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Diamantweiß Ein Tunichtgut zu jeder Zeit

Summary:

James Potter führt ein Leben, welches normaler nicht sein könnte.
Das spannendste, was ihm jemals passierte, war die Eroberung des letzten Pizzastücks in der Schulmensa.
Doch seine kleine heile Welt stellt sich komplett auf den Kopf, als er plötzlich nicht mehr auf dem gewohnten Linoleumboden der Schule steht, sondern sich bei Kerzenschein und Geigenmusik wieder findet.
Es wäre schon schwer genug, mit einem solch gewaltigen Geheimnis umzugehen.
Und der jüngere Bruder seines besten Freundes macht es ihm nicht unbedingt leichter...

Chapter Text

Mein Leben war herrlich normal.

Es war so normal, dass man es schon als langweilig bezeichnen könnte.

Das spannendste an mir war, dass mein Großonkel mit seiner Freundin seit nunmehr 20 Jahren als verschollen galt. Ich hatte die beiden nie kennen gelernt und konnte dementsprechend auch nicht viel über sie erzählen. Doch da er ein Potter war und sie eine Black war das Ganze ein immer wieder aufgegriffenes Thema in der Klatschpresse, dementsprechend beliebt war es, sich Theorien auszudenken, warum sie von zu Hause abgehauen waren. Warum sie nie zurückkamen. Menschen sind sensationsgeil, sie wollen ihr eigenes Leben immerzu bereichern. Und das ist okay. Denke ich. Mit sechzehn Jahren begann ich diesen Drang so langsam zu verstehen.

Meine Freunde machten mein Leben zumindest etwas interessanter.

Sie waren immer für einen Spaß zu haben oder für einen Streich an unserer miesepetrigen Geschichtslehrerin Mrs McGonagall. Dabei waren vor allem die Mädels nicht zu unterschätzen!

Lily, Dorcas, Mary und Marlene waren so ziemlich die coolste Mädchengang, die London zu bieten hatte.

Aber der beste von allen war mein bester Freund auf der ganzen Welt, Sirius Black.

Er war nicht der beste darin, Streiche auszuführen, dennoch schaffte er es irgendwie, niemals erwischt zu werden. Und er hatte auch meist gute Noten im Sprinten, was wohl vom vielen Wegrennen kam. Er war mein bester Freund, weil wir irgendwie auf der gleichen Wellenlänge funkten und nicht immer Worte brauchten, um uns zu verständigen. Wir waren so ziemlich das, was man unter Mädchen so gerne Besties nennt. Das einzig negative an ihm war sein jüngerer Bruder. 

Regulus Arcturus Black starrte mich auch an diesem Freitag über den Rand seiner Suppenschüssel hinweg an, als wäre ich sein ganz persönlicher Folterknecht.

"Ignorier ihn einfach", stieß Sirius mich an und reichte mir einen Orangensaft aus dem Kühlschrank. "Mein Bruder ist ein Idiot, dass wird sich in diesem Leben so schnell nicht ändern." 

"Ich wüsste einfach nur gerne, was sein Problem ist", schnaubte ich und blieb einen Moment stehen, als mein Kopf zu schwimmen begann.

Mir war auf dem Weg zur Schule im Bus schon schwindelig geworden, ich hatte gehofft, dass es nur an der mörderischen Fahrweise des Fahrers lag. Da es nun wieder da war, fragte ich mich, ob ich vielleicht eine Erkältung oder sowas in der Art ausbrütete. Was nicht so gut wäre, weil am kommenden Montag eine Exkursion nach Stonehenge anstand. Die wollte ich wirklich nicht verpassen, auch wenn ich Stonehenge schon gesehen hatte. Natürlich landete die rot-goldene Krawatte meiner Schuluniform geradewegs im Linseneintopf, der zwar angenehm warm war, aber eher aussah wie einmal zerkaut und wieder ausgespuckt. Wie Schulessen eben so ist.

"Hey, alles klar Potter?"

Sirius reichte mir grinsend eine Serviette und dirigierte mich zu unserem Stammtisch, wo unsere Mädels sich schon versammelt hatten.

"Ja, ich hatte nur einen kleinen Schwindelanfall, halb so wild."

"Oh weh, müssen wir dir gleich dein Korsett aufschneiden?", scherzte Marlene, die für ihr Makeup sicherlich mal wieder eine Abmahnung oder Nachsitzen erhalten hatte. Sie hielt nicht besonders viel von der Regel, dass Eyeliner verboten war und hatte tatsächlich eine kleine Protestgruppe gegründet, die für die Abschaffung der veralteten Makeup-Regeln eintrat. Sirius machte auch mit, indem seine Fingernägel stets lackiert waren und er immerzu Erdbeerlipgloss auftrug, den Lily ihm einmal zum Geburtstag geschenkt hatte. Noch ein Grund, warum er mein bester Freund war.

P.S.: Meine Fingernägel waren in der Regel auch lackiert.

"Mh, hat einer von euch Jungs zufällig das Protokoll für Slughorn gewissenhaft gemacht?", verschluckte Lily sich an ihrer veganen Bolognese und überraschte mich damit wirklich sehr.

"Lily Evans hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht?", seufzte Sirius erschrocken auf, "Ich bin schockiert! So etwas hat es in der Geschichte Hogwarts' noch nicht gegeben!"

Dramatisch fächerte er sich mit einer Hand Luft zu und wich einer geworfenen zerknüllten Serviette aus. 

"Du kannst bei mir abschreiben Lily", prustete ich lachend und suchte in meiner Tasche nach meinem Chemieheft, während ich mit der anderen Hand immer noch meine Krawatte betupfte. Immerhin hatte mein Hemd nichts abbekommen.

"Danke, wenigstens einer von euch beiden Vollpfosten weiß noch, was es bedeutet, ein Gentleman zu sein", ahmte sie Sirius' damenhaftes Getue nach und brachte uns damit alle zum Lachen. "Und bevor du jetzt etwas sagst Black, ja mir ist bewusst, dass ich damit meinem eigenen guten Ruf schade!"

"Ich hab doch gar nichts gesagt!", empörte sich der Angeklagte mit erhobenen Händen.

Jap.

Ich hatte mir definitiv die richtigen Freunde ausgesucht!

 


 

Der Schwindel tauchte erst wieder auf, als wir in McGonagalls Geschichtskurs saßen.

Ich hatte eigentlich gehofft, ihn los zu sein.

Aber gut, so Problemchen wie Schwindel oder Dünnpfiff kommen ja immer genau dann, wenn man es eigentlich gar nicht gebrauchen kann. In der Schule ist es immer beschissen, egal was einen überfällt. Aber mit einem Kreisel im Kopf in Geschichte zu sitzen (einem Fach, welches mir auch so schon Schwindel bereitete), dass ist nun wirklich alles andere als angenehm. Es war nicht einmal die Sorte Schwindel, bei der man einfach verschwommen sieht. Viel mehr fühlte es sich an, als würde mein Gehirn sich in meinem Schädel drehen, während der Rest meines Körpers auf der Stelle verblieb. Ungefähr so wie wenn man sich ein paar mal zu oft und zu schnell um die eigene Achse dreht.

"Mrs McGonagall", unterbrach ich schließlich ihren Vortrag über William den Eroberer und stupste auch Sirius neben mir an.

"Ja Potter?", brummte sie und sah mich über den Rand ihrer Brille hinweg so streng an, dass ich schon überlegte, einfach gar nichts zu sagen und still vor mich hin zu leiden. Allerdings hatte ich auch das Gefühl, jeden Moment vom Stuhl zu kippen.

"Mir ist nicht gut, schwindelig und so. Wäre es in Ordnung, wenn ich für einen Moment raus an die Luft gehe?"

"Natürlich, gehen sie nur!", sagte sie darauf nur. Man musste ihr zugute halten, dass sie trotz der unnachahmlich strengen Mine und ihrem oft schroffen Tonfall doch ein recht weiches Herz hatte. Auch wenn sie das selbstverständlich niemals in keinem Leben zugeben würde. "Black, sie gehen mit. Nicht das Potter noch die Treppe runter fällt oder so Späße."

"Ja Ma'am", antwortete er ihr pflichtbewusst.

Als wäre er nicht ohnehin mit mir gegangen.

Die ganze Schule wusste, dass wir so ziemlich immer zusammen klebten.

Mein bester Freund legte mir einen Arm um die Schultern und stütze mich, als ich beim Aufstehen deutlich wankte. Es war mir etwas peinlich, vor der ganzen Klasse rumzuwackeln, als wäre ich eine betrunkene Ente. Aber ich konnte schließlich nichts dafür, dass mein Gehirn Karussell fahren wollte. Es hätte ja wenigstens zu Hause oder im Bus wieder passieren können, aber nein! Es musste mitten im Unterricht sein! Ein entnervtes Stöhnen konnte ich mir nicht verkneifen, als die Tür des Klassenzimmers hinter uns zufiel und durch ein offenes Fenster im Korridor zumindest schonmal etwas frische Luft hereinströmte.

"Jetzt mal echt, alles okay Jamie?", fragte Sirius mich mit besorgt gehobenen Augenbrauen und musterte mein Gesicht. "Du wirkst etwas blass um die Nase."

"Ja, ich brauche nur ein bisschen frische Luft. Dann geht es bestimmt wieder", winkte ich ab, stützte mich aber doch auf seine Schulter, als wir die große Treppe erreichten und kleine weiße und goldene Lichtsprenkel vor meinen Augen zu tanzen begannen.

Der weiße Lichtfleck wurde größer.

Und gerade, als ich die erste Stufe betrat, riss mich etwas um die Mitte rum so gewaltsam nach hinten, dass ich schon glaubte, eine Bombe müsse explodiert sein.

Das auf einmal ein unbekanntes Gesicht bei Kerzenschein über mir auftauchte und der Schulkorridor aussah wie auf den Bildern im Archiv, machte die Sache nicht besser.

"Hoppla", machte der Fremde, in dessen Arme ich gefallen war.

Zwei Strähnen dunkelbraunen welligen Haares rahmten sein Gesicht ein, während der Rest nach hinten hin in einen Zopf verlief. Es hätte albern aussehen sollen, aber irgendwie stand es ihm und passte zum ebenso seltsamen Rest. Seine Klamotten mussten aus einem Antiquitätenladen stammen und ich fragte mich, ob ich in einen seltsamen Fiebertraum im achtzehnten Jahrhundert gefallen war. Das Verwirrendste an der ganzen Situation war allerdings, dass dieser Fremde weniger überrascht und verwirrt zu sein schien, als ich selbst. Tatsächlich funkelten seine jadegrünen Augen belustigt und er richtete mich wieder auf, was mir zumindest etwas von meiner Würde zurück gab. Das Starren und die runter gefallene Kinnlade meinerseits glichen das dann wieder aus.

"Angesichts deiner Verwirrung würde ich vorschlagen, dass wir uns an einem ungestörteren Ort unterhalten mein Freund", lächelte er weiterhin ermutigend und dirigierte mich die Treppe wieder hinauf, zu dem Materialraum neben dem Klassenraum, aus dem ich gerade eben noch gekommen war.

"Wie heftig hab ich mir bitte den Kopf angeschlagen?", fragte ich eigentlich mich selbst und bestaunte die Fresken an der Decke, die im goldenen Schein der Kerzen geradezu magisch wirkten. Lebendiger als im kalten Licht der eigentlich angebrachten Neonröhren. Wo waren die verdammten elektrischen Lichter hin? Wo waren die vollgestopften Regale und die Plastikskelette hin?

Meine Fantasie war jetzt nicht so lebhaft, dass ich in der Lage gewesen wäre, mir die Schule komplett im Stil von vor dreihundert Jahren hätte vorstellen können.

