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Schnee von gestern

Summary:

Auf der Weihnachtsfeier der Polizei teffen Niko und Alex auf alte Bekannte.

Chapter 1

Notes:

Geschrieben für die 120-Minuten Sommerchallenge 2024
Prompt: Wetterphänomene – Schnee von gestern

Chapter Text

Niko schob sich ein halbes Ei in den Mund. Mmmh, womit auch immer das gefüllt war, das Zeug war lecker. Die Wiener Polizei ließ sich für ihre Weihnachtsfeier echt nicht lumpen. Kauend ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, bis er Alex fand, der sich gerade mit irgendeinem ziemlich großen Typen unterhielt, den Niko noch nie gesehen hatte. Der berührte kurz Alex' Arm und Niko begann schon, die Stirn zu runzeln, aber Alex grinste breit, ein offenes und ehrliches Grinsen, sein Körper entspannt. Hm, gut, er vertraute dem Typen offenbar und brauchte Niko gerade nicht.

Auf der Suche nach noch mehr Häppchen fiel sein Blick auf eine Frau, die ein paar Meter entfernt stand.

"Bibi?"

Die Frau mit den lockigen, braunen Haaren drehte sich um und ja, sie war es tatsächlich.

"Niko! Mein Lieblingstaxifahrer!" begrüßte sie ihn freudig und sie fielen sich in die Arme. "Was machst du denn da?"

"Arbeiten," antwortete er grinsend, auch wenn das natürlich nicht zu hundert Prozent stimmte. Nicht mehr.

Bibi lachte. "Das soll ich dir jetzt glauben, oder was?"

"Nee, ich fahr ja nich mehr Taxi. Bin mit meinem Partner hier."

"Wos? Partner?" Ihre Locken flogen wild umher, als sie ungläubig den Kopf schüttelte. "Also, dass du jetzt bei der Polizei bist, glaub ich dir ja noch weniger."

"Äh, nee, ich meinte mit meinen Partner. Also quasi als Anhang."

Es fühlte sich immer noch seltsam an, das zu sagen. Dass Alex jetzt sein Partner war, dass sie zusammen waren, so richtig, so, wie er sich das jahrelang gewünscht hatte. Wenn der nicht so ein verdammter Sturkopf wäre, hätten sie das schon viel früher haben können. Na gut, wenigstens hatte er dann doch irgendwann nachgegeben.

"Echt?" Bibi blinzelte ihn einen Moment lang verdutzt an, dann zog sie ihn in eine kurze Umarmung. "Das ist toll, ich freu mich für dich. Und, welcher meiner Kollegen hat die fragwürdige Ehre, sich mit dir herumplagen zu dürfen?"

"Hey, da is überhaupt nix fragwürdiges dran!" lachte er. Wahnsinn, dass er Bibi so viele Jahre nicht gesehen hatte und es ihm jetzt trotzdem vorkam, als wäre bloß eine Woche vergangen.

"Da isser." Er zeigte auf Alex. "Der fesche Typ mit der Sonnenbrille."

"Oooh, echt? Der Alex Haller?"

Er nickte. "Wir arbeiten ja auch zusammen, deswegen fahr ich nich mehr Taxi. Ich hab die Augen und er hat das Hirn."

Sie schnaubte. "Ich hab schon gehört, dass er wieder arbeitet, aber mir hat irgendwer erzählt, er hätte an Blindenhund?"

"Wuff! Wuff!!" bellte er und grinste, als sich die umstehenden Leute irritiert zu ihnen umdrehten. "Das bin dann wohl ich."

Einen Moment lang sahen sie beide zu Alex rüber, der sich scheinbar grad das Büfett erklären ließ. Er hatte sich bei dem Typ von vorhin untergehakt und nickte ab und zu.

"Keine Sorge, dein Freund is in guten Händen."

"Ach ja? Du kennst den Typ?"

"Mhm, das is der Ernstl. Mein Chef. Und… mein Partner."

"Was jetzt? Is nich wahr! Du und dein Chef?"

"Doch, is wahr. Ich und mein Chef. Und der Moritz." Sie zeigte auf jemanden, der ein Stück entfernt stand und mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter in Richtung Alex starrte.

