Chapter Text
Da lag er immer noch ungeöffnet auf dem Küchentisch. Mein Brief von der Skye Academy. Die beste Reitschule des Landes und sogar eine der drei besten weltweit. Vor zwei Monaten hatte ich mich dort für das neue Schuljahr beworben und da lag endlich die Antwort auf unserem Küchentisch, die ich aus Gründen dezenter Panik noch nicht geöffnet hatte.
,,Verdammt Louis!", durchbrach meine kleine Schwester Félicité die angespannte Stille, ,,Wenn du den Brief weiterhin einfach nur anstarrst, wer ich ihn selbst aufreißen!"
,,Pfoten weg Fizzy!", hielt ich sie davon ab, als sie nach dem Stück Papier griff.
Sie hatte Recht, irgendwann musste ich den Brief lesen. Also zerrupfte ich den Umschlag und zog das dicke Papier raus, auf dem stand:
Sehr geehrter Mister Tomlinson,
wir haben ihre Bewerbung erhalten und würden uns freuen, sie am 29. August bei der Aufnahmeprüfung in der Skye Academy zu sehen. Sie werden dort eines der Schulpferde zugeteilt bekommen, damit unsere Richter sehen, ob sie auch mit etwas anderem als dem Gewohnten zurecht kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Amanda Scout
,,Ich bin zur Aufnahmeprüfung eingeladen", fasste ich den Inhalt knapp zusammen. ,,Hab ich dir doch gesagt Bruderherz", freute sich meine andere Schwester Lottie mit mir und riss mich mit unseren Zwillingen Phoebe und Daisy in eine Gruppenumarmung, der sich auch unsere Mum und mein Stiefvater anschlossen. ,,Mein kleiner Boobear geht bald an die beste Schule des Landes!", quiekte Mum vergnügt und wuschelte mir durch die Haare. ,,Dad, sie soll das lassen!", flehte ich Mark um Hilfe an und der zog Mum sanft von mir ab, ,,Es ist nur die Aufnahmeprüfung, von hundertzwanzig Teilnehmern werden nur fünf Jungs und fünf Mädels aufgenommen." ,,Hey, du bist zweifacher Landesmeister im Springreiten, diese mickrige Prüfung bestehst du mit Links!", versuchte Dad mich zu beruhigen, ,,Egal welches Pferd du unterm Sattel hast."
,,Weise Worte alter Mann", kam aus dem Nichts mein bester Freund Niall in die Küche gestürmt, ,,Und ich bin auch dabei, also sieh dich vor Tommo!"
,,Gott, ich werde definitiv nicht die regelmäßigen Herzinfarkte vermissen, die ich regelmäßig durch Nialls Überraschungsbesuche erleide!", stieß Mum erschrocken aus, drückte Niall aber einen feuchten Kuss auf.
Niall gehörte praktisch zur Familie, seit seine Eltern bei einem Bootsunglück gestorben waren, lebte aber nebenan bei seinem älteren Bruder Greg und dessen Frau Denise. Die beiden waren wirklich cool und machten bei Niall einen sehr guten Job, aber so richtig elternmäßig waren die beiden noch nicht drauf. Deshalb hatte Mum immer ein Auge auf die drei gehabt.
,,Wollt ihr zwei sofort mit einer Trainingsstunde starten?", lachte Mark und stand auf, um mit der Keksdose von der Anrichte zurück zu kommen.
,,Ja, auf jeden Fall!", antwortete ich sofort, ,,Wen soll ich nehmen?" ,,Na deinen Jungspund natürlich", antwortete Mark nur mit einem Zwinkern, ,,Du hast ihn schon zugeritten und antrainiert, da werden wir euch doch nicht trennen."
Jubelnd zog ich Niall mit mir in den Stall und vergaß dabei ganz, dass ich immer noch Jeans trug.
,,Vielleicht solltest du dir lieber noch eine Reithose anziehen du Flummi", lachte Niall, der es irgendwie geschafft hatte, sich noch einen Keks zu schnappen. ,,Ich hab immer eine in meinem Spind gebunkert", erwiderte ich darauf und bog vor der Stallgasse in die Umkleide ein, in der sich die Schließfächer für den Reiterbedarf befanden, ,,Wie ich sehe bist du schon ausgestattet." ,,Jep, wir machen eigentlich kaum was anderes als reiten", grinste Niall frech, ,,Deshalb werde ich schonmal anfangen, unsere Pferde fertig zu machen, während du dich umziehst Prinzessin."
Für den letzten Teil hätte ich meinem Kumpel am liebsten eine gescheuert, aber natürlich tat ich das nicht, sondern zog meine Reithose aus meinem Spind und schlüpfte aus meiner Jeans, um die Hosen auszutauschen. Meine Reithose war tannengrün und ließ mich immer ein bisschen wie einen Jäger aussehen. Und zugegeben, zum umziehen brauchte ich wirklich immer ziemlich lange, was auch daran liegen könnte, dass ich immer noch eine halbe Ewigkeit das Bild meiner Freundin anstarrte.
Danielle war wirklich wunderschön und ich liebte dieses Bild von ihr.
Ich hatte es im letzten Sommer aufgenommen, da waren wir mit unseren Pferden zum See geritten und sie hatte sich im Wasser angekommen einfach auf Cherry Cheeks Rücken gelegt, nachdem sie sie ins Wasser befördert hatte, ein breites Lächeln auf den perfekten Erdbeerfarbenen Lippen.
Gott, wie ich sie geliebt hatte, an diesem Tag!
Und sie auch immer noch liebte.
Nach den üblichen zehn Minuten drückte ich dem Foto einen Kuss auf, bevor ich in die Stallgasse schlüpfte, wo Niall ein bisschen mit meinem Hengst zu kämpfen hatte, um dessen Hufe vom Steinboden hochzubekommen.
Ein Hengst an sich war schon nicht leicht zu händeln, aber Radioactive war zur Hälfte ein Mustang und er hatte seine ersten zwei Lebensjahre in Amerikas Wildnis verbracht. Mark hatte ihn aus seinem Urlaub dort mitgebracht und ihn mir fürs Training anvertraut. Jetzt war er tatsächlich mein Pferd! Und ich würde im August die Aufnahmeprüfung der Skye Academy reiten!
,,Und, wieder Danielle angestarrt?", der mich wahrscheinlich hatte kommen hören und bekam endlich den ersten Huf hoch.
,,Na klar, sie ist wunderschön", antwortete ich darauf und nahm Niall Huf und Hufkratzer ab, ,,Das kann selbst ein Blinder nicht bestreiten."
,,Gut, dass ist wahr", gab Niall mir recht und wandte sich seiner Stute Marshmallow zu, ,,Glaubst du, sie lässt dich Cherry mitnehmen, wenn du angenommen wirst?"
,,Weiß nicht, aber ich denke schon", seufzte ich und setzte den fertig ausgekratzten Huf wieder ab, ,,Sie will ja immer, dass ich irgendwas von ihr dabei habe, wenn ich irgendwo hingehe. Ob es jetzt ihr Amulett ist, oder ein T-Shirt oder was auch immer. Vielleicht freut sie sich ja, wenn ich ihr morgen einen frischen Blumenstrauß vorbei bringe."
,,Auf jeden Fall! Womit wollen wir heute eigentlich anfangen? Ein paar kleine Kreuze und lockere In-Outs?"
,,Ja, klingt gut."
***
Unser erstes Training für die Ferien war gut gelaufen.
