Chapter 1: Mut zur Veränderung
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Dass Adam hier, in ihrem winzigen Badezimmer, auf einem der Küchenstühle hockte, dabei einen Müllsack als Cape um die Schultern trug und mit brav gescheitelter Frisur missmutig in den Spiegel starrte, passte ihm überhaupt nicht.
Noch weniger passte ihm Vincents ehrliche Begeisterung, mit welcher dieser die Rückseite einer Pappbox las, auf der mit großen Buchstaben 'Blondierung' stand.
Kaum zu glauben, dass Adam sich schon wieder zu einem von Vincents Experimenten breitschlagen lassen hat. Einmal im falschen Moment nicht schnell genug nein gesagt und schon saß man an einem Samstagnachmittag in Unterhose und Müllsack vor dem Badezimmerspiegel.
Vincents Stirn kräuselte sich in Konzentration. Er trug ein fleckiges T-Shirt, auf welchem die Pussycat Dolls aufgereiht posierten, eine graue Jogginghose der Marke Adidas und eine notdürftige Frisur, bestehend aus wilden Locken, einem grünen Haargummi und viel Hoffnung. Vincents offizielles Arbeitsoutfit.
Adam wusste, dass das nichts Gutes bedeutete. Das letzte Mal, als er diesen Look an seinem lockigen Freund gesehen hatte, musste er im Anschluss helfen, eine annähernd drei Meter große Palme in die vierte Etage zu hieven.
Gefunden auf Ebay Kleinanzeigen.
Nimmt jetzt zirka sechzig Prozent ihres Wohnzimmers ein und sorgt für ein “harmonisches Raumklima”.
Heute ging es Adam wohl höchstpersönlich an den Kragen.
"Wirkt jetzt irgendwie nicht so, als hättest du das schonmal gemacht", bemerkte Adam verdrossen, als hinter ihm die Packungsrückseite ein drittes Mal gelesen wurde.
"Ruf halt meine Schwester an, wenn du mir nicht glaubst", entgegnete Vincent gelassen und riss nun doch endlich die Packung auf.
"Ja klar, dann kann ich mir aus erster Hand anhören, was für 'ne Katastrophe das war", brummte Adam und beobachtete wie Vincent den Schachtelinhalt auf dem kleinen Badschrank neben dem Waschbecken kippte.
"Erzähl keinen Quatsch. Außerdem basiert das hier immer noch alles auf Freiwilligkeit.”
Voller Elan fischte Vincent zwischen einem Pinsel und verschiedenen Tuben zwei dünne Handschuhe hervor und zog diese entschlossen über.
Adam schnaubte trocken.
"Weiß nicht, ob ich das freiwillig nennen würde."
In Wahrheit bearbeitet Vincent ihn seit ungefähr einem halben Jahr mit Vehemenz. War es ihm doch völlig unverständlich, warum Adam nicht verstand, wie gut er doch mit blondierten Haaren aussehen würde.
So wurde er aufgeregt flüsternd am Arm festgehalten, sobald eine auch nur im Ansatz blonde Person ihren Weg kreuzte, Magazine mit diversen Bilder blondierter Frisuren schoben sich wie von allein in Adams Sichtfeld und sehnsüchtige Finger strichen in regelmäßigen Abständen durch sein länger gewordenes Haar - gerne auch in Kombination mit einem unzufriedenen Seufzen.
Beim letzten gemeinsamen Einkauf in der Drogerie ihres Vertrauens fand er sich dann plötzlich in der Haarstyling-Abteilung wieder. Zufall sagen die Einen, ein gemeiner Hinterhalt die Anderen.
Wimpernklimpernd präsentierte Vincent die verschiedenen Optionen. Hielt dabei ein Plädoyer für Mut zur Veränderung. Man solle Chancen den notwendigen Raum geben.
Adam hatte keine Chance mehr. Er knickte ein.
"Glaub mir, du wirst mir noch dankbar sein", murmelte Vincent unbeeindruckt und strich behandschuht über Adams Haupt.
Beide wussten, dass Adams Hang zur Melodramatik bei weitem nicht so ernst gemeint war. Zu viel Zeit ist seit ihrem ersten Zusammentreffen vergangen, als dass das noch zur Debatte stand.
Adam meckerte eben gern, weil andere Gefühle zeigen halt oft nicht einfach war, und Vincent war stur und herzlich genug, um sich davon nicht abschrecken zu lassen.
