Chapter Text
Zwischen Dornen und Stein
Shikamaru starrte auf das Grab. Es war einfach nur eine große Steinplatte, wie alle anderen auch. Nur der Name, der darauf geschrieben stand, unterschied sie von den anderen. In der Vase ließen ein paar mickrige Blümchen die Köpfe hängen. Sie ließen das Grab fast noch trostloser aussehen. Wer machte sich immer noch die Mühe, die Blumen regelmäßig auszutauschen? Es war immerhin schon mehr als sieben Jahre her. Shikamaru tippte auf Hinata oder Lee. Aber eigentlich hatte er keine Ahnung. Er wusste nicht, wen das Ganze überhaupt noch kümmerte. Er war schließlich nie hier gewesen und hatte also auch nie jemanden hier angetroffen.
Auf dem Friedhof war er ab und zu, das war er seinem alten Herrn schuldig und viel mehr noch seiner Mutter, die ihn manchmal herschleppte. Aber er war auch gelegentlich von sich aus hergekommen. Nicht oft, aber doch ein paar Mal.
Nur nicht zu diesem Grab. Dieses Grab besuchte er jetzt gerade zum ersten Mal.
Shikamaru merkte, wie angespannt er war und überlegte kurz, ob er schnell eine Zigarette rauchen sollte. Aber dann müsste er weggehen und so, wie er sich kannte, würde er nicht mehr zurückkommen. Er konnte nicht hier rauchen, nicht vor ihm.
Verärgert schnaubte er. Er war doch gar nicht hier. Hier war nur der kahle Stein mit den sterbenden Blumen. Shikamaru besuchte einen Stein. Warum war er hergekommen?
Seit dem Ende des Krieges hatte er nicht mehr viel über den Vorfall nachgedacht. Er hatte so viele andere Dinge zu erledigen. Er musste mit dem Verlust seines Vaters zurechtkommen und für seine Mutter da sein. Er musste endlich erwachsen werden und Verantwortung übernehmen. Er musste heiraten und eine Familie gründen. Das alles wurde von ihm erwartet. Das war der Lauf des Lebens.
Er war nicht unglücklich. Er lebte vor sich hin und bemerkte das Loch in seiner Seele nicht, das ganz langsam, Stück für Stück, größer wurde und ihn dabei immer mehr verzehrte.
Jahre vergingen und Shikamaru lebte weiter. Bis vor ein paar Monaten diese Träume anfingen.
Zuerst konnte er sich kaum erinnern; er schreckte mitten in der Nacht hoch und hatte das Gefühl, der Boden sei unter ihm weggerissen worden. Er hatte das Gefühl, als sei alles, was ihm etwas bedeutete, auf einmal verloren. Er hätte am liebsten geschrien, um dieses schreckliche Gefühl loszuwerden, aber er tat es nicht, dachte an andere Dinge und schlief allmählich wieder ein.
Doch die Träume hörten nicht auf. Was anfangs nur ein Chaos aus Gefühlen und verschwommenen Bildern war, wurde klarer und bekam einen Namen. Shikamaru konnte die Träume nicht mehr einfach ohne Weiteres verdrängen und vergessen. Die Schuld, die ihn immer noch verfolgte, wurde ihm immer bewusster.
Shikamaru beobachtete von oben, wie er selbst auf einem dunklen Schlachtfeld vor ihm stand. Er streckte seine Hand nach Shikamaru aus, während dornige Ranken versuchten, ihn zurück zu zerren. Shikamaru sah zu, wie der Shikamaru dort unten seine hilfesuchende Hand wegstieß und sich abwandte. Immer und immer wieder träumte er ähnliche Szenarien, und fast immer konnte er nur beobachten, wie er ihm nicht helfen konnte oder wollte. Und wenn er es doch versuchte, endete es so, dass er aufwachte, weil sein Blut ihn zu ersticken drohte. Immer und immer wieder.
Bis er vor Kurzem sogar von seiner eigenen Stimme aufgewacht war. Er hatte seinen Namen gerufen.
Da er nicht alleine schlief, konnte er nur hoffen, dass seine Frau nichts davon mitbekam. Wie er sie kannte, war das jedoch so ziemlich unmöglich. Aber bis jetzt hatte sie ihn zumindest nicht darauf angesprochen, wofür er sehr dankbar war. Dass es so nicht weitergehen konnte, war klar. Also musste er sich ihm stellen. Oder sich selbst?
Es war nicht das erste Mal, dass er jemanden verloren hatte, erst recht nicht, dass er sich die Schuld daran gab. Aber in diesem Fall waren so viele unterdrückte Gefühle und verdrängte Erinnerungen im Spiel, dass Shikamaru nicht auf dieselbe Art damit umgehen konnte, wie er es beim Tod seines Senseis Asuma oder seinem Vater gemacht hatte.
Er hatte sich vorgenommen, zum Friedhof zu gehen und sich zu entschuldigen. Bei ihm. Hoffentlich würde er danach wieder besser schlafen.
Aber nun, da er vor dem Grabstein hockte, war ihm klar, dass sich dadurch nichts änderte. Er war nicht hier. Und was brachte es schon, mit einem Stein zu reden? Er war nicht hier und Shikamaru konnte sich nicht einmal mehr richtig an seine Stimme erinnern, oder daran, wie er gelächelt hatte. Es war alles ganz und gar nicht so, wie mit Asuma oder seinem Vater. Nein, es war so, als wäre er nie da gewesen.
Ist es, weil ich ihn schon zu lange vergessen hatte?
Natürlich war Shikamaru damals bei dem Begräbnis gewesen. Aber da waren so viele Leute, die sich verabschieden wollten. Leute, die viel mehr mit ihm zu tun gehabt hatten, die zu seinem Team oder der Familie gehörten. Seiner „Familie“…
Also hatte er vorgehabt, noch etwas zu warten und ihn bald einmal alleine zu besuchen. Aber dass dies mehr als sieben Jahre dauern würde, hatte er wohl nicht geplant. Je mehr Shikamaru darüber nachdachte, desto mehr fiel ihm auf, dass er all die Zeit lang nicht hergekommen war, weil er Angst gehabt hatte, hier jemanden zu treffen. Er wollte keine lästigen Fragen beantworten müssen. Was hatten sie schon jemals miteinander zu tun gehabt? Jede noch so kleine Ausrede, nicht das Grab zu besuchen, war gut genug für ihn gewesen.
Und jetzt war es zu spät. Er war nicht mehr hier. Er konnte ihn nicht mehr spüren.
Die Abendsonne tauchte den Friedhof in ein warmes, rötlich-orangefarbenes Licht, aber die Wärme erreichte Shikamaru nicht. Shikamaru starrte nur weiter auf den Stein.
Wenn ich mich nicht langsam zusammenreiße, geht schon die Sonne unter. Theoretisch kann ich die ganze Nacht hier sitzen. Temari ist mit dem Kleinen in Sunagakure. Ich muss nicht unbedingt zu Hause schlafen.
Shikamaru wollte es heute erledigen. Er konnte es einfach nicht mehr länger ignorieren. Jetzt war der beste Zeitpunkt. Er war jetzt allein und hatte die Möglichkeit, sich von der Vergangenheit, die versuchte, ihn zu erdrücken, zu lösen. Wenn nötig würde er also wirklich die ganze Nacht hier bleiben und auf eine Eingebung hoffen. Vielleicht konnte er ihn zurück hierher holen, wenn er die Erinnerungen an ihn zurückholte?
Doch auch, als Shikamaru versuchte, sich die frühesten Erinnerungen, die er an ihn hatte, ins Gedächtnis zu rufen, blitzten wieder nur die Bilder aus seinen Träumen vor seinem inneren Auge auf. Und die Gefühle kamen mit ihnen. Aber es waren nicht die Gefühle, die er mit ihm verband. Es waren einfach nur Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Schuld. Er streckte wieder seine Hand nach ihm aus und Shikamaru sah sich wieder dabei zu, wie er sie wegstieß. Gleichzeitig hallte seine eigene Stimme aus dem Traum in seinem Kopf wider:
„Neji!“
Notes:
Hallo, danke, dass ihr meine Geschichte lest :)
Ich werde versuchen, regelmäßig neue Kapitel hochzuladen, aber da ich berufstätig bin, kann es vielleicht ab und zu etwas länger dauern.
Zur Zeit habe ich aber schon einige Kapitel zusammen, so dass es anfangs recht schnell gehen sollte.!!!ShikaNeji ist mein absolutes Lieblingsship!!!
Ich freue mich sehr über eure Kommentare und Kudos!
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Erkundung, Strategie, Hyuuga
Neji Hyūga – Shikamaru wusste nicht viel über ihn. Er war an der Akademie im Jahrgang über ihnen gewesen und gehörte zum berühmten Hyūga-Clan. Und er war angeblich ziemlich stark und ziemlich arrogant. Das war auch schon alles, was Shikamaru über ihn wusste.
Shikamaru hockte gerade mit seinen Teamkameraden Ino und Chōji hinter einem Busch und versteckte sich, als er Neji im Wald des Schreckens bei der Chūnin-Auswahlprüfung begegnete. Da die drei Ninjas nicht gerade das Gefühl hatten, zu den stärkeren Teams zu gehören, wollten sie, wenn möglich, nicht entdeckt werden, sondern die Schriftrolle, die sie zum Bestehen der Prüfung brauchten, mit einer guten Strategie von einem der schwächeren Teams gewinnen.
Neji war seltsamerweise ganz allein unterwegs, was Shikamaru sofort eine Falle wittern ließ. Aber bevor er überhaupt einen Blick mit seinen Teamkameraden austauschen konnte, zuckte er beim Klang von Nejis Stimme zusammen. „Ich kann euch übrigens sehr gut sehen, wie ihr da hinter eurem Busch hockt wie ängstliche Häschen!“
Innerlich fluchte Shikamaru. Sie waren doch so still gewesen. Sogar Chōji hatte keinen Mucks von sich gegeben und zur Abwechslung gerade einmal keine Chips geknabbert. Aber die Hyūgas besaßen das Byakugan, mit dem sie durch Objekte hindurchsehen konnten. Da war Verstecken hinter einem Busch natürlich nutzlos.
Bevor er etwas sagen konnte, murmelte Ino: „Dann ist nun wohl mein großer Augenblick gekommen!“
Und sie stand ohne Vorwarnung einfach auf. Shikamaru und Chōji blieben kurz noch erstarrt hocken, dann standen auch sie beide auf und stellten sich neben ihre Teamkollegin. Shikamaru wusste, dass es nichts Gutes bedeuten konnte, dass Ino gerade die Initiative ergriffen hatte.
Sie wischte sich mit einer Hand durch ihre langen blonden Haare und nahm eine seltsam gekünstelte Pose ein. „Neji, mein Süßer, endlich bist du hier! Kannst du mir helfen, die Prüfung zu bestehen? Du bekommst auch eine Belohnung von mir.“
Sie zwinkerte ihm zu und setzte ein süßes Lächeln auf. Shikamaru wäre am liebsten im Erdboden versunken. Wie konnte sie nur denken, dass sie mit diesem Getue irgendetwas erreichen würde?
Neji warf ihnen nur einen verächtlichen Blick zu und drehte sich dann um. „Ganz sicher nicht.“
Shikamaru war fast ein wenig erleichtert, dass Neji nicht auf Ino hereingefallen war. Und noch mehr, dass er sie anscheinend in Ruhe ließ! Aber Ino schien das nicht so zu sehen. „Hey, komm sofort zurück, du fieser Typ, ich bin das hübscheste Mädchen von ganz Konohagakure und du solltest mich hier nicht so dumm stehen lassen!“
Shikamaru hätte ihr am liebsten den Mund zugehalten.
Neji blieb stehen, drehte sich aber nicht um. „Willst du mich vielleicht zu einem Kampf herausfordern?“
Nun trat Shikamaru schnell einen Schritt vor Ino, um sie daran zu hindern, noch größeren Schaden anzurichten. „Nein, sie hat es nicht so gemeint. Entschuldigung.“
Neji zögerte kurz und antwortete dann: „Ich interessiere mich nicht dafür, gegen so erbärmliche Ninja wie euch zu kämpfen. Ihr solltet zusehen, dass ihr irgendwo eine Schriftrolle herbekommt, sonst könnt ihr auch gleich freiwillig aufgeben.“
Dann huschte er in den dunklen Wald davon.
Ino, die anscheinend die Luft angehalten hatte, stieß einen langen Atemstoß aus. „Er ist wirklich noch viel arroganter, als ich gehört habe!“
Shikamaru warf ihr einen genervten Blick zu. „Du solltest uns vielleicht in deine brillianten Pläne einweihen, bevor du uns zur Zielscheibe machst. Ich dachte, wir wollten uns ein schwaches Team suchen, dem wir die Schriftrolle abluchsen.“
Chōji riss eine Tüte Chips auf und stimmte Shikamaru zu. „Und du solltest dir dringend abgewöhnen, in solchen Situationen deine Snacks zu verputzen. Sonst können wir auch gleich das tun, was der Hyūga gesagt hat, und wirklich direkt aufgeben.“
„Und Sakura gewinnen lassen? Niemals!“ entgegnete Ino aufgebracht. Als würde Sakura automatisch gewinnen, sobald Ino nicht mehr im Rennen ist, dachte Shikamaru genervt. Aber er behielt seine Gedanken für sich. Sie waren alle schon angespannt genug und das würde auch nicht besser werden, wenn sie noch länger nur warteten. Sie brauchten einen konkreten Plan.
Also setzten sie sich wieder hinter ihren Busch und besprachen ihre Vorgehensweise – vorausgesetzt, sie fänden überhaupt noch ein Team, das nicht zu gefährlich für sie war.
Nachdem sie sich genau abgesprochen hatten, schlichen sie weiter vorsichtig durch den Wald. Shikamaru wusste noch, dass es ihm so vorkam, als wären sie schon stundenlang unterwegs, und er sich fragte, was seine Eltern dazu sagen würden, wenn er die Prüfung aus dem blöden Grund nicht bestanden haben würde, dass sie jegliche Konfrontation gemieden hatten. Naja, abgesehen von Inos Konfrontation mit Neji…
Aber sie hörten und sahen nichts Verdächtiges, weder trafen sie gefährliche Bestien noch kämpfende Ninjas. Es würde sich nach einer ziemlich schlechten Ausrede anhören, dass sie einfach niemanden mehr gefunden hatten. Im Notfall könnten sie direkt zum Turm gehen und gegen dort auftreffende Teams kämpfen. Aber als ob sie so eine Chance hätten...
„Scht!“, zischte Ino plötzlich, und Shikamaru wäre fast mit seinem Kopf gegen ihre Schulter gestoßen, weil sie so abrupt innehielt. Einen Augenblick später rempelte Chōji ihn von hinten an und warf ihn fast um.
„Tschuldigung!“ murmelte er, und Shikamaru hielt sich den Zeigefinger an die Lippen, um ihm zu zeigen, dass er leise sein sollte. Da hörte auch Shikamaru die Stimmen. Es hörte sich nicht nach einem Kampf an, aber sehr wohl nach einer Konfrontation. Vielleicht konnten sie es für sich nutzen, wenn zwei Teams gegeneinander kämpten und irgendwie an ihre Schriftrollen herankommen.
Langsam schlichen sie weiter vorwärts, bis sie zwischen den Blättern hindurch auf eine kleine Lichtung sehen konnten.
Shikamaru konnte sich nicht mehr genau erinnern, was dann alles passierte. Er wusste, dass sie dort Sakura entdeckten, die drei fremden Ninjas gegenüberstand. Sie sah ziemlich mitgenommen aus. Weiter hinten konnte Shikamaru Naruto und Sasuke auf dem Boden liegen sehen. Sie schienen beide bewusstlos zu sein. Zwischen Sakura und den Fremden stand Lee, der sie anscheinend beschützte.
Wieso hat sich Team Gai komplett aufgeteilt? Sie müssen schon extrem selbstsicher sein, wenn sie sich ganz allein durch diesen Wald wagen.
Shikamaru nahm an, dass Sakura die Schriftrolle ihres Teams bei sich hatte, da weder Sasuke noch Naruto in der Lage zu sein schienen, sie verteidigen zu können. Es würde wohl nichts bringen, sich zu ihnen hinüberzuschleichen, um die Schriftrolle zu suchen. Außerdem lag die Wahrscheinlichkeit, dass sie dabei unentdeckt blieben, praktisch bei null. Shikamaru betrachtete die fremden Ninjas. Es war das Team aus Otogakure und er hatte keine Ahnung, was sie für Fähigkeiten hatten. Aber es war klar, dass Sakura sich in einer brenzligen Lage befand – mit oder ohne Lees Hilfe.
Lee kämpfte daraufhin mit dem unheimlichen Typen mit den Bandagen am Kopf. Er war sehr schnell, aber da die Gegner immer noch zu dritt waren, konnte er am Ende nicht gewinnen, und Sakura geriet in Gefahr. Shikamaru konnte sich erinnern, dass Ino ewig lange wartete, bevor sie sich dazu entschied, ihrer Freundin zu Hilfe zu eilen. So halfen schließlich auch Chōji und Shikamaru – und wurden sich am Ende wieder einmal ihrer eigenen Schwäche bewusst, als all ihre Angriffe wirkungslos blieben.