Ich war relativ zuversichtlich, dass wir bei der Aufnahmeprüfung gut abschneiden würden, aber ob wir aufgenommen werden würden? Da war ich noch nicht ganz so zuversichtlich. Aber Danielle würde mir bestimmt Glück wünschen und mir die Daumen drücken.
,,Hey Babe", begrüßte ich meine Freundin und strich über den weißen marmornen Grabstein, den Strauß Sonnenblumen immer noch in meiner Hand, ,,Hab dir deine Lieblingsblumen mitgebracht und ich hab auch ein bisschen was zu erzählen. Niall und ich treten tatsächlich bei der Aufnahmeprüfung der Skye Academy an, so wie du es immer prophezeit hast. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass die mich oder sogar uns beide nehmen, wollte ich dich nur schonmal vorwarnen, dass ich bis zu den Herbstferien weg sein werde. Aber die nehmen mich eh nicht. Außerdem gehört Radioactive jetzt ganz offiziell mir. Mark hat gesagt, er hat nicht vor, uns zu trennen, wo ich ihn seit dem ersten Tag trainiere."
Ich legte die Blumen auf das noch vom nächtlichen Regen feuchte Grab und tauschte die runter gebrannte Kerze aus, bevor ich mich neben ihren Stein setzte und mir seufzend durch meine wirren Haare fuhr.
,,Du fehlst mir Danielle", murmelte ich Richtung Himmel, ,,Im Ernst, was soll ich überhaupt ohne dich machen? Ich weiß nicht mal, wie ich die letzten zehn Monate ohne dich überstanden hab."
,,Hey Louis", begrüßte mich der Friedhofsgärtner, James Corden, im Vorbeigehen, ,,Besuchst du wieder deine Freundin?" ,,Ja, hab Danielle gerade erzählt, dass ich zur Aufnahmeprüfung an der Skye Academy eingeladen wurde", antwortete ich ihm und fummelte an der alten Kerze rum, ,,Eine der drei besten Reitschulen weltweit, hat schon einige Olympia- und Grandprixsieger hervorgebracht." ,,Das hört sich doch gut an", meinte James mit einem freundlichen Lächeln, ,,Bestimmt drückt sie dir beide Daumen." ,,Sie ist meine Süße, natürlich tut sie das", sagte ich darauf und erwiderte das Lächeln, bevor ich mich noch einmal meiner Freundin zuwandte, ,,Hey, ich muss nach Hause, hab Mum versprochen, die ersten zwei Stunden heute Morgen zu geben. Schönen Tag dir noch James."
,,Danke, gleichfalls. Wir sehen uns morgen", sagte James noch und zog weiter.
Ich drückte per Hand noch einen Kuss auf Danielles Stein und stand dann auf, um nach Hause zu fahren.
Die Zwillinge waren mit ihren Ponies Salt und Pepper schon auf dem Dressurplatz und trabten auf dem Mittelzirkel. Fizzy und Lottie fegten mit ihren beiden Pferden über den Springplatz und meine ersten Schüler standen schon mit den Schulpferden am Putzplatz, Niall wuselte als fleißiger Assistent zwischen ihnen herum.
,,Hey Nialler", begrüßte ich ihn mit einem Schulterklopfen und lehnte mich zwischen den beiden Dartmoor Ponies Tom und Jerry an die Wand, ,,Du hilfst freiwillig aus?"
,,Ja, ich hatte außerdem gehofft, ich darf auf Bloody Mary in deiner ersten Stunde mitreiten."
,,Und wieso machst du sie dann nicht fertig?"
Niall hüpfte fröhlich kichernd davon, um sein zweites Pferd, Bloody Mary, fertig zu machen. Wie Cherry Cheek ein holländisches Warmblut. Um ehrlich zu sein freute ich mich immer, wenn jemand in meinen Stunden mit ritt, der auch die ganzen Bahnfiguren kannte.
,,Louis hilfst du mir beim trensen?", fragte die kleine Charlie mich von unten und hielt mir Jerrys Trense hin. ,,Na klar", erwiderte ich natürlich und nahm ihr die Trense ab, um den etwas frechen Jerry zu trensen, der wirklich nicht gerne still hielt. Selbst ich brauchte bei ihm immer eine Weile und ich ritt, seit ich sitzen konnte. Durchs Reiten hatte ich auch Danielle kennen gelernt.
Sie war gerade mit ihren Eltern aus LA hergezogen und hatte Cherry Cheek bei uns im Stall untergebracht. Ich hatte mich auf den ersten Blick in sie verliebt. Wir waren vier Jahre zusammen gewesen, bevor sie starb.
Vier Jahre!
Und dann war sie plötzlich weg.
Wie sollte ich das alles bitte ohne sie schaffen?
Chapter Text
Wir hatten trainiert wie die Bekloppten, die wir sowieso waren und jetzt ragte sie tatsächlich vor uns in die Höhe: Die Burg Clach Mara, in der sich die Skye Academy befand. ,,Ich kann das nicht, ich werde verkacken!", jammerte ich, als ich diese ganzen schicken Kids in ihren perfekten weißen Reithosen betrachtete. ,,Blödsinn", tat Niall das ab, ,,Wir und besonders du haben wie bekloppt trainiert, dass wird schon werden." ,,Aber was wenn..." ,,Louis William Tomlinson, jetzt reiß dich verdammt nochmal zusammen! Ein Landesmeister wird ja wohl diese beschissene Prüfung bestehen!"
,,Genau", pflichtete Mum ihm bei und klopfte mir beruhigend auf die Schulter, ,,Außerdem hast du doch Danielle dabei. Na kommt, checken wir mal, wen ihr so unterm Arsch haben werdet."
Mum hatte Recht.
Ich hatte Danielle bei mir.
Beziehungsweise ihr Amulett, welches ich ihr zu unserem Einjährigen geschenkt hatte. Ich hatte auf der Rückseite das Datum eingravieren lassen, an dem wir uns kennen gelernt hatten und wenn man das dünne Ding mit dem funkelnden Stein vorne drin (hatte mich das halbe Preisgeld von einem Turnier gekostet!) aufklappte, fand man ein kleines Foto von unserem ersten Kuss.
Für dieses Foto würde ich Niall ewig dankbar sein!
Noch einmal durchatmen, dann folgten wir dem Schild mit der Aufschrift "Aufnahmeprüfung" in einen wirklich gigantischen Stall, in den unsere Pferde von zu Hause locker zweimal rein gepasst hätten.
Ein Haufen Kids drängte sich um eine Pinnwand, zu der ich dank meiner geringen Größe gut durch kam.
Fünf Zettel hingen da dran, Namenslisten.
Ich suchte nach Nialls und meinem Namen und rettete mich wieder in die Freiheit, sobald ich die Namen unserer Pferde hatte. ,,Und, wie heißen unsere Prüfungsgeräte?", fragte Niall, während ich so langsam glaubte, irgendwie Platzangst zu bekommen. ,,Silas ist deiner und meiner heißt Nero", antwortete ich meinem Kumpel und zog ihn und Mum einfach mal in Richtung der Boxen, aus denen einige edle Köpfe neugierig zu den ganzen Menschen schauten.
,,Hier sind sie!", hielt Mum uns an und deutete auf zwei Pferde links neben uns, ,,Ich geh das Sattelzeug suchen, ihr fangt mit putzen an."
,,Alles klar", sagten Niall und ich gleichzeitig und schoben uns in die beiden Boxen.
