Chapter Text
Charlie POV
„Noch zwei Stunden, dann haben wir es endlich geschafft", stöhnte ich, lehnte mich in meinem Sitz zurück und strich mir über die schwarzen, schulterlangen Locken. Der Tag zog sich bis zum geht nicht mehr und nun hatten wir nur noch eine Vorlesung, die wir überleben mussten.
Ich erschrak, als meine beste Freundin Talia mit einem lauten Rumms ihren Kopf auf die Tischplatte knallen ließ, sodass man nur noch ihre rot-blonden Haare sehen konnte, die in wilden Wellen um ihren Kopf und bis auf ihr Schlüsselbein fielen. „Ey, du Holzkopf!", beschwerte ich mich, „Hör auf, den armen Tisch zu misshandeln!" Sie drehte den Kopf und schaute mich aus ihren blitzenden grünen Augen an, woraufhin ich meine dunkelbraunen verdrehte.
Sie kam leider nicht dazu, irgendwas zu erwidern, da stolzierte auch schon unsere Englischprofessorin Frau Lennox herein. Man sah ihr direkt an, welches Fach sie hatte, mit ihrem grauen T-Shirt mit britischer Flagge, darüber eine Jeansjacke, auf der dieselbe eingestickt war, eine enge 7/8 Jeans mit kleinen roten, blauen und weißen Glitzersteinchen unten an den Beinen und Chucks, natürlich ebenfalls mit einer Flagge des vereinigten Königreichs.
Das Seltsame an ihr war, dass neben ihr ein Flugzeug explodieren konnte und sie es nicht hörte, sie jedoch wie so ein Trüffelschwein aus bestimmt 5km Entfernung ein Kaugummi roch, was sie auf den Tod nicht ausstehen konnte. Wirklich, bei anderen Professoren konnte man in der hintersten Reihe grillen und es interessierte sie nicht, im Gegenteil, Professor Schulz hatte einmal sogar mitgemacht, aber bei ihr waren sogar Kaugummis verboten. Innerlich stöhnte ich auf, die Britta konnte ich gerade gar nicht ausstehen.
Da gerade sowieso keine Klausurenphase war, schaltete ich bald ab und begann, ein wenig auf meinem Collegeblock zu kritzeln. Natürlich benutzte ich einen Laptop für meine Notizen, aber Papier war doch sehr nützlich, um ein wenig zu zeichnen, oder Leuten Nachrichten zukommen zu lassen. Da drehte sich Leo in der Reihe vor uns zu uns um und schob Talia einen zusammengefalteten Zettel zu, den sie sogleich öffnete. Er entpuppte sich als ein blauer Flyer mit großer weißer Schrift und noch bevor sie ihn vorlas, wusste ich, worum es ging.
„Cool, heute Abend ist wieder Kinoabend im Physik Hörsaal", meinte sie.
„Was läuft denn?", fragte ich mit halbem Interesse. Sie schaute unten auf dem Flyer nach und grinste mich breit an.
„Hobbit!"
„Muss das sein?", fragte ich seufzend. „Ja, dann kannst du die Filme auch endlich mal sehen."
Dazu hatte sie mich schon seit Jahre überreden wollen, doch bisher hatte ich dem immer ausweichen können. Ich hatte wirklich keine Lust auf irgendwelche Fantasy Schmachtfetzen mit Elfen und Prinzen und so einem Schwachsinn.
Doch es schien, als könnte ich dem diesmal nicht ausweichen, denn sie schaute mich mit großen grünen Augen flehend an, bis ich die Augen verdrehte. „Na gut, ich gehe mit dir hin." Sie wäre fast aufgesprungen und hätte laut gejubelt, das konnte ich ihr ansehen.
Endlich waren wir aus der Uni raus und schlenderten über den Campus, wobei Talia strahlte wie ein Honigkuchenpferd und mir immer wieder erwartungsvolle Blicke zuwarf. „Na komm schon, erzähl mir, worum es geht", seufzte ich und die Jüngere grinste mich breit an.
„Der Regisseur heißt Peter Jackson und die Filme sind der Wahnsinn. Es ist eine Romanverfilmung, des berühmten Kinderbuches von John Ronald Reuel Tolkien. Die Filme handeln von dem Mut, Großes zu tun, auch wenn man selbst sehr klein und unscheinbar ist. Sie handeln von wahrer Freundschaft und nicht zu vergessen von einem unglaublichen Abenteuer.