Notes:
Hey, danke, dass ihr meine Geschichte weiterlest!
Shikamaru erinnert sich nun an verschiedene Situationen, die er mit Neji erlebt hat. Dabei tauchen, wie in diesem Kapitel, anfangs einige Ereignisse aus der Serie auf, die ich etwas ausgeschmückt habe. Im weiteren Verlauf der Geschichte erwarten euch aber vor allem zusätzliche Erlebnisse, von denen wir in der Serie nichts erfahren.
Ich hoffe, es gefällt euch, und freue mich sehr über euer Feedback.
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Friedhof - Zwischen Abschied und Kampf
Shikamaru wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er Schritte näherkommen hörte. Eine ältere Frau mit einem kleinen Körbchen unter dem Arm lief etwas weiter hinten an ihm vorbei. Besuchte sie ihren Mann? Oder ihr Kind? Sie schien Shikamaru gar nicht zu bemerken und hinterließ in ihm nur das Gefühl, dass er nicht hier sein sollte. Hoffentlich würde keiner seiner Freunde oder Bekannten sich ausgerechnet jetzt hierher verirren! Shikamaru konnte nicht sagen, weshalb ihm der Gedanke so unangenehm war, aber er hatte das Gefühl, sich vor ihnen rechtfertigen zu müssen. Immer noch sagte ihm etwas, das Ganze sei nur eine Schnapsidee gewesen. Er könnte einfach aufstehen und nach Hause gehen.
Aber er blieb sitzen. Es gab einen guten Grund, warum er hier war. Sonst hätte er sich die Mühe doch gar nicht erst gemacht.
Also, wie war es bei den Chuunin-Prüfungen damals weitergegangen?
Sie hätten vermutlich verloren, wenn nicht Neji und Tenten aufgetaucht wären und die Feinde von ihnen abgelenkt hätten. Dann war irgendwann plötzlich Sasuke aufgewacht und hatte den einen Typen aus Otogakure besiegt, wie auch immer er noch geheißen hatte. Neji hatte Shikamaru bei diesem ersten Zusammentreffen überhaupt nicht beachtet und Shikamaru war nur mit dem Gedanken beschäftigt gewesen, ihn so gut wie möglich zu meiden, da er sicher war, dass sie nicht gegen ihn gewinnen konnten. Im Anschluss hatten sie vermutlich auch mehr Glück als Können gehabt, denn die Schriftrolle, die sie noch ergattern konnten, war zufällig genau die, die sie brauchten.
Sie hatten das gegnerische Team beobachtet und nutzten die Gelegenheit, als einer von ihnen kurz im Wald verschwand, um sich zu erleichtern. Shikamaru fesselte den anderen und Ino nahm Besitz über den Körper des Mädchens, das höchstwahrscheinlich die Schriftrolle bei sich trug. Die Rechnung ging auf und sie warf Chouji die Schriftrolle zu und schwupps, waren sie auch schon wieder im Wald verschwunden. Es fühlte sich nicht besonders toll an, aber es reichte, um in den Turm und zur nächsten Prüfung zu gelangen. Und dass Nejis Team das schon viel früher geschafft hatte, verwunderte ihn auch kein bisschen.
Nachdem Shikamarus Team es also doch noch geschafft hatte, in den Turm zu gelangen, wartete gleich die nächste schwierige Aufgabe auf die müden Ninjas.
Weil es angeblich immer noch zu viele Teilnehmer gab, sollte deren Anzahl verringert werden. Es wurden Einzelkämpfe ausgetragen und wer verlor, war raus. Shikamaru war in diesem Augenblick außer sich vor lauter Enttäuschung darüber, dass er sich offensichtlich noch viel länger nicht würde ausruhen können. Auch Chouji und Ino reklamierten lautstark. Sie alle waren von den Tagen im Wald schmutzig, erschöpft und hungrig. Außerdem hatten sie sich zahlreiche Kratzer und andere kleinere Verletzungen eingehandelt und konnten einfach nicht mehr.
Shikamaru bemerkte, dass es vielen der anderen Teams nicht anders erging. Sogar Neji und seine Teamkameraden sahen mitgenommen und fertig aus. Trotzdem ließen sich die drei nichts anmerken und hörten einfach nur zu, während der Prüfer die weitere Vorgehensweise erläuterte.
Die darauffolgenden Kämpfe dauerten zum Glück nicht allzu lange, mit Ausnahme vielleicht von Inos Kampf gegen Sakura, der sich unnötig in die Länge zog, weil die beiden sich zuerst nicht richtig zu trauen schienen, Ernst zu machen. Shikamaru schaffte es mit Mühe und Not, seine Gegnerin in eine Schattenfalle zu locken und unschädlich zu machen. Naruto erwies sich daraufhin als weniger dumm, als Shikamaru ihm jemals zugetraut hätte, und wischte dem siegessicheren Kiba so richtig eins aus, indem er ihn aus dem Turnier warf. Dann kam als nächstes Nejis Kampf gegen Hinata an die Reihe.
Es war das erste Mal, dass Shikamaru Neji wirklich als Person ansah, während seines Kampfes mit Hinata. Zuerst wirkte er kalt und vielleicht sogar grausam, als er seine Cousine beleidigte und ihr riet, die Shinobi-Laufbahn zu beenden, weil sie nicht die benötigten Fähigkeiten besaß. Er warnte sie wieder und wieder, dass sie aufgeben sollte, weil sie keine Möglichkeiten hatte, gegen ihn zu gewinnen.
Er konnte sich nicht mehr im Detail erinnern, worüber sie gesprochen hatten, aber bei dem Gedanken daran bekam Shikamaru ein flaues Gefühl in der Magengegend. Es ging dabei ungefähr darum, dass man seinem Schicksal nicht entrinnen und sich im Kern niemals wirklich ändern konnte. Es ging um die Haupt- und die Nebenfamilie des Hyuuga-Clans. Shikamaru hatte zwar von der Spaltung innerhalb des Clans gehört, begriff aber erst bei diesem Kampf, wie tief der Riss wirklich ging. Für Neji schien es in diesem Moment um alles zu gehen.
Er war so voller Wut gewesen und wenn die Lehrer nicht dazwischengegangen wären, würde hier nun vielleicht Hinatas Grabstein stehen und nicht Nejis…
Aber das war Blödsinn, seine verfluchte Familie hätte ihn vermutlich gleich hinterhergeschickt, wenn er ihr etwas angetan hätte! Und sei es nur ein Unfall in einem Prüfungskampf gewesen. Shikamarus Blick verschwamm langsam und er musste ein paarmal blinzeln. Er versuchte schnell, an etwas anderes zu denken. Etwas weniger Schmerzhaftes.
Chuunin-Auswahlprüfung: Vorbereitung für die Endrunde
Shikamaru beobachtete, wie Chouji ununterbrochen gebratene Fleischstückchen in sich hineinschaufelte. Sensei Asuma hatte sie zum Essen eingeladen, nachdem Chouji sich bereit erklärt hatte, Shikamaru beim Training für die Finalrunde behilflich zu sein. Shikamaru konnte sich nicht erinnern, schon einmal so hart und so ausdauernd trainiert zu haben. Aus irgendeinem Grund nahm Asuma die Aufgabe, ihn auf den letzten Teil der Chuuninprüfung vorzubereiten, extrem ernst. Sie hatten auch heute den ganzen Tag im Wald trainiert.
Shikamaru musste zugeben, dass Chouji tatsächlich eine große Hilfe gewesen war, denn es waren deutliche Verbesserungen in Shikamarus Ausdauer zu verzeichnen. Er hatte das Gefühl, mehr Chakra zur Verfügung zu haben und seine Schattenfesseltechnik länger aufrechterhalten zu können.
„Gute Arbeit, Jungs!“, sagte Asuma bestimmt schon zum vierten Mal an diesem Abend. „Mit deiner Hilfe, Chouji, hat Shikamaru nun echte Chancen, seine Gegner zu besiegen!“ Chouji grinste und nickte mit vollgestopften Backen.
„Ma i do gern!“, schmatzte er, und Shikamaru glaubte es ihm sofort. Bei dieser Belohnung hätte Chouji so ziemlich allem zugestimmt. Aber er war ihm wirklich dankbar für seine Hilfe.
„Ich denke, unser Trainingsprogramm ist ausgeglichen und realistisch, nicht so, wie das, was Gai sich für den Hyuugajungen überlegt hat. Wie sich das bei ihm angehört hat, trainieren die ununterbrochen, Tag und Nacht, bis zum Umfallen. Der schießt sich so ja schon selbst aus dem Rennen.“
Shikamaru zuckte mit den Schultern. „Was Sensei Gai erzählt, ist aber auch immer total übertrieben. Ich denke nicht, dass man darauf viel geben kann.“, murmelte er.
Chouji schluckte einen Happen hinunter und wischte sich mit der Hand über den Mund. „Wird Ino nicht furchtbar sauer sein, wenn sie rausfindet, dass wir die ganze Zeit zusammen essen gehen?“, fragte er nachdenklich. Asuma seufzte und erwiderte: „Ich habe ja schon mit Inos Vater darüber gesprochen. Sie muss sich klar darüber werden, was sie als Kunoichi überhaupt will. Der Kampf mit Sakura hat sie anscheinend sehr nachdenklich gemacht und sie braucht eine kleine Auszeit. Deshalb habe ich sie gar nicht erst gefragt, denn ich glaube, Inoichi kennt seine Tochter sehr gut.“
Shikamaru stimmte ihm im Stillen zu. Ino beschwerte sich zwar oft darüber, wie peinlich sie ihren Vater fand, aber es war offensichtlich, dass sie sich sehr nahe standen.
Chouji nickte zufrieden und stopfte sich das letzte große Stück Fleisch in den Mund. Als er aufgegessen hatte, wandte er sich an Asuma. „Also morgen machen wir eine Pause?“ Er sah ihn hoffnungsvoll an. Asuma nickte lächelnd. „Ja klar, ihr habt beide hart trainiert und beachtenswerte Fortschritte gemacht. Es ist wichtig, sich auch mal eine Ruhepause zu gönnen. Wir treffen uns übermorgen wieder zur selben Zeit.“ Dann stand er auf, um zu bezahlen.
Chouji grinste Shikamaru an. „Du freust dich sicher auch über einen freien Tag, oder?“ Shikamaru nickte müde und versuchte, froh auszusehen. Er fühlte sich hundemüde und wusste nicht, wie er den Weg nach Hause überhaupt noch schaffen sollte. Außerdem hatte er Muskelkater in den Beinen und sein Kopf tat ihm weh. Er hatte jedes bisschen Chakra in seinem Körper ausgeschöpft und fühlte sich, als wäre er ein Waschlappen, den jemand stundenlang ausgewrungen hatte. Chouji schleppte ihn mehr oder weniger nach Hause und lieferte ihn dort ab. Shikamarus Mutter dankte ihm für seine Hilfe, und Shikamaru schleppte sich in sein Zimmer, wo er ohne sich umzuziehen einfach ins Bett plumpste.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand härter trainiert als ich“, dachte er noch, dann schlief er sofort ein.
Am nächsten Tag wurde er von seiner schimpfenden Mutter geweckt, die entdeckt hatte, dass Shikamaru in seinen verschwitzten und dreckigen Klamotten geschlafen hatte. Sie zog ihn aus dem Bett und zwang ihn, ein Bad zu nehmen. Shikamaru hatte vorgehabt, den ganzen Tag zu verschlafen, und hatte nun ausgesprochen schlechte Laune, dass sein Vorhaben zunichte gemacht worden war. Also entschied er sich dafür, einen Spaziergang zu machen und sich ein ruhiges Fleckchen zu suchen, um seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen.
Der Himmel war strahlend blau und es waren nur ein paar vereinzelte dünne Wölkchen zu entdecken. Shikamaru lief durch die kleineren Straßen von Konoha und hoffte, niemanden zu treffen. Blöderweise schien es, als hätte sich bei dem guten Wetter ganz Konoha entschieden, den Tag draußen zu verbringen. Shikamaru wäre liebend gern in den Narawald ausgewichen, aber er wusste, dass heute viele Mitglieder des Nara-Clans, unter anderem auch sein Vater, damit beschäftigt waren, verschiedene Jutsus anzuwenden, um den Wald vor Eindringlingen zu schützen. Da Shikamaru weder Lust hatte, zu helfen, noch mit irgendwelchen Verwandten anstrengende Gespräche über sein Training oder die bevorstehende Prüfung zu führen, führte ihn sein Weg aus dem Dorf zum Randgebiet von Konoha. Hier gab es genug Wege über Wiesen, Hügel und durch den Wald, der Konoha umgab, so dass die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu treffen, recht gering war.
Nachdem Shikamaru eine Weile gelaufen war und versucht hatte, nicht zu viel über die Prüfungen nachzudenken, hörte er zu seiner Rechten durch die Bäume hindurch Geräusche. Geräusche, die sich sehr nach Training anhörten. Er hörte eine große Anzahl von metallischen Gegenständen klirren und dann eine weibliche Stimme aufgeregt rufen.
Könnten das Sensei Gais Schüler sein, die da trainieren? Normalerweise würde man Lee bestimmt als allererstes schon von weit weg hören, aber der liegt noch im Krankenhaus. Dann ist das gerade Tenten mit ihren Waffen gewesen?
Da Tenten in der Vorrunde gegen Temari aus Sunagakure verloren hatte, half sie nun vermutlich Neji Hyuuga beim Training, so wie Chouji ihn selbst unterstützte. Ob Neji ihn mit dem Byakugan wohl schon bemerkt hatte?
Als er noch ein paar Schritte näher herangekommen war, hörte er auf einmal Tenten, die unverkennbar in Panik geraten war. „Neji, Neji, ist alles in Ordnung?“
Dann redete sie irgendetwas vor sich hin, das Shikamaru nicht verstand, aber es war offensichtlich, dass irgendetwas schiefgelaufen war. Innerlich fluchend rannte Shikamaru los, um zu sehen, ob sie Hilfe brauchten. Nach ein paar Metern tat sich eine Lichtung auf, wo die beiden bis gerade eben trainiert hatten. Auf dem Boden lagen überall Kunai und unterschiedliche andere Waffen verstreut. Tenten hockte in der Mitte auf dem Boden und beugte sich über Neji, der anscheinend bewusstlos auf dem Boden lag. So wie es aussah, prüfte sie, ob er noch atmete. „Ist er verletzt?“, fragte Shikamaru, und Tenten zuckte erschrocken zusammen.
„Er ist einfach so umgekippt, aber er atmet zum Glück. Wir haben nur ganz normal trainiert…“ Sie wirkte leicht hysterisch, und Shikamaru befürchtete, dass sie gleich in Tränen ausbrechen würde. Er sah sie abschätzend an. Tentens Haare waren zerzaust, und einzelne Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Ihre Kleidung war schmutzig, und Neji sah in der Hinsicht nicht unbedingt besser aus.
„Wie lange genau trainiert ihr denn schon?“, fragte er, während sie Neji gemeinsam in die stabile Seitenlage brachten. Tenten schnaufte und wischte sich mit der Hand über die Nase. „Seit gestern Morgen, glaube ich. Wir hätten vielleicht auf Sensei Gai hören und auch mal eine Pause machen sollen. Aber Neji war so nahe dran, er wollte einfach nicht aufhören, bevor es ganz klappt.“ Shikamaru fragte sich, ob seine Rivalen alle vollkommen übergeschnappt waren, oder ob es wirklich an Sensei Gais übertriebenen Methoden lag, dass Neji sich in die Ohnmacht trainierte.
In diesem Augenblick öffnete Neji seine Augen und starrte Shikamaru verwirrt an. „Hey Neji, wie fühlst du dich?“, fragte Tenten besorgt.
Neji versuchte, sich aufzurichten, stöhnte dann aber auf und legte sich wieder hin. „Wir sollten ihn vorsichtshalber ins Krankenhaus bringen.“, stellte Shikamaru fest. Neji schüttelte langsam den Kopf. „Nicht… Krankenhaus.“, murmelte er leise. Tenten nickte. „Sein Onkel wäre vielleicht nicht erfreut, wenn sich herumspricht, dass Neji sich beim Training… überschätzt hat. Wir sollten ihn besser nach Hause bringen.“ Shikamaru verstand das Problem zwar nicht, stimmte aber zu, ihnen zu helfen.
Neji setzte sich auf und trank ein wenig Wasser. Dann halfen sie ihm, aufzustehen und stützten ihn zu beiden Seiten. Shikamaru fragte sich gerade, wo er da nur wieder hineingeraten war, als Neji stehen blieb und verärgert den Kopf schüttelte. „Ich habe keine Zeit für so etwas. Es sind nur noch ein paar Tage bis zur Endrunde. Ich war gerade so kurz davor, es zu schaffen, Tenten. Lass uns einfach weitermachen.“ Shikamaru blieb stehen und starrte Neji ungläubig an. Tenten seufzte, ließ ihn los und baute sich vor ihm auf.
