mehr fertig gemacht, als mich - ich war jetzt frei. Und Gwen musste sich damit zurecht finden, ein Leben lang jeden Tag in einem Keller in Temple Blut in eine Zeitreisemaschine zu füttern.

„Frieden?” Zögerlich streckte ich ihr meine Hand entgegen, den kleinen Finger ausgestreckt.

Als wir ganz klein gewesen waren, als Gwen und Nick und Caroline noch nicht in London gewohnt hatten und mein Dad noch nicht aufgegeben und vor meiner Mum davon gelaufen war, war das immer unser Zeichen gewesen.

Keine Ahnung, ob Gwen sich überhaupt noch daran erinnerte, wie wir damals zusammen Pläne geschmiedet und sie so besiegelt hatten. Meine Mum hatte die ganzen Kritzeleien, die wir damals  gemacht hatten, weggeschmissen. Hatte Tante Grace sie behalten? War irgendwo auf dem Dachboden ein Ordner mit einem Wachsmalkreidendiagramm für eine zuckerwattebetriebene Schokoladenmaschine, die wir mit fünf entworfen hatten darin?

Gwen lächelte durch die Tränen und schniefte einmal laut.

„Frieden.“, sagte sie, und berührte die Spitze von ihrem kleinen Finger mit meinem. Und dann zog sie mich in eine Umarmung.

Ich konnte mich nicht erinnern, wann wir uns das letzte Mal umarmt hatten. Ich glaube, wir waren noch ganz kleine Kinder gewesen. Dass wir uns nach Beginn meiner Wächterausbildung irgendwie nahe gestanden hatten, daran konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern.

„Wow.“ Hinter meinem Rücken räusperte sich Raphi. „Sind wir jetzt fertig mit dem ganzen emotionalen Zeug? Weil no offense aber das war grad ein bisschen viel für elf Uhr vormittags.“

„Raphi, du unsensibler Arsch! Nur, weil es einmal nicht um dich und deine Probleme geht!“, zischte Leslie über Gwens Schulter hinweg, und ich spürte, wie sich ein kleines Lächeln wieder auf mein Gesicht schlich.

Vorsichtig löste ich mich aus Gwens Umarmung und kramte in meiner Jeanstasche nach einem Taschentuch.

„Themenwechsel.“, schlug Gwen vor und zog feucht die Nase hoch. „Kommt ihr zu der Strandparty heute Abend? Leslie und ich wollen schauen, ob wir es hin kriegen Cynthia bei Wahrheit oder Pflicht auf Nimmerwiedersehen ins Meer zu schicken.“

.

Wir waren dank einer Buspanne, die mehrere sehr wütende italienische Handygespräche und einen unbeeindruckten Polizisten auf einem Motorrad involvierte, erst relativ spät wieder im Bungalowdorf, was mich überhaupt nicht begeisterte, und Gwen noch viel weniger. Morgen um fünf ging es los zum Flughafen, und Gwens Elapsiertermin war deshalb ein paar Stunden vorverlegt worden. Wir kamen gerade noch rechtzeitig zum Essen, und sie hatte danach keine fünf Minuten Ruhe, bevor sie direkt wieder los musste.

Ich hatte mich nach dem Abendessen sofort ans Packen gemacht, und suchte gerade meine dreckigen Socken zusammen, als Leslie mit einem Handtuchturban auf dem Kopf aus dem Bad kam. Ihre Haut war vom warmen Wasser ein wenig gerötet. Schnell drehte ich mich weg bevor sie merkte, dass ich sie anstarrte, und dankte allen Göttern und Heiligen, dass ich meine dreckige Unterwäsche schon im Koffer verstaut hatte.

„Ist Gwen schon los?“, fragte sie und öffnete auf der anderen Seite des Bettes den Reisverschluss ihrer Reisetasche.

Ich nickte.

„Vor zwanzig Minuten etwa. Sie meinte aber, die Wächter bringen sie morgen direkt vom Flughafen nach Temple und sie ist deshalb heute ein wenig früher wieder da, damit sie morgen nicht vollkommen übermüdet fliegen muss .“

„Super, dann hat sie ja noch was von der Party.“ Leslie hatte begonnen, lustlos ihre Klamotten in die Tasche zu werfen, ohne sie zu falten. Was war falsch mit mir, dass ich das süß fand, anstatt dass ich das Bedürfnis bekam, ihre T-Shirts für sie ordentlich zusammen zu legen?