Sanft kraulten Finger durch Adams Strähnen. Am Hinterkopf, in den Nacken, zu den Schläfen und wieder zurück. Stets bedacht um den mühsam geformten Scheitel herum. Das leise Knistern der Plastik-Handschuhe hatte beinahe etwas meditatives.
Einer der simpleren Kniffe aus Vincents Trickkiste.
Ein Friedensangebot.
Erfolgschancen: garantiert.
Er ließ seine Finger noch ein paar Kreise ziehen, ehe er versöhnlich beide Hände seitlich an Adams Kopf platzierte, um diesen gerade auszurichten.
Noch bevor Adam Protest ankündigen konnte, intervenierte Vincent prompt.
"Kein Wort mehr jetzt. Ich muss mich konzentrieren. Sonst wird es am Ende doch noch blau."
Stumm klappte der noch Dunkelblonde seinen Mund wieder zu.
Beschäftigt wuselte Vincent- nun wieder mit Pinsel in der Hand - hinter Adam herum.
Dieser gab sich stumm seinem Schicksal hin und betrachtete das Schauspiel nun doch mit einem unterdrückten Grinsen im Spiegel. Sah zu, wie Vincent verschiedene Tuben anleitungsgetreu in eine dunkelblaue Plastikschüssel leerte und deren Inhalt mit einem Ausdruck von Genugtuung zusammenrührte.
Ein chemischer Geruch nahm langsam das Badezimmer ein.
“So, ich denke, das sollte soweit passen”, verkündete Vincent, während er nochmals mit einem Auge die Anleitung überflog. Anscheinend von seinem Tun überzeugt, raffte er sich auf und strahlte Adam begeistert im Spiegel an.
“Bereit für die beste Entscheidung deines Lebens?”
Ergeben brummte Adam. Für Flucht war es dann doch leider zu spät.
Augen zu und durch.
Munter begann Vincent die erste Ladung auf gescheitelten Haar zu verteilen.
"Huch."
Alarmiert öffnete Adam seine Augen. Doch anstatt der erwarteten Rauchwolke über seinem Kopf oder urplötzlichen Haarausfall, blickte Vincent auf einen Kleks Blondierung auf den hässlichen Badezimmerfliesen.
Erleichterung wich dem Schreck.
Aus Mangel an Alternativen wischte Vincent kurzerhand den Fleck mit seiner Socke auf.
Adams Augenbraue wanderte vielsagend nach oben. Bereute es, nicht doch nochmal bei Vincents Schwester durchgeklingelt zu haben.
Doch es half nichts.
Vincent war bereits wieder hochmotiviert an der Arbeit.
Ein wenig später fand sich Adam immer noch in Unterhose und do-it-yourself-Cape im heimischen Badezimmer.
Erstaunt fuhr er durch seine nun aschblonden Haare.
Er fand es großartig.
Es war anders. Ein anderer Adam. Ein neuer Adam.
Sein Scheißvater würde es hassen. Er will sich gar nicht ausmalen, welche Begriffe ihm zu seinem neuen Look einfallen würden. Ein weiterer Pluspunkt auf der Liste.
Vincent blickte Adam mit einem zufriedenen Lächeln über seine Schulter hinweg im Spiegel an. Den Föhn noch halb im Anschlag.
Von nun an fand Adam sich regelmäßig im hauseigenen Friseursalon wieder.
Chapter 2: Zuhause
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"…beflügelnde Energie fließt durch deine Beziehungen. Das Universum ermutigt dich, dich mit deinem inneren Selbst und deinen Liebsten auf einer tiefen, seelischen Ebene zu verbinden. Deine Intuition ist besonders stark. Lass Liebe ungehindert fließen und vertraue auf das, was das Universum dir schenkt."
"Du solltest wirklich aufhören den Scheiß zu lesen, als wär's der Wetterbericht."
Adam wusste genau, welche Art von Blick er in diesem Moment kassierte. Dafür musste er nicht einmal die Augen öffnen. Viel lieber genoss er das schummrige Licht der Lichterkette am Bettpfosten, welches goldene Punkte durch seine geschlossenen Lider tanzen ließ.
"Mit der Einstellung machst du es meiner seelischen Ebene nicht sonderlich leicht, sich mit deiner zu verbinden."
Ein amüsiertes Grunzen entwich Adam.