"Also ist dies tatsächlich deine erste Zeitreise?", fragte der noch immer Fremde mich und ich begann langsam mich zu fragen, warum ich überhaupt mit ihm mitgegangen war. Er hätte sonst wer sein können.

Oder aber einfach nur eine Traumgestalt, die mir ohnehin nichts anhaben konnte.

"Zeitreise? Was...?", stammelte ich und unterbrach mich selbst, als mir das antike Mobiliar auffiel.

Was zum Geier...

Statt der metallenen Regale standen nur ein eleganter Schreibtisch aus Holz mit aufwendigen Schnitzereien im Raum, sowie eine Sitzgruppe dessen Möbel mit Brokat überzogen waren.

"Oh weh. Sirius hatte schon erwähnt, dass der jüngste Potter keine Ahnung von seinen eigenen Familiengeheimnissen hat. Dazu muss jedoch auch gesagt werden, dass er nicht erwartet hatte, dass sein bester Freund das Gen in sich trüge. Du bist doch James Potter, nicht?"

"Ja?", piepste ich und war nur noch verwirrter, als zuvor.

Wenn das ein Traum war, müsste ich dann nicht aufwachen können?

Ich kniff die Augen einen Moment zusammen, in der Hoffnung, beim Öffnen mein Schlafzimmer vor mir zu sehen.

Aber nein.

Da waren immer noch die Brokatmöbel und der recht stabil aussehende Schreibtisch.

"Warte mal ne Sekunde, du kennst Sirius? Sirius Black?", versuchte ich mich halbwegs zusammen zu reißen und raufte mir dabei ein wenig die Haare, sodass sie noch mehr durcheinander gerieten, als ohnehin schon. "Wer verflucht bist du? Und was redest du da von Zeitreisen? Zeitreisen gibt es nur in Science Fiction oder Fantasy, aber nicht im realen Leben! Das hier ist ein Traum! Ich bin die Treppe runter gefallen und jetzt liege ich im Koma, so einfach ist das. Das hier ist alles nur ein Gespinst meines lädierten Gehirns! Das ist nicht echt!"

"Ganz ruhig James", bat der noch immer Fremde mich mit einem freundlichen Lächeln und legte mir eine Hand auf die Schulter. "Atme erst einmal tief durch. Mein Name ist Remus. Sirius und ich... Wir stehen in einer engen Beziehung zueinander."

Sirius hatte mir von seinem geheim gehaltenen Freund erzählt.

Von seinem Freund, der Remus hieß.

Und den ich noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte.

Nicht mal auf einem Foto.

Nein, dass alles konnte unmöglich die Realität sein! 

Es ist ein Traum, es ist ein Traum, es ist ein Traum...

Der Albtraum der Situation wurde noch ein klein wenig schlimmer, als die Tür aufgestoßen wurde und laute Stimmen hindurch kamen. Remus schubste mich hinter einen der schweren roten Vorhänge und blieb selbst in der Mitte des Raumes zurück. "James, Regulus, ihr habt schon genug von den Festivitäten?", hörte ich die Fieberfantasie von Sirius' Freund sagen. Die gleichen Namen mussten ein Zufall sein. Ich lugte nur ein kleines Bisschen hinter dem Vorhang hervor und zuckte genauso schnell wieder zurück. Genauso gut hätte ich einen Spiegel mit Rokokofilter sehen können.

"Mister Spaßverderber hier hat mühelos dafür gesorgt", schnaubte diese schräge Doppelgängerversion von mir.

"Ich hätte dir den Spaß nicht verderben müssen, würdest du dich ausnahmsweise einmal an die Regeln halten!", sagte das Spiegelbild von Regulus. Der Tonfall war sogar der Gleiche. Schneidend und so eiskalt, wie die kälteste Winternacht. 

"Ich gehe dann mal Sirius suchen", sagte Remus nur dazu, der mit den Kabbeleien der Beiden nur allzu vertraut schien.

"Was, jetzt ist es also meine Schuld?", regte mein Spiegelbild sich auf, noch bevor Remus überhaupt die Tür erreicht hatte.

"James, wie sollen wir zusammen arbeiten, wenn du mir nicht einmal vertraust?", erwiderte der zweite Regulus und klang beinahe verletzt. Also war es nicht Sirius' Bruder. Denn mein Regulus hatte keine Gefühle. "Wie soll ich dir vertrauen können, wenn du Geheimnisse vor mir hast? Wir haben einander versprochen, dass wir das hier zusammen durchziehen werden! Also sag mir verdammt noch mal, was ich tun soll, wenn du mich nicht... Ich kann dich nicht verlieren verdammt."

"Und das wirst du nicht!", sagte mein Spiegelbild und ich lugte wieder hinter dem Vorhang hervor, um zu sehen, wie dieser James mit seinen Händen Regulus' Gesicht umfasste.

Seine Stirn gegen die des kleineren lehnte.

"Die Prophezeiungen..."

"Sind so vage wie Dumbledore, wenn man ihn fragt, was in der Klausur dran kommt. Ich werde nicht sterben, ich werde dir noch eine ganze Weile auf den Zeiger gehen! Ob es dir gefällt oder nicht. Du wirst mich nicht mehr los Regulus Black."

Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um nicht den entsetzen Fluch auszustoßen, welcher mir auf der Zunge lag.

Das wäre ziemlich sicher eine schlechte Idee gewesen.

War vielleicht irgendwas im Linseneintopf gewesen, was Halluzinationen hervorrief?

Denn es gab kein Szenario, in welchem ich mir vorstellen konnte, zu tun, was James zwei da tat: Er küsste Regulus zwei.

Und zwar nicht auf eine zögerliche Magst-Du-Mich-Auch-Art, sondern so richtig mit Zunge, aneinander gedrängten Körpern und die Hand in Regulus' schwarzem Haar vergraben. Meine Gebete konzentrierten sich darauf, den Linseneintopf unten zu behalten. Doch wegsehen konnte ich irgendwie auch nicht. Es war definitiv nicht das erste Mal, dass diese beiden rum knutschten. Also war das definitiv nicht ich!

Gerade als dieser James diesen Regulus auf den Schreibtisch hob und mit dem Kopf zwischen dessen Beinen verschwand, war da wieder das ziehende Gefühl in meiner Magengegend und das Karussell in meinem Kopf drehte eine neue Runde.

Ich war noch nie zuvor so glücklich darüber gewesen, in eines der  staubumhüllten Plastikskelette zu stolpern.

Mein fuchtelnder Arm riss einen Stapel Bibeln von ihrem Regalbrett.

"James!", hörte ich Sirius' Stimme rufen und mein bester Freund half mir auf die Füße. "Scheiße, warum hast du mir nie gesagt, dass du das Zeitreisegen hast?"

Aber ich war doch...

Und was war mit...

Nein.

Nein!

Chapter Text

Am liebsten hätte ich mich wieder an das Plastikskelett geklammert.

"Was für ein Zeitreisegen? Hast du dir auch den Kopf angeschlagen?", fragte ich schließlich und schüttelte den Kopf gegen den Schwindel. Der verschwunden war. Die ganze Sache wurde immer seltsamer...

"Du weißt es wirklich nicht?", fragte mein bester Freund mich mit großen grauen Augen und schob mich aus dem Materialraum zurück in Richtung unseres Klassenzimmers, in dem bereits alle ihre Sachen zusammen packten. Wie lange war ich bitte weg gewesen? "Ich komm mit zu dir, dann können wir reden", schnaubte Sirius und hob seine Tasche vom Boden neben unserem Tisch auf. 

"Potter, geht es ihnen besser?", unterbrach McGonagall die Wattewolke in meinem Gehirn.

"Ja, schätze das ist einfach die Pubertät", erwiderte ich und bemühte mich um ein charmantes Grinsen. Es wäre wohl besser, wenn ich ihr nichts von Halluzinationen und Zeitreisen erzählte. Besonders weil Sirius mich eindringlich fixiert hatte. Irgendwie begann die ganze Sache mir Angst zu machen. Sein Name mochte Sirius sein, aber er war niemals besonders ernst oder auch nur ohne funkelnde Augen anzutreffen. Wenn Sirius einmal wirklich seriös war, dann gab es allen Grund zur Sorge! Diesen Grundsatz hatte ich spätestens dann aufgestellt, als er einen Überraschungstest bei Mrs Sprout in Bio vermutet hatte.

Er hakte sich bei mir unter und hielt mich nur noch einmal kurz an, um eine kurze Diskussion auf Französisch mit seinem Bruder zu führen.

Mein Französisch war vielleicht schon an der Grenze zu fließend, aber wenn die beiden in ihre Muttersprache verfielen, war es wirklich schwierig, auch nur einzelne Wörter zu verstehen. Dafür redeten sie zu schnell.

Von dieser Unterhaltung konnte ich nur verstehen, dass Regulus über irgendetwas ganz und gar nicht begeistert war.

Da Sirius für solche kleinen Hindernisse allerdings wenig interessierte, ließ er sich davon auch nicht abhalten und war im Nu wieder bei mir.

Er war ungewohnt schweigsam auf der Busfahrt, was mein inneres Sorgenmonster nur noch weiter fütterte und das mit großen Happen!

 

 


 

 

"Mom, Dad, ich hab Sirius mitgebracht!", rief ich ins Haus, kaum dass ich die Haustür aufgeschlossen und meine Jacke an die Garderobe verfrachtet hatte. "Jemand da?"

"Im Wohnzimmer Liebling!", rief meine Mutter zurück, "Macht bitte erst eure Hausaufgaben, bevor ihr euch eurem Geschnatter widmet!" Typisch Eltern. Hausaufgaben sind das Wichtigste der Welt. Ich hatte so einige Dinge im Kopf in diesem Moment, die mir deutlich wichtiger erschienen, als potentielle Hausaufgaben.

"Keine auf, heute war es gnädig!", rief ich noch zurück, "Wir sind dann oben!"

"Hey Effie!", rief Sirius ihr noch von der Treppe zu und betrachtete kurz das Portrait meines Großvaters, welches seinen Platz im Treppenhaus gefunden hatte. Warum auch immer. In die Gemäldegalerie hätte es doch viel besser gepasst. Wobei die Gemäldegalerie in unserem Fall das Stockwerk mit dem Schlafzimmer meiner Eltern und dem Salon umfasste. 

"Hey Liebes!"

"Hör auf mit meiner Mum zu flirten, nicht cool", scherzte ich und schob meinen besten Freund hoch ins zweite Stockwerk, in dem mein Zimmer und die Bibliothek, sowie zwei von fünf Gästezimmern zu finden waren. Der Arsch lachte nur und schob sich das rabenschwarze Haar aus dem Gesicht, was ihm irgendwie das verwegene Aussehen eines verruchten Gentleman verlieh. So wie er sich manchmal aufführte, würde es mich nicht einmal wundern, ihn irgendwann auf einem Ball des achtzehnten Jahrhunderts zu sehen.

"Also", griff ich direkt den Elefanten zwischen uns an, sobald meine Zimmertür hinter uns ins Schloss fiel. "Was soll das Gerede von einem Zeitreisegen? Zeitreisen sind doch gar nicht möglich!"

"Die Narbe hier sagt was anderes", schnaubte Sirius und hob den Saum seines Hemdes ein Stück an. Ich kannte die Narbe knapp oberhalb seines Hüftknochens, hatte mich aber nie getraut, danach zu fragen. Narben tragen oft eine traumatische Geschichte mit sich und ich wollte nicht stochern. "1596, ich wollte im Pub nur ein bisschen dem alten William zuhören. Auf dem Rückweg wurden Reggie und ich von ein paar verzweifelten Gestalten überfallen. Man muss ihnen lassen, dass sie durchaus wussten, mit ihren Degen umzugehen. Die haben vermutlich ziemlich dumm aus der Wäsche geguckt, als wir uns vor ihren Augen in Luft aufgelöst haben."