„Es geht dir aber nicht gut. Und mir übrigens auch nicht. Wir haben uns seit einer Ewigkeit keine Pause mehr gegönnt und nicht einmal Sensei Gai fände es gut, so zu übertreiben.“ Neji funkelte sie böse an. „Mir geht es wieder gut!“
Tenten zog eine Schnute und giftete zurück: „Erstens glaube ich dir kein Wort und zweitens ist es dir anscheinend total egal, wie es mir geht. Ich brauche wirklich eine Pause. Ich bringe dich jetzt mit Shikamaru nach Hause und dann nehme ich erst einmal ein langes Bad und erhole mich. Wenn du unbedingt willst, trainieren wir morgen weiter, aber ich werde es nicht noch einmal so weit kommen lassen, dass du einfach umkippst!“
Neji schnaubte und wandte sich Shikamaru zu. „Was hast du überhaupt hier zu suchen?!“, fragte er feindselig und riss sich von ihm los.
Shikamaru hob seine Hände beschwichtigend und sagte: „Hey, ich war nur auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen und bin dann zufällig über euch gestolpert. Ich will nur helfen.“
Neji starrte ihn prüfend an und schien sich ein wenig zu beruhigen. „Es würde dir sowieso nichts bringen, unser Training auszuspionieren. Wir sind auf völlig unterschiedlichen Levels, du hättest niemals eine Chance gegen mich in einem Duell.“
Wow, der Hyuuga ist ja genau so nett, wie alle behaupten. Ich sollte einfach gehen…
Tenten stieß Neji ihre Hand in die Seite und ermahnte ihn: „Sei nicht so, Neji. Der Nara kam erst, als du schon bewusstlos warst. Du solltest dankbar sein, dass er dir hilft, obwohl ihr Rivalen seid.“
Neji senkte seinen Blick und sagte nichts. Unschlüssig, ob er auf der Stelle kehrt machen und gehen sollte, verharrte Shikamaru und wartete, ob noch etwas kam. Als keiner mehr etwas sagte, entschloss er, sich dieser dämlichen Situation nicht mehr länger auszusetzen.
„Ja naja, dann werde ich jetzt...“, begann er, als Neji plötzlich schwankte und wieder umzufallen drohte. Sofort sprangen Shikamaru und Tenten ihm zur Seite und hielten ihn fest.
„Willst du dich setzen?“, fragte Tenten besorgt.
Neji schüttelte resigniert den Kopf. Es schien ihm schwerzufallen, die richtigen Worte zu finden. „Nein, es geht schon, denke ich. Es tut mir leid, Nara. Ich fühle mich tatsächlich nicht besonders gut. Du hast recht, Tenten, wir sollten für heute Schluss machen. Bitte entschuldige, dass ich nicht auf deine Bedürfnisse geachtet habe. Und entschuldigt bitte auch, dass ich so undankbar war. Es wäre sehr nett, wenn ihr mich nach Hause bringen würdet.“
Er sagte es monoton und immer noch mit gesenktem Blick. Shikamaru hatte den Eindruck, dass er sich furchtbar schämte und verspürte sofort das Bedürfnis, die Situation irgendwie aufzulockern.
„Ja klar, ist kein Problem. Ich habe eh nichts Besseres zu tun. Vielleicht kriege ich zur Belohnung ja eine Führung über das Hyuuga-Gelände. Soll sich lohnen, sagt mein Vater immer.“
Neji sah ihn nicht an und verzog leicht das Gesicht, als hätte er Schmerzen.
„Na gut, Neji. Sag einfach Bescheid, sobald du dich wackelig fühlst.“, bat Tenten ihn. Dann setzten sie ihren Weg zu dritt fort.
Als sie zu den ersten Häusern gelangten, wollte Neji nicht mehr gestützt werden. „Es geht, wirklich. Ich kann alleine laufen. Macht bitte kein allzu großes Drama daraus.“
Wieso hat er so große Angst davor, dass jemand von seinem Schwächeanfall erfährt? Ich verstehe ja, dass es ihm peinlich ist, aber gleich so extrem?
Es schien Neji zum Glück wieder besser zu gehen, denn sie schafften den ganzen Weg bis zum Tor des Hyuuga-Anwesens. Ein Hyuuga mit Stirnband und zu einem langen Zopf geflochtenen Haaren öffnete und Neji drehte sich noch einmal zu Tenten und Shikamaru um und verbeugte sich vor ihnen. „Vielen Dank, dass ihr mich nach Hause begleitet habt.“
Shikamaru war völlig perplex. Wieso bedankte er sich auf einmal und dann auch noch auf so übertriebene Art?
Aus dem Haus ertönte eine laute Männerstimme. „Neji, wo warst du so lange? Du hast deine Pflichten vernachlässigt!“ Ein älterer Hyuuga kam aus dem Haus und Neji und der Hyuuga mit dem Zopf neigten ihre Köpfe, um ihn zu begrüßen. Der Mann hatte einen strengen Gesichtsausdruck.
„Ich hoffe, mein Neffe hat euch keine Umstände bereitet. Habt ihr zusammen trainiert?“
Er sah erst Tenten und dann Shikamaru mit seinen kalten Augen ins Gesicht. Obwohl er sich gerade indirekt entschuldigt hatte, schwang in seiner Stimme ein anklagender Ton mit. Tenten nickte und Shikamaru hatte das Gefühl, dass sie sich unwohl fühlte in der Gegenwart von Nejis Onkel.
„Neji, geh schon ins Haus.“, befahl der Onkel von Neji, der also Hiashi, das Oberhaupt des Hyuuga-Clans sein musste. Neji nickte ihnen kurz zum Abschied zu und ging dann mit dem anderen Hyuuga zum Haus. Hiashi blieb stehen und hielt sie beide mit seinem Blick fest.
„Bist du nicht Shikamaru Nara?“, fragte der Mann und starrte ihn durchdringend an.
Shikamaru konnte gut nachempfinden, wieso Tenten sich unwohl fühlte. Es fühlte sich so an, als würde er mit feindlicher Absicht direkt in seine Gedanken schauen, dabei hatte er das Byakugan noch nicht einmal aktiviert.
„Ja, der bin ich.“, bestätigte Shikamaru und hoffte, dass dies kein Verhör werden würde. Leider wurde er enttäuscht.
„Wieso trainiert mein Neffe zusammen mit einem Gegner? Du trittst doch auch in der Endrunde an, soweit ich weiß?!“
Shikamaru stöhnte innerlich auf. Was ihm gerade noch fehlte, waren Gerüchte über seine seltsame Wahl der Trainingspartner oder irgendwelcher Allianzen der Prüfungsteilnehmer oder ähnliches.
„Nein, Tenten hat mit ihm trainiert, ich habe die beiden einfach nur… auf dem Heimweg getroffen.“
Shikamaru hielt es für besser, Nejis Zusammenbruch nicht zu erwähnen. Hiashi sah ihn noch ein paar Augenblicke weiter durchdringend an.
„Ich wusste nicht, dass Neji etwas mit den Naras zu schaffen hat. Bitte richte deinem Vater einen Gruß aus. Guten Tag.“
Dann drehte er sich um, ohne Tenten noch eines Blickes zu würdigen oder eine Antwort abzuwarten, und ging.
Shikamaru hatte das Gefühl, doch ganz gut aus der Situation herausgekommen zu sein. Er merkte, wie sich Tentens Anspannung löste und sie leicht zusammensackte.
„Alles in Ordnung?“, fragte er.
Tenten nickte. „Ja, klar. Danke, dass du mitgekommen bist. Ich hoffe, sie lassen Neji sich wenigstens ein bisschen erholen.“
Sie schaute Shikamaru kurz nachdenklich an und schien etwas sagen zu wollen, sich dann aber dagegen zu entscheiden. Stattdessen drehte sie sich weg und streckte sich ausgiebig.
„Oh Mann, bin ich fertig. Ich geh dann mal nach Hause. Hab du noch einen schönen Tag und viel Glück bei deinem Training!“
Shikamaru nickte, auch wenn Tenten es nicht sehen konnte. „Danke, erhol dich gut.“ Dann gingen sie in verschiedene Richtungen auseinander.
Notes:
Hallo, dieses Kapitel ist nun ein bisschen länger als die ersten beiden und ich hoffe sehr, dass es euch gefällt.
Danke fürs Lesen! Wie immer freue ich mich sehr über Kommentare :)
Chapter Text
Friedhof
Shikamaru rutschte auf seinem Hocker hin und her. Je mehr er versuchte, sich zu erinnern, desto mehr Erinnerungen stürzten wie eine Lawine auf ihn ein. Er versuchte, seine Gedanken ein wenig zu ordnen und den Anfang seiner Freundschaft mit Neji einzufangen.
Bei der Sasuke-Rückholmission war Neji beinahe gestorben – und es war Shikamarus Schuld gewesen, weil er der Leiter der Mission gewesen war. Neji hatte sich zwar freiwillig gemeldet, ganz allein zurückzubleiben, um gegen Kidōmaru zu kämpfen, aber Shikamaru hätte es trotzdem verstanden, wenn er ihm die Schuld an seinen schlimmen Verletzungen gegeben hätte.
Das hatte er aber nie getan – und vielleicht war genau das der Anfang ihrer Freundschaft gewesen.
Krankenhaus – Nach der Sasuke-Rückhol-Mission
Shikamaru klopfte dreimal an der Tür und wartete. Als länger niemand antwortete, öffnete er sie vorsichtig und trat ein.
In dem kleinen Krankenhauszimmer, in dem nur ein Bett und ein kleiner Tisch mit einem Stuhl standen, lag Neji und schlief. Er trug einen Verband um die Stirn und war bis zum Kinn zugedeckt. Der Verband diente vermutlich dazu, sein Fluchsiegel zu verbergen, denn Kopfverletzungen hatte Neji nach Shikamarus Wissensstand keine erlitten.
Shikamaru blickte auf die Blumen herab, die er in seiner Hand hielt. Sollte er sie einfach auf den Nachttisch zu den anderen Blumen stellen und wieder gehen? Er zögerte kurz und stand ratlos mitten im Zimmer.
Dann entschied er, es einfach zu versuchen.
„Neji“, sagte er leise.
Neji reagierte nicht.
Shikamaru ging langsam zum Nachttisch hinüber und legte die Blumen vor die beiden Vasen, die schon gefüllt dort standen. Als er sich zum Gehen wieder umdrehte, sah er, dass Nejis Augen offen waren und ihn anstarrten.
„Danke, Shikamaru.“ Nejis Stimme klang rau.
Shikamaru kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
„Nichts zu danken. Das ist ja wohl das Mindeste, das ich tun kann, nachdem du meinetwegen fast gestorben wärst.“
Shikamaru bereute seine Worte im gleichen Augenblick, als er sie aussprach. Nejis Augen weiteten sich dabei kaum merklich.
Er hatte sich doch eigentlich vorgenommen, das genau so nicht zu sagen!
Neji blickte ihn leicht fragend an, sagte aber nichts. Shikamaru wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen, also sagte er es einfach:
„Bitte verzeih mir, dass ich dich so in Gefahr gebracht habe. Es tut mir unglaublich leid, was passiert ist.“
Er hoffte, dass Neji ihm glaubte. Er war nicht gut darin, über so ernste Angelegenheiten zu sprechen – vor allem nicht mit jemandem wie Neji, der sich selbst kaum öffnete. Und zuzugeben, dass man versagt hatte, war sowieso nicht gerade leicht – egal vor wem.
Neji blickte ihn noch immer fragend an. Shikamaru überlegte schon, ob er einfach gehen sollte, da sagte Neji plötzlich:
„Das ist doch nicht deine Schuld, Shikamaru. Es gibt wirklich nichts zu verzeihen.“
Aber das stimmt nicht!
„Ich war der Teamführer der Mission. Und ich habe nicht nur dafür gesorgt, dass die Mission fehlgeschlagen ist – beinahe wären Chōji und du gestorben!“
Neji richtete sich im Bett auf und sagte leise:
„Das war aber nicht deine Schuld. Chōji hat selbst entschieden, dass er alleine kämpfen will. Und ich auch. So gab es wenigstens noch eine kleine Wahrscheinlichkeit, dass ihr Sasuke rechtzeitig einholen würdet.“
„Das war dann wohl nichts“, erwiderte Shikamaru trocken und setzte sich auf den einzigen Stuhl im Zimmer.
Sie schwiegen, und Shikamaru hatte wieder dieses unangenehme Gefühl im Bauch, das ihn seit der gescheiterten Mission fast ununterbrochen begleitete. Er hatte eigentlich nicht von sich gedacht, dass ihm sein Ruf viel bedeutete oder dass er besonders ehrgeizig sei. Aber gleich bei seiner ersten Mission als Chūnin versagt zu haben und nur lebend davon gekommen zu sein, weil die Verstärkung aus Sunagakure in letzter Sekunde aufgetaucht war, nagte sehr an seinem Selbstwertgefühl.
Zum ersten Mal hatte er erfahren, wie es sich anfühlte, Verantwortung tragen zu müssen. Er hatte sich seitdem tausendmal gewünscht, er wäre anstelle von Chōji und Neji so schlimm verwundet worden.
Nejis kleines Räuspern riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.
„Ich will, dass du weißt, dass ich dir wirklich nicht die Schuld daran gebe. Ich weiß nicht, wie Lady Tsunade darüber denkt und was alle anderen dazu sagen. Aber für mich ist es ganz klar, dass niemand anders an meiner Verletzung Schuld hat – nur ich allein. Ich muss einfach noch mehr trainieren und noch stärker werden. Ich werde jederzeit wieder und ohne Bedenken eine Mission mit dir antreten, Shikamaru.“
Er sah Shikamaru fest in die Augen. Shikamaru starrte zurück. Womit hatte er dieses unbegründete Vertrauen verdient? War es, weil er Neji damals in seinem schwachen Moment gesehen und ihm geraten hatte, seinen Hass zurückzulassen? Auf jeden Fall trübte irgendetwas Nejis Analysefähigkeiten – denn sonst hätte er sofort erkennen müssen, was für ein Versager Shikamaru war. Trotzdem fühlte Shikamaru sich durch Nejis Worte etwas weniger schlecht.
Egal, was seine Gründe dafür sind – er gibt mir nicht die Schuld und scheint mir sogar immer noch zu vertrauen.
Dass Chōji so reagieren würde, war keine Überraschung. Er war sein allerbester Freund, und Shikamaru konnte sich nicht vorstellen, was zwischen ihnen vorfallen müsste, damit Chōji sich von ihm abwandte. Aber mit Neji hatte Shikamaru vorher nicht wirklich etwas zu tun gehabt. Und von dem her, was er vorher so über das Hyūga-Wunderkind gehört hatte, war er eher zurückhaltend mit netten Worten.
Natürlich tat es Shikamaru wirklich unglaublich leid, dass Neji seinetwegen so hatte leiden müssen. Aber er war nicht mit dem Ziel zum Krankenhaus gekommen, Neji dazu zu bringen, ihm wirklich zu verzeihen. Seine Mutter hatte ihn gedrängt, sich auch im Namen des Clans zu entschuldigen. Er hatte es vor allem einfach hinter sich bringen wollen.
„Hast du noch Schmerzen?“, fragte Shikamaru nach einer kleinen Pause, weil ihm nichts anderes einfiel, das er sagen könnte.
Neji schüttelte leicht den Kopf. „Es geht schon wieder. Ich wurde ziemlich gut zusammengeflickt. Sie haben gesagt, ich hatte ein riesiges Loch direkt unter der Schulter und dass es unglaublich knapp für mich war.“
Ein kleines bitteres Lächeln huschte über sein Gesicht, und er fügte hinzu:
„Nicht, dass ich an Schmerzen nicht gewöhnt wäre...“
Meint er etwa das Fluchsiegel?
Oder einfach nur sein normales alltägliches Training, das für Normalsterbliche wirklich nach einer einzigen Tortur klingt?
Was sagt wohl Nejis Onkel zu der verpatzten Mission? Gibt er mir die Schuld an Nejis Verletzungen?
„Wird er mir den Kopf abreißen?“, fragte Shikamaru. Die Frage war eigentlich mehr an sich selbst gerichtet, aber Neji schaute ihn aufmerksam an, und als Shikamaru nichts Weiteres sagte, fragte er:
„Wen meinst du?“
„Oh, sorry, ich hab mich nur gefragt, wie dein Onkel zu dieser ganzen Sache steht. Meine Eltern wären sicher nicht gerade erfreut, sich ausgerechnet den Hyūga-Clan zum Feind zu machen.“
Neji seufzte leise und starrte an Shikamaru vorbei aus dem Fenster.
„Darüber müsst ihr euch ganz sicher keine Sorgen machen. Wenn überhaupt, macht er sich höchstens Sorgen darüber, dass ich unseren Ruf gefährdet habe, indem ich nicht zum Erfolg der Mission beitragen konnte. Er war gestern hier, zusammen mit Hinata und Hanabi. Er war nicht besonders herzlich, aber trotzdem um einiges freundlicher, als ich es von ihm kenne. Ich denke, es könnte tatsächlich funktionieren, weißt du? Das mit dem Vergeben.“
Neji schaute immer noch aus dem Fenster, und Shikamaru bildete sich ein, dass seine Wangen etwas röter waren als gerade noch vor einem Moment.