"Der sieht aber nich aus, als wär er begeistert davon, dass dein Freund mit meinem Freund redet."

"Vielleicht hatte er mal vor hundert Jahren a Meinungsverschiedenheit mit deinem Alex. Würd ihm ähnlich sehen."

Dein Alex. Nikos Herz schlug schneller. Oh Mann, das klang verdammt gut. Sein Alex. Der lächelte dankbar, als Bibis Freund – einer von ihnen! – ihm einen vollen Teller reichte. Niko sollte langsam aufhören, seinen Alex anzustarren, bevor er die Kontrolle verlor.

Er riss sich von dem Anblick los und sah Bibi wieder an.

"Und wie geht's dir jetzt, Bibi? Bist du noch…?" Er stockte, unsicher, wie er es formulieren sollte. Bist du noch Alkoholikerin? war wohl etwas taktlos und auch wenn Alex ihm oft vorwarf, er hätte von Takt noch nie was gehört, wusste Niko sich ab und an doch zu benehmen.

"Ob ich noch am Alkohol häng? Kannst ruhig aussprechen, was du denkst." Er zuckte die Schultern. So viel zum Thema Takt. "Und nah, ich bin trocken. Fast zwölf Jahre jetzt."

"Mensch Bibi," er drückte ihre Schulter, "das is echt super. Bin stolz auf dich."

"Danke," lächelte sie. "Ich wurde zur Mordkommission versetzt, als Assistentin vom Moritz. Weiß ned, ob ich's ohne ihn geschafft hätt."

Er folgte ihrem Blick zu dem weißhaarigen Mann mit dem Regenwettergesicht, der sich inzwischen zu Alex und Ernstl gesellt hatte. Jetzt guckte er auch nicht mehr so verkniffen. Die sahen eigentlich überhaupt nicht aus, als würden sie zusammenpassen, die wilde Bibi, der schicke Ernstl und der Regenwetter-Moritz. Aber wo die Liebe eben hinfiel… Das wusste er selbst ja nur zu gut.

"Sorry, dass ich mich damals nich mehr gemeldet hab."

Neben ihm schüttelte Bibi den Kopf. "Sorry, dass ich dein Taxi vollgekotzt hab."

Ein überraschtes Lachen entkam Niko. Offenbar war er nicht der einzige, der sich Gedanken über Takt machen musste.

Ja, ihm war es damals selbst nicht gut gegangen und als Bibi es dann eine Nacht nicht bis nach Hause schaffte, war sein Geduldsfaden endgültig gerissen. Er hatte sie rausgeworfen und war weggefahren, sicher, dass er die kaputte Polizistin nie wieder sehen würde.

Und jetzt waren sie beide hier. Quasi Kollegen.

Er sah aus dem Fenster, wo noch immer der Schneesturm tobte, der Alex und ihn vorhin fast davon abgehalten hatte, es überhaupt bis hier her zu schaffen.

"Ach Quatsch, das is doch Schnee von gestern." Er hob sein Bierglas und Bibi ihren Orangensaft. "Auf die Zukunft."

Pling.

"Auf die Zukunft."

Chapter 2

Notes:

Geschrieben für die 120-Minuten Sommerchallenge 2024
Prompt: Reverse Challenges – Am seidenen Faden

Chapter Text

"Alex, hallo. Schön, dich zu sehen."

Alex drehte sich zu dem Mann, der ihn angesprochen hatte, einen Moment lang unsicher, wer da vor ihm stand. Er war ziemlich groß und ehrliche Freude schwang in seinen Worten mit. Irgendwie verband er diese Stimme mit Kara. Wer– Ach!

"Ah, guten Abend, Ernst. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass der Sektionschef auch eingeladen ist."

"In der Funktion bin ich auch nicht da. Nein, ich leite schließlich noch die Sonderkommission des BKA. Kommissarisch, versteht sich."

Alex grinste. "Und ich dachte immer, kommissarisch heißt 'vorübergehend'."

"Du weißt ja, nichts hält so lange wie ein Provisorium."

"Sind es schon zwanzig Jahre?"

"Noch nicht ganz. Nächstes Jahr."

Er hob sein fast leeres Sektglas und prostete Ernst zu. "Dann scheint's dir ja dort noch ganz gut zu gefallen."