„Wenn das die Wächter wüssten. Der Rubin geht auf die Strandparty anstatt sich brav ins Bettchen zu legen, obwohl sie extra früher Schluss machen damit sie auch ja keinen Schönheitsschlaf verpasst.“

Leslie zuckte mit den Schultern und schob die offenbar volle Reisetasche unters Bett.

„Keine Ahnung, vielleicht sind die hier in Italien etwas entspannter. Gwen meinte auch, dass sie ihr immer ein Glas Rotwein anbieten auf der Rückfahrt, die scheinen etwas lockerer zu sein. Aber mal was anderes – ziehst du dich noch um für die Party?“

Verwirrt sah ich an meinem Körper herunter. Skinny Jeans, T-Shirt mit Strasssteinchenaufdruck, Schmetterlingskette. Eigentlich dachte ich, das wäre ein halbwegs gutes Partyoutfit.

„Ich denke nicht? Warum, sollte ich?“

„Naja, es ist eine Strandparty…und außerdem ist es die letzte Nacht am Meer…“ Täuschte ich mich, oder wurde Leslie ein wenig rot? „Also…ich ziehe meinen Bikini drunter. So – vorsichtshalber halt.“

Ich nickte ein wenig verwirrt und kramte in meinem Koffer herum. Den Bikini hatte ich schon eingepackt, und natürlich ganz nach unten in die Ecke gestopft.

„Gute Idee.“

Und dann standen wir im Zimmer herum, ich mit meinem Badeanzug in der Hand, und glotzten blöd.

„Ich…geh mich dann mal umziehen.“, sagte ich schließlich.

„Klar, ja, mach das.“ Leslie biss sich auf die Unterlippe und beugte sich wieder zu ihrer Tasche. Ich dachte, sie war fertig mit Packen? „Wann wollen wir los? Gwen hat gesagt, wir sollen nicht auf sie warten.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, in einer halben Stunde vielleicht? Raphi ist schon runter gelaufen.“

Leslie nickte, ohne mich anzusehen.

„Gut. Dann…bis dann.“

Ich nickte ebenfalls und machte mich auf den Weg ins Bad. Hatte ich wieder irgendwas gemacht? Irgendwie war das ein komisches Gespräch gewesen. Oder?

.

 

„Charlie, Leslie, meine beiden Lieblingspersonen!“ Raphi lallte schon ein wenig, als er uns trotz des Windes und des immer noch eher grauen Himmels in Badehose und sonst nichts entgegenkam. „Hier, ihr braucht was zu trinken! Leider kein Cocktail weil JEMAND –“ Theo hinter ihm drehte sich zu uns um und warf ihm einen mörderischen Blick zu. „- keine Mixer kaufen wollte, aber egal, es knallt trotzdem!“

Die dünnen weißen Plastikbecher, die Raphi uns in die Hand drückte, waren fast bis zum Rand gefüllt mit dem lokalen wilden Wein. Ich fand, er schmeckte gar nicht schlecht – viel bodenständiger als das Zeug, das es immer zu hohen Feiern daheim gab – aber Leslie verzog neben mir angewidert das Gesicht. Die Schleife von ihrem himmelblauen Halternecktop saß ein wenig schief in ihrem Nacken, und seitdem ich das bemerkt hatte, versuchte ich resolut, nicht daran zu denken, dass ich anbieten könnte, sie ihr neu zu binden. Oder ich könnte sie ihr auf machen und dann…eben nicht mehr wieder zu binden. Sondern ihr vorsichtig die Haare über eine Schulter streichen und dann ganz langsam ihre Nackenwirbel hinunter –

„Ist das eklig?“ Raphis bestürztes Gesicht riss mich aus der Fantasie. „Ich hab Theo und den anderen gesagt das ist eklig, ich bin so ein schlechter Gastgeber, wir haben nichts anderes.“

Raphi schlug verzweifelt die Hände auf die Wangen während die Gruppe Jungs um die Weinkanister, die den Gesichtsausdrücken nach zu urteilen diese Litanei nicht zum ersten Mal hörten, kollektiv die Augen verdrehten und laut stöhnten. Einige gerieten dabei ins Torkeln. Zwei der Kanister waren schon leer, und Gordon saß im Sand, einen davon fest mit beiden Armen umschlungen. Offenbar war die Party schon eine ganze Weile im Gange.