„Oh, das hört sich gut an. Würde mich wirklich für dich freuen, wenn du dich mit deiner Familie versöhnen kannst!“
Neji hatte sich seine Worte anscheinend wirklich sehr zu Herzen genommen – seine und die seines verstorbenen Vaters natürlich.
„Ich habe viel darüber nachgedacht, weißt du. Dieser Hass lebte die ganze Zeit in mir, seitdem mein Vater gestorben war. Und er ist immer noch ein Teil von mir. So schnell verschwindet er nicht einfach so. Aber ich habe das Gefühl, dass ich mich dadurch ablenken kann, mich stärker auf meine Aufgabe, dem Hyūga-Clan zu dienen, zu konzentrieren. Ich werde noch härter trainieren und noch stärker werden.“
Er hört sich immer noch nicht so an wie jemand, der über seine Familie spricht. Eher als wäre er ein Untergebener, der sich Gedanken macht, wie er die Gunst seines Herrn wiedererlangen kann.
Shikamaru ärgerte sich oft darüber, als der Erbe der Naras so viele Pflichten auferlegt zu bekommen, und hatte das Gefühl, nichts selbst entscheiden zu dürfen. Es stand von vornherein fest, dass er auf die Ninja-Akademie gehen und irgendwann in die Fußstapfen seines Vaters treten sollte. Unzählige Male hatte er diese Rolle verflucht und sich gewünscht, er könnte alles abbrechen und stattdessen irgendeinen einfachen, möglichst ungefährlichen und entspannten Beruf erlernen und ein einfaches, ruhiges Leben führen.
Aber im Gegensatz zu Neji konnte er sich über sein Schicksal eigentlich nicht beschweren. Natürlich war das Training mit Asuma auch nicht immer angenehm, aber von dem her, was er über Nejis Team und seinen Lehrer wusste, war es im Vergleich wie ein Spaziergang im Frühling über eine Wiese, während Nejis Team im Winter mitten im Schneesturm einen Berg erklimmen musste.
„Dann musst du dir hoffentlich auch keine Gedanken mehr um mich machen, Shikamaru.“
Neji schaute Shikamaru direkt in die Augen – und er sah für einen Moment darin eine so große Einsamkeit, dass er den Blickkontakt verlegen abbrechen musste.
„Ich bin froh, das zu hören. Ich bin auch froh, dass du mir nicht die Schuld gibst, auch wenn ich das immer noch ein bisschen anders sehe. Aber falls wir wieder einmal zusammen auf eine Mission geschickt werden, versuche ich, es besser zu machen!“, versicherte Shikamaru.
Neji lachte leise.
„Dann habe ich dich vielleicht schon längst überholt und muss mir als Missionsleiter überlegen, wie ich den faulen Nara-Jungen zum Arbeiten bekomme!“
„Haha!“, antwortete Shikamaru – und fühlte sich plötzlich ziemlich erleichtert.
Neji schien es ihm wirklich nicht übel zu nehmen, wenn er sogar anfing, mit ihm zu scherzen. Soweit Shikamaru sich erinnerte, sprachen alle immer recht distanziert von Neji. Sogar Lee und Tenten schienen ihn mehr zu respektieren, als dass sie wirklich fest mit ihm befreundet waren.
Aber das, was Shikamaru jetzt fühlte, war angenehm. Als würde er mit einem Freund sprechen, den er schon lange kannte. Als müsste er sich keine Gedanken machen, was er sagte, oder sich irgendwie verstellen, um nicht aufzufallen.
Er blieb noch ein paar Minuten und erzählte Neji, was gerade so los war im Dorf. Neji hörte ihm mit einem kleinen, dankbaren Lächeln im Gesicht aufmerksam zu.
Sie wurden schließlich von einem Klopfen an der Zimmertür unterbrochen, woraufhin eine Krankenschwester das Zimmer betrat.
„Ich sollte langsam gehen“, sagte Shikamaru und stand auf.
Neji nickte und sagte:
„Danke, dass du mich besucht hast, Shikamaru. Bitte sag deinen Eltern, dass sie sich wegen meiner Familie keine Sorgen machen müssen. Ich freue mich auf unsere nächste gemeinsame Mission. Und da werden wir einfach dafür sorgen, dass wir sie erfolgreich abschließen!“
Neji hielt Shikamaru eine Hand hin.
Shikamaru nahm sie und drückte sie kurz.
Von diesem Augenblick an betrachtete er Neji wirklich als Freund.
Notes:
Das war nun Kapitel 4 – und wenn alles klappt, folgt das nächste schon am Wochenende. Dann beginnt für Team Gai und Team Asuma eine längere gemeinsame Mission … und Shikamaru und Neji werden sich dabei langsam etwas näherkommen. Ich hoffe, die Geschichte gefällt euch soweit und freue mich über Rückmeldungen :)
Chapter 5: Zwei Teams, ein Kurs
Chapter Text
Friedhof
Das Ganze bringt doch nichts, es geht irgendwie noch nicht in die richtige Richtung!
Shikamaru hatte es zwar geschafft, sich seinen Erinnerungen hinzugeben, aber ob ihn das gefühlsmäßig tatsächlich näher an Neji heranbrachte? Es öffnete zumindest eine Tür zu noch mehr unangenehmen Gefühlen, die nun langsam begannen über ihn hereinzufallen. Neji hatte schon damals im Krankenhaus gesagt, dass er sich dem Dienst an seiner Familie widmen würde. Shikamaru war zu diesem Zeitpunkt einfach nur erleichtert gewesen, dass es keine Schwierigkeiten für ihn geben würde. Dass der Hyuuga-Clan nicht gegen seine Familie in den Krieg ziehen würde, wie seine Mutter es ihm zuvor noch etwas übertrieben angedroht hatte. Shikamaru war so mit seinen eigenen mickrigen Problemchen beschäftigt gewesen, dass er die ersten Anzeichen von Nejis Sinneswandel komplett übersehen hatte. Und später, als es ihm bewusst wurde, hatte er absichtlich die Augen davor verschlossen. Es wäre vermutlich sowieso schon zu spät gewesen. Aber es vergrößerte seine Schuld an Nejis Tod nur noch mehr. Vielleicht war es genau das Falsche gewesen, heute hierher zu kommen...
Er hatte sich vorgenommen, so lange zu bleiben, bis er merkte, dass sich etwas geändert hätte. Er war ganz überzeugt gewesen, dass er sich einfach nur ein bisschen Zeit nehmen musste, um sich seinen Gefühlen und Erinnerungen zu stellen. Aber nun, da er hier mitten drin war, begann er zu befürchten, dass seine Vorgehensweise nur schlafende Hunde wecken würde.
Er hatte sein neues Leben hier in Konoha und er konnte nicht direkt behaupten, dass er unglücklich war. Es war zwar furchtbar anstrengend gewesen, sich alles zu erarbeiten und er bereute oft, dass er kaum noch Zeit hatte, mit Chouji zu plaudern. Sie trafen sich zwar öfter mal abends zum Trinken, aber meist waren sie dabei nicht allein oder sie nörgelten stundenlang nur über ihre Ehefrauen und wie schwierig es war, ein Vater zu sein.
Shikamaru hatte das Gefühl, sie hätten früher so tiefsinnige Gespräche geführt. Vielleicht lag es an der Umgebung. Wenn man faul auf dem Rücken lag und in den tiefblauen Himmel über sich starrte, flogen die Gedanken wie von selbst. Dagegen war es eher stressig und ungemütlich in einer lauten, vollgedrängten Bar zu sitzen, während der Alkohol einem den Kopf vernebelte. Er wusste, wenn er so darüber nachdachte, eigentlich überhaupt nicht, wie es Chouji wirklich ging und was für ein Mensch er geworden war. Es ging immer nur um die Arbeit und die Familie. Wann hatten sie das letzte Mal über früher gesprochen?
Shikamaru war es bis jetzt noch gar nicht in den Sinn gekommen, sich Chouji anzuvertrauen. Aber er konnte sich schon ziemlich genau denken, was er sagen würde. „Quatsch, Shikamaru! Du kannst doch nichts dafür, dass Neji sich entschieden hat, sein Leben zu opfern. Mach dir keine Gedanken. Außerdem hatten wir doch nicht mal viel mit ihm zu tun.“ Er konnte nicht verstehen, was in Shikamaru vor sich ging. Er verstand es ja nicht einmal selbst so richtig. Außerdem hatte Shikamaru ihm nie von seinen Momenten mit Neji erzählt. Geschweige denn von der Mittsommernacht…
Jetzt auf einmal damit anzukommen wäre irgendwie oberpeinlich. Und dazu kam noch, dass Shikamaru nicht wollte, dass Chouji sich Sorgen um ihn machte.
Nein, es war ganz sicher das Beste, die Sache allein zu klären.
Aufbruch – Mission Team Gai und Team Asuma
Eine Weile nachdem Neji aus dem Krankenhaus entlassen worden war, schickte Tsunade sein Team zusammen mit Shikamarus Team auf eine längere Mission. Wie sich später herausstellte, war Asuma daran nicht ganz unschuldig, denn er hatte Tsunade wohl auch aus dem Grund darum gebeten, dass seine Schüler sich von Gais fleißigem Team positiv beeinflussen lassen sollten. Er hatte sich wohl mit Gai zum Essen verabredet und dabei waren sie auf die glorreiche Idee gekommen, dass etwas Taijutsu-Nachhilfe genau das Richtige wäre für Asumas Schüler.
Sie hatten sich das so vorgestellt, dass sie auf der dreitägigen Schiffreise, die sie zu ihrem Zielort bringen würde, viel Zeit zum Trainieren haben würden. Natürlich beherrschte Shikamarus Team die Grundlagen des Taijutsu. Aber er musste sich eingestehen, dass gerade seine und Inos Technik eher im Team funktionierte und es nicht schaden konnte, den eigenen Körper zu stärken und so vielleicht auch im Einzelkampf stärker zu werden. Als Shinobi konnte man schließlich nie genau voraussagen, wie eine Mission verlaufen würde. Ob man vielleicht auch einmal von seinen Teammitgliedern getrennt werden würde. Es war wichtig gerade für solche Fälle auch in der Lage zu sein, auf sich selbst aufzupassen oder andere aus eigener Kraft beschützen zu können.
Obwohl Shikamaru sich irgendwie schon auf eine gemeinsame Mission mit Neji freute, hatte er überhaupt gar keine Lust auf Lee und seine quirlige, laute Art. Er hoffte sehr, dass Neji seinen Teamkameraden etwas drosseln würde.
Als er am Tag der Mission früh morgens am Tor ankam, war er nicht überrascht, dass die anderen alle schon auf ihn warteten.
„Da ist ja unser Langschläfer endlich!“, kommentierte Ino leicht giftig.
Großartig, sie hat ja jetzt schon richtig gute Laune. Das kann ja echt heiter werden…
Chouji lächelte ihn aber aufmunternd an. Vermutlich wollte er Shikamaru damit sagen, dass diesmal alles klappen würde und er sich keine Sorgen machen sollte. Wie immer hatte er viel zu viel Gepäck dabei und, wie Shikamaru ihn kannte, war das meiste davon vermutlich irgendwelches Knabberzeugs, das er in den ersten paar Stunden schon verputzen würde. So war es bei längeren Missionen immer. Chouji nahm sich einen riesigen Vorrat an Chips und anderen Snacks mit, konnte sich nicht kontrollieren und maulte dann die restliche Zeit herum, weil er zu wenig zu Futtern dabei hatte.
Ino hatte sich noch mehr herausgeputzt als sonst und war perfekt geschminkt. Shikamaru konnte sich nicht erklären, wie man extra für so etwas eine Stunde früher aufstehen konnte. Außerdem fand er Ino ohne Schminke irgendwie sogar hübscher. Dass sie sich für eine Mission derart ins Zeug gelegt hatte, war jedoch eher ungewöhnlich. Entweder wollte sie bei dem gutaussehenden Neji Eindruck schinden, oder sie wollte Tenten zeigen, dass sie es in Sachen Aussehen mit ihr nicht aufnehmen konnte. Vermutlich war es beides. Oh, oder sie hoffte, dass bei der Schiffsbesatzung ein „wahnsinnig attraktiver“ Typ arbeitete, den sie verführen konnte. Es musste so anstrengend sein, Ino zu sein!
Tenten hingegen war überhaupt nicht geschminkt und lächelte ihn freundlich an, auch wenn sie etwas gestresst wirkte. Lee, der zur Abwechslung gerade mal keine Liegestützen machte oder auf den Händen lief, verlor keine Zeit und rief: „Na dann lasst uns mal losgehen. Auf, auf, Richtung Meer, jippie!“ Dann sprang er los und lief einfach davon.
So geht das bei denen also zu, ohne richtige Begrüßung oder Besprechung jeglicher Art einfach losstürmen.
Shikamaru stöhnte genervt, als die anderen Lee folgten. Ich bin hier der Missionsleiter und entscheide, wann wir loslegen, wollte er am liebsten protestieren. Aber Lee war schon auf und davon.
„Ein bisschen laufen wird dir bestimmt helfen, richtig wach zu werden!“ rief Neji ihm zu, der nicht mit den anderen weiter vorn, sondern neben ihm lief.
„Es freut mich, wieder eine Mission mit dir zu haben“, fügte er hinzu und schenkte Shikamaru ein seltenes, kleines Lächeln.
Shikamaru zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Bitte sag mir, dass du deinen Freund zurückpfeifen kannst, wenn er so waghalsig davonstürmt. Ich habe keine Lust, schon wieder eine Mission zu vermasseln, vor allem nicht aus dem Grund, dass ich die Gruppenmitglieder nicht kontrollieren konnte...“
„Ich weiß, dass Lee immer sehr impulsiv wirkt“, antwortete Neji. „Aber er ist sehr wohl in der Lage, gefährliche Situationen zu erkennen und sich angemessen zu verhalten. Und er kann auch gut Befehle annehmen und ausführen. Mach dir keine Sorgen, du schaffst das schon. Ich würde mir eher Gedanken darüber machen, wie du Ino davon abhalten kannst, Tenten weiter herauszufordern. Bevor du dazukamst, hat sie sich ihr gegenüber ziemlich arrogant benommen.“
Wenn Ino wüsste, dass Neji sie arrogant findet! Shikamaru musste innerlich schmunzeln. Irgendwie schön, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte. Aber ich habe gewiss nicht vor, mich in irgendwelche Mädchenangelegenheiten einzumischen. Das würden Ino und Tenten schon unter sich klären müssen.
Der erste Teil der Mission verlief ohne große Unterbrechungen. Gegen Mittag des zweiten Tages hatten sie die dichten Wälder um Konohagakure herum verlassen und kamen bald darauf am Hafen an. Das Segelschiff, das sie zu der Insel Shishiyoujima bringen sollte, war nicht besonders groß, sodass es nur zwei Schlafkabinen mit jeweils vier ziemlich engen Kojen gab.
Das hieß, sie mussten sich zum Schlafen entweder nach Teams oder Geschlecht aufteilen. Auf früheren Missionen hatte Shikamaru zwar schon öfter mit Chōji und Ino in einem Zelt oder Zimmer geschlafen, aber jetzt protestierte sie bei seinem Vorschlag und argumentierte heftig dafür, dass sie mit Tenten allein eine Kabine teilen konnte. Da keiner der Jungs etwas dagegen sagte und Shikamaru keine Lust auf nervige Streitereien hatte, musste er sich wohl oder übel geschlagen geben.
Zufrieden zog Ino Tenten in eins der Zimmer und schloss die Tür hinter ihnen.
Arme Tenten, hoffentlich kommt sie mit ihr zurecht, dachte Shikamaru.
Jetzt mussten sie nur noch die Etagenbetten unter sich aufteilen. Chōji und Lee schliefen unten und Shikamaru und Neji bezogen die oberen Kojen, jeweils über ihrem Teamkameraden. Nachdem sie sich mit der Schiffsmannschaft bekannt gemacht hatten, ging die Fahrt los.
Die Sonne schien warm vom Himmel herab und es war weit und breit keine Wolke zu sehen. Shikamaru hätte die Zeit gerne genutzt, um zu faulenzen, aber da Asuma mehrmals betont hatte, dass das Training während der Reise ebenfalls ein wichtiger Teil der Mission sei, musste er den inneren Schweinehund bekämpfen und dafür sorgen, dass sie sich wenigstens ein bisschen körperlich betätigten.
Wie erwartet war Lee ganz begeistert von dem Vorschlag, dass sie zusammen trainieren sollten. Auch Tenten schien sich darauf zu freuen. Neji nickte nur mit dem Kopf und zeigte wieder einmal keinerlei Emotionen. Ino und Chōji hingegen starrten ihn an, als hätte er vorgeschlagen, dass sie ins Wasser springen und lieber den ganzen Weg schwimmen sollten.
„Was denn, das ist ein Teil des Missionsauftrags. Beschwert euch bei Asuma, das war sicher nicht meine Idee!“ entschuldigte Shikamaru sich halbherzig bei ihnen. Von allen Anwesenden hatte er sicherlich am wenigsten Lust, sich auf dem kleinen Deck des Schiffes und auch noch in der prallen Sonne mit den anderen schlagen zu müssen.