"Ich versteh immer noch kein Wort", jammerte ich und ließ mich in meinen Schaukelstuhl am Fenster fallen.

Sirius machte es sich auf meinem Bett bequem, bevor er Luft holte und mir endlich eine halbwegs verständliche Erklärung lieferte: "Es gibt einen Kreislauf, bestehend aus zwölf Zeitreisenden. Sechs aus der Blutlinie der Potters, sechs aus der Blutlinie der Blacks. Oder bei uns eigentlich sieben, Reggie hat aus irgendeinem Grund das Gen genauso abbekommen, wie ich. Jedenfalls, jedem der Zeitreisenden ist ein Edelstein zugeordnet, der uns im Chronografen repräsentiert. Der erlaubt es uns sicher zu elapsieren, ohne das wir von unkontrollierten Zeitsprüngen überrascht werden. Die können nämlich scheiße gefährlich sein. Es grenzt an ein verdammtes Wunder, dass du deinen ohne Ahnung von irgendwas überlebt hast!"

"Bin deinem Freund in die Arme gefallen", nuschelte ich, schloss die Augen und betete wiederholt, dass alles nur ein Traum sein möge. "Und was ist bitte elapsieren und wo steht dieses Chronodings mit den Edelsteinen?"

"Du hast Remus kennen gelernt?"

Es breitete sich dieses dümmliche Herzchenaugenlächeln auf seinem Gesicht auf, so wie immer, wenn er über Remus sprach oder auch nur an ihn dachte. Wäre Remus bei uns (oder in unserer Zeit) gewesen, wären die beiden bestimmt das alljährliche Schulballkönigspaar geworden. "Hallo, verwirrter Trottel an verliebten Trottel! Chronodings? Elapsieren?"

"Ach ja, elapsieren bedeutet im Grunde nur, dass du für so zwei bis drei Stunden kontrolliert in die Vergangenheit geschickt wirst, sonst passiert sowas wie vorhin in der Schule. Und der Chronograf steht in der Loge, die einer meiner Vorfahren gegründet hat."

"Der gruselige Mafiatyp mit dem noch gruseligeren Gehstock?"

"Er war der siebte der Zwölf."

"Und der wievielte wäre ich dann?"

"Du bist offenbar der letzte. Der Diamant. Aber eigentlich ergibt das überhaupt keinen Sinn, das Geburtsdatum jedes Genträgers wurde vorherberechnet! Und du hast das Datum des Diamanten um einen Tag verpasst. Nichts an dieser Sache ergibt einen Sinn, zumal du auch keine Geschwister oder Cousins oder Cousinen hast. Deshalb hatten wir eigentlich schon gedacht, Newton hat sich verrechnet und der zwölfte kommt erst später zum Vorschein oder existiert gar nicht erst."

"Alter, du machst mich gerade ziemlich kirre! Wie bist du mit dem ganzen Kram nicht komplett überfordert?"

Es fühlte sich einfach an, als würde in meinem Kopf jemand die Londoner UBahn nachbauen und dann noch mit der Pariser Métro verknüpfen. Ein komplettes durcheinander an Informationen und neuen Fragen, die alle weder einzeln noch im Zusammenhang irgendeinen Sinn ergaben. Ich war ja wohl kaum in einen der Fantasy Romane gefallen, die auf meinem Bücherregal standen. Vorwurfsvoll starrte ich den Buchrücken von Outlander an und fragte mich, ob Diana Gabaldon vielleicht auch eine Zeitreisende war. Aber Sirius hatte ja gerade erst erwähnt, dass das Gen nur auf den Blutlinien unserer beider Familien vererbt wurde. Also war das wohl eher unwahrscheinlich.

"Ich wurde für das Zeitreisen ausgebildet seit ich denken kann, zusammen mit der Nervensäge die mein Bruder sein soll. Das erste Mal gesprungen sind wir mit vierzehn, hat für ordentlich Aufregung gesorgt, dass der kleine Scheißer mit mir gesprungen ist. Sind geradewegs in den zweiten Weltkrieg gefallen. Kann ich nicht empfehlen!"

"Und wieso wusste ich von dem ganzen Scheiß bisher nichts? Ich bin dein bester Freund Sirius, wieso hättest du mir nicht einfach sagen können, warum ich deinen Schatzi nicht kennen lernen kann?"

"Die Genträger werden von der Loge zur Geheimhaltung verpflichtet. Wenn ich dir irgendwas erzählt hätte, hätte das Konsequenzen für uns beide gehabt."

"Bist du sicher, dass du nicht einfach an die Mafia geraten bist, die dir dann das Gehirn gewaschen haben?"

Er lachte leise und ließ sich in meine Kissen fallen. 

Das alles erschien mir immer noch viel zu unbegreiflich, um Realität zu sein. Aber wieso sollte ich meinen besten Freund anzweifeln, wenn ich doch selbst eine Zeitreise erlebt hatte? So ganz hatte ich das allerdings noch immer nicht akzeptiert. Ein kleiner Teil meines Gehirns hoffte noch immer darauf, eine andere Antwort für das alles zu finden. Und dann sagte Sirius etwas, was bei ihm wirklich niemals nie auch nur ansatzweise etwas Gutes bedeuten konnte: "Oh oh."

"Oh oh?"

"Wie sicher ist euer Haus in der Vergangenheit?"

"Naja, es steht seit 1437 und wurde nur nach dem großen Brand 1666 einmal renoviert, aber sonst hat es nie was abbekommen. Wieso?"

Er hatte die Augen geschlossen und hielt sich eine Hand auf den Magen. Im Grunde sah er eigentlich so aus, wie ich mich vor meinem scheinbaren Zeitsprung gefühlt hatte. Als sei ihm schwindelig und übel. "Dann hoffen wir mal, dass hier auch wann auch immer schon ein Bett gestanden hat", sagte er nur dazu und im nächsten Moment verschwand er in einer Welle rubinroten Lichts.

Wäre ich eine Dame des achtzehnten Jahrhunderts gewesen, wäre ich bestimmt mit einem dramatischen Seufzen in Ohnmacht gefallen. 

So sprang ich nur von meinem Schaukelstuhl auf und starrte auf die Stelle, wo vor wenigen Sekunden noch mein bester Freund gewesen war.

"Okay", sagte ich zu niemandem, "Hoffen wir mal, dass Mum jetzt nicht rein kommt."

Ich brauchte ohnehin einen Moment, um das alles halbwegs verarbeiten zu können.

 

 


 

 

Es dauerte fast eine Stunde, bis Sirius in einem erneuten Aufblitzen des rubinroten Lichts wieder auftauchte.

"Gott, wie ich das hasse", stöhnte er und rieb sich den Ellenbogen, mit dem er gegen meine Kommode gedonnert war. "Dein Grandpa lässt dich grüßen. Er war ein netter Kerl und sieht in seinem Tweedanzug deutlich weniger nach Mafia aus, als meiner."

"Du... Du hast meinen Grandpa gesehen?"

"Jup, saß mit einem Teller Zitronenplätzchen im Salon und war gar nicht überrascht, mich zu sehen. Hier in deinem Zimmer konnte ich nicht bleiben, weil dein Dad rein spaziert kam. Und er hatte deine Mum im Schlepptau. Dinge, die man im Leben nicht sehen will!"

"Dinge, die man gar nicht hören will."

In meinem Kopf überschlugen sich noch immer die Gedanken und ich war mir auch noch nicht zu hundert Prozent sicher, ob das alles wirklich echt war. Aber Sirius war mein bester Freund. Und ich vertraute ihm bedingungslos. Vielleicht hatte er mir die Zeitreisegeschichte verschwiegen, aber angelogen hatte er mich nie. Beste Freunde sollten einander auch blind vertrauen können, sonst läuft irgendwas falsch. Und es war schön, mit ihm darüber zu lachen, dass er scheinbar fast zwanzig Jahre in die Vergangenheit katapultiert worden war und meine Eltern beim rummachen erwischt hatte. Aber er hatte auch meinen Grandpa gesehen. Der seit neun Jahren tot war. Er konnte anders gar nicht wissen, dass Grandpa immer Zitronenplätzchen zum Knabbern vor sich hatte, wenn er im Salon saß. "Oh und dein Grandpa hat mir auch gesagt, ich soll dich vorwarnen, dass du heute Abend auch zu ihm springen wirst."

"Wie... Wie oft springt man denn so am Tag?"

"Das ist für jeden Zeitreisenden unterschiedlich, der Gründer der Loge sprang zum Beispiel in jungen Jahren sieben Mal am Tag."

"Sieben mal? Und wieso bist du überhaupt gesprungen, wenn dieser Chronograf das doch verhindern soll?"

"Das elapsieren hält maximal 24 Stunden an und weil wir gestern früher Schluss hatten, bin ich direkt nach dem Mittagessen in die Vergangenheit gehüpft. Hätte die Rosmarinkartoffeln beinahe wieder ausgekotzt."

Das Gedankenkarussell drehte sich wieder schneller und das Angstzentrum in meinem Gehirn erstellte eine ganze Liste an gefährlichen Dingen, die einem während solch unkontrollierter Zeitreisen passieren konnten, auf. Das schien definitiv keine spaßige Angelegenheit zu sein, bei der man mal eben ein paar Minuten in die Vergangenheit reist, um den Schulbus nicht zu verpassen. Auf einmal schien es mir gar nicht mehr so fantastisch und wunderbar, durch die Zeit reisen zu können. 

Als Kind träumt man natürlich immer mal wieder davon, aber nachdem ich es nun selbst erlebt hatte?

Nein danke!

Und ich hatte noch Glück gehabt, dass es nur Remus war, dem ich in die Arme gefallen war.

Oh Gott. 

Dann musste das aber auch bedeuten, dass das, was ich zwischen mir (beziehungsweise meinem Doppelgänger) und Regulus gesehen hatte, würde wirklich passiert gehabt haben werden...

"Alles gut? Du bist ja auf einmal so weiß wie deine Wände Jamie", schmunzelte Sirius und machte es sich wieder in meinen Kissen bequem, als hätte er nicht dazu beigetragen, dass sich die Achse meiner Welt komplett verschiebt und sich diese Welt um 180 Grad dreht in einem Tempo, bei dem jedes Kettenkarussell sich wie ein Propeller in den Himmel geschraubt hätte.

"Was heißt alles gut", quietschte ich mehr, als dass ich es wirklich sagte und ließ mich neben ihm aufs Bett fallen. Gesicht voraus in die Kissen. "Bei... Bei meinem Zeitsprung in Hogwarts gab es mich doppelt. Ich hab mich selbst gesehen. Und Regulus. Und wir haben ziemlich heftig rumgemacht, was ich mir beim besten Willen nicht erklären kann! Bei aller Liebe zu dir, ich würde deinen Bruder nicht mal mit der zwei Meter langen Kneifzange anfassen."

"Das ist nun wirklich ein unwahrscheinliches Szenario, Regulus betont oft genug, wie nervtötend du bist", prustete Sirius, der das Ganze ausgesprochen lustig zu finden schien, "Wahrscheinlich wart ihr nur stockbesoffen oder sowas. Da kann alles passieren."

"Hm", machte ich nur in die Kissen und wünschte mir mein Leben so zurück, wie es am Morgen noch gewesen war.

Ich wollte kein verdammter Zeitreisefreak sein, der am Ende noch als Hexe im Mittelalter auf den Scheiterhaufen gestellt wird!