Nero war ein riesiger unruhiger Rappe, aber im Vergleich zu Radioactive ein zartes Pflänzchen. Deshalb störte ich mich auch nicht daran, dass er ein paar Mal nach mir schnappte oder mir mit seinem Getänzel fast auf den Fuß trat. Ich hatte meine Turnierhose angezogen und auch den Rest meines Turnierlooks, aber trotzdem fühlte ich mich selbst neben den Pferden wie ein schäbiger Dorftrottel.
,,Na, wie läuft es so Jungs?", fragte meine Mutter und hängte zwei Sättel auf die Halterungen vor den Boxen.
,,Nero hat ein gesundes Temperament", grinste ich vom linken Hinterhuf zu ihr hoch, ,,Er hätte Danielle bestimmt gefallen."
,,Und Silas gefällt mir", hörte ich Niall von nebenan sagen, ,,Ist echt ein witziges Kerlchen."
,,Na dann aufsatteln und macht sie fertig", triumphierte meine Mutter und lehnte sich an Neros Boxentür. ,,Aye Captain", salutierte ich, nachdem ich Neros Huf wieder abgestellt hatte und wuchtete mit einem Schwung den Sattel auf seinen Rücken.
***
Ein Junge mit braunen Locken fegte auf einem perfekt weißen Schimmel über den Springplatz, auf dem auch unsere Prüfung stattfinden würde.
Seine Haltung war perfekt, kein Staubkörnchen schien sich auf der weißen Reithose zu befinden. ,,Krass, die Kombi hat er perfekt geritten", meinte Niall und schob das Tor in der Bande auf, damit wir unsere Pferde in das Dressurviereck neben dem Springplatz führen konnten. ,,Ja, der kann was", gab ich zu und gurtete noch einmal nach, bevor ich aufstieg.
,,Willst du für Nero keine Gerte nehmen?", fragte mich ein Schwarzhaariger mit einer Fuchsstute am Zügel.
,,Nö, brauch ich nicht", winkte ich ab und hinderte Nero daran, mit einem Satz los zu preschen.
Mum winkte mir von der Tribüne aus zu, als ich gemächlich im Schritt anritt. Nero war definitiv nicht so leicht zu händeln, wie mein alter Springer Mister Incredible, der jetzt in Rente war, aber er gefiel mir. Zum Aufwärmen ritt ich einfach locker im Trab ein paar Bahnfiguren und ließ Nero auch einmal aus dem Galopp über den kleinen Steilsprung in der Mitte des Vierecks gehen, um mich an seinen Schwung zu gewöhnen und sein Springvermögen abzuschätzen, an dem ich nichts auszusetzen hatte.
,,Louis Tomlinson, Nummer 75!", wurde dann auch schon mein Name aufgerufen.
Es war doch ganz gut, dass wir ein bisschen im Stau gestanden hatten. Noch ein High Five mit Niall und ich trabte auf den Springplatz.
,,Wenn sie bereit sind", sagte der eine Richter zu mir, nachdem ich sie gegrüßt hatte. Ich umrundete den Parcours einmal im Trab, um ihn mir anzusehen und ließ Nero dann angaloppieren, um den ersten Sprung zu nehmen. Er tat sich etwas schwer damit, den Absprungpunkt zu finden, aber das war für mich kein Problem.
Der Parcours war schnell absolviert und ich hatte keinen Abwurf kassiert. Aber ich hatte einen fliegenden Galoppwechsel vor dem letzten Sprung verkackt.
,,Das sah an sich soweit ganz gut aus", sagte die einzige weibliche Richterin nach meinem Ritt zu mir, ,,Sie haben Nero gut durch den Parcours gebracht, ich weiß, dass er nicht einfach ist. Aber sie hatten ihn gut im Griff. Wir werden uns bezüglich des Ergebnisses in den nächsten zwei Tagen bei ihnen melden." ,,Danke", sagte ich noch und ritt im Schritt vom Platz, um Nero weg zu bringen.
,,Hey, warte!", hielt mich ein anderer Braunhaariger, als der mit dem Schimmel auf dem Platz vorhin, auf, ,,Ich reite Nero auch gleich in meiner Prüfung."
,,Dann achte darauf, dass du ihn nach dem vorletzten Sprung nach innen stellst, sonst springt er den Galoppwechsel nicht richtig", sagte ich nur und drückte ihm die Zügel in die Hand, um endlich Niall anzufeuern.
Der Schwarzhaarige flog gerade über den letzten Sprung, als ich mich neben Mum setzte, die von irgendwo Würstchen mit Brötchen hergezaubert hatte. ,,War ein guter Ritt Schatz, auf jeden Fall besser, als dieser arrogante Lockenkopf mit dem Schimmel", meinte Mum zu mir und reichte mir ein Würstchen mit Brötchen. ,,Red keinen Quatsch, der ist perfekt geritten", schnaubte ich und fummelte wieder an Danielles Kette rum. ,,Ja, die Kombi", widersprach Mum mir doch tatsächlich, ,,Aber er hatte direkt am ersten Sprung eine Verweigerung."
Ich lachte vor Schadenfreude und knabberte an meinem Würstchen.
***
Niall lieferte auf Silas unterdessen einen absolut makellosen Ritt ab. Auch der Typ, der mir Nero abgenommen hatte, machte eine gute Figur im Sattel.
Wir blieben auch noch, um uns die anderen Teilnehmer der Aufnahmeprüfung anzusehen und Niall freute sich tierisch darüber, dass Mum ihm sogar zwei Würstchen mitgebracht hatte.
Der Kerl war genauso verfressen, wie Marshmallow, aber trotzdem gertenschlank!
,,Hey, du da!", rief mich der Typ mit Nero, als wir draußen über das Schulgelände schlenderten, nachdem wir uns eine Führung durch die Burg hatten geben lassen. ,,Ja?", rief ich zurück und er joggte zu uns rüber. ,,Danke für den Tipp mit Nero, ich schulde dir was ehm..." ,,Louis", stellte ich mich vor, ,,Der Blondi da ist Niall und meine Mum ist gerade irgendwie verschwunden." Zumindest konnte ich sie nirgendwo mehr sehen.
,,Ich bin Liam", lachte der Typ und schlürfte Cola aus einem Plastikbecher, ,,Habt ihr euch auch fürs neue Schuljahr beworben oder seid ihr schon länger hier?"
,,Auch fürs neue Schuljahr", antwortete Niall ihm mit halbvollem Mund, der sich noch eine Waffel geholt hatte, ,,Du?"
,,Jep, neues Jahr", meinte Liam und fuhr sich durch die Haare, ,,Aber der Laden hier gehört meinem Onkel, deshalb häng ich hier öfters ab. Zumindest in den Ferien. Nero hat mich schon so einige Male in den Sand gesetzt, ich bin froh, dass er es heute nicht getan hat! Was habt ihr zwei so für Pferde?" ,,Eine Trakehnerstute und ihre beste Freundin, ein Holländisches Warmblut", antwortete Niall zuerst. ,,Cool, du Louis?" ,,Eine Mischung aus Mustang und englischem Vollblut und auch noch ein Holländisches Warmblut, das eigentlich meiner Freundin Danielle gehört", erzählte ich von meinen beiden, ,,Und die sind um einiges besser, als Marshmallow und Bloody Mary!"
,,Hey!", beschwerte Niall sich sofort, ,,Immerhin sind meine Mädels lieb im Gegensatz zu deinen beiden frechen Biestern!"