„Der Plan ist, dass Team Gai uns beim Taijutsu etwas Nachhilfe gibt, weil wir das in letzter Zeit vernachlässigt haben. Ich schlage vor, dass wir für den Rest des heutigen Tages erst einmal Teams zu zweit bilden und —“
Er sah Ino streng an, die gerade den Mund öffnete, vermutlich um loszuschreien, dass sie mit Neji in einem Team sein wollte (erstens weil sie genau wusste, dass Tenten sie im Taijutsu fertig machen würde, und sie sich das von einem anderen Mädchen nicht bieten lassen würde. Zweitens, weil sie sicher Angst hatte, dass Lee keine Rücksicht auf seinen Gegner nahm, egal ob er gegen ein Mädchen oder einen Bären kämpfen musste, und drittens, weil sie hoffte, dem hübschen Neji beim Trainieren körperlich näher zu kommen, die lästige Frau!).
„— Und! Die Teams werden zufällig mit Stein, Schere, Papier ausgewählt, damit es fair bleibt.“
Natürlich protestierte Ino trotzdem heftig, aber glücklicherweise ließ sie sich dennoch darauf ein.
Shikamaru hatte selbstverständlich eigene Gründe, wieso er die Teams zufällig entscheiden ließ. Er war sich fast hundertprozentig sicher, dass er vorhersehen würde, was Chōji und Ino für Handzeichen wählten, und so konnte er die Teams scheinbar dem Zufall überlassen, und musste Inos Gemecker vielleicht etwas weniger über sich ergehen lassen, als wenn er die Teams einfach eingeteilt hätte.
„Der erste Sieger ist mit Neji in einem Team, der zweite mit Tenten und der Verlierer darf mit Lee trainieren.“
Sie stellten sich zu dritt auf und Shikamaru zerquetschte wie geplant Inos und Chōjis Scheren mit seinem Stein. Ino biss sich wütend auf die Lippe, sagte aber nichts. Gegen Chōji verlor sie für Shikamaru etwas überraschend, nachdem beide Papier gewählt hatten, mit Papier gegen die Schere. Also hieß es: Shikamaru und Neji, Chōji und Tenten, Ino und Lee.
Ein bisschen leid tat Ino ihm schon.
„An Team Gai, denkt bitte daran, dass es nur Training ist und dass nicht alle Teams einen Taijutsu-besessenen Lehrer hatten, der vor nichts zurückschreckt. Ihr sollt uns einfach ein bisschen fordern, aber nicht überfordern. Und es ist auch nicht zielführend, wenn wir halbtot auf Shishiyoujima ankommen, also übertreibt es beim Kämpfen bitte nicht.“
Team Gai nickte und Shikamarus Blick streifte Nejis. Hoffentlich habe ich mich da mit meinem Trainingspartner nicht verrechnet...
Er sprach noch kurz mit Chōji und Ino über die einzelnen Trainingspunkte, auf die sie sich konzentrieren sollten. Dabei sah er im Blickwinkel, wie Neji Lee am Arm zupfte und ihm leise etwas zuraunte.
Hoffentlich verarbeiten sie uns nicht zu Brei…
Glücklicherweise schienen sich alle Teams erst einmal ganz bodenständig zu beraten, wie sie anfangen sollten. Shikamaru versuchte, nebenbei auch die anderen im Auge zu behalten, merkte aber schnell, dass er sich voll und ganz auf Neji konzentrieren musste.
Neji zeigte ihm zuerst die Fehler in seiner Grundhaltung und machte ihn darauf aufmerksam, dass Atmung und Bewegung zusammen funktionieren mussten, damit der Chakrafluss optimal laufen konnte. Er aktivierte das Byakugan und scannte Shikamaru von oben nach unten durch. Wie schon oft kam in Shikamaru wieder die Frage auf, ob die Hyuugas nicht doch durch Kleidung sehen und die Privatsphäre von allen Leuten so einfach mit Füßen treten konnten.
Aber Neji blickte durch die Oberfläche hindurch, in Shikamarus Inneres, und das machte ihn vielleicht noch nervöser, als wenn er nur seinen nackten Körper betrachtet hätte.
„Shikamaru, du musst dich viel mehr auf die Atmung konzentrieren. Du scheinst sehr abgelenkt zu sein, dein Chakrafluss macht Purzelbäume...“
Neji sagte es ruhig und bestimmt und Shikamaru fühlte sich wie ein kleines Kind, als er merkte, dass er rot wurde.
„Muss das wirklich sein? Die meisten von uns können nun mal keine Chakrapunkte oder -flüsse sehen, vergiss das nicht!“ warf er genervt zurück.
Neji sah ihm direkt in die Augen, das Byakugan wieder deaktiviert. „Nur weil du es nicht sehen kannst, heißt das nicht, dass es nicht da ist, Shikamaru! Ich weiß, dass wir Hyuugas eine andere Herangehensweise zum Taijutsu haben, aber diese Weise hat sich nun mal bewährt. Sogar Sensei Gai befolgt diese Techniken. Am Anfang klingt es vielleicht kompliziert, weil man an so vieles gleichzeitig denken muss. Aber wenn du die richtige Atmung erst einmal verinnerlicht hast und dein Chakrafluss stabil wird, ist es ganz einfach. Der Anfang ist immer harte Arbeit.“
Shikamaru stöhnte leicht: „Es sei denn, man ist so ein Naturtalent wie du, nehme ich an...“
Neji warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Das ist nicht wahr, Shikamaru. Ich habe nur als Kind nicht viel Zeit mit anderen Dingen als Training verbracht. Ich habe eigentlich immer nur trainiert, seitdem mein Vater gestorben war. Und meistens habe ich alleine trainiert. Ich habe lange gebraucht, bis mein Körper verstanden hat, wie er sich bewegen muss. Sogar noch länger, bis mein Verstand verinnerlicht hat, dass man Körper und Geist nicht voneinander trennen kann. Du musst als eine Einheit funktionieren, aber damit das klappt, konzentrierst du dich zuerst auf die einzelnen Teile, wie zum Beispiel deine Atmung, und dann nimmst du irgendwann etwas Zweites dazu, wie eine bestimmte Bewegung. Und wenn du zwei Dinge gleichzeitig ausführen kannst, ohne mehr darüber nachdenken zu müssen, dann sind sie zu einer Einheit geworden. Je mehr du dich selbst zusammenfügst, desto einfacher wird das Kämpfen. Aber es dauert lange und ist harte Arbeit. Für jeden.“
Shikamaru hatte nicht beabsichtigt, Neji zu verärgern, aber er war frustriert und er wusste, dass er nur durch hartes und vor allem kontinuierliches Training wirklich Fortschritte im Taijutsu machen würde.
Sich auf etwas zu konzentrieren, während man etwas anderes machte… In manchen Bereichen gelang ihm das gut. Er konnte gut reden und dabei über etwas anderes nachdenken. Mittlerweile hatte er auch seine Schattentechnik besser im Griff. Aber das war ebenfalls nur das Resultat von langem und konsequentem Training.
„Wir haben aber nur ein paar Tage Zeit zum Trainieren. Ich dachte, es wäre sinnvoller, ein paar Abkürzungen zu nehmen. Zeig mir doch vielleicht einfach ein paar Bewegungsabläufe, die man als Normalsterblicher auch meistern kann.“
Neji schnaubte leise. „Wenn du die Basis nicht hast, dann kannst du auf nichts aufbauen. Du wirst niemals ein ernstzunehmender Gegner sein, wenn du gegen jemanden antrittst, der eine gute Basis hat. Gegen jemanden wie mich, oder Lee oder Tenten, hättest du niemals auch nur die geringste Chance im Nahkampf. Es gibt leider keine Abkürzungen und ich bringe dir keine fortgeschrittenen Techniken bei, wenn du die Grundlagen nicht beherrschst.“
Frustriert gab Shikamaru klein bei und so widmeten sie sich verschiedenen Atemtechniken, die einzig und allein darauf abzielten, Shikamaru das Atmen bewusster zu machen. Der sonst so zurückhaltende Neji hatte keine Scheu, Hand anzulegen. Er befahl ihm, sein Hemd auszuziehen und drückte seine Handflächen nacheinander auf verschiedene Stellen, auf Shikamarus Rücken, seine Seiten, seine Brust und seinen Bauch, während er tief ein- und ausatmete.
Es fühlte sich mit der Zeit irgendwie beruhigend und seltsam vertraut an.
Neji lobte ihn leise, wenn die Atmung und der Chakrafluss harmonierten, und gab ihm ab und zu neue Anweisungen, worauf er sich beim Atmen konzentrieren sollte.
Eigentlich war das Training gar nicht so schlecht. Ein wenig ablenkend waren Lees Rufe, der anscheinend Ino anfeuerte, die gerade dabei war, ein komplett anderes Training zu absolvieren als Shikamaru. So ungefähr hatte er sich seine Arbeit mit Neji vorgestellt. Verschiedene Kampftechniken vorgezeigt bekommen, nachmachen und kurze Übungskämpfe zum Ausprobieren.
Tenten und Chouji schienen Taijutsu mit seiner Fähigkeit der Teilvergrößerung zu kombinieren und Tenten sah aus, als hätte sie großen Spaß aufgrund der ungewohnten Möglichkeiten.
Nachdem ungefähr drei Stunden vergangen waren, legte Neji Shikamaru, der nun auf dem Rücken auf dem Boden lag, die Handflächen an die Schläfen und drückte leicht massierend. Es fühlte sich so angenehm an. Die Atemluft bahnte sich ihren Weg durch Shikamarus Körper und Nejis Finger an seinen Schläfen betäubten seine Gedanken. Es fühlte sich an, als wäre er in eine große Wolke aus Watte eingehüllt. Shikamaru summte leicht und hatte das Gefühl, gleich einzuschlafen.
„Vielleicht ist es an der Zeit, das Training für heute zu beenden. Ino sieht aus, als wäre sie kurz davor, Lee gleich über Bord zu werfen.“
Shikamaru öffnete die Augen und sah Nejis Gesicht direkt über sich, ein kleines Schmunzeln auf den Lippen. Hastig richtete sich Shikamaru auf und drehte sich zu Ino um. Sie sah Lee mit einem Blick an, als würde sie ihn am liebsten erwürgen.
„Hey Leute, Schluss für heute!“ rief Shikamaru und stolperte zu ihnen rüber. Sein Körper fühlte sich immer noch seltsam benommen an. Ino musterte kurz seinen nackten Oberkörper, warf Shikamaru einen absolut giftigen Blick zu, stapfte ohne ein Wort zu sagen los und verschwand unter dem Deck.
„Was ist denn mit der los?“, erkundigte sich Shikamaru. Lee ließ die Mundwinkel hängen und sagte entschuldigend: „Ich glaube, ich bin nicht der beste Lehrer. Sie war gar nicht so schlecht beim Kämpfen. Aber Tenten ist das einzige Mädchen, mit dem ich bisher gekämpft habe und da kommt sie nicht mal annähernd ran. Dann hab ich gesehen, dass ihr beide Atemtechniken übt und habe vorgeschlagen, dass wir das auch probieren können, weil sie sich immer nur beschwert hat, dass ihr alles zu anstrengend sei. Kann sein, dass sie es nicht so gut fand, als ich meinte, dass es am besten klappt, wenn sie auch ihr Oberteil auszieht.“ Er fuchtelte abwehrend mit den Händen herum. „Tenten hat das immer gemacht, sie hat immer ein Top drunter, deshalb dachte ich nicht, dass der Vorschlag sie so wütend macht. Ich hab mich tausendmal entschuldigt, aber sie hat mich dann nur noch ignoriert.“
Shikamaru sah, dass es ihm aufrichtig leid tat. Ino war in letzter Zeit oft etwas schwierig, vor allem, wenn sie nicht bekam, was sie wollte. Shikamaru bezweifelte aber, dass Tenten ein besserer Trainingspartner für sie gewesen wäre und auch wenn Nejis Trainingsansatz ihn anfangs noch frustriert hatte, wollte er jetzt auf keinen Fall mehr den Partner tauschen.
Er würde nachher noch einmal mit Ino darüber reden und ihr die Vorteile vom Trainieren mit Lee darlegen. Mithilfe von ein paar Komplimenten, wie toll sie sich heute geschlagen hätte, würde sie ihren Zorn bestimmt bald vergessen.
„Ist das Training für heute vorbei?“ Chouji und Tenten gesellten sich zu den anderen. Man sah ihnen an, dass sie sich viel bewegt hatten, ihre Gesichter waren rot von der Anstrengung. Aber Chouji sah ziemlich zufrieden aus und auch als Shikamaru ihm mitteilte, dass es wohl erst in einer Stunde Abendessen geben würde, maulte er nicht herum.
„Sag mir Bescheid, falls Ino das Badezimmer besetzt, es kann sein, dass sie sich jetzt erstmal zwei Stunden lang frisch machen muss.“ warnte Shikamaru Tenten. Tenten lachte nur und sagte: „Das macht nichts, bestimmt kann sie eine Abkühlung jetzt gut gebrauchen.“ Chouji kicherte laut und Shikamaru warf ihm einen fragenden Blick zu, der aber nicht ankam, weil Chouji nur Tenten anstrahlte.
Was war denn zwischen denen vorgefallen?
Zum Glück hatte Ino anscheinend nicht vor, das Badezimmer zu besetzen. Nach ein paar Minuten kam sie mit frisch gewaschenen Haaren schon wieder aufs Deck und legte sich dort auf eine Bank in die Sonne. Shikamaru, der wohl von allen, außer Neji, am wenigstens geschwitzt hatte, hielt es nicht für nötig sich am Kampf um das einzige Badezimmer zu beteiligen und setzte sich zu Ino.
„Hey Ino, ist alles ok?“ Ino würdigte ihn keines Blickes und blieb einfach entspannt liegen. Dann antwortete sie mit betont ruhiger Stimme: „Ich weiß genau, dass du das mit den Teams absichtlich gemacht hast! Du schlägst uns immer in diesem blöden Spiel!“
Shikamaru wusste, dass Lügen jetzt nicht besonders sinnvoll gewesen wäre. „Tut mir leid, Ino. Ich dachte einfach, dass Neji mir von den dreien am ähnlichsten ist und mir deswegen am besten helfen kann. Und da ich mir nicht sicher war, wer von den anderen beiden dir lieber ist, wollte ich es dem Zufall überlassen. Meinst du denn, das Training mit Lee bringt dich wirklich gar nicht weiter?“
Ino versetzte ihm einen kleinen Hieb in die Seite und seufzte dann. „Er ist nicht ganz so schlimm, wie ich vorher gedacht hatte. Aber ich muss es mir nicht gefallen lassen, dass er mich beim Trainieren angrapscht!“
Shikamaru zog eine Augenbraue hoch. „Hat er das denn versucht?“
Ino schmollte. „Nein, hat er nicht. Zumindest nicht, bis er vorgeschlagen hat, Neji und dich nachzuahmen. Du hast es dir ja gut gehen lassen mit deiner Massage.“
Shikamaru starrte hinaus auf den weiten Horizont und die vereinzelten Wölkchen, die sich langsam rosa färbten. „Das sah vielleicht von außen entspannt aus, aber es war wirklich total anstrengend.“
Ino lachte nur trocken, erwiderte aber nichts.
Es war auch nur halb gelogen, denn anfangs war es Shikamaru tatsächlich sehr schwer gefallen, sich nur auf seinen Körper zu konzentrieren. Aber Neji war ein unglaublich guter Lehrer gewesen und irgendwie hatte er ihm geholfen, sich auf die Aufgabe einzulassen. Der sanfte Druck seiner Handflächen auf seiner Haut hatte ihn irgendwie beruhigt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Neji mit Ino so hätte arbeiten können. Aus verschiedenen Gründen.
„Hast du mitbekommen, wie Tenten Chouji um den Finger gewickelt hat? Er sollte wirklich aufpassen, sich nicht gleich in jedes Mädchen zu verknallen, das nett zu ihm ist!“
Inos Ton war wieder betont gleichgültig, aber Shikamaru konnte spüren, wie sehr es sie störte. Nicht, dass sie eifersüchtig war, dass Chouji romantische Gefühle für jemanden haben könnte. Er war wie ein Bruder für Ino und das würde sich bestimmt auch niemals ändern. Genauso wie Ino für Shikamaru wie eine Schwester war. Eine lästige Schwester, die ihn oftmals seinen letzten Nerv kostete, aber im Grunde genommen mochte er sie wirklich gerne und konnte sich nicht vorstellen, langfristig auf sie verzichten zu müssen.
Aber Ino war anderen Mädchen gegenüber meist, und aus Shikamarus Sicht völlig unbegründet, extrem misstrauisch. Wenn nicht sogar regelrecht feindselig.
Gerade bei Chouji reagierte sie furchtbar beschützerisch, sobald er in Kontakt mit einem anderen Mädchen kam, was auch nicht oft passierte. Vielleicht machte sie sich Sorgen, dass er ausgenutzt werden könnte, weil er einfach ein viel zu guter Mensch war. Und so sehr sie ihn auch mochte, konnte sie sich vermutlich trotzdem nicht vorstellen, dass ein Mädchen ernsthaft an ihm Interesse hatte, weil er nun einmal nicht gerade der attraktivste Junge war, mit seinen immer vollgestopften Backen und seinem dicken Bauch.