"Vielleicht muss dir dein Universum mehr unvertraute Liebe oder so schicken."
Nun war an es Vincent leise zu schnauben.
"Wohl eher einen neuen Mitbewohner."
Adam schlug nun doch die Augen auf und ließ den Kopf zur Seite fallen. Vincent lag bäuchlings neben ihm auf dem Bett. Das Kinn auf seiner Hand abgesetzt und gerade dabei mit spitzen Fingern hochkonzentriert die Seite seines Magazins umzublättern.
Als sich ihre Blicke trafen, konnten sie nicht anders als sich gegenseitig blöd anzugrinsen.
"Touché", murmelte Adam und kehrte nun doch wieder in seine Ausgangsposition zurück, um die goldenen Punkte wieder tanzen zu lassen.
Ein angenehmes Schweigen vermischte sich mit der leisen Musik aus Vincents Stereoanlage. Das leise Rascheln des Hochglanzpapieres zwischen Vincents Fingern sowie dessen warmer Körper lullten Adam ein.
Diese Abende hier so mit Vincent fühlten sich ganz leicht an. Er hatte lange gebraucht, um dieses Gefühl für sich wieder zuzulassen. Lange kam es einher mit einem tiefsitzenden schlechten Gewissen. Es gab Momente, da tat es das immer noch. Die wird es wohl immer geben. Denn dieses Gefühl wird auch immer mit dem Baumhaus verbunden sein. Dort hat er sich das erste Mal so gefühlt. Sicher, irgendwie so weich und ohne das Bedürfnis nach Fassade.
Aber das ist wohl okay. Sagt zumindest Vincent. Und der muss es ja wissen. Schließlich studiert der ja den ganzen Quatsch nicht umsonst. Aber etwas zu wissen und etwas für sich anzunehmen sind leider zwei verschiedene Paar Schuhe.
Vincent hatte damals nicht lange benötigt, um Adam zu durchschauen. Weiß um den Witz und die Fürsorge, die Adam wirklich ausmachen. Fand in ihn erst einen Mitbewohner und später einen Freund, der ihn annahm, wie er war.
Und für Adam ist Vincent sowieso einer der besten Menschen auf der Welt. Auch wenn er den Teufel tun würde, ihm das zu sagen.
Vincent hat es Adam immer leicht gemacht. Leistete Widerstand an den richtigen Stellen und hörte still zu in den lauten Momenten.
Sie waren miteinander gewachsen.
Sind einander Familie geworden.
Auch wenn Vincent Adam mit seinem Psychologenkram manchmal zum Rande der Weißglut brachte, so bedeutete Vincent Beständigkeit. Verlässlichkeit.
Etwas, was er bei Leo kennenlernen, aber nie behalten durfte. Zu groß war damals die Bedrohung durch seinen Vater.
Hier in Berlin hatte Adam das erste Mal sowas wie ein Zuhause.
Ein Zuhause, von dem man nicht weglaufen muss. Ein Zuhause, wo man bleiben kann. Vielleicht auch ein Zuhause, zu dem man zurückkehren kann.
Vielleicht ist Adam irgendwann mutig genug, um das auch auszusprechen.
Vielleicht dann, wenn Vincents komische Sterne mal im richtigen Dreieck stehen.
Chapter 3: Trösten lernen
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Als Adam die Wohnungstür hinter sich schloss, empfing ihn der Flur mit einer immensen Kälte. Beinahe theatralisch wehten die Küchenvorhänge im frostigen Herbstwind.
Es war Ende November. Nicht unbedingt die ideale Zeit zum Dauerlüften.
“Vince?”
Keine Antwort. Einzig der Verkehrslärm fand stetig brummend seinen Weg durch die geöffnete Balkontür.
Haare richteten sich auf Adams Armen auf. Mit der Kälte hatte dies nichts zu tun.
Hier stimmte etwas nicht.
Automatisch wollte Adam nach seiner Dienstwaffe greifen - doch anstatt dem mittlerweile vertrauten Holster fasste er nur ins Leere. Natürlich befand sich alles fein säuberlich abgeschlossen auf der Dienststelle.
Scheiße.
Aus Mangel an Alternativen angelte Adam den Regenschirm von der Garderobe.
Nicht optimal, aber besser als nichts.
Adams Herz klopfte wild, als er leise in die Küche trat und weiter Richtung Balkon schlich.