Die Handlung ist die, dass sich Thorin Eichenschild und seine Gemeinschaft von 12 Zwergen und einem Hobbit auf den Weg zum Erebor machen, um den Einsamen Berg, die Heimat der Zwerge, aus den Fängen des Drachen Smaug zu erobern. Ihr Weg führt sie aus den Blauen Bergen durch das Auenland, nach Bruchtal, über das Nebelgebirge und schließlich durch den Düsterwald und Esgaroth, einmal durch Mittelerde. Das war jetzt nur eine Kurzfassung, aber ich will natürlich auch nicht spoilern."
„Es klingt total kitschig", brummte ich nur. „Ach was, es wird dir gefallen." Das bezweifelte ich stark, doch ändern konnte ich an meiner Situation nichts mehr.
Zurück in unserer WG, die wir uns mit einer Medizinstudentin namens Carolina teilten, wirbelte die Rothaarige sogleich herum, suchte Snacks, Getränke und Decken zusammen, obwohl mir das etwas übertrieben schien. „Was ist denn mit ihr los?", fragte Carolina, die gerade zur Tür hereingestolpert kam und strich sich ihren hellbraunen Pony aus der Stirn. „Irgendwie hat sie mich überredet, heute Abend im Campuskino mit ihr Hobbit zu schauen." „Sind das nicht die Filme, die sie so liebt?" Ich nickte ergeben. „Caro, cool, dass du hier bist. Kommst du heute Abend mit zum Filmabend?" Überrumpelt wanderten ihre braunen Augen von Talia zu mir und wieder zurück, wobei ich ein lautloses „Bitte" formte. Allein würde ich das nicht überstehen. „Na gut", willigte sie schließlich ein, da fiel meine seltsame beste Freundin ihr auch schon um den Hals.
Die nächsten Stunden waren beinahe unerträglich, da wir uns die komplette Vorgeschichte von dem Spaß anhören, wie auch sämtliche Trailer ansehen durften.
„Also ich muss sagen, es sieht doch nicht so schlecht aus", meinte Carolina und ich brummte nur missmutig. Schließlich zeigte die Uhr 18:30 und wir machten uns auf den Weg zurück zur Uni, damit wir pünktlich um 19:00 Uhr da sein konnten.
Auf dem Weg begegneten uns einige andere Studenten, da sich in unserer Nähe noch mehr WGs befanden. Eine Gruppe Jungs spazierte vor uns, darunter auch Leo, der mir das alles erst eingebrockt hatte.
„Hey Caro, ich bin vom Pannendienst und würde dich gerne abschleppen!", rief der Blonde, sobald er uns sah. Er und einige Freunde hatten irgendwie eine Wette am Laufen, wer sich mit dem schlechtesten Anmachspruch ein Mädchen klären konnte. Bei mir trauten sie sich das zum Glück nicht, seit ich Marc einmal die Nase gebrochen hatte, und Talia stand unter meinem Schutz, das wussten sie. Die Braunhaarige stieß einen verächtlichen Laut aus, wirkte aber dennoch eingeschüchtert. Talia schaute sie aufmunternd an, während ich missmutig zu der Truppe schaute. Meine Planung für diesen Abend war schon beschissen genug, da brauchte ich nicht auch noch diese Vollspacken. „Na, wohin des Weges?", fragte Talia motiviert. „Zum Ort des Filmes, holde Maid", säuselte Manni, eigentlich Manfred, ein absoluter Streber, Liebling aller Professoren, Schleimbolzen, aber an sich ganz nett. „Ach, wollt ihr auch Hobbit schauen?", fragte meine beste Freundin glücklich. „Um ehrlich zu sein hatte ich keine Ahnung, was heute läuft", gestand Aslan, Leos Kumpel.
Schließlich erreichten wir die Uni und im Physiksaal waberte der fettige Geruch von Pizza zu uns herauf, die das Orga-Team bestellt hatte. Mit einem genervten Stöhnen ließ ich mich auf einen Platz in der ersten Reihe fallen, die Talia für uns ausgesucht hatte. Es waren bereits einige andere Studenten da und zu meinem tiefen Bedauern erblickte ich sogar Frau Lennox, die ganz in unserer Nähe saß.