Ich mochte mein kleines langweiliges normales Leben!

Wieso musste so etwas ausgerechnet mir passieren?

Chapter 3

Notes:

Sollte ich für meine Klausuren in zwei Tagen lernen?
Ja. Ja, dass sollte ich.
Schreibe ich stattdessen an einer Fanfiction, die zwei meiner liebsten Fandoms kombiniert?
Auch ja.
Schließlich ist die mental health wichtiger, als gute Noten;)

Chapter Text

Es passierte genauso, wie Sirius es mir gesagt hatte.

Ich wollte mich gerade in meine Bettdecke einwickeln und das Licht auf meinem Nachttisch ausschalten, als ich durch die Zeit gerissen wurde und Gott weiß wann landete. Immerhin war ich nicht gezwungen, meinen Eltern beim Knutschen zuzusehen. 

Und ich landete auch mit einem Klatschen auf dem Boden, weil die Einrichtung sich natürlich in den letzten Jahren ein bisschen geändert hatte.

Das wars also mit meiner Theorie, dass Sirius und ich beide den Verstand verloren hatten.

Salon. 

Grandpa saß mit Zitronenplätzchen im Salon!

Irgendwie fühlte ich mich wie nach dem ersten Mal, dass ich mich mit Sirius in einen Club eingemogelt hatte und so sturzbetrunken wieder raus kam, dass ich kaum noch geradeaus gehen konnte. Es war ein Wunder, dass ich es überhaupt geschafft hatte, uns sicher zu mir nach Hause zu bringen und dann auch noch meinen Eltern auszuweichen! Es war seltsam, im eigenen Haus herum schleichen zu müssen, wie ein Einbrecher, aber ich hatte keine Ahnung, welche Familienmitglieder vom Zeitreisegen wussten und welche nicht. Ich hatte immerhin auch nichts davon gewusst und war scheinbar einer dieser ominösen Genträger. Aber ich wollte Grandpa sehen, der basierend auf Sirius' Aussage über das Gen Bescheid wissen musste.

Und tatsächlich.

Es war ein nur allzu vertrautes Bild meiner Kindheit: Mein Grandpa in seinem ledernen Ohrensessel, ein Buch auf dem Schoß liegend und einen Teller mit Grandmas Ztironenplätzchen auf dem Couchtisch vor sich.

"Grandpa?", fragte ich trotzdem, bevor ich näher kam, um mich wie immer auf den Couchtisch zu setzen, wenn Grandma nicht da war.

"James, da bist du ja Großer!", strahlte mein Grandpa Henry mich an und legte das Buch zur Seite. Natürlich war es seine liebste Ausgabe von Frankenstein. Man sah ihn nur selten etwas anderes lesen. "Komm her, setz dich. Ist das deine erste Zeitreise?" 

"Zweite", nuschelte ich, darum bemüht, nicht zu heulen, wie ein Schlosshund. "Mein bester Freund wird später hier auftauchen, er hat mich immerhin vorwarnen können." Die Zitronenplätzchen waren so köstlich und frisch, wie ich sie in Erinnerung hatte. Es war schön, dass mich diese Erinnerung nicht getäuscht hatte. "Wird dieses Zeitgespringe irgendwann auch wieder aufhören? Oder muss ich für immer ein Freak bleiben?"

"Ganz aufhören wird es nie, aber mit dem Chronografen kannst du es kontrollieren", fing Grandpa an und zog wie für ihn typisch, wenn er nachdachte, die Augenbrauen hoch. "Du musst der Loge nicht vertrauen, du brauchst sie aber, wenn du nicht aus Versehen in einen Hexenprozess oder sowas fallen willst. Wenn du weiter unkontrolliert herum springst, könnte das noch böse enden. Du bist der Diamant, der letzte im Kreis der Zwölf. Sie werden dich genauso brauchen, wie du sie."

"Aber wieso macht Sirius da dann so überzeugt mit?"

"Dein Kumpel ist ein guter Schauspieler, er hat verstanden, dass die meisten Mitglieder der Loge nur alte weiße Männer sind, die nichts als ihr eigenes Wohl im Kopf haben. Frag ihn am besten selbst danach, versuch es hinzukriegen, dass ihr gemeinsam elapsieren dürft."

"Warum musste dieser Fliegendreck ausgerechnet mich treffen?", jammerte ich und nahm mir ein weiteres Zitronenplätzchen. Grandmas Backkünste vermisste ich beinahe genauso sehr, wie meine Großeltern selbst. Sie waren ein Stück meiner sehr normalen und wunderbaren Kindheit, in der ich noch nichts von Zeitreisenden, einer geheimen Loge und einem Kreis der Zwölf wusste. Im Grunde wusste ich ja auch immer noch nichts über den ganzen Kram, ich wusste bis weilen nur, dass sie existierten und scheinbar mein zukünftiges Leben bis in alle Ewigkeit plagen würden...

"Lass dich nicht unterkriegen James. Denk immer an unser Familienmotto!", lächelte Grandpa mich ermutigend an und lehnte sich verschwörerisch vor. 

"Semper anticus, semper fortis. Stets vorwärts, stets mutig", leierte ich die lateinische Phrase herunter und blinzelte erneut ein paar Tränen weg.

Von unten war die sich öffnende Haustür zu hören.

Das waren dann wohl meine Eltern, die Sirius beim Knutschen erwischt hatte. 

"Dad, wir sind wieder da!", rief mein Vater aus dem Flur und meine Mutter giggelte über irgendetwas. War sie betrunken? Weil eigentlich war dieses Giggeln viel zu hoch für sie. Mal ganz abgesehen davon, dass sie eher lachte, als das sie jemals giggelte.

"Gut zu wissen Fleamont", rief Grandpa ihm wiederum zu und scheuchte mich unter das geblümte Sofa, welches noch ein Überbleibsel meiner Urgroßeltern war. "Geht es allen gut?" Eine ordentliche Ladung Staub flog mir in die Nase und ich hielt sie mir zu, um nicht zu niesen. Wann wurde unter diesem Sofa bitte das letzte mal gesaugt? Eine solche Ansammlung an Staubflusen hatte ich meiner Grandma gar nicht zugetraut, da sie doch sonst alles so pedantisch sauber hielt.

"Ja, der kleine Racker hat alles verschlafen", hörte ich Dad dann schon etwas näher sagen, "Ist erst aufgewacht, als wir die Haustür aufgeschlossen haben. Kannst du ihn kurz nehmen, damit Effie und ich uns erstmal trocken föhnen können?"

"Natürlich, gib mir schon meinen Enkel!"

Es war anscheinend das zweite Mal, dass ich mich selbst sah.

Nur war ich dieses Mal erst ein winzig kleines Baby, welches nicht länger als Grandpas Unterarm war. 

Und genau in dem Moment kam das Kopfkarussell zurück, um mich mit ruckendem Magen zurück in meine Zeit zu zerren. Wo ich nicht weich und sanft auf dem Sofa landete, sondern darunter und mit dem Kopf gegen dessen Unterseite dotzte. Natürlich wurde dieses eine Möbelstück seit meiner Geburt nicht mehr verschoben oder durch eine größere Version ersetzt!

"Au", machte ich leise und kroch darunter hervor, um mir die Tonnen an Staub von meinem Schlafanzug zu klopfen.

"Jamie, was machst du denn noch so spät hier?", überraschte mich natürlich meine Mutter, genau von der Stelle, an der gerade eben noch ihr jüngeres Selbst gestanden hatte. "Und das auch noch ohne Licht. Morgen ist Schule, du gehörst ins Bett."

"Ich...", gab ich erstmal nur eine verkürzte Antwort und nahm mir ein paar Sekunden Zeit, um zu überlegen, was ich ihr sagen sollte. Ob ich mit ihr über Zeitreisen reden könnte. Mein Entschluss lautete, dass das auch noch bis zum nächsten Morgen warten könne, wenn Dad mich zur Schule fuhr. "Ich wollte mir nur was zu lesen holen. Sorry, wenn ich dich geweckt hab. Ich geh sofort wieder ins Bett."

"Schon gut Schatz", sagte Mum nur und drückte mir einen feuchten Kuss auf die Wange, bevor ich dazu kam, mir irgendein Buch aus dem kleinen Regal in der Ecke des Raumes holen konnte. Frankenstein fiel mir quasi in die Hände, wie passend.

Wie sollte irgendein Mensch auch bitte in der Lage sein, nach einem Tag voller Zeitreisen und verworrener Informationen ruhig zu schlafen?

Mein Schlaf war definitiv dahin, da konnte ich auch genauso gut nochmal Frankenstein lesen!

 

 


 

 

Der folgende Abschnitt meiner Geschichte kann gerne als Tutorial genutzt werden "Wie erzähle ich meinem Vater, dass ich ein Zeitreisender bin".

Ich ging meine kleine Rede im Badezimmer beim Zähneputzen durch und noch einmal, während ich die Krawatte meiner Schuluniform band, nur um dann im Auto sitzend einen Blackout zu bekommen und alles wieder zu vergessen, was ich hatte sagen wollen. Aber irgendwann musste ich es ihm sagen, also kratzte ich das Bisschen an Mut zusammen, welches ich sonst für McGonagalls Unterricht ansammelte.

"Dad", fing ich ganz simpel an, "Was würdest du sagen, wenn ich dir sage, dass ich ein mysteriöses Zeitreisegen abbekommen habe?"

Seine Reaktion waren aufgerissene Augen und seine Finger umklammerten das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß hervor traten, bevor er schließlich sagte: "Woher weißt du davon James?"

"Ich bin ganz vielleicht in der Schule fast dreihundert Jahre in die Vergangenheit gefallen?", sagte ich zögernd, weil ich wirklich keine Ahnung hatte, wie mein Vater darauf reagieren würde. Er war der beste Dad der Welt und hatte mir nur ein High Five gegeben, als ich mich vor meinen Eltern als Pansexuell geoutet hatte. Aber zu hören, dass der eigene Sohn durch die Zeit reisen kann, ist wahrscheinlich nochmal eine ganz andere Angelegenheit. Es ist ja jetzt auch nichts, was man einem regelmäßig vor den Latz knallt, wie zum Beispiel eine vier in Mathe.

Das blöde Mathe ruinierte mir damit regelmäßig meinen Zeugnisdurchschnitt!

"Scheiße", fluchte Dad nur kurz, bevor er mit ziemlich knappem Abstand die Spur wechselte und vor einen glänzenden Sportwagen zog, um nach rechts abzubiegen. 

"Das ist jetzt aber nicht der Weg zur Schule."

"Nein, ich bringe dich zur Loge", brummelte Dad vor sich hin. So langsam begann ich, mir Sorgen um das alte Lenkrad zu machen. "Wann war dein erster Zeitsprung?"

"Gestern kurz nach dem Mittagessen..."

"Und du sagst es mir erst jetzt?"

"Ich wusste nicht wie."

"Gott, ich hatte wirklich gehofft, dass alles vermeiden zu können und das diese vorhergesagten Geburtsdaten nur Schwachsinn seien", seufzte Dad und fuhr sich einmal kurz durch sein ergrauendes Haar. "Ich wünschte auch wirklich, dass du kein Forschungsobjekt dieser Esoterik besessenen Pseudowissenschaftler wirst, aber noch weniger will ich, dass du in einen Krieg fällst oder auf einem Scheiterhaufen landest. Und ich hab auch keine große Lust, es deiner Mutter zu sagen."

"Ja, Mum wird ein Albtraum", gluckste ich dann ein bisschen und tippte eine Nachricht an Sirius, dass ich wohl an diesem Tag nicht zur Schule kommen würde.