,,Vorsicht Kumpel, Cherry Cheek ist rote Zone!"
,,Sorry, vergessen!"
,,Reitet deine Freundin nicht mehr, dass du jetzt ihr Pferd reitest?", fragte Liam und wirkte leicht verwirrt. ,,Sie würde bestimmt, wenn sie noch könnte", antwortete ich ihm und warf einen Blick gen Himmel, ,,Aber wenn man unter fast zwei Metern Erde in einem wunderschönen Eichensarg liegt, ist das ein bisschen schwierig. Kleiner Hinweis, sie ist tot." ,,Oh, Sorry!", beeilte Liam sich sofort zu sagen, ,,Das tut mir so leid, mein Beileid!" ,,Danke, konntest du ja nicht wissen." ,,Hast du die Kette auch von ihr?" ,,Ja, die hatte ich ihr zum Einjährigen geschenkt." ,,Meine damalige Freundin war so eifersüchtig darauf, dass ich ihr nicht sowas wertvolles und funkelndes geschenkt habe, dass sie mich verlassen hat", schnaufte Niall und stopfte sich den Rest seiner Waffel rein, ,,Hast du eine Freundin?"
,,Nicht mehr seit ich Sophia verlassen hab", gluckste Liam und schien jemanden in den Leuten zu erkennen, ,,Styles! Beweg mal deinen Arsch hier rüber!"
Und wer bewegte sich auf uns zu?
Der arrogante Lockenkopf, wie Mum ihn genannt hatte,
Seine Haare waren nicht mal ein bisschen platt gedrückt, jede Locke saß immer noch perfekt, genau wie der graue Cardigan, der sich über seine breiten Schultern ein bisschen spannte und dem das schicke Jackett von vorhin scheinbar Platz machen musste.
,,Hey, verpasse ich hier ein Kaffeekränzchen?", fragte er mit einem Grinsen und fuhr sich einmal durch die braunen Locken.
Verdammt hatte der schöne Augen!
Ein mattes Jadegrün, was einfach perfekt zu ihm zu passen schien.
,,Harry, dass sind Louis und Niall", stellte Liam uns vor, ,,Die beiden haben sich auch fürs neue Schuljahr beworben und Niall hat gerade in nicht viel mehr als zwei Minuten eine Waffel inhaliert! Im Ernst, wo ist die hin? Hast du sie eingeatmet?" ,,Der ist so verfressen, wie sein Pferd Marshmallow", lachte ich und drückte meinem besten Freund einen feuchten Kuss auf. ,,Seid ihr zwei zusammen oder was?", fragte Harry Styles uns mit hochgezogenen Augenbrauen. ,,Um Gottes Willen, nein!", lachten Niall und ich gleichzeitig, ,,Wir sind wie Brüder! Ih!"
,,Mal ganz abgesehen davon", fügte Niall hinzu, ,,Ist Louis' Herz seit einigen Jahren schon vergeben."
,,Und das wird auch keine noch so schöne Prinzessin ändern können", grinste ich vor mich hin und träumte ein bisschen von Danielle, ,,Nialler, glaubst du, wir können mal bei ihr vorbei fahren, wenn wir wieder nach Hause kommen?"
,,Vergiss es! Mitten in der Nacht geh ich nicht mehr mit zu ihr! Außerdem kannst du ihr auch immer noch morgen von der Prüfung erzählen und ihr vielleicht frische Blumen mitbringen. Wie wäre es zum Beispiel mal mit Rosen?"
,,Nein, ihre Lieblingsblumen sind Sonnenblumen! Und sie bekommt von mir Sonnenblumen, so lange ich welche auftreiben kann!"
,,Und an jedem Geburtstag einen Schokokuchen, bei dem man nicht erkennen kann, was verbrannt und was Schokolade ist."
,,Hey! Mein Schokokuchen ist Danielles Lieblingskuchen!"
,,Das sagt sie nur, weil sie dich liebt Idiot!"
,,Fresse Trottel!"
,,Seid ihr immer so kindisch?", fragte Harry uns ernsthaft. ,,Und hast du immer so einen Stock im Arsch?", konterte ich, worauf er die Flucht ergriff und Liam und Niall sich halb tot lachten, ,,Wow, muss ja ein gigantischer Stock sein."
,,Du hast nicht ganz unrecht", gab Liam zwischen zwei Lachern zu, ,,Harry könnte sich wirklich mal ein bisschen mehr entspannen."
,,Jungs, ich würde langsam mal nach Hause fahren", kam meine Mum plötzlich von hinten angeschossen, ,,Fizzy ist im Graben gelandet und die Zwillinge sind allein zu Hause, bis Mark und Lottie aus dem Krankenhaus zurück sind." ,,Oh Gott, hoffentlich geraten wir nicht wieder in einen Stau!", lachte Niall und legte mir einen Arm um die Taille, ,,Sonst steht das Haus nicht mehr, bis wir ankommen!" ,,Ja, ich hoffe wirklich, sie kommen nicht schon wieder auf die Idee, einen der Junghengste zu reiten", stimmte ich ihm zu, ,,War schön, dich kennen zu lernen Liam!" ,,Gleichfalls!", rief er uns noch nach, bevor er in die Richtung joggte, in die Harry vorhin verschwunden war.
***
Aus irgendeinem Grund wollte mir dieser arrogante Lockenkopf mit den wunderschönen grünen Augen nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Er hatte sich für die Autofahrt nach Hause da oben eingenistet, wahrscheinlich weil er mich mit seinem Verhalten so ein bisschen auf die Palme brachte. Vielleicht aber auch, weil er trotz dessen süß war.
,,Worüber denkst du nach Boobear?", fragte Mum mich liebevoll und drehte sich kurz zu mir zum Beifahrersitz.
,,Harry Styles, der arrogante Lockenkopf", seufzte ich und strich mir eine nervige Haarsträhne aus meinem Auge, ,,Hat zwar einen Stock im Arsch, ist aber auch irgendwie süß. Gott, hoffentlich verlieb ich mich nicht noch in ihn." ,,Wäre das denn so schlimm?", fragte Mum verwirrt, während Niall sich interessiert vorbeugte. ,,Mein Herz gehört für alle Ewigkeit Danielle", antwortete ich ihr darauf, ,,Ich will einfach nicht... Ich kann niemals jemanden so lieben, wie ich sie geliebt habe. Liebe. Du weißt, was ich meine!" ,,Ja, dass weiß ich. Aber Louis, so kann das doch nicht weiter gehen. Danielle war... ist wirklich wundervoll und du weißt genau, wie sehr ich dieses quirlige Ding mochte, aber sie ist jetzt seit einem Jahr weg. Ich bin zwar schon froh, dass du nicht mehr einfach nur vor dich hin vegetierst, so wie die ersten sechs Monate und wieder jeden Tag aus dem Bett kommst und so, aber irgendwann musst du auch dein Versprechen an sie einhalten und anfangen, zu leben! Und leugne es nicht, ich hab dich gehört Sohn! Sie auch, also enttäusche sie nicht." ,,Das würde ich nie wagen und das weißt du auch, aber das ist alles nicht so einfach Mummy. Als... Als ich diesen Anruf bekommen habe, ist meine ganze Welt in sich zusammen gefallen. Du weißt einfach nicht, wie das ist, jemanden auf diese Weise zu verlieren, den man mehr liebt, als alles andere auf der Welt."