Als er nah genug war, um durch die Tür nach außen zu schauen, entdeckte er schließlich doch seinen Mitbewohner. Er schien allein zu sein, lehnte an dem metallenen Geländer und trug diesen sehr violetten Mantel, welchen er im vergangenen Jahr mit leuchtenden Augen einer älteren Dame auf dem Flohmarkt abgekauft hatte.
Kalter Zigarettenrauch lag in der Luft.
Adams Haltung entspannte sich unwillkürlich.
“Vince?”
Erschrocken fuhr Vincent herum. Wischte sich hektisch mit dem Ärmel über die Wangen. Doch es hätte kaum offensichtlicher sein können, dass er geweint haben musste. Die Augen rot unterlaufen, die schwarze Umrandung verlaufen und das Gesicht fleckig und nass.
“Gott, hast du mich erschreckt”, schniefte Vincent und klopfte die Asche seiner Zigarette in eine alte Tasse, die für diese Zwecke ihre Heimat in einem ihrer Blumenkästen gefunden hatte.
“Frag mich mal”, murrte Adam und legte den Schirm achtlos auf ihren Küchentisch ab, bevor er neben Vincent auf den Balkon trat. Winzig war er. Mit zwei ausgewachsenen Männern auch bereits gut gefüllt, aber für Berliner Verhältnisse purer Luxus.
Wortlos steckte Vincent eine weitere Kippe an und reichte sie an Adam weiter.
Dieser nahm sie entgegen und blickte stirnrunzelnd in das tränenverschmierte Gesicht.
“Was'n los?”
Es grenzt an Rarität, dass Adam als Erster eine emotionale Angelegenheit ansprach. So ist es doch ein wahrhaft unsicheres Terrain, auf welches er sich da begab und in ihrem Zweigespann eigentlich eher Vincents Ding.
Doch lief hier offenkundig etwas so sehr schief, dass selbst für Adam höchste Handlungsnotwendigkeit bestand.
Adam tat sich schwer mit Trösten und gutem Zureden. Früher dachte er, er habe nicht genügend Geduld oder Gefühl für solche Duseleien.
Irgendwann bemerkte er allerdings, nicht ganz ohne Vincents Zutun, dass er einfach nie die Chance gehabt hatte, das Trösten zu lernen.
Andere Kinder wurden in den Arm genommen. Da wurden Tränen von der Wange gewischt und auf Schürfwunden gepustet.
Adam hatte das nicht. Adam lernte resistent zu sein. Keinen Grund für Tränen zu haben.
Viele Jahre später, in einer Berliner WG, nahm sich Adam vor, das Trösten zu lernen.
Vincent schwieg. Blickte mit traurigen Augen auf die gegenüberliegende Häuserfassade und nahm einen tiefen Zug von seiner fast aufgerauchten Zigarette.
Adam tat es ihm gleich und wartete. Er wusste, dass manche Antworten Zeit benötigen.
“Ach, es ist eigentlich nichts. Nur weißt du… es ist wieder wegen David.”
David.
Der Name reichte, um neue Tränen über Vincents Wangen laufen zu lassen. Weit kamen sie nicht. Wurden direkt von einem violetten Mantelärmel grob abgewischt und bildeten weitere kleine dunkle Flecken auf dem Stoff.
“Was, dieser Vogel von dieser Party letztens?”
Adam runzelte die Stirn und versuchte sich an das Gespräch zu erinnern, was vor geraumer Zeit in ihrer Küche vonstattenging.
Da war irgendein Uni-Austauschtreff oder sowas in der Art von irgendeinen Seminar gewesen. Und ja, Vincent hatte seitdem immer wieder etwas von einem David erzählt. Sportpsychologie machte der wohl.
Adam hatte sich noch gewundert, ob es a) so einen Quatsch überhaupt wirklich gibt und b) welche Spinner sowas dann auch noch studieren. Doch triefte Vincents Stimme nur so von Begeisterung, weshalb Adam ausnahmsweise seinen Kommentar schluckte.
“Nenn's nicht gleich Party, aber ja.” Die Zigarette seines Mitbewohners war bis auf den Filter herabgebrannt. Mit spitzen Fingern wurde sie in der Tasse ausgedrückt.
Argwöhnisch musterte Adam Vincents Profil.
"Hat er dir was getan?"
Vincents lachte ein seltsam freudloses Lachen und stützte sich mit beiden Händen auf das Geländer ab. Das Metall unter seinen Händen musste eiskalt sein.