Zwei Sekunden später klingelte mein Handy.

Marlene fand es ausgesprochen lustig, mir die Titelmusik von My Little Pony als Klingelton einzustellen und da ich es irgendwann dann auch lustig fand, hatte ich es einfach dabei belassen.

"Ich merke es, ich bin direkt hinter euch", sagte Sirius ohne jede Begrüßung und der Sportwagen hinter uns gab Lichthupe. "Das war eine ganz schön knappe Nummer, die dein Dad da abgezogen hat, mein armes Baby hätte beinahe etwas abbekommen."

"Hat es aber nicht du eingebildeter Pfau."

Auf der einen Seite war durch die Leitung Gelächter zu hören, auf der anderen ein entnervtes Stöhnen, welches nur zum jüngeren Black gehören konnte. Ich sah in den Rückspiegel und konnte ungefähr erkennen, wie Regulus den Kopf an seine Fensterscheibe gelehnt hatte, so wie er es immer tat, seit Sirius ihn morgens zur Schule mitnahm. Es hat durchaus Vorteile, wenn der beste Freund (beziehungsweise der große Bruder) ein Jahr älter ist. In Regulus' Fall, zwei Jahre. Er war im vergangenen November achtzehn geworden, ich würde in zwei Tagen erst achtzehn werden. 

Ob ich diesen Geburtstag vielleicht in den goldenen Zwanzigern feiern könnte?

Immerhin war es ein großer Geburtstag.

Aber erstmal müsste ich wohl den Todesblick meines Vaters überleben, auch wenn mir noch nicht ganz klar war, ob der wirklich mir galt oder vielleicht doch eher dieser ominösen Wächterloge. Die in Temple zu liegen schien, wo ich bisher wirklich nur wenig Zeit verbracht hatte.

Die Black-Brüder gingen dazu über, auf so schnellem Französisch miteinander zu schimpfen, dass mir allein vom Zuhören schwindelig wurde und ich war ein bisschen froh darüber, dass Sirius wieder auflegte. Wir würden uns ja ohnehin gleich beim Aussteigen gegenüber stehen. Und beim Autofahren ist es auch mit Freisprechanlage besser, dass Handy auf stumm zu lassen.

"Dann nimmst du eben ein Taxi oder wie ein ganz normaler Mensch die U-Bahn", war das erste, was ich Sirius sagen hörte, noch bevor er sein Auto abgeschlossen hatte.

Regulus stieß eine weitere Aneinanderreihung französischer Flüche aus, bevor er mit seinem Rucksack über der Schulter in Richtung U-Bahn-Station verschwand.

"Hey Monty", begrüßte Sirius meinen Vater, bevor er mir einen Arm um die Schultern legte, "Haben wir das Bambi also doch noch bekommen?"

"Das ist nicht witzig Sirius", schnaubte Dad, der wirklich alles andere als begeistert über das alles aussah. Die Begeisterung schien sogar noch zu sinken, als er die Treppen zu einem sehr alt aussehenden Haus hoch sprintete und die Tür aufdrückte, als erwartete er, dass ich ihm folgen würde, wie ein Entenküken seiner Mutter folgt. Womit er auch gar nicht mal sooo falsch lag. Ich folgte ihm mit Sirius im Schlepptau. "Mein Vater, James' Großvater, war bis zu seinem Tod Großmeister der Loge, er hat immer gesagt, ich solle beten, dass mein Sohn nicht der Genträger ist. Das ist doch alles ein riesig großer Haufen Scheiße!"

"Hey, ich bin doch auch noch da", versuchte Sirius, ihn zu beruhigen. "Und mein Gehirn haben die Idioten hier noch nicht gewaschen. Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich James in der Vergangenheit niemals von der Seite weichen werde."

"Das will ich hoffen."

"Alarmstufe blutrot", flüsterte ich Sirius also zu und klammerte mich ein bisschen an meinen besten Freund, in der Hoffnung, er würde mich irgendwie auf dem Boden der Tatsachen halten können. Oder auch nur im 21. Jahrhundert, dass hätte mir eigentlich schon gereicht.

"Fleamont Potter, dass ist ja wirklich eine Ewigkeit her!", begrüßte eine Frau hinter einem Empfangsschalter meinen Vater, als würden sie sich schon ewig kennen.

Ich kannte sie auch, stellte ich mit einem zweiten Blick fest.

"Mrs Evans?", stieß ich etwas überrumpelt und verdutzt aus, als ich Lilys Mutter schließlich erkannte.

"James, Sirius, solltet ihr nicht auf dem Weg in die Schule sein?", brachte sie die gleiche Verwirrung zum Ausdruck, die auch mein Gehirn erfasst hatte. 

"Ja, dass wird wohl heute nichts mehr Gloria", wimmelte Dad ihre gute Laune ab und irritierte die arme Frau damit nur noch mehr. Sie war eine ebenso sanfte Seele wie Lily. Wenn die nicht gerade auf jemanden wütend war. "Wir müssen scheinbar dringend mit Alphard Black reden."

"Der ist in einer wichtigen Konferenz fürchte ich..."

"Dann sag ihm, ich bringe ihnen den Diamant."

"Das wird ja immer lustiger und lustiger", raunte Sirius mir zu, der sein Versprechen ernst zu meinen schien, dass er mir nicht mehr von der Seite weichen würde. Aber in diesem gruseligen alten Gemäuer war mir das nur recht so. Es mag komisch klingen, doch ich spürte die Vergangenheit wie einen Schleier, der die Wände bedeckte. War das wirklich die einzige Möglichkeit, um nicht bei einer ungeplanten Zeitreise drauf zu gehen? Vielleicht sollte ich doch lieber die Scheiterhaufen und Schlachten vorziehen...

Andererseits war Sirius in dieser Loge aufgewachsen und war noch vollkommen normal, so schlimm konnte es also nicht sein.

Oder?

 

Chapter 4

Notes:

Die Klausurenphase ist überstanden (reden wir lieber nicht drüber, wie es gelaufen ist...) und jetzt hab ich endlich wieder ein bisschen inneren Frieden^^
Here you go pookies, viel Spaß beim Lesen!

(P.S.: Sorry, dass es diesmal so kurz ist, bin auf eine kleine Schreibblockade gestoßen...)

Chapter Text

Ich fühlte mich ein bisschen überflüssig, während mein Dad da stand und mit dem Großmeister der Sekte - Verzeihung, Wächterloge - darum stritt, warum er und Mum mich von der Loge fern gehalten hatten. Was ich mich allerdings auch fragte. Immerhin war Sirius an meiner Seite und sah dem ganzen zu, als wäre es eine Seifenoper. Und dann kamen sie auf das zu sprechen, was sich auch Sirius nicht hatte erklären können: "Fleamont, ich versuche ja deinen Standpunkt zu verstehen. Aber selbst wenn das alles stimmt, stimmt immer noch das Geburtsdatum nicht."

"James' tatsächlicher Geburtstag ist der 27. und nicht der 28. März", seufzte mein Vater und fuhr sich resigniert mit einer Hand durch die Haare, die genauso wild abstanden, wie meine eigenen.

Sirius prustete in seine Wasserflasche, ich verschluckte mich beinahe beim Atmen und mein Gehirn stellte eine ganze Liste an möglichen Lügen auf, die meine Eltern mir sonst noch erzählt haben könnten. Hatte ich vielleicht noch irgendwelche versteckten Geschwister, von denen ich nichts wusste? War ich am Ende noch mit Sirius verwandt? Gab es doch Einhörner? Die Sektenwächter schienen darüber ähnlich erschrocken, wie Sirius und ich. Für sie schien es sogar ein regelrechter Skandal zu sein. 

"Bitte was jetzt?", stieß ich von da aus, wo ich auf die Couch im Drachensaal verbannt worden war. 

Es war ein hübsches Zimmer, dass musste ich in Gedanken zugeben.

Aber ein falsches Geburtsdatum?

Da konnte der Drache an der Decke noch so prächtig sein, ich war mein Leben lang über das eine oder andere angelogen worden und nicht nur darüber, woher die Babys kamen! Mir war spätestens im "Biologieunterricht" klar, dass die nicht vom Storch gebracht wurden. Dieses Mal kam die Übelkeit nicht von einem bevorstehenden Zeitsprung. Vielleicht auch doch, schwer zu sagen. Es ist halt nicht leicht zu verdauen, herauszufinden, dass das eigene Leben im Grunde eine Lüge war!

"Siebzehn Jahre lang habt ihr mich belogen? Wie...?"

"Deine Mum und ich, wir haben die Hebamme wegen der Geburtsurkunde bestochen", gab Dad zu und sah aus, wie ich mir immer die Metapher vom getretenen Hund vorgestellt hatte, "Glaub mir Jamie, dass war nur, um dich vor dieser durchgeknallten Sekte zu beschützen. Alphard, alles was ich will ist, dass ihr James vor unkontrollierten Zeitsprüngen schützt, dass ist alles!"

Und natürlich wurde ich nicht einmal gefragt.

"Glaub mir Kumpel, dass ist besser, als drei mal am Tag in eine unbestimmte Vergangenheit gezerrt zu werden!", schnaubte Sirius und tätschelte mir die Schulter, "Ich bin selbst schon einmal beinahe auf einem Scheiterhaufen gelandet und kann die Erfahrung nicht empfehlen. Feuer tut weh. In einen Krieg zu fallen ist nicht besser. Da gab es nirgendwo gescheiten Whisky."

Mir war schon klar, dass mein bester Freund nur versuchte, mich aufzumuntern, was allerdings nur semigut funktionierte.

"Wenn er die Wahrheit sagt, dann wird es bald wieder passieren", meldete sich der immerzu finster drein blickende Doktor Rosier zu Wort, worüber ich auch kurz hatte blinzeln müssen. Erst Lilys Mum, dann auch noch Evans Dad. Wer würde als nächstes um die Ecke kommen? Der so hochangesehene Politiker Mr Crouch? Mein Kopf schwirrte mir von vielen Dingen.

"Ich war dabei, als es zum ersten Mal passiert ist", wandte sich Sirius zum ersten Mal an die anwesenden Wächter. "Ist genau vor meinen Augen gesprungen und 45 Minuten später in einem anderen Raum wieder aufgetaucht. Wir können noch so lange darüber diskutieren, wer hier jetzt Recht hat, dass mein bester Freund in eine Pestepedemie fällt und drauf geht, was ich nicht gerade zu schätzen wüsste. Oder wir können sein Blut in den Chronografen einlesen, um eben das zu vermeiden. Ich muss die Gentlemen wohl nicht daran erinnern, was der Diamant angeblich für die Loge bedeuten wird?"

Das trug auch nicht gerade dazu bei, dass ich besser verstand, was hier eigentlich lief.

Das Konstrukt aus Informationen formte sich in meinem Gehirn nur zu einem unentwirrbarem Wollknäuel, dem es egal war, dass ich mit einem Messer darauf herum hackte, um endlich zu verstehen, warum ich auf einmal ein Zeitreisefreak sein sollte.

Ich wurde auf einmal von allen Seiten angestarrt, als wäre ich eine abartig große Laborratte und hätte mich am liebsten unter irgendeiner Decke verkrochen. Sogar in der Schule wäre ich zu diesem Zeitpunkt lieber gewesen, aber nein! Ich wurde von einem Haufen machtbesessener Pseudowissenschaftler angestarrt und es wurde über mich geredet, als wäre ich wirklich nichts weiter, als eine Laborratte, der man sowieso nichts erklären muss, weil sie es nicht zu wissen braucht. Ich wollte einfach nur mein wunderbar langweiliges Leben zurück, war das denn zu viel verlangt?

