Chapter Text
Am nächsten Tag erwachte Shikamaru mit einem flauen Gefühl im Magen aus einem unruhigen Traum. Um ihn herum schwankte alles. Er blickte sich kurz in der Kabine um, aber die anderen waren schon aufgestanden. Als er ziemlich wacklig von seiner Koje heruntergeklettert war, wollte er die Tür zum Badezimmer öffnen. Natürlich war sie verschlossen.
„Lästig...“, murmelte er vor sich hin und spürte, wie sich ihm der Magen unangenehm hob, als das Schiff kurz zu fallen schien.
„Shikamaru, komm lieber hoch, an der frischen Luft fühlt man sich ein bisschen besser!“
Ino hatte von außen die Tür zum oberen Deck geöffnet und lugte die steile Treppe herunter.
Ihre langen blonden Haare peitschten im Wind um ihr Gesicht, und sie versuchte vergeblich, sie mit einer Hand etwas im Zaum zu halten.
„Zieh dir bloß den Regenmantel über, sonst bist du innerhalb von ein paar Sekunden plitschnass hier oben!“
Shikamaru grummelte weiter und holte seinen Mantel, wobei er abwechselnd von einer zur anderen Seite schwankte. Er kletterte nach oben und trat hinaus in den tobenden Sturm. Die anderen saßen neben der Tür unter der kleinen Überdachung, die bei diesem Wind aber nicht viel Schutz vor dem Regen bot. Lee, Tenten und Chouji, der wohl gerade noch im Bad war, hatte die Seekrankheit am schlimmsten erwischt, während Ino noch recht munter zu sein schien und Neji einfach genauso war wie immer.
Shikamaru musste Ino recht geben, draußen an der frischen Luft fühlte er sich etwas besser. Aber der Wind war eiskalt, und obwohl sie alle ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen und ihre Mäntel um sich geschlungen hatten, froren sie. Tenten klammerte sich zitternd an Lees Arm, der sich wiederum an einen Holzeimer klammerte, den er vor sich auf dem Schoß stehen hatte.
Shikamaru setzte sich neben Neji, der noch ein wenig zur Seite rutschte, um Platz zu machen.
„Wenn das Wetter so bleibt, können wir unser Training heute vergessen!“, rief Shikamaru und stellte überrascht fest, dass ihn der Gedanke etwas enttäuschte. Neji hatte seine Sache gestern wirklich zu gut gemacht.
„Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage!“, erwiderte Lee laut und vergaß für einen Moment, wie elend er sich gerade fühlte.
„Wir dürfen uns von diesem Windchen nicht unsere Pläne durchkreuzen lassen! Wenn wir gemeinsam dagegen ankämpfen, schaffen wir es. Ich habe dir versprochen, ein guter Lehrer zu sein, Ino, und Sensei Gai würde in dieser Situation auch nicht einfach aufge...“
Entsetzt verstummte er und beugte sich über seinen Eimer.
„Igitt!“, rief Ino und drehte sich weg. Auch Tenten, die Lees Arm losgelassen hatte, wich etwas zurück, sah aber so grün aus im Gesicht, als bräuchte sie den Eimer gleich als Nächste.
Wenn Shikamaru selbst nicht auch so übel gewesen wäre, hätte ihn ihre Lage vielleicht amüsiert. Aber gerade wünschte er sich nichts mehr, als sich einfach übergeben zu können, damit er sich danach wenigstens kurzzeitig etwas besser fühlte.
Neji beugte sich leicht zu Shikamaru herüber und sagte:
„Ein bisschen könnten wir das Training trotzdem weiterführen, wenn du magst.“
Als Shikamaru ihn fragend ansah, fügte er hinzu:
„Wenn du es schaffst, dich wie gestern auf deine Atmung zu konzentrieren, könnte ich versuchen, deinen Chakrafluss so zu stimulieren, dass dir der Seegang nicht mehr so zu schaffen macht. Ich denke nur, damit wir auch Erfolg haben, sollten wir runtergehen. Hier draußen ist es zu laut und zu kalt.“
Das hörte sich natürlich nicht schlecht an. Shikamaru zuckte mit den Schultern.
„Von mir aus gerne, viel schlimmer kann es ja nicht mehr werden.“
Neji nickte und stand auf.
Nachdem sie den anderen ihre Pläne mitgeteilt hatten, machten sie sich auf den Weg nach unten. Drinnen war es zwar nicht gerade leise, aber es machte einen großen Unterschied, dass der Wind ihnen nicht mehr direkt um die Ohren pfeifen konnte. Dafür nahm Shikamaru das schreckliche Hin- und Herschwanken des Schiffes hier unten noch viel stärker wahr.
Er entdeckte Chouji, der mit einer Tüte Chips am Esstisch in der Ecke saß und fröhlich mampfte. Als Chouji die beiden sah, winkte er mit der Tüte und rief:
„Shikamaru, ich habe einen echt guten Trick herausgefunden. Wenn du die ganze Zeit ununterbrochen isst, dann bleibt keine Zeit mehr dafür, dass dir schlecht werden kann!“
Shikamaru seufzte. „Ein Wunder, dass du überhaupt noch was von deinem Knabberkram übrig hast. Aber bei deinem Tempo ist das bis zum Mittag alles aufgefuttert, und dann bringt dir dein Trick auch nichts mehr."