„Wir haben noch ein bisschen Limoncello!“, rief Sarah aus dem Wasser heraus in unsere Richtung. „Raphi, hinten bei meiner Strandtasche ist die Flasche!“

Raphis Miene hellte sich sofort auf. Er nahm Leslie den Becher aus der Hand und kippte den Wein einfach in den Sand.

„Da, weg mit dem Zeug!“

Die Portion Limoncello, die dafür in den Becher kam, war nicht gerade klein. Unsicher sah Leslie zu mir rüber, aber dann nahm sie einen Schluck und nickte. Raphi, der das Ganze mitverfolgt hatte als währe es der Moment, an dem der Verlauf seines restlichen Lebens hing, riss triumphal die Arme hoch. Und dann schleppte er uns ins Meer, wo auf Kniehöhe ungefähr der ganze Rest der Stufe, die Kanisterjungs ausgenommen, im Wasser stand und lachend becherte, was das Zeug hielt. Adrian, den ich bisher nur als stille Präsenz in der letzten Reihe meines Mathekurses kannte, hatte einen Kassettenrekorder auf den Schultern der in etwas unangenehmer Lautstärke Macklemore spielte und rappte begeistert mit.

„Leslie, Charlotte!“ Und natürlich stand in der Mitte der Gruppe eine laute, angetrunkene Cynthia. „Ihr seid ja auch da!“

„Ja, das sind wir. Was hast du denn gedacht?“, erwiderte Leslie ziemlich schnippisch, und Cynthia drehte sich sofort weg und begann, mit der Gruppe Mädchen um sich herum zu tuscheln, während sie uns wütende Blicke zu warf.

Raphi streckte ihr die Zunge aus und legte seinen Arm um meine Schultern.

„Blöde Ziege.“, murmelte ich, und nahm einen großen Schluck Wein.

Leslie nickte bitter. Sie hatte schon wieder diesen komischen Ausdruck im Gesicht, als ob sie gerade gesehen hätte, wie ihr Freund mit einer anderen rumknutschte. Aber warum? Es war nichts passiert, was das gerechtfertigt hätte. Oder interpretierte ich diesen Gesichtsausdruck einfach falsch? Vielleicht war das ja auch einfach nur ihr grumpy face.

Aus Cynthias Gruppe erklang ein lautes Lachen.

„Charlotte, ist es war, dass du auf Cynthias letzter Mottoparty angefangen hast, zu The Bad Touch auf dem Tisch zu strippen?“, rief mir jemand aus der Gruppe entgegen. „Cynthia hat gesagt, du hast Gordon deine Unterwäsche zu geworfen!“

Plötzlich war es still am Strand.

Ich spürte, wie ich rot wurde. Scheiße. Ich hatte nicht gedacht, dass sich irgendwer noch an den Abend erinnerte, und noch weniger hatte ich gedacht, dass ich beim Gedanken daran so tief im Boden versinken wollen würde, aber plötzlich stand ich im Wasser, Jeans von den Knien abwährts nass, und spürte, wie mir vor Demütigung die Tränen in die Augen stiegen. Und zu allem Überfluss bekam ich nicht mal den Mund auf, um mich irgendwie zu verteidigen. Ich hörte, wie Leslie neben mir scharf Luft einsog, und aus dem Augenwinkel sah ich, dass Raphi wie im Film die Kinnlade herunter geklappt war, aber bevor einer der beiden was sagen konnte, erklang hinter mit Gwens Stimme.

„Erstens war es Pokerface von Lady Gaga, und zweitens ist sie keine dreißig Sekunden, nachdem sie auf den Tisch geklettert ist, von Gideon de Villiers wieder runter gehoben worden. Und dann ist sie mit ihm nach Hause gefahren. In SEINE Wohnung.“

Die Gruppe begann wieder zu murmeln, aber diesmal in deutlich anderem Ton. Einige meiner Klassenkameradinnen warfen mir anerkennende Blicke zu. Gideon zog immer noch, vor allem deswegen, weil der Flurfunk dank seiner Angewohnheit, Gwen in Freistunden mit seinem Motorrad vom Schulgelände zu entführen, nie ganz ausgestorben war.