Shikamaru rutschte auf der Bank etwas weiter nach unten und streckte seine Beine auf dem Boden aus. „Lass ihn doch ein bisschen Spaß haben. Nur weil er gute Laune hat, ist er noch lange nicht gleich verliebt. Chouji interessiert sich doch sowieso nur fürs Essen, da hat ein Mädchen gar keinen Platz.“
Ino kicherte leise. Dann öffnete sie ein Auge und blickte Shikamaru daraus streng an. „Unser Missionsleiter hat vermutlich nicht geplant, dass wir die Trainingspartner morgen wechseln, oder? Ich könnte auch ein wenig Auffrischung in Atemtechniken gebrauchen, weißt du?“
Diese Frage musste ja jetzt kommen.
Natürlich hatte Shikamaru den Gedanken in Erwägung gezogen, aber nachdem sein Training mit Neji ihm nun doch recht gut gefallen hatte und er auch seiner Argumentation, zuerst die Basis zu festigen, nichts entgegensetzen konnte, machte es keinen Sinn, am nächsten Tag mit jemand anderem zu üben. Selbst wenn alle drei die gleiche Grundausbildung bei Sensei Gai durchlaufen hatten, waren sie in ihren Ansätzen und der Vorgehensweise so unterschiedlich, dass Shikamaru jeden Tag wieder von vorn beginnen würde. Außerdem schien das Training mit Tenten Chouji in Bestlaune versetzt zu haben. Da würde Ino wohl leider in den sauren Apfel beißen müssen.
„Sorry Ino, ich weiß, dass Lee echt eine Nervensäge sein kann. Aber ich denke, dass er für dich der beste Trainer ist. Neji würde sich bei einem Mädchen bestimmt viel zu sehr zurückhalten und du weißt genau, dass du dich mit Tenten schon nach ein paar Minuten in den Haaren hättest. Abgesehen davon bist du von uns dreien die Beste, was sowas wie Atemtechniken, Körperhaltung und ähnliche basale Dinge angeht. Ich meine es wirklich ernst, ich habe heute gemerkt, dass ich beim Trainieren die ganze Zeit das Wichtigste übergangen habe. Und ich weiß nicht, wie Neji das hinkriegt, aber ich bin sogar ein bisschen motiviert, es morgen weiter zu versuchen!“
Ino seufzte und richtete sich auf, so dass sie nun neben Shikamaru saß. „War ja klar, dass Mister Oberperfekt ein gaanz toller Lehrer ist! Aber mach dir keine Sorgen, Shikamaru. Ich komme schon mit Lee zurecht. Ich kann ihn einfach nicht besonders leiden. Wer in Sakura verknallt ist, muss schon einen ziemlichen Schaden in seinem Gehirn haben, meinst du nicht auch?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stand sie auf und machte sich wieder auf den Weg nach unten.
Shikamaru war froh, dass alle einverstanden waren, den Abend zum Ausruhen zu nutzen. Nachdem die Sonne untergegangen war, kam ein kalter Wind auf und verbannte sie in den kleinen Essbereich unter Deck. Das hieß, Shikamaru saß kurz dort mit Chouji, der nun anscheinend doch einen Anfall von Hunger hatte, Tenten und Lee, der sie alle vollplapperte mit Geschichten über vergangene Missionen und Heldentaten von Sensei Gai, den er absolut vergötterte. Shikamaru fragte sich, ob Lee sich wirklich schon wieder komplett von seinen Verletzungen aus den Kämpfen mit Gaara und Kimimaro erholt hatte. Er machte jedenfalls keine Anstalten, ihm das Gegenteil zu beweisen.
Neji war nirgends zu sehen und Ino war früh ins Bett gegangen. Auch als Shikamaru aufstand, um sich in dem kleinen Badezimmer fürs Bett fertig zu machen und als er versuchte, es sich oben in seiner kleinen Koje einigermaßen gemütlich zu machen, war von Neji keine Spur.
Bevor er einschlief, fiel ihm plötzlich wieder ein, wie nahe Nejis Gesicht vorhin an seinem gewesen war, als er ihn am Ende des Trainings aus seiner Trance weckte. Ein warmes Gefühl breitete sich in seinem ganzen Körper aus und er versuchte, sich auf seine Atmung zu konzentrieren und dachte noch einmal an Nejis ruhige Stimme, die ihm Anweisungen gab.
In der Nacht wachte er ein paarmal auf, weil das Schiff krachte und ächzte, oder weil Lee im Schlaf ein Geräusch von sich gab, das klang, als hätte er jemanden geschlagen. Er richtete sich auf und versuchte zu erkennen, ob die Koje neben ihm noch immer leer war, aber es war pechschwarz in ihrer Schlafkabine. Shikamaru überlegte kurz, ob er Neji vorsichtig antippen könnte, wollte ihn aber nicht erschrecken. Also legte er sich wieder hin und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Chapter Text
Am nächsten Tag erwachte Shikamaru mit einem flauen Gefühl im Magen aus einem unruhigen Traum. Um ihn herum schwankte alles. Er blickte sich kurz in der Kabine um, aber die anderen waren schon aufgestanden. Als er ziemlich wacklig von seiner Koje heruntergeklettert war, wollte er die Tür zum Badezimmer öffnen. Natürlich war sie verschlossen.
„Lästig...“, murmelte er vor sich hin und spürte, wie sich ihm der Magen unangenehm hob, als das Schiff kurz zu fallen schien.
„Shikamaru, komm lieber hoch, an der frischen Luft fühlt man sich ein bisschen besser!“
Ino hatte von außen die Tür zum oberen Deck geöffnet und lugte die steile Treppe herunter.
Ihre langen blonden Haare peitschten im Wind um ihr Gesicht, und sie versuchte vergeblich, sie mit einer Hand etwas im Zaum zu halten.
„Zieh dir bloß den Regenmantel über, sonst bist du innerhalb von ein paar Sekunden plitschnass hier oben!“
Shikamaru grummelte weiter und holte seinen Mantel, wobei er abwechselnd von einer zur anderen Seite schwankte. Er kletterte nach oben und trat hinaus in den tobenden Sturm. Die anderen saßen neben der Tür unter der kleinen Überdachung, die bei diesem Wind aber nicht viel Schutz vor dem Regen bot. Lee, Tenten und Chouji, der wohl gerade noch im Bad war, hatte die Seekrankheit am schlimmsten erwischt, während Ino noch recht munter zu sein schien und Neji einfach genauso war wie immer.
Shikamaru musste Ino recht geben, draußen an der frischen Luft fühlte er sich etwas besser. Aber der Wind war eiskalt, und obwohl sie alle ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen und ihre Mäntel um sich geschlungen hatten, froren sie. Tenten klammerte sich zitternd an Lees Arm, der sich wiederum an einen Holzeimer klammerte, den er vor sich auf dem Schoß stehen hatte.
Shikamaru setzte sich neben Neji, der noch ein wenig zur Seite rutschte, um Platz zu machen.
„Wenn das Wetter so bleibt, können wir unser Training heute vergessen!“, rief Shikamaru und stellte überrascht fest, dass ihn der Gedanke etwas enttäuschte. Neji hatte seine Sache gestern wirklich zu gut gemacht.
„Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage!“, erwiderte Lee laut und vergaß für einen Moment, wie elend er sich gerade fühlte.
„Wir dürfen uns von diesem Windchen nicht unsere Pläne durchkreuzen lassen! Wenn wir gemeinsam dagegen ankämpfen, schaffen wir es. Ich habe dir versprochen, ein guter Lehrer zu sein, Ino, und Sensei Gai würde in dieser Situation auch nicht einfach aufge...“
Entsetzt verstummte er und beugte sich über seinen Eimer.
„Igitt!“, rief Ino und drehte sich weg. Auch Tenten, die Lees Arm losgelassen hatte, wich etwas zurück, sah aber so grün aus im Gesicht, als bräuchte sie den Eimer gleich als Nächste.
Wenn Shikamaru selbst nicht auch so übel gewesen wäre, hätte ihn ihre Lage vielleicht amüsiert. Aber gerade wünschte er sich nichts mehr, als sich einfach übergeben zu können, damit er sich danach wenigstens kurzzeitig etwas besser fühlte.
Neji beugte sich leicht zu Shikamaru herüber und sagte:
„Ein bisschen könnten wir das Training trotzdem weiterführen, wenn du magst.“
Als Shikamaru ihn fragend ansah, fügte er hinzu:
„Wenn du es schaffst, dich wie gestern auf deine Atmung zu konzentrieren, könnte ich versuchen, deinen Chakrafluss so zu stimulieren, dass dir der Seegang nicht mehr so zu schaffen macht. Ich denke nur, damit wir auch Erfolg haben, sollten wir runtergehen. Hier draußen ist es zu laut und zu kalt.“
Das hörte sich natürlich nicht schlecht an. Shikamaru zuckte mit den Schultern.
„Von mir aus gerne, viel schlimmer kann es ja nicht mehr werden.“
Neji nickte und stand auf.
Nachdem sie den anderen ihre Pläne mitgeteilt hatten, machten sie sich auf den Weg nach unten. Drinnen war es zwar nicht gerade leise, aber es machte einen großen Unterschied, dass der Wind ihnen nicht mehr direkt um die Ohren pfeifen konnte. Dafür nahm Shikamaru das schreckliche Hin- und Herschwanken des Schiffes hier unten noch viel stärker wahr.
Er entdeckte Chouji, der mit einer Tüte Chips am Esstisch in der Ecke saß und fröhlich mampfte. Als Chouji die beiden sah, winkte er mit der Tüte und rief:
„Shikamaru, ich habe einen echt guten Trick herausgefunden. Wenn du die ganze Zeit ununterbrochen isst, dann bleibt keine Zeit mehr dafür, dass dir schlecht werden kann!“
Shikamaru seufzte. „Ein Wunder, dass du überhaupt noch was von deinem Knabberkram übrig hast. Aber bei deinem Tempo ist das bis zum Mittag alles aufgefuttert, und dann bringt dir dein Trick auch nichts mehr."
Chouji schüttelte den Kopf und murmelte: „Bis dann ist das Unwetter ja vielleicht schon vorbei.“
Woraufhin Neji antwortete: „So wie der Sturm draußen gerade tobt, wird es wohl mindestens bis abends auch noch so weitergehen.“
Und mit einem Nicken zu Shikamaru, das wohl bedeuten sollte, dass sie nun mit dem Training beginnen sollten, stand er auf.
„Willst du was abhaben?“, fragte Chouji und hielt Shikamaru die Chipspackung unter die Nase.
„Nee danke, ich glaube, ich bin ganz froh, wenn ich nicht so viel im Magen habe. Außerdem will Neji jetzt unbedingt unser Training weiterführen. Wir sehn uns nachher!“
Chouji schmollte, als Shikamaru aufstand und Neji hinterherlief. „Ja klar, lass mich hier alleine sitzen...“
Da in ihrem Zimmer viel zu wenig Platz war, bestimmten sie den schmalen aber langen Flur zu ihrem Trainingsplatz. Die Schiffsbesatzung war bei dem Sturm ohnehin oben auf dem Deck beschäftigt und sollte sich durch sie nicht gestört fühlen. Neji bedeutete Shikamaru, sich auf den Boden zu legen. „Es ist zwar nicht gerade der ideale Platz für unser Training, aber das können wir uns gerade nicht aussuchen. Wenn du es schaffst, dich wirklich gut zu konzentrieren, klappt es vielleicht. Lass dich nicht zu sehr von den Wellen ablenken, ich halte dich fest.“
Shikamaru kam es ziemlich doof vor, sich hier mitten im Flur einfach auf den Boden zu legen. Hätte er mit jemand anderem trainiert, hätte er sich vermutlich geweigert. Aber da Neji eigentlich immer alles ernst meinte, was er sagte, tat Shikamaru, wie ihm geheißen wurde. Er schloss seine Augen und versuchte, seinen Atem ruhig und gleichmäßig ein- und ausströmen zu lassen. Er spürte, dass Neji seine Hände auf seine Seiten legte und ihn mit leichtem Druck festhielt.
Es war anfangs tatsächlich alles andere als einfach, sich auf die eigene Atmung zu konzentrieren. Der Sturm tobte und das Schiff wurde auf dem Meer herumgeworfen. Shikamaru stellte sich vor, wie er auf dem schwankenden Boden hin und hergerollt wäre, wenn Neji ihn nicht festgehalten hätte. Das Knarren und Ächzen des Schiffes machte es Shikamaru schwer, seinen Atem zu hören, was die ganze Sache noch erschwerte. Und dann meldete sich auf einmal die Übelkeit wieder. „Ich versuche dich rechtzeitig zu warnen, aber ich kann nicht versprechen, dass ich mich nicht plötzlich übergeben muss."
Choujis Schnauben direkt hinter ihm ließ Shikamaru seine Augen wieder öffnen.
„Hast du gerade echt übergeben gesagt? Ich dachte, du findest, das sagen nur ganz schnöselige Leute!“
Chouji hockte hinter Shikamaru auf dem Flur und zerquetschte seine Chipstüte vor lauter Lachen. Neji, der etwas verärgert wirkte, weil Chouji ihr Training gestört hatte, fragte genervt: „Was soll denn daran so komisch sein?“
Chouji hörte sofort auf zu lachen und blickte etwas hilflos zu Shikamaru. Er war es nicht gewöhnt, dass Neji mit ihm sprach. Um es genauer zu sagen: er hatte vermutlich immer noch ein bisschen Angst vor ihm. Vor der Sasuke-Rückhol-Mission hatte er nie etwas mit Neji zu tun gehabt. Er wusste im Grunde nur von ihm, dass er Hinata beinahe getötet hatte. Ältere Schüler waren ihm sowieso irgendwie unheimlich und da Neji auch bisher noch nie nette Worte an ihn verloren hatte, mied er ihn so gut es ging.
Als Shikamaru nichts erwiderte lief Chouji leicht rosa an und murmelte: „Naja, normale Leute sagen doch nicht Oh nein, ich muss mich gleich übergeben, das heißt Achtung, ich kotze gleich!“
Shikamarus Blick schoss sofort zu Neji, der das offensichtlich nicht besonders witzig fand. Er blickte Chouji nur genervt an und sagte kalt: „Ach, sagen normale Leute so etwas also?“
Chouji schwieg und nickte leicht, wobei er Nejis Blick auswich. Shikamaru hatte ein schlechtes Gewissen. Er hatte überhaupt nicht gemerkt, dass er seine Worte an Nejis Art zu sprechen, die so viel erwachsener war, als er es von seinen Freunden gewohnt war, angepasst hatte.
„Chouji, tut mir echt leid, aber könntest du uns vielleicht kurz in Ruhe trainieren lassen? Es sieht vielleicht nicht so aus, aber es ist gerade auch so schon schwer genug, mich zu konzentrieren.“
Chouji blickte ihn enttäuscht an und stand auf, um zu gehen. „Ja klar, sorry.“
„Bis später!“, rief Shikamaru ihm noch schnell hinterher und hoffte, dass Chouji es ihm nicht übel nehmen würde. Er würde nachher noch einmal mit ihm darüber reden, wenn es sein musste.
„Dann können wir ja nun weitermachen.“, sagte Neji und Shikamaru schloss erneut seine Augen.
Notes:
Hey, hier ist also nun Kapitel Nummer 6 :) Ich werde versuchen, das siebte schon am Mittwoch hochzuladen, weil ich am Wochenende auf der Animagic in Mannheim sein und deshalb keine Zeit haben werde.
Dieses Kapitel ist ein wenig kürzer geraten, aber das nächste wird wieder etwas länger sein.
Wie immer hoffe ich, dass es euch gefällt und freue mich sehr über Kommentare. Es bedeutet mir sehr viel, dass ihr meine Fanfiction lest, danke <3
Chapter Text
Friedhof
Ein leises Miauen riss Shikamaru aus seinen Gedanken. Er drehte sich um, konnte die Katze aber nicht ausfindig machen. Shikamaru fröstelte leicht. Die Sonne war nun untergegangen und jetzt wurde es sehr schnell dunkel und kühl. Er hatte zwar noch eine warme Jacke dabei, aber die ganze Nacht wollte er dann doch nicht auf dem Friedhof verbringen. Trotzdem hatte er das Gefühl, sich mit der Situation langsam etwas wohler zu fühlen. Vielleicht lag es daran, dass, selbst wenn um diese späte Stunde jemand zum Friedhof käme, diese Person ihn wahrscheinlich gar nicht bemerken würde. Die sich ankündigende Dunkelheit war ihm sehr willkommen, vielleicht half sie ihm sogar bei seiner selbstauferlegten Mission. Er rutschte auf seinem kleinen Hocker hin und her und versuchte, sich in eine bequemere Position zu bringen.