"Ja, kann man wohl sagen."
Alarmglocken begannen in Adams Kopf zu schrillen. Wut schäumte in sekundenschnelle heiß in seiner Magengegend. Nervös zuckten seine Finger, drohten seine Zigarette zu verdrücken.
Vincent registrierte Adams veränderte Körperhaltung sofort.
“Aber jetzt nicht so, wie du denkst. Er hat mich abserviert.”
Er schluckte hart und fügte bitter hinzu: "Wenn es überhaupt schon was zum Abservieren gab."
So sehr Adam die aufkommende Erleichterung begrüßte, umso mehr traf ihn der Tonfall seines Freundes.
"Warum...äh...”, Adam wedelte etwas unbeholfen mit seiner Zigarette herum, “...also warum hat er dich denn abserviert?"
Vincent drehte sich herum. Lehnte sich nun an das Geländer, zog den Ausschnitt seines Mantels näher zusammen und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Sein Mund bildete ein trauriges Lächeln.
"Ja, warum? Keine Ahnung. Vielleicht war es ihm alles zu viel. Oder ich war ihm zu viel. Vielleicht war es für ihn auch nur ein netter, kleiner Flirt. Ich weiß es nicht."
Vincents Augen schimmerten.
“Das Ding ist halt, ich glaube, ich mochte ihn. So richtig, meine ich.”
Er wirkte so verloren, wie er da mit hängenden Schultern und schmerzerfüllten Blick vor ihm stand. Adam wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Am liebsten würde er diesem David-Arschloch einen persönlichen Besuch abstatten. Ihm zeigen, was passierte, wenn man dermaßen mit Vincent umging.
Adam atmete tief durch.
Stumm nahm er Vincent in den Arm.
Vincent zitterte. Vielleicht vor Kälte, vielleicht auch nicht. Adam wusste es nicht - Schlang seine Arme einfach noch ein wenig fester um ihn.
Viel zu oft schenkte Vincent den falschen Männern sein Herz. Dieses Mal schien es ihn besonders hart getroffen zu haben.
Adam spürte den klammernden Griff seines Freundes im Stoff seiner Jacke. Vincents Atem ging stockend. Vorsichtig legte Adam seine Wange an die Schläfe vor sich. Strich erst zögerlich, dann mutiger Kreise über den gebeugten Rücken.
Wäre da nicht die scheiß Kälte, hätte man beinahe etwas Schönes daran finden können.
Adam verlor das Zeitgefühl. Er hielt seinen Freund fest und atmete tief.
Irgendwann regte sich Vincent in seinen Armen. Hob den Kopf und sah ihn an. Die Augen noch gerötet, aber doch sichtlich gefasster.
“Danke, Adam."
Er schniefte und blickte über Adams Schulter hinweg.
"Sorry, für das da.” Mit einer wagen Geste deutete er Richtung offene Balkontür, während er sich von Adam löste.
“Ich brauchte vorhin irgendwie einen dramatischen Moment", gab Vincent beinahe etwas peinlich berührt von sich und strich sich durch die braunen Locken, um etwas an Frisur wiederzugewinnen.
“Passt schon, ich verrat's nicht weiter”, versicherte Adam mit zuckendem Mundwinkel und zupfte an einer schräg anstehenden Locke.
“Ein Glück”, murmelte Vincent und steckte sich nach kurzer Überlegung doch nochmal eine Kippe zwischen seine Lippen.
Mit langen Fingern klaute sich Adam ebenfalls eine aus der halbleeren Schachtel und ließ sich das Feuer geben.
Für den Moment rauchten sie still nebeneinander, hingen ihren Gedanken nach, bis Adam erneut das Wort ergriff.
"Was ist jetzt eigentlich der Plan? Soll ich zu diesem David fahren und ihm eine auf die Fresse hauen? Weiß der eigentlich, dass dein Mitbewohner bei den Bullen ist?"
Vincent lachte leise, lehnte seinen Kopf an Adams Schulter und hakte sich vorsichtig unter.
"Ach, Adam. Wenn's so einfach wäre."
Er zog an seiner Zigarette, behielt den Rauch für einen Moment gefangen, ehe er ihn im hohen Bogen über die Brüstung des Balkons schickte.
“Aber danke fürs Angebot. Ich überlegs mir noch.”