Die Leute drehten sich langsam wieder von uns weg, das Gespräch wurde in andere Bahnen gelenkt. Ich kniff kurz und fest die Augen zusammen und atmete etwas zittrig aus.

„Danke.“, flüsterte ich Gwen leise zu.

„Keine Ursache.“, flüsterte sie zurück.

Auf der anderen Seite der Gruppe warf Cynthia uns wieder einen giftigen Blick zu und machte den Mund auf, aber diesmal kam ihr Leslie zuvor.

„Wer hat Bock auf Wahrheit oder Pflicht?“, rief sie etwas zu laut in die Gruppe. „Kommt, wie setzten uns zu den Weinkanistern, das Wasser ist eh viel zu kalt!“

.

Aus Wahrheit oder Pflicht wurde Ich hab noch nie, bei dem Cynthia zum Glück so viel trinken musste, dass sie irgendwann einfach einschlief.

„Ich kann nicht glauben, was sie alles schon gemacht hat.“, raunte Leslie mir ins Ohr, als sie und Cynthia als Einzige zu ‚sex im Auto‘ trinken mussten. „Ich meine, wer will denn – mit CYNTHIA?“

Ich nickte nur stumm. Ich hatte noch fast garnichts getrunken, was gut war, weil ich sonst wahrscheinlich was richtig dummes gemacht hätte. Wie zum Beispiel Leslie fragen, mit wem sie Sex in einem Auto gehabt hatte. Und wann das Ganze gewesen war. Und was sie genau gemacht hatten. Hatten sie sich auf die Rückbank gelegt? Oder hatte sich irgendein in meiner Vorstellung gesichts- und namenloser Mann auf dem Fahrersitz breit gemacht und ihn ganz zurück geschoben, damit Leslie sich – damit Leslie – in seinem Schoß –

„Maaaaan, das ist langweilig.“, beschwerte sich Gordon.

Ich nahm einen großen Schluck Wein und hoffte, dass mir niemand zu genau ins Gesicht sah, und verschluckte mich dann fast, als irgendjemand anderes zur allgemeinen Begeisterung Flaschendrehen vorschlug.

„Leute, wollen wir nicht lieber –“, versuchte ich noch einzuwenden, aber niemand hörte mir zu.

Sarahs inzwischen leere Limoncelloflasche wurde aus dem Strandkorb geholt, ein Weinkanister wurde als feste Unterlage in den Sand gedrückt, und bevor ich richtig registriert hatte, was passierte, hatte Theo die Flasche gedreht und sie war auf Marie gelandet. Und die beiden steckten sich zu allgemeinen „Ohhhhh!“-Rufen gegenseitig die Zunge in den Hals, bis Hannah, die neben Marie saß, sie auf ihren Platz zurück zog als Theos Hand unter Maries Top wanderte. Und dann drehte Marie und es landete auf Alex, und Alex landete auf Christy, und Christy drehte und es landete auf Gordon, und Gordon drehte und weigerte sich, Raphi zu küssen und dafür zog Raphi eine riesige Show ab, als er Leslie abbekam, und dann drehte Leslie und.

Und die Flasche landete auf mir.

Und dann sah ich plötzlich ins Leslies unsicheren Blick und mir wurde klar, dass mein allererster Kuss hier stattfinden würde, auf einem Strand in Neapel, im Dezember, angeschickert mit Wein aus einem 5-Liter-Kanister, während meine ganze Klassenstufe zusah und Gordon fucking Gelderman im Hintergrund über drei Oktaven „Küssen! Küssen! Küssen!“ rief.

Und dann hatte Leslie sich schon rüber gebeugt und mir blitzschnell einen trockenen Kuss halb auf den Mundwinkel gedrückt, der so kurz gewesen war, dass ich fast nicht realisiert hatte, dass es passiert war, und anstatt ihr irgendwie zu erwiedern nur instinktiv mit der Oberlippe in ihre Richtung zucken konnte.

Und es fühlte sich so scheiße an.

Leslie drehte sich sofort weg während um uns herum vereinzelt Jungs grölten und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, und ich konnte nicht mehr. Das sollte mein erster Kuss gewesen sein? Etwas, das ich kaum mitbekommen hatte, und der Teil, der ich mitbekommen hatte, war einfach nur...unangenehm? Und dann wischte sich meine Kusspartnerin danach den Mund ab, als ob ich irgendeinen ekligen Geschmack hinterlassen hatte?