,,Leute, ich fang gleich an zu heulen!", ließ sich Niall vom Rücksitz vernehmen, ,,Ihr seid echt besser, als jede Romkom!"
,,Ruhe auf den billigen Plätzen!", rief ich nach hinten und wandte mich dann wieder meiner Mutter zu, ,,Aber im Ernst mal Mum, was stimmt nicht mit dir, dass du mich in eine Beziehung oder sonst was drängen willst, bevor ich überhaupt an der Skye angenommen wurde?"
,,Das hab ich nie gesagt, dass mit der Beziehung!", verteidigte Mum sich und wich einem wild gewordenen Schaf aus, ,,Ich hab nur gesagt, dass du dein eigenes Versprechen halten sollst und was du als leben definierst, ist ja dir überlassen, aber du kannst dich nicht für immer vor der Liebe anderer verschließen. Das ist alles, was ich damit sagen wollte."
,,Du weißt schon, dass du dir gerade selbst widersprochen hast."
,,Du nervst Kind, Ruhe jetzt!", scherzte Mum, weil sie genau wusste, dass ich Recht hatte.
,,Glaubt ihr, die Zwillinge haben schon irgendwas angezündet?", meldete Niall sich von hinten wieder zu Wort und ich drehte das Radio etwas lauter, um zu Hey There Delilah von Plain White T's zu singen. ,,Ich hoffe nicht", antwortete Mum ihm ehrlich besorgt, bevor sie zum Refrain mit einstieg. Auch Niall stieg mit ein und wir sangen alle drei.
Niall konnte von uns am besten singen.
Und wäre er nicht so besessen von Pferden, wie ich auch, hätte er bestimmt schon längst einen Plattenvertrag und ein eigenes Album in der Hand, vielleicht sogar eins mit dem ein oder anderen irischen Volkslied.
Aber ich fände es auch irgendwie ein bisschen schade, meinen besten Freund und Bruder an die Musikindustrie zu verlieren, weshalb ich durchaus sehr froh darüber war, wie sich die Dinge entwickelt hatten.
Mein Handy klingelte, als der Song gerade zu Ende war.
,,Hey Dad", meldete ich mich, nachdem ich auf Grün gedrückt hatte, ,,Mum, Niall und ich sind auf dem Heimweg, was liegt an? Wie geht es Fizzy?"
,,Hey Sohn", kam es zurück, ,,Fizzy hat echt einen verdammten Dickschädel und alles, sie hat nur einen blauen Fleck. Wirklich unverschämtes Glück gehabt unsere wilde Hilde! Und du kannst deiner Mum sagen, dass die Zwillinge das Haus haben stehen lassen. Sie haben sogar ganz alleine die Schulpferde rüber auf die Koppel gebracht und alle Pferde im Stall gefüttert und getränkt."
,,Wow, was hast du den beiden heut Morgen in den Tee getan?"
Mark lachte herzlich und meinte dann: ,,Wüsste ich auch gerne. Sobald ich herausfinde, was das war, dann mach ich das jeden Tag. Wann seid ihr ungefähr da und wie lief die Aufnahmeprüfung?"
,,Müssten so ungefähr noch so zwei Stunden sein, wir fahren in zehn Minuten auf die Fähre. Und die Prüfung war ganz gut. Keine Ahnung, ob die Gedanken lesen können, aber die haben mir ein Pulverfass gegeben! Mein Ritt war nicht ganz so makellos wie Niall, aber ich denke schon, dass ich ganz okay war."
,,Du warst besser, als okay!", rief Niall so laut von hinten, dass Mark es wahrscheinlich auch hören konnte, ,,Louis war der Oberhammer! Ungefähr so, wie bei der letzten Nationalen Meisterschaft! Aber die Ergebnisse bekommen wir erst irgendwann in den nächsten zwei Tagen!"
Wieder lachte Mark und im Hintergrund schepperte etwas.
,,Ich sollte mal in die Küche gehen", sagte Mark nach ein paar Sekunden Stille, ,,Wir sehen uns dann später."
,,Ja, bis dann", lachte ich noch und legte auf, um mich wieder Mum zuzuwenden, ,,Fizzy hat nichts außer blauen Flecken und die Zwillinge haben die Schulpferde alle zur Koppel gebracht und alle Pferde gefüttert und so."
,,Bist du sicher, dass wir von den selben Zwillingen reden?", fragte Mum skeptisch und tuckerte langsam auf die Fähre.
,,Ich war auch sehr überrascht", gab ich zu und hüpfte aus dem Auto, sobald wir geparkt hatten. Zwar war es keine lange Fahrt, aber ich war einfach lieber an der frischen Luft, als immer nur im stickigen Auto.
Eine frische salzige Brise wehte mir um die Nase.
Es erinnerte mich immer ein bisschen dran, wie es sich anfühlte, mit Radioactive in einem wahnwitzigen Tempo durch die schottischen Highlands zu fegen.
,,Hey du?", kam Niall von hinten an und legte sein Kinn auf meiner Schulter ab, ,,Kannst du mir was versprechen?" ,,Was denn Darling?", scherzte ich und lehnte mich ein bisschen an meinen besten Freund. ,,Wenn nur einer von uns aufgenommen werden sollte, oder du in irgendeiner möglichen Kombination nicht angenommen wirst, kannst du mir versprechen, dich nicht wieder für sechs Monate mit einem riesigen Pott Vanilleeis im Bett zu verkriechen? Ich will meinen besten Freund nicht nochmal verlieren." ,,Wirst du nicht Großer", musste ich mir tatsächlich ein Tränchen verdrücken, ,,Ganz fest versprochen. Das Reiten ist meine zweitgrößte Liebe, aber um zu reiten, muss ich nicht an der Skye Academy sein. Aber zwei Tage werde ich schon mit heulen verbringen." ,,Wenn die euch beide nicht aufnehmen, dann schreib ich denen einen Beschwerdebrief!", startete meine Mutter dann eine Überraschungsattacke auf uns beide.
,,Also so langsam weiß ich, was du mit den Herzinfarkten meinst Jay", lachte Niall und umklammerte mich von hinten, als wäre ich seine Freundin.
Aber so waren wir einfach.
Und wenn nur einer von uns angenommen werden sollte, auch wenn es Niall sein sollte, würde ich mich natürlich für ihn freuen und den guten Whisky ausschenken. Niall hätte es mehr als verdient. Und ich würde es meinem besten Freund auch absolut gönnen. Kein Aber!
Es war leider einfach sehr unwahrscheinlich, dass wir beide aufgenommen werden würden...
Chapter Text
Am Morgen nach der Aufnahmeprüfung regnete es, aber mit einem Umweg über den Blumenhändler meines Vertrauens konnte ich Niall trotzdem überreden, beim Friedhof vorbei zu reiten. Ich wollte Danielle unbedingt von der Skye Academy und der Aufnahmeprüfung erzählen. Und wenn man eine Regenjacke hat und die Pferde in einer Kapelle unterstellen kann, ist das Wetter doch im Grunde egal. James war bei dem Wetter natürlich nicht draußen unterwegs und auch sonst waren nur zwei andere Leute da, die wahrscheinlich Verwandte oder so besuchten.
,,Hey Danielle", begrüßte Niall meine Freundin als Erster, ,,Mir geht's auch gut, danke der Nachfrage."