 

 


 

Scheinbar war das zu viel verlangt.

Nur wenige Minuten später hockte ich mit Sirius und seinem Onkel in einem etwas kleineren Büro, weil man unbedingt abwarten wollte, ob Sirius auch wirklich die Wahrheit sagte.

Man kann ja scheinbar niemandem vertrauen!

So langsam begann ich das auch zu glauben...

Es schien ja nicht einmal möglich zu sein, meinem besten Freund zu vertrauen, was mich mal abgesehen von der Lüge über meinen Geburtstag wirklich am meisten enttäuschte.

Und natürlich passierte es wieder. Die unsichtbare Angelschnur riss mich mit Übelkeit erregender Gewalt nach hinten in eine andere Zeit. Meiner ersten Einschätzung nach eine Zeit, in der der Staubwedel noch nicht erfunden war, denn auf dem Schreibtisch, der in meiner Zeit einem weißen Handschuh standgehalten hätte, befand sich nun eine so dicke Staubschicht, dass es mich nicht einmal wunderte, dass eine Ratte darauf herum huschte. Natürlich war das Gemälde von Sirius' gruseligem Vorfahren, der die Loge gegründet hatte (die Wächter nannten ihn alle den ehrwürdigen Meister?!), nicht verschwunden. Es hing immer noch da und sah im dämmrigen Morgenlicht noch gruseliger aus, als bei normalem Tageslicht. 

"Gott, wieso hasst du mich so?", fragte ich die Zimmerdecke und ließ mich auf dem Schreibtischstuhl nieder, da das Sofa, auf dem ich eben noch gesessen hatte, definitiv noch nicht existierte.

Eine Tageszeitung lag auf der Tischplatte.

Die Ratte würde sie wohl kaum vermissen.

Es war das erste Mal, dass ich Zeitung las und das auch eigentlich nur, weil ich bis zu meinem Rücksprung nichts besseres zu tun hatte.

Tatsächlich war ich dem Datum auf der Zeitung nach zu urteilen gar nicht mal so weit zurück gereist, nur bis in die Fünfziger. Wie gerne hätte ich mir London zu dieser Zeit angesehen! Aber außer meinen Wunschvorstellungen und ein paar uralten Filmen wusste ich nichts über die Fünfziger und wäre vermutlich in der Klapsmühle geendet oder im Knast. Einige von denen hätten wahrscheinlich schon einen Anfall bekommen, weil ich ein silbernes Armband mit einem Glückskrönchen daran trug, welches Mum und Dad mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hatten. Einen Tag verspätet, wie ich nun wusste. Aber reiten wir nicht weiter darauf rum!

Ich würde nur in Gedanken weiter darauf rum reiten.

Dad hatte schließlich gesagt, es sei nur gewesen, um mich vor der Loge zu schützen.

Als ich dann wieder zurück sprang, landete ich geradewegs in Sirius' Armen, was besser war, als volles Rohr auf den Schreibtisch aus rustikaler Eiche zu fallen. Ein peinliches Augenwackeln kam natürlich trotzdem von meinem besten Freund. Was hatte ich auch anderes erwartet?

"Das waren jetzt 45 Minuten", stieß Doktor Rosier erstaunt aus und hielt tatsächlich eine kleine silberne Stoppuhr in der Hand. Der war wohl im letzten Jahrhundert irgendwann stecken geblieben. Vielleicht war er auch ein Vampir, der an seinen Artefakten hing.

"Dad musste zur Arbeit nehm ich an?", fragte ich Sirius schließlich und löste mich aus seinen heldenhaften Armen.

"Ja, irgendwas von einem Meeting. Ich musste ihm versprechen, dass ich hier ein Auge auf dich haben und dich später nach Hause fahren werde", antwortete mein bester Freund mir und wandte sich dann an seinen Onkel. "Wie schon gesagt. Wenn es um den Diamant geht, dann würde ich es niemals wagen, zu lügen. Dazu sind die Versprechungen der Prophezeiungen zu bedeutungsschwer."

"Was für Prophezeiungen, kann mir jetzt endlich mal jemand anständig und verständlich erklären, was hier Phase ist?"

"Alles zu seiner Zeit James", sagte Alphard, mit diesem komischen Grinsen, welches irgendwelche Geschäftspartner immer auflegten, wenn sie meinem Dad irgendetwas verkaufen wollten, was angeblich von immensem Vorteil für seine Firma wäre. Es war reine Arschkriecherei. Aber wieso wollte Alphard Black, einer der reichsten Männer Großbritanniens, nun mir in den Arsch kriechen?

Noch würde ich ihm wohl kaum irgendeinen geschäftlichen Vorteil bringen.

Oder doch?

Ich hoffte ja darauf, dass Sirius mir im Laufe des Tages ein paar anständige Antworten geben würde, aber er sagte nur immer wieder etwas von Prophezeiungen, dem Aufstieg des Adlers und das der zwölfte Genträger einfach schon immer als etwas besonderes gegolten hatte. Da er mein bester Freund war, musste er natürlich hinzusetzen, dass irgendetwas besonderes bei mir ja eigentlich ausgeschlossen werden könnte.

"Haha", machte ich nur, während seine Cousine Andromeda, die in der Loge scheinbar als Schneiderin arbeitete, um mich herum wuselte und meine Maße nahm, "Muss ich dann wirklich mit so einem komischen Ballettröckchen um den Hals rum laufen?"

"Nur wenn es um bestimmte Zeiten geht", kam Andromeda ihrem Cousin zuvor, "Eure Kleidung muss immer an die Zeit angepasst sein, die ihr besucht, wenn es um etwas anderes, als ums Elapsieren geht."

"Apropos Elapsdingens, wo steht eigentlich dieser Chronograf? Den hab ich noch gar nicht gesehen."

"Sorry Bro, Alphard hat mir verboten, dir das zu sagen", nuschelte Sirius nur entschuldigend und lehnte sich in seinem Sessel zurück, der vor wenigen Minuten noch unter einem Stapel an Stoffrollen verborgen gewesen war. "Weil der letzte Genträger deiner Familie der Kopf dabei war, dass Ding zu stehlen und so weiter. Ja, ich weiß auch, dass es keinen Sinn ergibt, aber ich will nur ungern meine Privilegien hier verlieren!"

"Und was sind das bitte für Privilegien? Darfst du deinen Rennwagen mit in die Vergangenheit nehmen?"

Andromeda schnaubte ein halbes Lachen aus und tarnte es sehr schlecht als Husten.

"Du weißt genau, was für Privilegien ich hier habe", sagte Sirius mit Nachdruck und ich brauchte ein bisschen zu lange, um zu verstehen, was er meinte. Er kam damit davon, sich heimlich mit Remus zu treffen. Ob diese Treffen nun genehmigt waren oder nicht, sie waren ein Privileg. Ich konnte verstehen, dass er das nicht verlieren wollte. Und das nicht nur, weil ich Remus endlich gesehen hatte und er ziemlich heiß war. 

Zwischen den Zeiten verliebt zu sein, schien mir ein Ding der Unmöglichkeit.

Es würde mich zwar nie befallen, doch ich konnte mir vorstellen, dass es ätzend war, seinen Liebsten nur im achtzehnten Jahrhundert sehen zu können, wo es verboten ist, als gleichgeschlechtliches Paar öffentlich auszugehen.

Wenn das Zeitreisen so viel von Sirius forderte, was würde es von mir fordern?

Chapter 5

Notes:

Ich weiß, es hat lange gedauert!
Zwei Hausarbeiten haben mir noch im Weg gestanden, für die ich quasi null Sekundärliteratur finden konnte...
Aber jetzt bin ich wieder da, wenn auch mit kürzeren Kapiteln😅
Wer freut sich btw auch so auf die Neuauflage der Edelsteintrilogie wie ich?😍

Chapter Text

Ich wünschte mir nach meiner Vermessung wirklich sehr, endlich nach Hause gehen und mich mit einem Pott Vanilleeis unter meiner Bettdecke verkriechen zu können, doch der immer noch finster drein blickende Doktor Rosier fing mich ab und eskortierte mich in sein Labor. Verzeihung, ich meinte natürlich Behandlungszimmer. Immerhin durfte Sirius mit kommen.

So wütend ich auch in dem Moment auf ihn war, alleine wollte ich jetzt auch nicht mit Evan Rosiers Vater in einem kleinen Raum mit lauter Nadeln und Spriten gefangen sein.

"Entspann dich, es geht nur um ein paar Impfungen", tätschelte Sirius mir die Schulter und nahm sogar bereitwillig meine Hand, als ich nach seiner griff. "In der Vergangenheit gibt es leider so einige Erreger, die niemand in der Gegenwart haben will. Zum Beispiel Pocken."

"Grausames Schicksal die Pocken", murmelte Doktor Rosier, während er eine Nadel in meiner Armbeuge versenkte, um mir gleich zwei Röhrchen voll Blut abzuzapfen, "Und dann war da natürlich noch die Pest und so weiter. Statt sich aber über fiese Bazillen auszutauschen wie schnatternde Weiber, würde ich es begrüßen, wenn sie ihre Eltern dazu überreden könnten, ihren Impfpass und ihre Krankengeschichte rauszurücken Potter."

"Eine Krankengeschichte hab ich nicht, dass schlimmste was mich mal erwischt hat, war eine Grippe", schnaubte ich und drückte das Watteröllchen auf das winzige Loch in meinem Arm. "AU! Was war das denn?" Die Ablenkung hatte Doktor Rosier nämlich genutzt, um mir eine Spritze in den Oberarm zu jagen. Irgendwie bestärkte mich das in meiner Theorie von wegen Frankenstein. Fehlte nur noch, dass ein Geist ihm an den Hacken klebte oder ein französisch stöhnendes Monster, welches aus einer dunklen Zimmerecke kam. Wobei Frankensteins Monster ja eigentlich gar nicht stöhnte...

"Das willst du gar nicht wissen", lächelte der Doktor mich feindselig an.

Immerhin ließ er mich endlich gehen, als ich von seiner Liege hüpfte.

"Und mein Blut kommt jetzt in diesen Chronografen?", fragte ich Sirius, weil er der einzige in diesem Kasten zu sein schien, der mir überhaupt Antworten gab. "Wie sieht das Ding überhaupt aus? Ist das so eine Tardis oder...?"

"Viel mehr ein magischer Würfel aus Zahnrädern und Edelsteinen", zuckte Sirius nur mit den Schultern, als würde sich all das nicht anhören, als wäre es geradewegs aus einem Fantasyroman. Aber wenn er damit aufgewachsen war, dann war es für ihn wahrscheinlich genauso Teil des Alltags, wie es für mich Teil meines Alltags war, mit Mum und Dad Abends auf der Couch über irgendwelche Reality TV Sendungen zu lachen. "Für jede Zeitreise wirst du in den Finger gepikst und kannst dann bis 1560 zurück geschickt werden. Da erblickte der erste Genträger der Blacks die Welt."

Um die Zeit hatte meine Familie gerade erst Potter als Nachnamen adaptiert...

Die Blacks waren nun mal die am weitesten zurück reichende Familie Englands.

Alt, reich und großes Ego, dass zeichnete sie aus.

Apropos großes Ego.

Das größte mir bekannte Ego lehnte in diesem hübsch dekorierten Drachensaal an Alphards Schreibtisch und zischte irgendwas auf Französisch, zu leise um es zu verstehen.

"Reg, solltest du nicht in der Schule sein?", ließ Sirius den großen Bruder raushängen und dirigierte mich zu der nächsten Sitzgelegenheit, "Es ist erst kurz vor zwölf."