Ich sprang unter lauten Buhrufen auf, sammelte meinen Pullover ein und floh Richtung Bungalowdorf den Strand hinauf. Aber bevor ich die Serpentinen am Steilhang erreichte, packte mich Leslie am Arm. Ich hatte garnicht mitbekommen, dass sie mir gefolgt war.

„Was ist?“, fauchte ich sie an, und hasste, wie meine Stimme dabei zitterte. „Du hättest mir echt nicht hinterherrennen müssen!“

„Charles, es tut mir leid.“

Ich drehte den Arm aus ihrem Griff und begann, in verzweifeltem Tempo die Straße herauf zu stapfen. Ich spürte, wie sich in meinen Augen die Tränen sammelten.

„Es brauch dir nicht leid zu tun.“, sagte ich. Zum Glück war es wenigstens dunkel genug, dass Leslie mir hoffentlich nichts ansah.

„Es tut mir aber leid, weil das offensichtlich gerade richtig blöd für dich war, und ich war direkt daran schuld, weil ich dich geküsst hab!“

„Es war nur ein Spiel.“ Ich zog mein Tempo weiter an, aber Leslie hielt keuchend mit mir Schritt.

„Ja, nur ein Spiel.“, erwiderte sie sarkastisch und schwer atmend, aber den Rest des Aufstiegs schwieg sie.

Ich wollte nur noch ins Bett. Schlimm genug, dass morgen der Flug war und ich diesmal nicht mal Gideons verdammte Bachblüten hatte, jetzt auch noch das. Ich hoffte, dass Leslie gecheckt hatte, dass ich nicht darüber reden wollte, und sie mich bis wir wieder in England waren einfach in Ruhe lies, aber natürlich – NATÜRLICH – tat sie mir den Gefallen nicht. Auf Höhe des abgedeckten Pools, unser Bungalow fast schon in Sicht, erwischte sie nochmal meinen Arm. Und bevor ich mich wieder losreißen konnte, sagte sie, so klinisch detachiert als währe sie die Sprechstundenhilfe beim Arzt, die mir die Ergebnisse meines letzten Blutbildes mitteilte, „Das war dein erster Kuss.“

Ich erstarrte.

„Was?“

„Das war dein erster Kuss.“, wiederholte sie. Sie hatte meinen Arm immer noch nicht los gelassen, und jetzt trat sie sogar noch näher an mich heran, fast schon bedrohlich nahe, als könnte sie mich einschüchtern, damit ich ihr die Wahrheit sagte. „Du hast nicht mal blöd gelacht und die Flasche weiter gedreht, du bist einfach sofort weg gerannt, von dem allerkleinsten Bussilein unter Freunden, dass es gibt. Leute, die schonmal jemanden geküsst haben, machen das nicht, außer sie sind homophob, was ich nicht glaube, weil Raphi sonst nicht mit dir zusammen wäre, ergo hast du noch nie jemanden geküsst.“

Ich starrte sie fassunglos an. Was sollte das? OK, meinetwegen, ich war leicht zu durchschauen, aber war sie wirklich nur hinter mir her gelaufen, den ganzen verdammten Berg hoch, um mir das zu sagen?

Nach einer gefühlten Ewigkeit lies sie mich endlich los.

Mit einem verlegenem Lachen schob sie sich die Hand in die Haare.

Die bewegungsaktivierte Lampe auf dem Weg ging aus.

„Es war wirklich ein komischer Kuss, oder?“, sagte sie, fast ein wenig zerknirscht.

„Ja, das war es.“, stimmte ich ihr verdattert zu.

Im Mondlicht sah ich ihre Zähne aufblitzen als sie mich angrinste.

„Keine Sorge, ich hab’s auch gespürt.“, versicherte sie mir, und irgendwie war ich plötzlich…erleichtert?

„Schön zu wissen, dass es nicht immer so ist.“, erwiderte ich vorsichtig, und wurde mit einem Lachen belohnt.

„Meistens macht es deutlich mehr Spaß, ja.“

„Gut zu wissen.“

Und dann standen wir uns wieder blöd schweigend gegenüber. Sie stand immer noch so verdammt nah an mir dran. Mein Herz schlug immer noch viel zu schnell, obwohl wir nicht mehr in Rekordgeschwindigkeit den Berg hoch hetzten.