,,Hey Babe", konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ich liebte Niall einfach dafür, dass er so mit ihr weiter redete, wie ich. ,,Ich wollte dir von unserer Aufnahmeprüfung gestern erzählen. Die lief soweit ganz gut, heute oder morgen bekommen wir die Ergebnisse. Nialls Ritt war absolut makellos und es gab viele, die besser waren, als ich. Ich hab nämlich einen Galoppwechsel komplett verkackt."
,,Was nicht seine Schuld war!", unterbrach Niall mich, bevor ich noch was sagen konnte, ,,Die haben ihm ein fast noch rohes Pferd gegeben, der war kaum trainiert. Und wäre Louis nicht der fantastische Reiter, der er nunmal ist, hätte er bestimmt einiges an Abwürfen und Verweigerungen kassiert. Also hör einfach nicht darauf, was der Idiot hier sagt, er war der Hammer im Parcours!" ,,Sag mal, kannst du bitte aufhören, meine Freundin zu beeinflussen?", beschwerte ich mich bei meinem Kumpel und zog mir meine Kapuze wieder etwas tiefer ins Gesicht. ,,Ich beeinflusse sie nicht, ich sage ihr nur die Wahrheit! Außerdem Dani würde ich dir gerne noch erzählen, dass es an der Skye Academy einen Typ gibt, der Louis gefällt, aber er will es nicht zugeben, weil sein Herz immer noch an dir hängt." ,,Und das wird es auch für immer! Im Ernst Niall, dass ist nicht so einfach, wie ihr euch das alle vorstellt. Mein Leben ist nicht Tinder!"
Niall lachte laut los, als mein Handy klingelte, warum auch immer.
Ich kannte die Nummer nicht, weshalb ich erstmal nur sagte, nachdem ich auf grün gedrückt hatte: ,,Hallo?"
,,Hallo, hier spricht Amanda Scout", kam es zurück und mein Gehirn überlegte verzweifelt, wo ich den Namen schonmal gehört oder gelesen hatte, gab das aber schnell wieder auf, ,,Ich habe schon bei ihnen zu Hause angerufen Mister Tomlinson, da wurde mir gesagt, sie sind unterwegs. Ich rufe an, um ihnen mitzuteilen, dass sie mit einer Wertnote von 9,8 an der Skye Academy aufgenommen sind. Das gleiche gilt für ihren Freund, Niall Horan."
,,Wow...", war alles, was mir dazu einfiel, ,,Okay, danke."
,,Wer ist denn da?", fragte Niall die Neugiernase natürlich.
,,Wir sind an der Skye, aber sh! Ich telefoniere!", antwortete ich ihm und sah quasi, wie seine Rädchen erst ratterten und dann entschieden, dass es angebracht war, fröhlich singend durch den Regen zu hüpfen, während ich mich wieder der lachenden Amanda Scout am Telefon zuwandte, ,,Gibt es noch irgendwas spezielles zu wissen?"
,,Nein, ich hab eigentlich alles gesagt. Jetzt würde ich aber gerne noch von ihnen wissen, wie die Pferde heißen, die sie mitbringen werden. Bitte dran denken, nur eins pro Person!"
Scheiße.
Ich musste mich entscheiden zwischen Cherry und Dici (also Radioactive).
,,Meins heißt Radioactive und Nialls heißt Marshmallow", antwortete ich schließlich. Ich hätte Cherry Cheek wirklich gerne mitgenommen, um einen Teil von Danielle bei mir zu haben, aber wahrscheinlich hatten die einfach nicht genug Platz für zwei Pferde pro Schüler. Und ich konnte ja auch noch etwas anderes von meiner Süßen mitnehmen, als nur ihre Kette.
,,Hey, hast du das gehört sweety?", wandte ich mich nochmal an eine Freundin, nachdem Amanda und ich aufgelegt hatten, ,,Niall und ich sind an der Skye Academy."
***
Meine Mum freute sich natürlich riesig und meine Schwestern schmissen sogar eine kleine Party für uns mit Apfelsaft und frischen Erdbeeren, die wir im eigenen Garten pflanzten.
Denise und Greg waren auch rüber gekommen und kurzfristig veranstalteten wir auf unserer überdachten Terrasse eine Grillparty.
Ich freute mich wirklich tierisch auf die Akademie, aber ich wusste auch, wie sehr ich meine Familie vermissen würde. Wie sehr ich es vermissen würde, jeden Tag bei Danielle vorbei zu schauen.
Die ganze Fahrt über zur Akademie konnte ich an nichts anderes denken, was dazu führte, dass ich beinahe ein paar Schafe umfuhr.
Wir hatten uns zu Hause von unseren Familien verabschiedet und ich saß am Steuer. So musste Mum nicht wieder die fast drei Stunden hin und zurück fahren, auch wenn sie es angeboten hatte. Auf der Fähre war es im Hänger hinten dran ein bisschen unruhig geworden, weil Radioactive das Schaukeln nicht ganz geheuer war. Aber er beruhigte sich schnell wieder, als er bemerkte, dass Marshmallow auch einfach ganz entspannt ihre Nase im Stroh vergraben hatte. Melmel kannte das transportiert werden schon ziemlich gut von einigen Turnieren, aber für Dici war es erst der dritte Transport seines Lebens.
,,Wieso schließt du ab?", fragte Niall mich verwirrt, nachdem wir auf dem Parkplatz der Schule angekommen ausgestiegen waren und ich mein Auto abgeschlossen hatte, ,,Wir müssen doch noch unser Gepäck ausladen!"
,,Aber erstmal laden wir unsere Pferde aus und da das bei Radioactive wahrscheinlich eine Weile dauern wird, schließe ich mein nicht gerade günstiges Auto lieber ab", entgegnete ich nur und ging nach hinten zum Hänger, ,,Mach du schonmal die Klappe runter, ich versuche mein Pferd am durchgehen zu hindern."
Niall wartete, bis ich durch die Seitentür in den Hänger geschlüpft war und mein Pferd an Strick und Halfter gegriffen hatte.
Aber gemäß Erwartung funktionierte das nicht so, wie ich es gerne gehabt hätte.
Sobald die Klappe unten war, stürmte Dici rückwärts so schnell da runter, dass ich Mühe hatte, ihm zu folgen. Ich brauchte fünf Meter, bis ich ihn wieder eingefangen hatte, aber er bockte weiter wie wild durch die Gegend, sodass einige gerade angekommenen Kids mit ihren Pferden ordentlich Abstand hielten. ,,Komm, reicht jetzt mal", versuchte ich mein Pferd zu beruhigen und er hörte zumindest mit dem steigen auf, um zu einem Tänzeln über zu gehen, ,,Ist alles gut Großer, komm runter. Das hier ist nur eine neue Umgebung du nervöses Vieh." Zumindest beruhigte er sich soweit, dass er sich von mir hinter den Ohren kraulen ließ. Das mochte er am liebsten.
,,Wow, da hast du ja ein echtes Wildpferd", kam Liam lachend auf mich zu, mit einer Fuchsstute neben sich, die an seinem T-Shirt knabberte.
,,Tja, zur Hälfte Mustang", sagte ich dazu nur und klopfte meinem Pferd den Hals, ,,Radioactive ist außerdem erst viereinhalb."
,,Ein Jungspund noch dazu! Mistletoe hier ist schon zehn."