"Zwischenfall im Chemieraum, der Rest fällt heute aus", grummelte Regulus und wechselte dann zu Französisch mit einer Geschwindigkeit, die es mir schwer machte, zu folgen. "Dein Welpe kann vielleicht Französisch, aber was ist mit allem anderen? Historische Abläufe, Fechten, Etikette... Es wird egal sein, in welche Zeit er springt, James wird auffallen wie ein pinker Pudel!"

"James ist neben mir Klassenbester in Geschichte, den Rest lernt er sicherlich schnell", sprang Sirius für meine Verteidigung ein. "Ich bin absolut nicht dafür, ihn in die Mission mit rein zu ziehen, aber ihn immer nur in diesen modrigen Keller elapsieren zu lassen wäre doch bescheuert. Wenn man schon mit diesem Fluch beladen ist, dann soll es wenigstens ein bisschen Spaß machen!"

"Es ist kein Fluch, es ist eine Gabe!"

"Jungs, ich bin sicher, der junge Potter wird keine Probleme haben, sich zu integrieren", ging Alphard dazwischen, bevor die Brüder mal wieder in einer Prügelei enden konnten. "James ist Teil des Kreises der zwölf, dass könnt ihr nicht ändern. Und als der Diamant wird der werte Graf ihn sicherlich kennen lernen wollen."

"Nein, auf keinen Fall!"

"Sirius, kannst du mal aufhören, mich so zu bemuttern?", ging ich dieses Mal selbst dazwischen, "Ich bin auch nur ein paar Monate jünger als du, aber ihr tut so, als wäre ich nicht fähig, sowas banales wie deinen gruseligen Vorfahren zu überleben. Ich hab schon eine Mutter, eine zweite brauch ich wirklich nicht."

"James, du verstehst das alles noch nicht", seufzte Sirius und legte mir eine beschwichtigende Hand auf die Schulter, "Das alles ist größer, als du es dir vorstellen kannst. Und es ist das echte Leben. In einem Videospiel fängst du einfach von vorne an und versuchst es normal. Aber wenn dir etwas passiert, weil ich zugelassen habe, dass du in die Mission mit rein gezogen wirst, dann würde ich mir das niemals verzeihen! Und deine Eltern würden mir das sicherlich genauso wenig verzeihen."

Mit einem Schnauben schüttelte ich die Schulter meines besten Freundes ab.

Wir mochten nicht immer in allem einer Meinung sein, doch wirklich über etwas gestritten hatten wir noch nie. Sirius und ich funkten auf der gleichen Wellenlänge. Er kannte mich besser, als jeder andere Mensch auf dem verdammten Planeten und das er mir nun so misstraute, verletzte mich mehr, als ich bereit gewesen wäre, zuzugeben. Ich wollte wirklich einfach nur noch nach Hause, doch Alphards Gesichtsausdruck nach schien auch das zu viel verlang zu sein. "Ach komm Sirius, ein Besuch beim Grafen ist nun wirklich nicht gefährlich, ihr müsst nicht einmal das Haus verlassen. Es wird nur ein kurzer Nachmittagsbesuch sein, 1782, als er als alter Mann noch einmal ein wenig Zeit hier in London verbrachte."

Sirius schnaubte, Regulus fluchte auf Französisch.

"Wenn der Graf meine tausend Fragen beantworten kann, dann bin ich dabei", sagte ich schließlich mit gehobenem Kinn, woraufhin Sirius freudlos lachte und mich am Arm packte.

"Alph, gib mir ein paar Minuten allein mit James", wandte mein bester Freund sich dann an seinen Onkel, als er mich schon halb zur Tür gezerrt hatte, "Hier ist die Luft so schlecht, ein paar Minuten im Garten werden also niemanden umbringen."

"Wie du meinst, nur anschließend geht ihr auf direktem Weg runter zu Andromeda, damit ihr euch umziehen könnt", stimmte Alphard schließlich zu und Sirius fummelte einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche. Er stürmte so entschlossen durch die labyrinthischen Gänge der Loge, dass ich ausnahmsweise einmal nicht langsamer gehen musste, um mit ihm auf gleicher Höhe zu bleiben. Es nervte ihn immer tierisch, wenn ich ihn mit seiner geringen Körpergröße aufzog, doch in diesem Moment war mir nicht gerade nach unserem üblichen Geplänkel zu mute. Mir war überhaupt nicht nach Geplänkel zu mute, was für mich wirklich alles andere als typisch war. Ich wollte doch einfach nur verstehen, was mit mir passierte. Und in diesem ganzen bescheuerten Hamsterkäfig einer Sekte gab es nicht eine Person, die mir wirklich sagen konnte oder wollte, warum, was und warum! Für mich war alles immer noch ein kryptischer Spionagefilm, in dem James Bond fehlte, um den Tag zu retten.

"Was hast du bitte für ein Problem mit deinem eigenen Vorfahren, dass du nicht einmal willst, dass ich ihn kennen lerne?", bombardierte ich Sirius, kaum das wir den zugegeben entzückenden Garten betreten hatten. "Ist doch auch nur ein Black, ich komm mit euch klar."

"Scheint den Potters im Blut zu liegen", seufzte Sirius und ließ sich auf eine verschnörkelte weiß gehaltene Bank fallen. Die Sonne beschien wie ein bezahlter Schauspieler seine perfekten Gesichtszüge. "Wusstest du, dass dein Dad mal was mit meinem Dad hatte?"

Zugegeben, da blieb mir für den Moment die Spucke weg.

"Nein, dass ist mir neu. Ich weiß nur, dass mein Dad deinen verabscheut."

"Oh mittlerweile beruht das auf Gegenseitigkeit, aber das hat erst angefangen, als mein Dad entschieden hat, meine Mum zu heiraten. Worüber ich irgendwie froh bin, sonst würde es dich nicht geben. Und wir könnten nicht beste Freunde sein."

Er wollte sich bei mir einschleimen, damit ich ihm die Lügen verzieh.

Als wäre das wirklich nötig gewesen.

"Ich werde schon nicht enden, wie Sir Nicholas", setzte ich mich schließlich neben ihn und legte einen Arm um seine Schultern, "Dieser Graf ist auch nur ein Mensch, so gruselig sein Gemälde auch aussehen mag. Außerdem hab ich doch dich an meiner Seite, um mich zu beschützen, was nach einer verdammt schnulzigen Romkom klingt."

Endlich lachte Sirius so schnaubend, wie ich es von ihm kannte.

Der Gedanke an Sir Nicholas, einen von vier Schulgeistern, die in Hogwarts hausten, konnte uns immer erheitern. Ich war zwar der einzige, der ihn und die anderen drei sehen konnte, doch ich hatte ihn Sirius einmal so gut wie möglich beschrieben, was sich wirklich lächerlich anhörte. Sir Nicholas de Mimsy-Porpington war nämlich bereits 1492 verstorben und trug dementsprechend Pumphosen, sowie eines dieser steifen Ballettröckchen um den beinahe vollständig durchtrennten Hals, der nur noch an einer einzelnen Sehne hing. Die Axt, mit der man ihn hingerichtet hatte, war zu stumpf gewesen, um den Job sauber auszuführen. Zumindest sagte das sein Wikipediaeintrag. Ich war etwas verstört gewesen, als ich mit zwölf Jahren diesem Geist gegenüber stand, der seinen Kopf beinahe vollständig abnehmen und seinen blutigen Rumpf präsentieren konnte. Das war auch der Hauptgrund gewesen, warum Sirius mir geglaubt hatte, als ich ihm dann beichtete, ich konnte Geister sehen.

Hätte ich ihm andersherum geglaubt, dass Zeitreisen echt sind und nicht nur Fantasie?

Wahrscheinlich erstmal nicht.

Aber dennoch war es verletzend, dass er nicht einmal versucht hatte, sein Geheimnis mit mir zu teilen. Ich hätte ihm doch da durch helfen können, als er dann seinen ersten Zeitsprung hatte. Ich hätte sein Mann im Stuhl sein können, wie jeder vernünftige Superheld einen hat.

"Der Graf ist einfach gefährlich", seufzte Sirius und zerzauste mir die ohnehin schon unordentlichen Haare. Potterhaare sind niemals wirklich ordentlich. "Die ganze Sache ist gefährlich. Die Wächter ignorieren das nur, weil sie unbedingt den Blutkreis schließen wollen, um endlich das große Geheimnis hinter dem Geheimnis zu enthüllen."

"Aber wenn ich der Zwölfte und Letzte bin, ist der Kreis dann jetzt nicht geschlossen?"

"Nicht ganz. Weil dein Onkel und meine was auch immer den ersten Chronografen gestohlen haben, mussten Regulus und ich mit der Mission von vorne beginnen und die bisherigen Zeitreisenden in der Vergangenheit besuchen, um ihnen Blut abzuzapfen. Zum Glück für die Wächter konnten sie den zweiten Chronografen in Gang bringen, der eigentlich schon als Staubfänger im Safe gelegen hatte. Die meisten haben wir inzwischen auch abgehakt. Es fehlen nur noch Jade, Opal, Saphir und Turmalin. Deine Urgroßmutter ist ziemlich störrisch, was ihr Blut angeht. Aber ansonsten eine reizende Dame."

"Verrückt", war alles, was ich dazu noch sagen konnte.

Denn es war verrückt.

Absolut verrückt.

Ich sah die Reklametafel des Sanatoriums schon blinken.

"Na komm", setzte ich schließlich hinzu und zog Sirius von der Bank wieder hoch, "Wir trinken jetzt Tee mit deinem Grafen und danach holen wir uns auf dem Weg zu mir einen Döner und schmeißen uns bei mir auf die Couch mit einer Runde Mamma Mia."

Sirius seufzte erneut, konnte allerdings nichts mehr dagegen sagen, weil Alphard uns sonst noch an den Haaren in die Vergangenheit schleifen würde. 

Außerdem freute ich mich ein bisschen darauf.

Zeitreisen konnten nicht nur furchtbar sein.

 

Chapter Text

Man war so gnädig, uns zum Mittagessen mit Rosmarinkartoffeln und knusprig gebratener Ente zu versorgen, was das Ganze schon ein bisschen angenehmer machte. So gutes Essen hatte ich lange nicht mehr auf meinem Teller gehabt. Das letzte Mal war bei einem Geschäftsessen mit Dad gewesen, welches er in einem der teuersten Restaurants Londons abgehalten hatte. Wenn man schon den Herzog und die Herzogin von Cambridge zu Gast hat, dann muss man sich auch ein bisschen Mühe geben. Auch Sirius war deutlich besserer Laune, als wir schließlich wieder in Andromedas Schneiderzimmer geschickt wurden, um der Vergangenheit entsprechend eingekleidet zu werden.

Ich bekam Begriffe zu Ohren wie französische Seide, Leinen aus Deutschland und irgendwas von wegen Brokat.

Sollte mich jemand vor dreihundert Jahren über Mode ausfragen, dann wäre ich definitiv verloren.

Dennoch hatte der Aufzug etwas. 

Für unsere Zeit wäre es so als Nachmittagslook viel zu extravagant gewesen und in der Schule hätte ich damit sicherlich neben einigen Lachern auch eine ordentliche Portion Nachsitzen kassiert. Aber so, mal abgesehen vielleicht von den zitronengelben Seidenstrümpfen, gefiel ich mir bei einem Blick in den Spiegel ganz gut. Ich war wirklich sehr gespannt, wie Sirius und Regulus aussehen würden...