"Ja, es ist auszuhalten. Auch wenn mich meine Ermittler manchmal in den Wahnsinn treiben."

Alex versteckte ein wissendes Lächeln hinter seinem Sektglas. Ernsts Tonfall klang genauso wie Lauras, wenn sie sich über ihn und Niko beschwerte. Wenn Ernst wollte, hätte er schon längst die Leitung der Sonderkommission abgeben können. Aber ganz offensichtlich liebte er seine Arbeit.

"Und was ist mir dir, Alex? Es hat mich gefreut, dass du wieder in den aktiven Dienst getreten bist. Wie geht's dir jetzt?"

Dass die Frage nicht nur aufs Dienstliche abzielte, spürte Alex. Mit Karas Paten und gutem Freund ihrer Eltern hatte er sich damals gleich gut verstanden, auch wenn er sich erst einmal daran gewöhnen musste, dass er einfach mit dem Sektionschef herumspaßen konnte, der bei offiziellen Anlässen immer einen so professionellen und unnahbaren Eindruck machte. Das letzte mal wirklich mit ihm geredet hatte Alex jedoch vor dem Anschlag. Er wusste, dass der Tod seines Patenkindes Ernst schwer getroffen hatte, aber um darüber nachzudenken hatte er damals ebenso wenig Kraft gehabt, wie für Karas Eltern.

Nach dem Anschlag war Alex' Welt geschrumpft, ganz klein geworden. Nur noch er, das Hotel, Sophie. Er hatte sich zurückgezogen, hatte lange Zeit niemanden an sich herangelassen.

Aber jetzt war alles anders.

"Mir geht's gut." Seine Gedanken verirrten sich einen Moment lang zu Niko. Ob der wohl schon alle Hors d’œuvres durchprobiert hatte? Er lächelte. "Mir geht's wirklich gut."

"Du schaust glücklich aus. Und… Ich traue mich kaum, es zu sagen, aber… verliebt?"

Alex lachte. "Ohje. Sieht man es mir so leicht an?"

"Nun ja, vergiss nicht, dass ich weiß, wie du Kara immer angeschaut hast."

Ein dumpfer Schmerz pochte in Alex' Brust bei der Erwähnung ihres Namens. Wie eine alte Wunde, die zwar verheilt war, aber eine Narbe zurückgelassen hatte, die ihn den Rest seines Lebens begleiten würde. Er hatte mit dem, was passiert war, seinen Frieden geschlossen, doch er würde es nie vergessen können.

Kara war für immer ein Teil von ihm.

"Ich freue mich für dich, Alex," sagte Ernst und drückte einen Augenblick seinen Arm. "Um ehrlich zu sein, hatte ich mir ziemlich Sorgen um dich gemacht. Du warst nach ihrem Tod wie vom Erdboden verschluckt. Nun ja, mit Simon und Melissa…"

Ja, Karas Eltern hatten ihn für ihren Tod verantwortlich gemacht, zu Recht, wie er lange glaubte. Seine Schuldgefühle, seine Blindheit, die Ausweglosigkeit seiner Situation und die unerträgliche Trauer – Sein Leben hatte an einem seidenen Faden gehangen.

Wenn Niko nicht gewesen wäre…

"Es war… eine knappe Sache," sagte er, überrascht von seiner eigenen Ehrlichkeit. "Aber jetzt geht's mir gut. Kein Grund zur Sorge."

Niko hatte ihn gerettet. Und dann war er geblieben. Dann hatte Alex sich einerseits an ihn geklammert und ihn andererseits immer wieder von sich weggestoßen. Trotzdem hatten sie sich ineinander gelebt, bis Niko nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken war. Und aus seinem Herzen.

Von irgendwo hörte er Niko bellen und dann lachen. Er grinste. Sehr gut, der hatte hier offenbar auch seinen Spaß.

Alex tastete nach Ernsts Arm und hakte sich bei ihm ein. "So, du darfst mir jetzt das Büfett zeigen. Ich habe gehört, die Auswahl ist ausgezeichnet."

"Ich darf? Sehr nett von dir." Ernst lachte. "Gut, dann wollen wir mal sehen, was dort alles aufgetischt ist."

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