,,Damit hätten wir einen Blue Roan, eine Fuchsstute und meine braune", kam Niall mit Marshmallow bei uns an, ,,Fehlt uns nur noch ein Rappe oder ein Schimmel." ,,Also mit einem Rappen kann ich dienen", schloss sich Harry Styles unserer Runde an und drängte sich mit einem imposanten Rapphengst neben Liam. Ein wirklich prächtiger Hengst mit einer Schneeflocke auf der Stirn. Er schien ein eher ruhiges Gemüt zu haben, im Vergleich zu meinem Hengst. ,,Habt ihr auch noch Platz für einen Fuchsschecken?", stellte sich dann der schwarzhaarige dazu, den ich auch schon am Tag der Aufnahmeprüfung gesehen hatte. ,,Na klar, je mehr desto besser", meinte Liam nur fröhlich, während sich unsere Pferde gegenseitig beschnupperten, ,,Bist du auch neu?" ,,Ja, ich bin Zayn", stellte sich der Schwarzhaarige mit dem gescheckten Trakehner Wallach an seiner Seite vor, ,,Und das hier ist Foxy."
,,Louis und Dici", stellte ich mich und mein Pferd vor.
,,Niall und Melmel", führte Niall die Vorstellungsrunde fort.
,,Liam und Missi", war Liam als nächster dran und schubste die Nase seiner Stute von seinem T-Shirt weg.
,,Harry und Winnie", schloss Harry die Runde, der ungefähr genauso groß war, wie sein Pferd. Radioactive und ich waren tatsächlich auch genau gleichgroß, allerdings waren wir beide schon ausgewachsen. Harry würde bestimmt noch wachsen, ich war mir nämlich ziemlich sicher, dass ich der älteste in unserer Runde war. ,,Harry, kommst du Liebling?", rief eine Frauenstimme von einem dicken schwarzen Range Rover. ,,Komme schon Mum!", rief Harry zurück, ,,Ich geh dann mal. Wir sehen uns bestimmt noch Jungs." ,,Okay, bis dann", sagte Liam und wir sahen ihm alle noch ein Weilchen nach, während Harry zu zwei sehr schönen Frauen rüber ging und einem honigblonden Typ, den er küsste.
,,Da siehst du es Niall!", freute ich mich, ,,Du kannst Tinder aufgeben, Harry ist nicht mehr verfügbar."
,,Ich werde Tinder so lange nicht aufgeben, bis ich mein Ziel erreicht habe", widersprach Niall mir und kletterte auf Marshmallows Rücken, dieser Faulpelz, ,,Bei dir und Danielle hab ich auch nicht aufgegeben und sie war mit nem Schauspieler aus einer Teeneserie zusammen! Ich weiß einfach, was zusammen gehört!"
,,Hey, benutz gefälligst nicht meine tote Freundin als Argument du faules Stück Scheiße!", beschwerte ich mich und nahm auch noch Marshmallows Strick, um sie zusammen mit meinem Pferd zum Stall zu führen, wo eine hochgewachsene Blondine wild gestikulierend Anweisungen gab.
Liam und Zayn lachten darüber herzlich.
Ich hatte so das Gefühl, mich mit den beiden gut zu verstehen. Bei Harry war ich mir da nicht so sicher. Er hatte mich nicht mal angesehen, als er sich einfach dazu gestellt hatte.
~H~
,,Wer ist denn das alles, mit dem du da geplaudert hast?", fragte Mum natürlich neugierig, als ich bei ihr und meinem Freund ankam, der auf einen kleinen Kuss bestand.
,,Liam kennst du ja und die anderen sind ein paar Typen aus meinem Jahrgang", antwortete ich ihr und gab meinem Pferd ein Zuckerstück aus meiner Jackentasche (Reiter haben immer irgendwo ein bisschen Zucker), ,,Und der da hinten mit den braunen Wuschelhaaren hat einen halben Mustang in der Hand. Ich freu mich schon drauf, wenn er zum ersten Mal im hohen Bogen in den Sand fliegt." ,,Hast du nicht gesagt, er wäre mit Nero bei der Aufnahmeprüfung so perfekt geritten?", fragte Josh mich leicht verwirrt und tätschelte Wintersoldier den Hals. ,,Hey, man darf doch wohl ein paar Rachegelüste haben", scherzte ich und zog mein Pferd und meinen Freund rüber zum Stall.
,,Es wird sich natürlich immer erst ums Pferd gekümmert", seufzte meine Mutter abgrundtief.
,,Ist doch besser, als Gemma", murmelte ich vor mich hin, ,,Sie hat nicht mal auf meine Mail geantwortet, in der ich ihr von meiner Aufnahme hier an der Skye geschrieben hat."
,,Schatz, du weißt doch, dass sie viel zu tun hat."
,,Mum, ich will davon nichts hören", wimmelte ich dieses Gespräch ab, was wir wirklich schon oft genug geführt hatten.
Josh drückte beruhigend meine freie Hand, er wusste genau, wie sehr mich meine große Schwester verletzt hatte, als sie einfach nach New York abgehauen war, um dort nach ihrem Studium in Oxford als Anwältin zu arbeiten. Als Anwältin für reiche Schnösel und irgendwelche bekloppten Arschgeigen.
Amanda Scout verteilte scheinbar die Boxen, zumindest stand die Blondine am Eingang zur Stallgasse und gestikulierte regelmäßig ins Innere.
,,Hey Amanda", begrüßte ich sie und schob die Nase meines Pferdes von meiner Jackentasche weg, damit er den zweiten Zuckerwürfel nicht raus angeln würde, ,,Wo stehen wir?" ,,Die vorletzte Box auf der rechten Seite", antwortete sie mit einem Blick auf ihre Liste, ,,Schön, dass du endlich hier bist. Dann können die ganzen Banausen noch was über Bodenarbeit und das Springreiten lernen." ,,Hey, wirst du wohl aufhören, mit meinem Freund zu flirten?", scherzte Josh und meine Mutter lachte herzlich. Sie mochte meinen Freund. Ich mochte ihn natürlich auch, keine Frage. Aber ich war mir nicht mehr sicher, ob es wirklich noch Liebe war, was ich für ihn empfand. Vielleicht hätte ich ihm das im Laufe des Sommers mal sagen sollen.
Aus irgendeinem Grund kann ich mich noch genau an den Tag erinnern, an dem ich das bemerkte.
Das war der 23. Juli, ich hatte durch mein Tagebuch vom Vorjahr geblättert und die Wochen gefunden, die ich in einem Sommercamp verbracht hatte.
Dort hatte ich Louis kennen gelernt. Das war bevor ich mit Josh zusammen kam, ich hatte mich auf den ersten Blick in Louis verliebt. Und er hatte mich nicht mal bemerkt, weil er immer nur mit dieser brünetten Schönheit geflirtet hatte. Er hatte mich nicht mal dann bemerkt, als ich bei einem Ausritt abgeworfen wurde und im nächsten Bach landete.
Er hatte mit der schönen Brünetten gelacht, an deren Namen ich mich nicht erinnern konnte.
Louis hatte mich nicht wahrgenommen.
Das alles zu lesen und ihn dann auch noch im August bei der Aufnahmeprüfung zu sehen, hatte meine Gefühle von damals wieder aufkochen lassen.
***
Sein Pferd stand schon in der Box neben meiner, als ich die Boxentür zu meiner aufschob und Winnie rein schob.