„Na, keine Lust auf den Film?", fragte mich Violet. Ich verdrehte nur die Augen und sie reichte mir wortlos eine Packung M&Ms. Dann ging es auch schon los und zu meiner Überraschung funktionierte die Technik unserer steinalten Uni ausnahmsweise Mal. Ich hatte schon gedacht, dass es daran scheitern würde.
Es begann mit kitschiger, geheimnisvoller Musik und einem alten Knacker. Wer war das denn? Und wer zur Hölle war Frodo? Anschließend wurde eine Landkarte gezeigt, die ich als Mittelerde identifizieren konnte. Zumindest so viel hatte ich verstanden. Erebor, der Ort musste ja wirklich krass sein, wenn der so angepriesen wurde. Tal? Wer nannte denn eine Stadt auf einem Berg Tal? Genau das fragte ich dann auch Talia.
„Thal wird mit h geschrieben, das ist was anderes." Dann sah man das Königreich Erebor und mir blieb kurz die Spucke weg. Alter, der Ort war ja der Hammer! Nicht wirklich so, wie ich mir mein Traumhaus vorstellen würde, aber gar nicht mal schlecht. Dann erzählte der Knacker weiter von Thror, den mächtigsten aller Zwergenfürsten. Warte... war der nicht in Marvel dabei? Das war doch der mit dem Hammer! Was wollte der dann in Mittelerde? Und vor allem, wenn es ein Mittelerde gab, wo waren dann Über- und Untererde?
Ich beschloss, mich nicht mehr so viel zu fragen, sondern meine Aufmerksamkeit der Handlung zu widmen. Gerade stolzierte eine Frau mit langen weißen Haaren und Gestrüpp auf dem Kopf auf den Thron der Zwerge zu.
Äh, ... Elbenkönig? Das war ein Mann? Hatte auf jeden Fall so krasse Augenbrauen wie Julian aus meiner Zeit in der Mittelstufe. Okay, die hatten irgendwie Stress miteinander, also Thror und der Elb. Gold, böse, bla bla bla. Smaug? Irgendwie ein süßer Name für einen fürchterlichen Drachen.
Dann ging es auch schon los mit einer fiesen Kampfszene, bei der die Zwerge jedoch nicht gut abschnitten. Innerhalb von Sekunden fackelte die fliegende Echse ganze Armeen der Zwerge nieder. Als der Zwergenprinz jedoch seinen Kumpel hinter eine Säule zerrte und das Feuer gerade so an ihnen vorbeizischte, ohne ihnen ein Haar zu krümmen, merkte ich, wie unrealistisch das ganze doch war.
Sie schafften es gerade noch so aus dem brennenden Berg, wobei der Prinz seinen senilen alten Opa hinter sich her schleifen musste, weil der so geil auf das Gold war. Atemlos waren sie draußen und während um sie herum die Welt unterging, erschien die blonde Barbie von vorhin auf einem riesigen... Elch? Zugegeben, eine interessante Wahl für ein Reittier. Hinter ihm stellte sich eine ganze Armee auf und ich konnte mir denken, worauf das hinauslief. Die Elben würden sich in den Krieg stürzen, versagen und ganz Mittelerde würde dem Untergang geweiht sein wegen dieses Drachen.
Dann bemerkte ich jedoch den kühlen Blick des Königs, während der Zwergenprinz schrie: „Helft uns!" Für einen Moment geschah nichts, dann drehte sich der Elbenkönig um und ging. Hatte der jetzt seine ganze riesige Armee da versammelt, um nichts zu tun? „Thranduil wollte das Leben der Seinen nicht aufs Spiel setzen", plauderte die Erzählerstimme weiter. Okay, Elben sind asozial, ist notiert.
Wir waren gerade zurück bei den Hobbits, wo der alte Knacker plötzlich wieder jung war und in weißer Schrift 60 Jahre zuvor auf dem Bildschirm erschien, als ein lauter Knall ertönte und das Bild schwarz wurde. Der Beamer knackte verdächtig und stürzte dann von der Decke des Hörsaals. Violet wich schnell aus und schon zerschellte das Gerät in viele brennende Teile.
In unwahrscheinlicher Geschwindigkeit war das Zimmer gefüllt mit Rauch und mir wurde schwindelig. Um mich herum schrien die anderen Studenten durcheinander und Frau Lennox, die einzige Professorin an Bord, versuchte, sie irgendwie zu beruhigen. Mehr bekam ich nicht mehr mit, denn dann wurde alles schwarz.