„Ich könnte dir zeigen, wie –“, setzte sie zögerlich an.

„Ja.“, unterbrach ich sie, und bevor ich das Wort zu Ende gesagt hatte, war ihre Hand auf meiner Wange und ihre Lippen auf meinen und diesmal fühlte es sich überhaupt nicht komisch an, diesmal war es überhaupt nicht unangenehm, und ich wusste nicht, was ich tun sollte aber das schien irgendwie garkeinen Unterschied zu machen. Sie bewegte ihren Mund und ich versuchte, die Bewegung nachzumachen. Irgendwas schien ich richtig gemacht zu haben, weil sie ein Geräusch machte, das vage zufrieden klang. Sie trat noch näher an mich heran, und ich stolperte überrascht zurück, bis ich mit einem Mal mit dem Rücken am Zaun, der den Pool umgab, gedrückt stand, Leslies Körper von Knie bis Brust an meinen gepresst. Leslies zweite Hand legte sich auf meine Hüfte und fuhr langsam über dem T-Shirt an der Seite meinen Bauch und meinen Rippenbogen hoch, und mit der anderen Hand fuhr sie mir in die Haare und drehte sanft meinen Kopf ein ganz kleines bisschen zur Seite und irgendwie machte irgendwas klick und plötzlich war nichts mehr mit Nachdenken.

Irgendwie registrierte ich noch, dass ich stöhnte.

Und dann machte ich den Mund auf und dann war da ihre Zunge und plötzlich hatte ich eine Handvoll Arsch und fummelte mit der anderen Hand unter Leslies T-Shirt am Verschluss von ihrem Bikinioberteil und sie hatte eine Hand an meinem Oberschenkel und zog wie selbstverständlich mein Bein hoch und eng um ihre Hüfte und oh Gott ja –

Und dann war da Gordon Geldermans unverkennbare Stimme, die sich laut grölend auf uns zu bewegte.

Wie vom Blitz getroffen fuhren wir auseinander.

In stiller Einvernehmlichkeit hasteten wir zu unserem Bungalow und warfen die Tür hinter uns zu.

Leslie machte das Licht an. Schwer atmend standen wir uns im Flur gegenüber. Mir war heiß. Ich hatte das Gefühl, am ganzen Leib zu zittern.

Langsam trat ich einen Schritt auf Leslie zu und sah, wie ihre Augen dunkel wurden und ihr Blick auf meinen Mund rutschte.

Und dann drehte sich der Türknauf und Gwen blinzelte verwirrt ins Licht.

„Ist was?“, fragte sie, mit einer ordentlichen Portion ‚ihr seid grad komisch‘ in der Stimme.

„Nein.“, sagte ich möglichst unschuldig.

Leslie wurde weiß wie die Wand und drehte sich ohne ein Wort weg richtung Bad.

Diesmal erkannte ich den Ausdruck in ihrem Gesicht ganz sicher – es war Ekel. Derselbe Ekel, mit dem sie mich angesehen hatte, als wir uns Anfang des Schuljahrs gedroht und Nacktschnecken in die Spinde gesteckt hatten.

Wie hatte ich das vergessen können. Sie konnte mich immer noch nicht ausstehen.

Notes:

Ich lass das mal so stehen...
Ähm, ja...Ich lebe noch? Sorry? Also, für das lange Warten?

Kommentar, Kudos, Reviews - alles herzlich erwünscht, ich verspreche, ich lese sie alle, auch, wenn ich immer 2-3 Jahre brauche, um zu antworten!

Chapter 21: Gideon @ Charlotte

Notes:

Ich? Wie ich eine Hausarbeit für die ich nur noch bis zum 31. Zeit habe mit Fanfic prokrastiniere? Es ist wahrscheinlicher, als man denkt!

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Gideon de ARSCHLOCH!!!

Charlotte können wir reden?

Ich habe sehr viel nachgedacht über das was du mir vor der Abreise nach Neapel gesagt hast und ich glaube du hast Recht.

Vielleicht hast du es schon von Giordano mitbekommen, ich habe versucht mich ein wenig über diese ganzen LGBT-Themen zu informieren (sorry wenn das der falsche Begriff ist). Ich glaube, ich bin dir, Gwen und vor allem Raphi eine riesige Entschuldigung schuldig.