Neji hatte es damals auf der Mission geschafft, ihm die Grundlagen des Taijutsu zu vermitteln. Nicht, dass Shikamaru in letzter Zeit einen dringenden Grund gehabt hätte, Taijutsu zu benutzen, aber ihm wurde bewusst, wie wenig er diese Grundlagen beachtet hatte. Sicher, manches davon war automatisch in seine Bewegungen und Jutsus übergegangen und hatte seine Angriffe zweifellos verstärkt. Aber Neji hatte mal erwähnt, dass bestimmte Atemtechniken es nicht nur erleichterten, den Chakrafluss positiv zu beeinflussen, sondern auch negative Emotionen und Stress abbauen konnten. Vielleicht sollte er in nächster Zeit öfter wieder von diesem Wissen Gebrauch machen. Auch wenn es sich irgendwie falsch anfühlte, eine Technik, die Neji ihm gezeigt hatte, zu nutzen, um ihn zu vergessen…
Shikamaru stutzte kurz in seinen Überlegungen. War es das, was er wollte? Wollte er Neji vergessen?
Das hatte er jahrelang doch eigentlich ziemlich erfolgreich getan. Er lebte vor sich hin, ohne einen Gedanken an seinen verstorbenen Freund zu verschwenden. Er hatte seinen Vater oder Asuma doch auch nicht vergessen. Und obwohl er sich an Asumas Tod sehr wohl schuldig gefühlt hatte, konnte er irgendwie seinen Frieden damit schließen. Natürlich glaubte er auch, dass es ihm dabei sehr geholfen hatte, Asuma zu rächen, indem er Hidan für seine Verbrechen förmlich auseinanderriss. Aber was noch wichtiger war, er hatte sich erlaubt, um ihn zu trauern.
Hatte er, von den Träumen, die ihn in letzter Zeit plagten, mal abgesehen, jemals eine Träne um Neji vergossen?
Wir standen uns nie nahe genug. Ich bin nicht der emotionale Typ, wieso sollte ich um jemanden weinen, der bestenfalls ein guter Bekannter war?
Aber diese Gedanken fühlten sich an wie eine Lüge. Etwas, das Shikamaru zu sich selbst sagte, um sich nicht mit der Wahrheit beschäftigen zu müssen. Eine Möglichkeit, wieder einfach nur davonzulaufen.
Je mehr er von Neji träumte und je mehr er nun an ihn dachte, wurde ihm klar, dass da zwischen Neji und ihm doch etwas gewesen war. Etwas besonderes, das er niemals in seinem Leben so wieder erlebt hatte. Wenn er diese Sache hier überwinden wollte, musste er ihr auf den Grund gehen und sich seiner Vergangenheit stellen.
Da hörte er das Miauen wieder. Diesmal war es lauter und schien von vorne zu kommen. Shikamaru hielt den Atem an und lauschte gespannt. Da tauchte direkt hinter Nejis Grabstein eine Katze auf. Ihre Augen leuchteten gespenstisch, wenn sie das Licht der einzelnen Laterne, die hinten am Weg stand, spiegelten. Sie rieb sich am Stein und kam dann direkt zu Shikamarus Hocker herüber, wo sie sich an seine Beine schmiegte.
Shikamaru konnte ihre Fellfarbe nicht genau erkennen, aber irgendwie hatte die Katze etwas tröstliches an sich. Er streckte die Hand aus und hielt sie vorsichtig hin, damit die Katze an ihr schnuppern konnte. Sie hielt kurz inne und drückte dann die Stirn an seine Hand und begann zu schmusen. Shikamaru streichelte sie vorsichtig und ließ seine Gedanken weiter schweifen.
Unruhige Gewässer
Irgendwie hatte Neji es geschafft – auch wenn er jedes Mal betonte, dass es ohne Shikamarus Zutun nicht geklappt hätte – so auf Shikamarus Gleichgewichtssinn einzuwirken, dass ihm nicht mehr so übel war. Natürlich blieb ein leichtes flaues Gefühl in seinem Magen zurück und auch das Schwanken des Schiffes war nicht weniger lästig, aber er fühlte sich wieder mehr wie ein Mensch.
„Wieso können deine Teamkollegen sich nicht auf diese Art von der Seekrankheit befreien?“, fragte Shikamaru, als er mit Neji und Chouji am Esstisch saß und ein Sandwich verdrückte.
Neji schluckte einen Bissen herunter und sagte dann: „Dafür muss man sein eigenes Chakranetz gut kennen und regulieren können. Die beiden sind zwar hervorragende Taijutsu-Beherrscher, aber ohne das Byakugan ist es fast unmöglich, vor allem unter den gegebenen Umständen.“
Shikamaru nickte und fragte sich insgeheim, warum Neji ihnen dann nicht so half, wie er es bei ihm getan hatte. Aber er sprach seine Gedanken nicht aus, Neji würde schon seine Gründe dafür haben.
Der Regen hörte irgendwann am späten Nachmittag auf und als es dunkel wurde, legte sich auch der Sturm ein wenig. Shikamaru und Chouji gesellten sich zu den anderen in die kleine Sitzecke mit dem Esstisch, während Neji sich in das Schlafzimmer zurückzog, um zu meditieren.
Als Shikamaru und Chouji sich zu ihnen setzten, war Ino gerade damit beschäftigt, Tenten zu erklären, wieso Sakura niemals einen Freund haben würde. Tenten wirkte leicht irritiert, hörte ihr aber aufmerksam zu und nickte ab und zu unbeholfen.
Plötzlich schlug Lee entrüstet mit den Fäusten auf den Tisch und rief: „Das ist doch nicht wahr, Sakura ist ein tolles Mädchen! Wer auch immer der Glückliche sein mag, für den sie sich entscheidet, er wird eine tolle Ehefrau haben.“
Ino sah ihn an, als wäre er ein Kind, das die Erwachsenen bei ihren wichtigen Gesprächen unterbrochen hatte. „Willst du denn gar nicht sagen, dass du derjenige sein wirst?“, fragte sie in einem kühlen Ton.
Lee zuckte mit den Schultern und antwortete: „Naja, sagen würd ich es schon gerne, aber ich bin auch nicht blöd. Ich weiß, dass Sakura immer noch in Sasuke verknallt ist und dass sie bestimmt noch ein bisschen Zeit braucht, um ihn zu vergessen. Aber in der Zwischenzeit werde ich noch viel härter trainieren und irgendwann ändert sie ihre Meinung vielleicht.“
„Lee, vielleicht ist es…“ setzte Tenten gerade an, als sie von Inos lauter Stimme unterbrochen wurde.
„Sasuke würde sich sowieso niemals für so ein brutales, unweibliches Mädchen interessieren. Bestimmt ist er überhaupt nur fortgegangen, um ihr aus dem Weg zu gehen. Wenn er zurückkommt, wird er sie ohnehin längst vergessen haben.“
Shikamaru stöhnte innerlich auf und warf Chouji einen gequälten Blick zu. Der Gedanke an Sasuke hinterließ immer noch ein unangenehmes Gefühl des Versagens in ihm. Und Inos realitätsferne Spekulationen über den Grund seines Weggangs machten es nicht besser.
Chouji lächelte Shikamaru an, aber irgendwie wirkte er nervös. Anders als sonst, wenn er seine Vorräte an Snacks schon aufgebraucht hatte, jammerte er aber auch nicht herum, was Shikamaru irgendwie seltsam vorkam.
„Ein bisschen nervig ist es schon, wenn man auf den bestaussehendsten Typen im ganzen Dorf steht. Ich habe vor kurzem gehört, wie zwei Mädchen, die ich noch nie vorher gesehen habe, in unserem Blumenladen über ihn geredet haben. Die eine war total entsetzt, als die andere ihr gesagt hat, dass Sasuke nicht mehr in Konoha sei. Die sahen beide sowas von mittelmäßig und langweilig aus, die hätten sowieso nie eine Chance bei Sasuke gehabt.“
Tenten lachte nervös. Sie schien sich mit diesem Thema nicht sehr wohl zu fühlen. Vielleicht war es auch nur Ino, die ihr zu schaffen machte?
„Was ist eigentlich mit dir, Tenten? Bist du auch so ein Sasuke-Fan?“
Shikamaru glaubte kurz, dass ihm sein Gehirn einen Streich gespielt hatte. Hatte der sonst so schüchterne Chouji wirklich gerade ein Mädchen danach gefragt, was für einen Jungen sie mochte?
Tenten schüttelte den Kopf und lachte unsicher. „Ich bin da nicht so wie die meisten Mädchen, glaube ich. Ich interessiere mich nicht gleich für einen Kerl, nur weil er gut aussieht. Ich denke, ich muss ihn dafür besser kennen, und Sasuke kannte ich eigentlich gar nicht.“
Ino zog die Augenbrauen hoch und fragte irritiert: „Aber wenn es nur ums Aussehen geht, findest du doch auch, dass Sasuke am besten aussieht, oder? Also von den Jungs in unserem Alter.“
Tenten warf Lee einen flüchtigen Blick zu und sagte dann: „Ich finde Neji sieht besser aus, aber vielleicht ist das auch nur, weil ich ihn besser kenne!“
„Neji sieht ja auch viel besser aus als Sasuke, das ist ja wohl klar!“, rief Lee und klopfte Tenten kameradschaftlich auf die Schulter.
Während Ino anfing, die arme, immer röter werdende Tenten auszufragen, ob zwischen ihr und Neji etwas sei, und Lee immer aufgebrachter anfing mit den Armen herumzufuchteln und Ino zu erklären, dass die beiden wie Geschwister seien, beobachtete Shikamaru seinen besten Freund, der tatsächlich enttäuscht zu sein schien, dass Tenten nicht seinen Namen genannt hatte. Hatte Ino etwa Recht und er hatte sich tatsächlich irgendwie in Tenten verknallt?
Bitte nicht, das bringt nur Ärger und Stress…
„Wie auch immer“, wimmelte Ino Lee ab, „Neji sieht schon nicht schlecht aus, aber er ist viel zu arrogant und abgehoben!“
Bevor er sich stoppen konnte, rutschte Shikamaru heraus: „Dieses Problem hat Sasuke ja zum Glück gar nicht.“
Er bereute es sofort, eigentlich hatte er sich aus dieser ganzen Angelegenheit heraushalten wollen.
Ino funkelte ihn giftig an, entschied sich dann aber, ihn zu ignorieren und fuhr unbeirrt weiter: „Ich wette, Neji interessiert sich überhaupt nicht für Mädchen. Der hat doch wirklich ganz andere Probleme. Er hätte die arme Hinata beinahe umgebracht, nur weil sie aus der besseren Familie kommt. Ich will euch ja nicht zu nahe treten, aber wenn ich so richtig darüber nachdenke, bin ich ziemlich froh, dass er nicht mein Trainingspartner ist. Er scheint auf Frauen ja überhaupt keine Rücksicht zu nehmen.“
Während Lee aufsprang und begann, seinen besten Freund zu verteidigen, veränderte sich Tentens Miene von Unsicherheit zu Wut. Sie holte gerade tief Luft, um Ino die Meinung zu sagen, als Shikamaru die Stimme erhob.
„Okay Leute, das reicht jetzt, wir sind nicht auf dieser Mission, um uns zu streiten!“
Ino wirbelte zu ihm herum. „Du hast dich ja anscheinend echt toll mit ihm verstanden, Shikamaru! Sogar heute habt ihr trainiert. Ausgerechnet du, dem sonst jede Ausrede recht ist, um sich vor dem Training zu drücken. Ich kann nur hoffen, dass du nicht auch noch so ein arrogantes Arschloch wirst!“
Das war der Augenblick, in dem Tenten nun doch explodierte. „Hör auf, so über Neji zu reden! Du weißt überhaupt nichts über ihn. Nur weil er sich nicht für dich interessiert, heißt das noch lange nicht, dass er arrogant ist. Du bist längst nicht so toll, wie du denkst, Ino! Ist doch wirklich peinlich, dass du dich mitten in den Chuunin-Prüfungen an ihn rangemacht hast!“
Ino lief rot an vor Wut. Beide waren aufgesprungen und sahen so aus, als wären sie kurz davor, aufeinander loszugehen.
„Das war nur eine rein strategische Maßnahme innerhalb der Prüfungen, ich habe kein solches Interesse an Neji. Schlimm genug, dass er das anscheinend überall rumerzählt hat. Er scheint sich ja ganz schön was darauf einzubilden!“
Tenten knurrte sie an. „Das hat er nicht herum erzählt, das weiß ich von Chouji!“
Ino sah aus, als hätte sie sich an ihrer Spucke verschluckt.
Shikamaru spürte, wie Chouji neben ihm zu einem Häufchen Elend zusammenschrumpfte, bevor Ino auch nur angefangen hatte, ihm die Meinung zu sagen.
Shikamaru wollte am liebsten einfach aufstehen und sich in der Schlafkabine verkriechen.
Lee versuchte, Tenten zu beschwichtigen, während Chouji von Ino eine Standpauke zu hören bekam, in der es um Kameradschaft und Verrat ging.
Da hörte Shikamaru plötzlich hinter sich ein Geräusch und einen Augenblick später schlug er mit dem Kopf beinahe auf die Tischplatte, als er von einem starken Stoß nach vorne geschubst wurde. Verwirrt blickte Shikamaru auf. Tenten und Lee hatten sich offensichtlich die Köpfe aneinander gestoßen und Ino saß plötzlich fassungslos auf dem Boden. Chouji hatte Shikamarus Teetasse umgestoßen und sah ihn mit großen Augen aufgeschreckt an.
„Könnt ihr euch vielleicht mal zusammenreißen? Ihr seid ja schlimmer als eine Horde Kleinkinder!“
Neji, der sonst immer ruhig und gefasst war, hatte seine Stimme erhoben und warf ihnen einen beinahe angeekelten Blick zu.
„Hast du uns gerade angegriffen?“, presste Ino zwischen den Lippen heraus.
Neji blickte sichtlich verärgert auf sie herab. „Was euch getroffen hat war lediglich der Luftstoß meiner Technik. Als Shinobi solltet ihr eigentlich in der Lage sein, so etwas jederzeit abzuwehren. Wenn ihr nichts besseres zu tun habt als hier rumzusitzen und zu streiten, solltet ihr vielleicht lieber ins Bett gehen. Es ist peinlich, wie ihr euch von euren Hormonen steuern lasst!“
Shikamaru fühlte sich, als hätte Neji ihm eine Ohrfeige verpasst. Soweit er es beurteilen konnte, ging es den anderen genauso. Hatte er gehört, worüber sie gesprochen hatten? Aber Ino sprang wieder auf die Beine.
„Wir sind nun mal Menschen und keine Hyuuga-Roboter, die keine Gefühle haben!“ Sie hörte sich an wie ein kleines trotziges Kind, aber Shikamaru war irgendwie trotzdem froh, dass überhaupt jemand etwas erwiderte.
Neji starrte sie kurz wortlos und voller Verachtung an, dann wandte er sich Shikamaru zu.
„Vielleicht könntest du dafür sorgen, dass deine Teammitglieder sich benehmen. Ich schlage vor, dass für diese Nacht die Teams wieder zusammen in einer Schlafkabine schlafen. Ich habe keine Lust, mir die ganze Zeit diese kindischen Streitereien anzuhören.“
Shikamaru sah kurz in die Runde, aber keiner sagte etwas. Er nickte und holte dann mit Chouji zusammen ihre Sachen, so dass Tenten zu Neji und Lee ins Zimmer wechseln konnte.
Als sie es sich schließlich zu dritt im anderen Zimmer auf den Betten gemütlich gemacht hatten, fing Chouji an, scheinbar unbeschwert über irgendwelche Dinge zu plaudern und Shikamaru machte mit, in der Hoffnung, dass Ino, die in der Koje über ihm lag, ihren Zorn vergessen würde. Aber sie sprach den Rest des Abends kein Wort mehr mit ihnen.
Nachdem sie das Licht ausgemacht hatten und Shikamaru sich einigermaßen sicher war, dass Ino schlief, fragte er leise: „Ist alles in Ordnung, Chouji? Du bist doch nicht sauer, dass ich dich heute bei meinem Training mit Neji weggeschickt habe, oder?“
Chouji lachte leise. „Quatsch, mach dir keine Gedanken, Shikamaru. Es war nur ein bisschen ungewohnt, dich trainieren zu sehen, obwohl du eigentlich eine gute Ausrede gehabt hättest, es nicht zu tun. Aber du hast ja Recht, das Training gehört zur Mission und wenn das Wetter morgen wieder besser ist, werde ich mich auch wieder anstrengen, versprochen.“
Chouji war einfach viel zu lieb. Shikamaru hatte aus irgendeinem Grund ein schlechtes Gewissen, aber versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken.
„Was genau übt Tenten denn eigentlich mit dir?“, wollte er wissen. Er hörte, wie Chouji sich in seiner Koje aufrichtete.
„Sie meint, wenn ich mein Jutsu der Teilvergrößerung mit besserem Timing einsetze, dann bin ich unschlagbar! Naja, und dafür ist wohl die Atmung eine wichtige Grundlage, aber sie hat das eher mit Tanzschritten verglichen und mir Takte vorgezählt. Wir haben keine Atemübungen mit Rumliegen gemacht. Wenn du einen anderen Trainingspartner als Neji hättest, würde ich denken, dass er das einfach nur für dich so gestaltet hat. So nach dem Motto – wie kann ich Shikamaru dazu bringen, zu trainieren? Ach ja, ich lege ihn einfach auf den Boden, das ist ja sowieso seine Lieblingsbeschäftigung!“
Chouji kicherte leise vor sich hin und Shikamaru hoffte, dass Ino nicht aufwachen würde.