,,Wollen wir uns vielleicht mal die Zimmereinteilung ansehen?", hörte ich Liam aus der Box gegenüber fragen. ,,Ja, klar", antwortete Louis ihm neben mir, ,,Bin schon gespannt, wer das Pech hat, mit mir in einem Zimmer zu enden." ,,Wieso sollte das Pech sein?", fragte Zayn ihn verwirrt. Das fragte ich mich auch. ,,Louis träumt sehr lebhaft", antwortete Niall ihm und meine Mutter nahm meinem Pferd sein Halfter ab, weil ich immer noch wie eingefroren bei ihm in der Box stand, ,,Und ich glaube kaum, dass ihr um drei Uhr Nachts zum kuscheln motiviert seid. Kommst du mit Harry?"
,,Geht ihr zwei nur, ich lade dann schonmal dein Sattelzeug aus", sagte Mum nur, als ich sie fragend ansah.
Also folgten Josh und ich den vier Jungs.
Wir holten erst alle unser Gepäck, bei dem Josh mir bei tragen half und schlenderten dann gemütlich rüber in die Burg, in der auch die Schlafzimmer lagen. Liam kannte sich im Gemäuer aus, immerhin gehörte es seinem Onkel.
,,Wer ist der hübsche Blondi an deiner Seite?", fragte Niall mich irgendwann grinsend, als meine Mutter nicht mehr in Höhrweite war, ,,Der macht Louis ja schon beinahe Konkurrenz."
,,Niall, wenn du noch ein falsches Wort sagst, setz ich dich auf einen Einjährigen und seh grinsend dabei zu, wie du an die Bande klatschst, wie eine tote Fliege du irischer Bastard", knurrte Louis seinen Kumpel an, was mich durchaus etwas verstörte. ,,Sorry Niall, aber ich akzeptiere keine Konkurrenz", lachte Josh einfach nur, der das Ganze entspannter zu sehen schien, ,,Harry und ich sind seit 10 Monaten zusammen."
Wow.
Waren es wirklich schon zehn Monate?
Jedenfalls verstand er sich ziemlich gut mit den anderen Jungs, auch wenn ich fand, dass Louis ein bisschen gemein zu ihm war, was von den anderen niemand zu bemerken schien.
***
,,Harry, du bist mit Niall in einem Zweierzimmer", verkündete Liam, als wir irgendwann endlich mal die Liste für die Zimmerverteilung gefunden hatten, nachdem wir erstmal durch die halbe Burg wandern mussten, um überhaupt in den Teil mit den Schlafsälen zu gelangen, ,,Und wir anderen drei haben ein Dreierzimmer." ,,Dann viel Spaß mit den Albträumen", schien Niall sich zu freuen. ,,Fick dich Horan, ich komm trotzdem zu dir ins Bett gekrochen", zerstörte Louis lachend dessen Illusion, ,,Und wehe, wenn du mir nicht genug von deiner Decke abgibst, so wie den ganzen Winter über! Ich bin mehrfach fast erfroren du Arsch!"
Schon wieder!
Wieso sagte Niall nichts dagegen?
,,Ich geh dann mal deine Mum suchen, damit sie dir noch Tschüss sagen kann", verabschiedete Josh sich vorübergehend mit einem Kuss von mir und schob sich durch die ganzen Schüler wieder in Richtung des Haupteingangs.
Es hatten sich inzwischen wirklich viele Schüler im Schlaftrakt eingefunden, die wild durcheinander wuselten. Aber Liam führte uns selbstsicher zu unseren Zimmern, während Louis auf seinem Handy rum tippte und an der Kette um seinen Hals rum fummelte.
,,Was ist denn das für eine Kette?", stellte Zayn die Frage, die mir ebenfalls durch den Kopf schoss, bevor wir unsere Zimmer betreten konnten.
,,Gehört meiner Freundin", antwortete Louis nur.
,,Ach, du hast eine Freundin?", schnaubte ich scherzhaft, ,,Wo ist die denn?"
,,Die konnte leider nicht kommen", bekam ich es von Louis zurück, bevor Niall mich in unser Doppelzimmer schob. Gleichzeitig rief er über die Schulter: ,,Wir sehen uns, wenn du eine Schulter zum Ausheulen brauchst." Und dann fiel unsere Zimmertür ins Schloss.
~L~
Unser Dreierzimmer war sogar ziemlich schön eingerichtet. Ich hatte mit Stockbetten und einem Schrank für alle gerechnet, aber stattdessen standen da drei Himmelbetten, es gab eine riesiges bodentiefes Fenster, durch welches man eine fabelhafte Aussicht auf die grünen Weiten der Isle of Skye hatte und in der Ferne konnte man sogar ein bisschen das Meer glitzern sehen. Außerdem standen da drei große Schränke aus irgendeinem Holz. Für irgendwas musste sich das sündhaft teure Schulgeld ja lohnen.
Liam sicherte sich direkt das Bett an der Tür und Zayn schnappte sich das in der Mitte, sodass für mich das Bett am Fenster übrig blieb. Das war mir sowieso am liebsten.
,,Die Investition des Schulgeldes scheint sich definitiv zu lohnen", sprach Zayn laut meine Gedanken aus und breitete sich auf seinem Bett aus, wie ein Seestern.
,,Ja, allerdings", stimmte ich ihm zu und zerrte den Reißverschluss meines Koffers auf, um schonmal ein paar der wichtigsten Sachen auszupacken. Handyladekabel für den Nachttisch zum Beispiel. Oder das Kissen, welches Danielle mir zum Zweijährigen geschenkt hatte. Sie hatte es selbst zusammen genäht aus ein paar ihrer alten T-Shirts, aus denen sie rausgewachsen war und ich liebte es einfach über alles. Außerdem brauchte ich es zum einschlafen, dadurch hatte ich sie nämlich immer bei mir. Und natürlich das Foto aus meinem Spind zu Hause.
Dazu kamen noch einige andere Fotos von uns, die ich alle an meine Bettpfosten klebte mit einem ablösbaren Fotoklebestreifen.
,,Ist das deine Freundin?", fragte Zayn neugierig, als ich einem der Fotos einen Kuss aufdrückte.
,,Jep. Ich wünschte wirklich, sie könnte hier sein", seufzte ich und hängte auch das letzte Foto auf, bevor ich mich zurück in die weiche Bettwäsche fallen ließ, ,,Aber nein, sie chillt ja lieber mit Freigetränken im himmlischen VIP-Bereich. Kleiner Tipp, sie ist tot." ,,Oha", stieß Zayn etwas erschrocken aus, ,,Wow, krass. Wie... Wie kommst du damit so gut klar?" ,,Gar nicht", versuchte ich es ihm und auch mir selbst zu erklären, ,,Aber ich hab ihr versprochen, mein Leben nicht wegzuwerfen, nur weil sie nicht mehr da ist. Die Erde wird sich auch ohne Danielle noch einige Jahre weiter drehen."
Wie automatisiert schnellte meine Hand wieder zu ihrer Kette und ich dachte an den letzten Sommer zurück.
Unsere Zeit in diesem Sommercamp war wirklich der Hammer, ich hätte niemals erwartet gehabt, dass ich es woanders als in Schottland schön finden könnte. Aber gut, wenn ich Danielle bei mir hatte, war alles wunderschön.
Und ich hoffte wirklich, ich würde mein Versprechen halten können.
Ich hoffte so sehr, dass...
Alles was ich wollte, war eine Liebe, wie die die ich für Danielle empfunden hatte. Leider wusste ich ziemlich genau, dass das nicht passieren würde. Ich könnte niemals jemanden so lieben, wie ich Danielle geliebt hatte. Niemals.