Ich

Angenommen.

Gideon de ARSCHLOCH!!!

Ich weiß, ich habe viel Scheiße gebaut und ich sehe jetzt, dass die Ursache dafür in der Art liegt wie ich aufgewachsen bin, was keine Entschuldigung für den Schmerz sein soll, den ich Raphi, und darüber hinaus dir und Gwen, zugefügt habe. Ich hätte erkennen müssen, dass meine zurückgebliebenen Ansichten falsch sind und Schaden anrichten, und zwar nicht nur in meinem Leben, sondern auch im Leben derer, die mir am wichtigsten sind, und ich hätte selbstständig auf die Idee kommen müssen, sie zu hinterfragen.

Was??!

Aber ich habe noch eine halbe Seite Entschudigungstext, den ich dir schreiben muss!

Ich

Nicht nötig ich hab von Giordano gehört wie viel Mühe du dir gibst

Und ich kann grad wirklich gut meinen besten Freund gebrauchen

Gideon de ARSCHLOCH!!!

ist was passiert in italien

Ich

Nein

Also ja

Also irgendwie ist was passiert aber nicht was du jetzt denkst

Ich glaub ich muss mit jemand drüber reden

Gideon de ARSCHLOCH!!!

Was ist los?

Es ist es eine Gefühlssache, oder?

Geht's um diesen komischen Gordon mit dem du letztes Jahr mal was gemacht hast?

Ich

Ich will nicht auf WhatsApp darüber reden können wir uns treffen?

Gideon de ARSCHLOCH!!!

Bist du dir sicher, dass du mit mir reden willst und nicht mit Giordano?

Du weißt, wie ich mit Gefühlssachen bin.

Nicht, dass ich nicht mit dir reden will. Ich will nur nichts schlimmer machen.

Ich

Ich bin mir sicher

Gideon de ARSCHLOCH!!!

OK.

In ner Stunde bei mir? Ich kann dich mit dem Motorrad abholen wenn das deine Laune irgendwie hebt.

Ich

Ist Raphi da?

Gideon de ARSCHLOCH!!!

Nein, der ist irgendwo unterwegs. Bis abends irgendwann, ich hab ihm gesagt, er soll schreiben.

Soll ich ihn anrufen? Willst du ihn dabei haben?

Ich

Nein schon gut

Wäre mir lieb wenn das unter uns bleibt es geht ein bisschen um seine Ex

Gideon de ARSCHLOCH!!!

???

Ich

Ich erklärs dir wenn ich bei dir bin

Und ich erinnere dich nochmal daran, dass du auf ganz dünnem Eis bist also sei kein Arschloch!!!

Bin in 15 min da

Gideon de ARSCHLOCH!!!

...alles klar.

Ich freue mich :).

 

 

 

Notes:

GIDEON REDEMPTION ARC 2k24!!!!!!!!

Kudos und Kommis herzlichst erwünscht!

Chapter 22: Gideon @ Raphael & Charlotte

Notes:

*comes back to this fic a year later with Starbucks* Bet you thought you'd seen the last of me :).

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Du hast eine neue Gruppe erstellt

Du hast Baby Bro hinzugefügt

Baby Bro

???

Gid wtf

Du hast Princess Charlie hinzugefügt

Princess Charlie

Hä Gideon

Warum erstellst du einen neuen Gruppenchat

 

Baby Br o

lol dachte bis eben er weißß garnich wie das geht

Du

Wie macht man das nochmal mit der Gruppenbeschreibung?

Baby Bro

was gruppenbeschreibung?

 

Princess Charlie

Du meinst den Namen

Einstellung und dann die drei Punkte und dann ist da Namen ändern

Oder so ähnlich idk

Du

Ah, danke, hab's gefunden.

Du hast den Gruppennamen zu Operation: Love for Charlie geändert

Princess Charlie

GIDEON WHAT THE FUCK

Du

DU hast mir gestern was vollgeheult, und als ich gefragt habe, ob ich dir irgendwie helfen kann, hast du genickt!

Princess Charlie

DAMIT MEINTE ICH. DASS DU DIR BITTE WEITER DAS RUMHEULEN ANHÖREN SOLLST

NICHT!!!!!!!