"Deine Haare sind nicht lang genug, sie zusammen zu binden, aber das ist auch nicht zwingend nötig, wenn es nicht gerade um einen Ball oder etwas in der Art geht", brabbelte Andromeda munter vor sich hin. Sie war von Sirius' tausend Cousinen definitiv die lebenslustigste und die Normalste. Und ihre Tochter Nymphadora war einfach nur entzückend! "Und bei deiner Haut müssen wir gar nichts mehr tun, du bist bereits so weiß wie eine Wand. Oh ja, dieses rubinrot fügt sich ganz wunderbar mit deinen rehbraunen Augen zusammen!"

Ich mochte sie.

"Très elegant Mademoiselle", hörte ich Regulus von der anderen Seite des Raumes kichern. 

Zugegeben, mir klappte bei seinem Anblick die Kinnlade ein Stück runter. Er war eingehüllt in ein dunkles Tannengrün, welches seine silbergrauen Augen wunderbar hervorstechen ließ. Das weiße Spitzentuch um seinen Hals wurde noch geziert von einer Brosche, die mit einem sehr echt aussehendem grünen Edelstein besetzt war und über den Gehrock rankten sich ein paar silberne Elemente. Selbst die meergrünen Strümpfe sahen viel zu gut an ihm aus. Ich konnte nicht einmal über die sonst so albernen Schnallenschuhe lachen.

"Gleichfalls Herr Froschkönig", brachte ich dann doch noch einen Konter zu Stande.

Es fuchste mich tierisch, dass Regulus so gut aussah in diesem Aufzug.

Nicht nur, weil ich mich daneben wie ein graues Entlein fühlte. Sondern auch, weil es Regulus war, den ich da beinahe ansabberte! Jeder andere Mensch auf dem Planeten wäre absolut in Ordnung gewesen, nur nicht Regulus Black!

"Eins zu null für Potter", erschien Sirius hinter einem der Sichtschutzdinger, die wohl tatsächlich einmal als Umkleidekabinen gegolten hatten, "Gott, diesen Anblick muss ich unbedingt für die Nachwelt festhalten!" 

Und schon blitzte mir die Kamera seines Handys ins Gesicht.

Da ich ihn ohnehin nicht würde abhalten können, warf ich mich für ein zweites Foto zumindest ordentlich in Pose, bevor Andromeda mir einen Degen reichte, der sicherlich zu der authentischen Aufmachung gehörte, mir aber in diesem Moment mehr schaden als nutzen würde. Allerdings ging es im achtzehnten Jahrhundert beim Aussehen wohl kaum darum, wie praktisch der Aufzug war.

Regulus verdrehte sogar die Augen, als Sirius mir half, den Degen mit dem dazugehörigen Gürtel umzuschnallen.

Sein Handy hatte er seiner Cousine gegeben.

Meines hatte ich in der Innentasche meines Mantels verschwinden lassen, als Andromeda für einen Moment nicht hinsah.

"Du siehst aus wie ein Zitronentörtchen", fand ich zumindest über Sirius etwas zu lachen, der überwiegend in Gelb gekleidet war, hier und da mit weißen Akzenten. Er sah wirklich aus wie die Zitronentartelettes, die mein Dad meiner Mutter immer zu ihrem Geburtstag holte. Dadurch fühlte ich mich auch wieder um einiges Besser, zumal Sirius an jedem anderen Tag des Jahres aussah, wie ein polierter Diamant. Nur war ich ja jetzt der Diamant...

"Mir gefällt es", plusterte Sirius sich auf wie der eitle Pfau, der er hin und wieder sein konnte.

Natürlich sah er immer noch besser in dem Fummel aus, als es in Sonnengelb erlaubt sein sollte, aber meinem besten Freund würde ich das natürlich niemals sagen. Einem normalen Freund, ja. Einen besten Freund lacht man aus, dass ist ein ungeschriebenes Gesetz!

"Wenigstens weiß einer hier mein modisches Talent zu schätzen", schmunzelte Andromeda, die sichtbar gegen einen Lachanfall kämpfte.

"Hey, ich hab gegen meinen Look doch nichts gesagt!", verteidigte ich mich, "Ich gefalle mir nämlich auch recht gut."

"Ihr beiden seid wie Narziss", murmelte Regulus auf Französisch, ließ aber tatsächlich so etwas wie ein Lächeln sehen. Ich hatte ihn noch nie Lächeln gesehen, es war mir irgendwie unheimlich. Es mochte ihm gut zu Gesicht stehen, nur da es ein für ihn so seltener Gesichtsausdruck war, war es mir in erster Linie unheimlich. Unheimlich auch ein wenig, weil mich dieses Lächeln selbst zum Lächeln brachte.

Reiß dich zusammen Potter, er ist immer noch ein Arsch!, ermahnte ich mich selbst in Gedanken.

Wie kann man jemanden an einem Tag verabscheuen und am nächsten wegen ihm lächeln? 

Das verursacht doch nur ein Schleudertrauma...

"Wir sollten dann mal los, ich will schließlich auch so schnell wie möglich wieder nach Hause", unterbrach Regulus dann unser Geplänkel mit einem Räuspern und kam mit einem schwarzen Tuch auf mich zu. "Bitte entschuldige James, ich finde das auch albern. Allerdings fürchte ich, Doktor Rosier besteht darauf. Er ist ein zutiefst misstrauischer alter Kauz."

"Lass mich nur nicht irgendwo anstoßen", schnaubte ich, ließ mir aber von Regulus die Augen verbinden, da es ohnehin keinen Sinn haben würde, ihm zu widersprechen oder einem der Wächter. Die schienen sich alle ziemlich an ihre goldenen Regeln und so weiter zu klammern, was mir noch das letzte Bisschen Spaß an diesem Kuddelmuddel verderben würde. Eine Wahl hatte ich leider nicht, wenn ich nicht mitten im großen Brand von 1666 landen wollte. Und ich war zugegeben so langsam recht neugierig darauf, diesen angeblich so gefährlichen Grafen kennen zu lernen.

"Was ist denn am Grafen von Saint Germain jetzt so gefährlich?", fragte ich Sirius, der mich nach besten Bemühungen um zehntausend Ecken und Abbiegungen schob, bis ich mir sicher war, in diesen Gängen verloren zu gehen, sollte ich je auch nur versuchen, den Weg alleine zu finden. Mein Orientierungssinn ließ wahrhaftig zu wünschen übrig.

"Der Graf ist nicht gefährlich, nur ein wenig einschüchternd", unterbrach Regulus seinen älteren Bruder, bevor der überhaupt nur ein Wort aussprechen konnte, "Seine Visionen sind für viele schlichtweg überwältigend. Das er Gedanken lesen kann, halte ich für Humbug."

"Es geht um mehr als nur das kleiner Bruder, früher oder später wirst du das schon noch verstehen. Irgendwann wirst du verstehen, warum Charlus und Dorea den ersten Chronografen gestohlen haben."

Ich konnte in diesem Moment vielleicht sein Gesicht nicht sehen, doch allein an seiner Stimme erkannte ich so etwas wie Traurigkeit. Mir war klar, dass Sirius sich nur um Regulus sorgte, so wie sich vermutlich jeder große Bruder um den Jüngeren sorgte. Nur verstand ich immer noch nicht warum, weil er mir ja keine klare Antwort geben wollte!

"Was passiert denn eigentlich, wenn sich dieser Blutkreis schließt?", stellte ich eine Frage, auf die ich ja wohl eine Antwort bekommen würde. 

"Angeblich geht es um den Stein der Weisen, ein Heilmittel gegen alle Pestilenzen und Gebrechen und so weiter", antwortete Sirius mir tatsächlich, "Die Loge glaubt, Charlus und Dorea wollen diese Macht für sich allein, woran ich absolut nicht glaube. Was auch immer ihre Beweggründe gewesen sein mochten, dass wird es wohl kaum sein, sonst hätten sie sich nicht so lange mit dem Ding versteckt. Von November bis März haben sie es geschafft, hier und dort in Europa zu verstecken, bis sie schließlich in die Vergangenheit geflüchtet sind. Alles ein großes Mysterium."

"Sie strebten nach Macht, so mysteriös finde ich das gar nicht", seufzte Alphard und ich blinzelte ins Licht, nachdem Regulus mir die Augenbinde wieder abnahm.

Ich wusste das er es war, weil er sich mit den Armen leicht auf meinen Schultern abstützte, um das schwarze Tuch an meinem Hinterkopf entknoten zu können.

Ihm so nah zu sein und seinen heißen Atem im Nacken zu spüren, war seltsam.

"Ich wette immer noch dagegen", sagte Sirius und trat näher an die überwiegend aus Holz bestehende Apparatur heran, die auf einem wackelig aussehenden Holztisch in der Mitte des Raumes stand. 

Das Innenleben hätte auch das eines Roboters sein können, mal abgesehen von den riesigen Edelsteinen, die eigentlich niemals echt sein könnten. Zumindest nicht bei dem, was ich über die Preise von Diamanten wusste. Denn allein mit diesem einen Klunker müsste ich nach meinem Schulabschluss niemals anfangen, zu arbeiten. Ich könnte gleich in Rente gehen und müsste mir keine Gedanken um die Zukunft machen! Was ich ohnehin nicht wirklich musste, dank meiner Eltern.

Zwölf Edelsteine für zwölf Zeitreisende.

Das Äußere war mit Sonnen, Monden und Sternen verziert, als hätte jemand den Zauberwürfel als Skizzenbuch für seine Himmelsbeobachtungen genutzt. Ich erkannte das Sternbild Löwe auf Höhe des Diamanten. Ob der wohl auch zu mir als Zeitreisendem gehörte?

"Weißt du noch die Parole für den Zieltag Sirius?", fragte Doktor Rosier, ohne von dem ledernen Ordner aufzuschauen, den er aufgeschlagen in seinen Händen hielt. Es wirkte geradezu so, als wünschte er sich, Sirius würde die Parole nicht kennen.

"Forest fortuna adiuvat, das Glück bevorzugt den Mutigen ungefähr übersetzt", leierte Sirius die Parole runter, als wäre es ein tägliches Gebet.

"Gut, dann dürfte ja jetzt nichts mehr schief gehen", lächelte Alphard milde und öffnete eine der vielen Klappen, die den Chronografen bestückten.

Sirius steckte seinen Zeigefinger in die Öffnung und nur einen Moment später erwachte der Würfel mit einem Rattern zum Leben. Die kleinen Zahnrädchen in seinem Inneren begannen, sich zu drehen, der gewaltige Rubin leuchtete blutrot auf und da war wieder dieses rubinrote Licht, welches meinen besten Freund einhüllte und verschwinden ließ. Ich konnte nur hoffen, dass es bei mir ebenso abgefahren aussah. Wahrscheinlich aber nicht. 

Mit Regulus war es das Gleiche, auch er wurde von dem rubinroten Licht davon getragen.

Und dann war ich an der Reihe.

"Nicht bewegen", ermahnte Alphard mich, als sich eine Nadel in meinen Finger bohrte und ich ein wenig zusammen zuckte. Die Farbe im Chronografen änderte sich. Das Licht wurde weiß, der Diamant leuchtete auf und dann waren Alphard und Doktor Rosier auch schon verschwunden.

"Gute Reise gehabt?", empfing Sirius mich, der bereits eine erleuchtete Fackel in der Hand hielt.

Regulus lehnte geradezu gelangweilt an der schweren Eisentür und warf einen Blick auf eine silberne Taschenuhr, die an seiner Weste hing. Diese Uhr hatte ich schon früher einmal an ihm gesehen. Sie wirkte geradezu antik. Vielleicht war sie das ja tatsächlich...

"Wir haben zwar drei Stunden, doch wir sollten nicht trödeln", grummelte er und stieß die Tür auf.

"Na das kann ja nur heiter werden", scherzte ich und schlenderte dem jüngsten Black hinterher, während Sirius hinter mir die brennende Fackel hielt und lachte.