Chouji schüttelte den Kopf und murmelte: „Bis dann ist das Unwetter ja vielleicht schon vorbei.“
Woraufhin Neji antwortete: „So wie der Sturm draußen gerade tobt, wird es wohl mindestens bis abends auch noch so weitergehen.“
Und mit einem Nicken zu Shikamaru, das wohl bedeuten sollte, dass sie nun mit dem Training beginnen sollten, stand er auf.
„Willst du was abhaben?“, fragte Chouji und hielt Shikamaru die Chipspackung unter die Nase.
„Nee danke, ich glaube, ich bin ganz froh, wenn ich nicht so viel im Magen habe. Außerdem will Neji jetzt unbedingt unser Training weiterführen. Wir sehn uns nachher!“
Chouji schmollte, als Shikamaru aufstand und Neji hinterherlief. „Ja klar, lass mich hier alleine sitzen...“
Da in ihrem Zimmer viel zu wenig Platz war, bestimmten sie den schmalen aber langen Flur zu ihrem Trainingsplatz. Die Schiffsbesatzung war bei dem Sturm ohnehin oben auf dem Deck beschäftigt und sollte sich durch sie nicht gestört fühlen. Neji bedeutete Shikamaru, sich auf den Boden zu legen. „Es ist zwar nicht gerade der ideale Platz für unser Training, aber das können wir uns gerade nicht aussuchen. Wenn du es schaffst, dich wirklich gut zu konzentrieren, klappt es vielleicht. Lass dich nicht zu sehr von den Wellen ablenken, ich halte dich fest.“
Shikamaru kam es ziemlich doof vor, sich hier mitten im Flur einfach auf den Boden zu legen. Hätte er mit jemand anderem trainiert, hätte er sich vermutlich geweigert. Aber da Neji eigentlich immer alles ernst meinte, was er sagte, tat Shikamaru, wie ihm geheißen wurde. Er schloss seine Augen und versuchte, seinen Atem ruhig und gleichmäßig ein- und ausströmen zu lassen. Er spürte, dass Neji seine Hände auf seine Seiten legte und ihn mit leichtem Druck festhielt.
Es war anfangs tatsächlich alles andere als einfach, sich auf die eigene Atmung zu konzentrieren. Der Sturm tobte und das Schiff wurde auf dem Meer herumgeworfen. Shikamaru stellte sich vor, wie er auf dem schwankenden Boden hin und hergerollt wäre, wenn Neji ihn nicht festgehalten hätte. Das Knarren und Ächzen des Schiffes machte es Shikamaru schwer, seinen Atem zu hören, was die ganze Sache noch erschwerte. Und dann meldete sich auf einmal die Übelkeit wieder. „Ich versuche dich rechtzeitig zu warnen, aber ich kann nicht versprechen, dass ich mich nicht plötzlich übergeben muss."
Choujis Schnauben direkt hinter ihm ließ Shikamaru seine Augen wieder öffnen.
„Hast du gerade echt übergeben gesagt? Ich dachte, du findest, das sagen nur ganz schnöselige Leute!“
Chouji hockte hinter Shikamaru auf dem Flur und zerquetschte seine Chipstüte vor lauter Lachen. Neji, der etwas verärgert wirkte, weil Chouji ihr Training gestört hatte, fragte genervt: „Was soll denn daran so komisch sein?“
Chouji hörte sofort auf zu lachen und blickte etwas hilflos zu Shikamaru. Er war es nicht gewöhnt, dass Neji mit ihm sprach. Um es genauer zu sagen: er hatte vermutlich immer noch ein bisschen Angst vor ihm. Vor der Sasuke-Rückhol-Mission hatte er nie etwas mit Neji zu tun gehabt. Er wusste im Grunde nur von ihm, dass er Hinata beinahe getötet hatte. Ältere Schüler waren ihm sowieso irgendwie unheimlich und da Neji auch bisher noch nie nette Worte an ihn verloren hatte, mied er ihn so gut es ging.
Als Shikamaru nichts erwiderte lief Chouji leicht rosa an und murmelte: „Naja, normale Leute sagen doch nicht Oh nein, ich muss mich gleich übergeben, das heißt Achtung, ich kotze gleich!“
Shikamarus Blick schoss sofort zu Neji, der das offensichtlich nicht besonders witzig fand. Er blickte Chouji nur genervt an und sagte kalt: „Ach, sagen normale Leute so etwas also?“
Chouji schwieg und nickte leicht, wobei er Nejis Blick auswich. Shikamaru hatte ein schlechtes Gewissen. Er hatte überhaupt nicht gemerkt, dass er seine Worte an Nejis Art zu sprechen, die so viel erwachsener war, als er es von seinen Freunden gewohnt war, angepasst hatte.
„Chouji, tut mir echt leid, aber könntest du uns vielleicht kurz in Ruhe trainieren lassen? Es sieht vielleicht nicht so aus, aber es ist gerade auch so schon schwer genug, mich zu konzentrieren.“
Chouji blickte ihn enttäuscht an und stand auf, um zu gehen. „Ja klar, sorry.“
„Bis später!“, rief Shikamaru ihm noch schnell hinterher und hoffte, dass Chouji es ihm nicht übel nehmen würde. Er würde nachher noch einmal mit ihm darüber reden, wenn es sein musste.
„Dann können wir ja nun weitermachen.“, sagte Neji und Shikamaru schloss erneut seine Augen.