DAS DU EINE DEINER SUPER SPY PRODUKTIONEN ABZIEHEN SOLLST UM MICH ZU VERKUPPELN

Du

Oh.

...Sorry?

Baby Bro

oh man ich bin maximal verwirrt

worum geht es jetzt???

Du

Charlie ist total verknallt in jemanden und ich dachte, wir helfen ihr ein wenig auf die Sprünge, weil sie selber nichts unternimmt deswegen.

Baby Bro

bin dabei kommandante

wie lautet der masterplan

 

Princess Charlie

OH MANN

Princess Charlie hat die Gruppe verlassen

Du

...Okay ich sehe ein, dass das jetzt nicht so gut war, aber glaubst du, sie ist ehrlich beleidigt?

Baby Bro

glaub scho bissi

aber sie kommt drüber weg

Du

Okay, dann vertraue ich dir da einfach mal.

Baby Bro

B-)

um wen ging es eigentlich?

also die person in die Charles verschossen ist

Du

Eine gewisse Leslie.

MOMENT MAL, doch nicht dieselbe Leslie wie die Leslie, die Gwens beste Freundin ist?

Die, die du letzten Sommer gedatet hast?!

Baby Bro

lol ja

no worries das ist länst vorbei

aber puh gut du weißt dass es eine frau ist dann muss ich dich nicht blöd anlügen

Du

Raphi es tut mir so leid, wie ich mich das letzte Jahr benommen habe.

Baby Bro

ICH WEIß!!!!

Gid langsam reichts auch mit den entschuldigungen!!!

ich hab dir verziehen!!!!

und du musst auch nicht irgendwelche leute für mich verprügeln hör endlich auf nachzufragen!!!!!

Du

Okay.

Baby Bro

schon ok

Du

Aber wenn ich diese Cynthia jemals wieder sehe und sie irgendwas sagt dann übernehme ich keine Verantwortung für was dann mit ihr passiert.

Kann sein, dass sie niemand jemals wieder sieht.

Baby Bro

ja klar lass wieder ide top secret super spy ausbildung raushängen

es ist halt ncht jeder fucking james bond!!

hasse dich einfach du arschloch

Du

Fick dich, du kleiner Wichser.

Baby Bro

^^

aber ok nochmal zurück zum thema

du willst die beiden verkuppeln?

Du

Ja, aber erst mal müssen wir Informationen sammeln.

Man zieht nicht blind in die Schlacht, et cetera.

Also erstmal eine grundlegende Frage: Glaubst du, da läuft was?

Baby Bro

"glaubst, du da läuft was"

BRUDER

da läuft so viel das rennt schon

Du

Verstehe, verstehe.

Dann also direkt zu Phase 2: Wir brauchen einen koordinierten Schlachtplan.

Ideen?

Baby Bro

boah nee

abgesehen davon dass ich dir sagen kann was NICHT geklappt hat

glaub mir ich war schon hart am arbeiten in italien

aber die haben einfach beide tomaten auf den augen

die haben sich sogar beim flaschenddrehen geknutscht

hat auch nichts gebracht

Du

Ich glaube, ich sehe das Problem.

Zu viel Fokus auf französische Teenie-Klischees.

Aber, mon frère, wir sind hier en Angleterre.

Hier ist weniger La Boum und mehr Stolz und Vorurteil.

Baby Bro

bro dein filmgeschmack ist so fucking alt

aber gut was ist deine idee

Du

Ihr habt doch bald euer Abschlussfest, oder?

Und so, wie ich die Saint Lennox kennte, mit black tie Dresscode, historischem Ballsaal, Champagnerturm und allem drum und drann, oder?

Baby Bro

...was hast du vor

Du

Ich hätte gesagt, du und ich, wir gehen ein bisschen shoppen mit den Damen.

Und bei der Gelegenheit wird ein bisschen gegossipt.

Baby Bro

ohhhh ich sehe die vision

hey weußt du wen wir zur gruppe hinzufügen sollten?

Gwen

 

Notes:

Oh yeah, it's all coming together now...
Neujahrsvorsatz ist, das hier endlich mal fertig zu schreiben, ich schwöre. Und es fängt an! Operation "alle um Leslie und Charlotte herum haben genug von ihrer Scheiße" beginnt langsam!

Kommentare, Kudos - herzlich erwünscht!

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