„Ich bin ehrlich gesagt total froh, dass ich nicht mit Neji trainieren muss. Ich denke, der Zufall hat es schon bestmöglich geregelt beim Schere Stein Papier. Tenten ist wirklich eine tolle Trainerin. Schade, dass sie sich anscheinend nur für Neji interessiert.“
Shikamaru wusste nicht so recht, was er dazu sagen sollte. Natürlich hatte Chouji sich doch wirklich gleich Hoffnungen gemacht, als Tenten sich im Training gut mit ihm verstanden hatte. Er glaubte, dass alle Mädchen einen großen Bogen um ihn machten, weil er „pummelig“ war. Ino war eine Ausnahme, sie gehörte schließlich zum Team. Aber er unterhielt sich fast nie mit anderen Mädchen. Hoffentlich hatte er sich nicht richtig in Tenten verliebt!
Ich kann nur hoffen, dass ich auch mal wieder eine Mission anleiten kann, zu der keine Frauen mitkommen. Das ist bestimmt so schön entspannt. Jedes Mal gibt es ihretwegen nur Ärger.
Ino könnte sich wirklich mal ein bisschen zurückhalten. Kaum zu glauben, dass sie diesem Sasuke immer noch so verfallen ist. Im Vergleich zu Neji ist der doch ein richtiges Arschloch.
Hat Neji vorhin wohl gehört, dass die anderen über ihn geredet haben? War er deshalb so sauer? Denkt er, dass wir alle über ihn gelästert haben?
Dieser Gedanke störte Shikamaru so sehr, dass er ewig nicht einschlafen konnte, weil er noch verschiedene Szenarien in seinem Kopf durchging, wie er Neji ganz beiläufig wissen lassen konnte, dass er an der Unterhaltung gar nicht wirklich beteiligt gewesen war.
Dabei wurde ihm klar, dass er wirklich nicht gerade viel über Neji wusste. Es fiel ihm schwer, seine Reaktionen vorauszusehen. Vermutlich wäre es ihm vor ein paar Monaten noch leichter gefallen, aber in der Zwischenzeit hatte er ein paar Seiten von Neji durchschimmern sehen, die er vorher nicht bemerkt hatte – und die auch nicht zu den Gerüchten über ihn passten. Hinter dieser ruhigen und meist eher abweisenden Oberfläche schien sich vieles zu verstecken.
Wenn Shikamaru an das Training dachte, war er beinahe schon aufgeregt. Stimmte etwas nicht mit ihm? Normalerweise musste man ihn fast zum Training zwingen.
Neji ist einfach wie ein Rätsel, das ich lösen will. Wie ein mathematisches Problem, an dem man etwas länger arbeitet als normalerweise. Das ist der Grund, weshalb ich mich auf das Training mit ihm freue.
Mit diesem Gedanken schlief Shikamaru schließlich doch irgendwann ein.
Notes:
Hey, hier ist mein neues Kapitel. Wie immer hoffe ich sehr, dass es euch gefällt.
Shikamaru beginnt nun ganz allmählich, mehr auf Neji zu achten. Das könnte einige lästige Folgen mit sich bringen, aber langweilig wird es sicher nicht :)
Schreibt mir gern, wie ihr die einzelnen Charaktere bisher wahrnehmt. Ich freue mich sehr über euer Feedback! ❤️
Chapter Text
Am dritten Tag auf dem Meer war das Wetter wieder besser. Der Wind wehte zwar noch recht stark, aber glücklicherweise waren die Wellen gleichmäßiger, und die Übelkeit hielt sich bei allen soweit in Grenzen, dass alle Gruppen ihr Training wieder aufnehmen konnten. Shikamaru war erleichtert, als Neji gleich nach dem Frühstück zu ihm kam und fragte, ob er bereit sei, das Training weiterzuführen. Er wirkte glücklicherweise nicht mehr verärgert, als er Shikamaru aufforderte, seine Kampfhaltung einzunehmen.
„Mit oder ohne Schattenjutsu?“, fragte Shikamaru.
Neji überlegte kurz, dann antwortete er: „Dein Jutsu gehört zu dir, wie ein Körperteil. Es wäre dumm, es nicht zu nutzen, also übe am besten von Anfang an, Taijutsu und Schatten zu kombinieren. Ich denke aber, dass du so intelligent bist, dass du auch beim Kämpfen genau weißt, wann du die Schatten brauchen kannst und wann nicht. Lass dich also nicht zu sehr davon ablenken und benutze sie nur, wenn sie dir wirklich einen Vorteil verschaffen.“
Shikamaru nickte und stellte sich abwartend gegenüber von Neji auf. Er wusste, dass sein Schattenjutsu im Nahkampf schwierig einzusetzen war, weil sich sowohl der Schatten des Gegners als auch sein eigener fortlaufend in Bewegung befinden würden, was ein Festhalten schwierig gestaltete.
„Ist das deine übliche Kampfhaltung, wenn dir ein Gegner gegenübersteht?“, fragte Neji, fast schon verdutzt. Shikamaru nickte. „Ist etwas?“, fragte er.
Neji zögerte kurz und schien Shikamaru mit seinem Blick beinahe zu durchbohren. Als wäre das noch nicht genug, aktivierte er auch noch das Byakugan und studierte Shikamaru noch genauer.
„Stimmt irgendwas nicht mit mir?“, fragte er betont desinteressiert und kratzte sich am Hinterkopf. Neji deaktivierte das Byakugan und biss sich kurz auf die Unterlippe.
Erstens: Neji beißt auf seine Unterlippe, wenn er unsicher ist.
Es war nur eine Vermutung, aber Shikamaru speicherte die Notiz in seinem Kopf unter der Überschrift Neji Hyuuga.
„Deine Haltung ist katastrophal, Shikamaru. Dein Rücken ist krumm, dein Blick ist nach unten gerichtet, es existiert überhaupt keine Spannung. Ich verstehe, dass du den Boden im Blick haben musst, weil du auf die Schatten achtest. Aber auch das sollte eigentlich klappen, ohne dass du die ganze Zeit hinsehen musst. Du weißt, in welchem Umfeld du dich befindest. Du weißt, welche Gegenstände konstant einen Schatten werfen und dass das Schiff je nach Wind seine Ausrichtung zur Sonne ändert. Und bewegte Objekte kannst du wahrnehmen, wenn du dich nur genug auf deine anderen Sinne verlässt. Du musst dir deiner Umgebung in der Gesamtheit absolut sicher sein. Dein Gegner bekommt nur genau so viel Aufmerksamkeit von dir, wie du ihm mindestens geben musst. Den Rest brauchst du, um das wahrzunehmen, was um dich herum geschieht. Wenn du im Taijutsu gegen jemanden wie mich auch nur den Hauch einer Chance haben willst, dann muss dein ganzer Körper eine Spannung erzeugen, die es dir ermöglicht, innerhalb von kleinsten Momenten zu reagieren. Richte deinen Blick niemals auf den Boden, es sei denn, du kannst es dir wirklich erlauben und planst, deinen Gegner so in Sicherheit zu wiegen.“
Zweitens: Nejis bevorzugte Lehrmethode ist es, seine Schüler in Grund und Boden zu reden.
„Warte! Warte, bitte! Ich denke, ich verstehe ungefähr was du meinst, aber was genau soll ich jetzt machen?“, fragte Shikamaru gestresst.
Wieder antwortete Neji nicht sofort, sondern schien seine Worte erst genau zu überdenken. „Soweit ich es beurteilen kann, ist eine deiner Stärken, dass du mit deinem Schattenjutsu mittlerweile gut zusammengewachsen bist. Versuche, dich jetzt vor allem auf deine Atmung und deine Haltung zu konzentrieren, während du dich bewegst. Du solltest ganz intuitiv merken, wann du deine Schatten einsetzen kannst. Verschwende also deine Aufmerksamkeit nicht auf etwas, das keine verlangt. Ich werde jetzt versuchen, dich anzugreifen, und du wirst vorerst nur meinen Angriffen ausweichen. Denke daran, die Bewegungen aus deiner Atmung heraus entstehen zu lassen, damit dein Chakrafluss sich optimal verhält.“
Was?! Er greift mich jetzt wirklich an??
Shikamaru merkte, wie er leicht panisch wurde. Er hatte noch nie gegen Neji gekämpft, aber er hatte ihm schon öfter dabei zugesehen. Von außen hatte es so ausgesehen, als würde Neji ohne Pause auf seinen Gegner einschlagen. Wie sollte er da reagieren? Und gestern hatte ihm der bloße Windstoß, der von Nejis Angriff erzeugt worden war, beinahe den Kopf auf den Tisch gehauen.
Neji nahm tatsächlich schon seine Kampfhaltung ein.
„Warte, ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin. Können wir nicht noch einmal die Atmung in Ruhe trainieren?“
Neji sah etwas ungeduldig aus. Dabei war er es doch gewesen, der gesagt hatte, dass man nichts überstürzen dürfe und dass das Training sehr viel Zeit in Anspruch nähme!
„Wenn du dich in Ruhe auf deine Atmung konzentrierst, machst du alles richtig, Shikamaru. Das war sozusagen nur die Einführung, die Vorstufe unseres Trainings. Jetzt kommt der wirklich schwierige Teil.“
Shikamaru schluckte. Neji schien eine genaue Vorstellung davon zu haben, wie das Training ablaufen musste, und er ließ sich so leicht nicht davon abbringen.
„Aber ich bin mir sicher, dass ich einfach nur zu Brei verarbeitet werde, wenn du Ernst machst!“, stieß Shikamaru hervor und hoffte, dass Neji ihn nicht so erbärmlich fand, wie er sich selbst. Er glaubte, ein Schmunzeln auf Nejis Lippen zu erkennen.
„Ich habe nicht vor, dich ernsthaft anzugreifen. Es ist doch nur Training. Glaubst du, dass ich gegen Lee oder Tenten jedes Mal im Training ernst kämpfe? Ich werde meinen Chakraausstoß gegen dich nicht benutzen. Vertrau mir, aber denke daran, dass du dich trotzdem nicht treffen lassen solltest.“
Shikamaru stellte sich aufrecht hin und verlagerte sein Gewicht auf das linke Bein, um sofort ausweichen zu können. Gerade, als ihm noch einfiel, dass er auf seine Atmung achten sollte, sprang Neji schon auf ihn zu. Shikamaru warf sich nach links und landete hart auf den Schiffsplanken. Eine Sekunde später traf ihn ein fester Stoß im rechten Schulterblatt.
„Aau!“, entwich es Shikamaru und er drehte sich gereizt zu Neji um. „Musste das sein?“
Neji stand ruhig über ihm und schaute ihn ganz unschuldig an. „Es geht hier nicht darum, dass du einzelnen Angriffen ausweichen sollst. Du solltest doch versuchen, deine Bewegungen aus deiner Atmung herausfließen zu lassen. Das, was du da gerade fabriziert hast, sah unkoordinierter aus als ein frischgeborenes Rehkitz, das zum ersten Mal auf seinen wackligen Beinchen steht.“
„Das heißt noch lange nicht, dass du mir grundlos wehtun musst. Was genau heißt überhaupt, die Bewegungen aus der Atmung fließen zu lassen? Du kannst doch nicht alles einfach nur halbherzig anreißen und dann erwarten, dass ich sofort weiß, was damit gemeint ist.“
Neji presste ungeduldig die Lippen zusammen und antwortete: „Wenn du erwartest, dass so ein Training nicht weh tut, dann frage ich mich, was ihr mit Asuma bisher überhaupt geübt habt. Du lernst auf diese Weise viel schneller und besser. Es sollte dir langsam mal klar werden, dass du in einem echten Kampf unter Umständen schwer verletzt werden kannst. Also nimm lieber ein paar blaue Flecken im Training in Kauf, die beschützen dich vielleicht vor weitaus Schlimmerem!“
Shikamaru rappelte sich auf und murmelte vor sich hin: „War ja klar, dass im Trainingsplan eines Hyuuga Schmerzen an der Tagesordnung sind...“
Neji ging ein paar Schritte zurück und stellte sich dann wieder in Kampfposition hin.
„Achte auf deine Atmung und versuche dabei, eine gewisse Körperspannung zu behalten. Gleichzeitig solltest du nicht zu starr sein, bleib locker und versuche dir vorzustellen, dass dein Körper sich mit deiner Atmung bewegt. Ein guter Taijutsu-Kämpfer kann seinen Gegner mithilfe kleinster Bewegungen dazu bringen, ihn so anzugreifen, wie es für ihn am besten ist. Aber dafür musst du erst einmal eins werden mit deinem Körper, mit deiner Atmung und deinem Chakrafluss.“
Er machte eine kleine Pause und beobachtete Shikamaru dabei, wie er sich breitbeinig hinstellte und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Dann sprang Neji wieder auf ihn zu und Shikamaru hüpfte diesmal nach rechts, versuchte schnell, sich umzudrehen, nur um Nejis Handfläche gegen die Brust gestoßen zu bekommen.
„Weiter!“, befahl Neji ihm und setzte mit der anderen Hand zum Schlag an, dem Shikamaru nur knapp entfloh, indem er sich duckte. Dann lag er schon wieder am Boden, weil Neji ihm ein Bein gestellt hatte. „Weiter!“
Ein paar Minuten später, die viele schmerzhafte Hiebe, welche über seinen ganzen Körper verteilt waren, hervorgebracht hatten, hob Shikamaru seine Hände und rief: „Warte, Pause! Das bringt so nichts, ich brauche mehr Zeit, um mich vorzubereiten.“
Neji hüpfte geschickt ein Stück nach hinten und nickte. „In Ordnung. Ich gebe dir ein bisschen Zeit, um zu dir selbst zu finden. Konzentriere dich nicht mehr auf mich, als es notwendig ist. Du stehst im Vordergrund und musst auf deine eigenen Sinne vertrauen. Dein Körper weiß, wie der Atem fließt und theoretisch auch, wie er sich bewegen muss, ohne Energie zu verschwenden. Denke nicht zu viel darüber nach. Eigentlich am besten gar nicht, dein Gehirn hat sich auch mal eine Ruhepause verdient.“
Shikamaru stellte sich aufrecht hin, schloss die Augen und fühlte seinen Atem. Er fühlte den stechenden Schmerz in seiner Schulter, und die anderen Stellen, dort, wo Neji ihn gerade getroffen hatte. Er versuchte nicht darüber nachzudenken, in welche Richtung er gleich ausweichen würde. Er wusste, dass Neji von vorn kommen würde und dass er diesmal nicht auf den Boden fallen, sondern auf seinen Füßen landen würde. Er musste einfach noch mehr in Bewegung bleiben, dann würde Neji ihn nicht treffen.
Mist, ich denke schon wieder darüber nach, wie ich mich bewegen muss. Ich soll mich auf die Atmung konzentrieren? Aber Neji hat doch gesagt, dass mein Körper weiß, wie er atmet. Worauf soll ich überhaupt achten?
„Bist du so weit?“, rief Neji ihm zu und Shikamaru öffnete die Augen.
„Wenn ich ganz ehrlich bin, kein bisschen! Ich weiß nicht, wie man aufhört zu denken. Ich plane ganz automatisch meine nächsten Schritte und versuche vorherzusagen, wie du mich angreifen wirst. Das ist nun mal meine Art zu kämpfen und ich weiß ehrlichgesagt nicht, ob deine Art für mich funktionieren kann.“
Neji starrte ihn wortlos an und biss sich wieder auf die Lippe.
Shikamaru konnte seine Enttäuschung beinahe fühlen.
„Hey, es tut mir leid, okay? Ich fürchte, du hast gerade die größte Taijutsu-Niete aller Zeiten als Schüler. Vielleicht bringt das Ganze einfach nichts bei mir.“
Neji machte ein paar Schritte auf ihn zu und schaute ihm in die Augen. „Das stimmt nicht! Ich bin mir sicher, dass du es lernen kannst.“
Er überlegte kurz. „Ich habe eine Idee, komm mit!“
Und damit ging er an Shikamaru vorbei und öffnete die Tür, die nach unten in den Schiffsbauch führte. Shikamaru folgte ihm und fragte sich, was jetzt wieder kommen würde.
Wann versteht Neji endlich, dass ich absolut unbegabt in diesem Bereich bin?
Neji führte Shikamaru in die Schlafkabine, in der sie in der ersten Nacht zusammen gewohnt hatten.
„Setz dich oben auf das freie Bett!“
Shikamaru folgte seiner Anweisung und Neji nahm ihm gegenüber auf dem anderen Etagenbett im Schneidersitz Platz. Seine Augen funkelten aufgeregt und Shikamaru fragte sich, was er jetzt auf einmal vorhatte.
„Hast du schon einmal meditiert?“, fragte Neji und hörte sich so an, als würde er ein neues Produkt verkaufen wollen. Shikamaru merkte, wie seine Laune sich augenblicklich noch weiter verschlechterte.
„Ja klar, ich denke, das haben wir alle in der Akademie mal gemacht.“
Neji schüttelte den Kopf. „Nein, das meine ich nicht. Ich meine, richtig meditiert.“
„Ach soo, sag das doch gleich. Ich dachte, du redest über die weit verbreitete Form der falschen Meditation, entschuldige bitte.“
Nejis Augenbrauen zogen sich zusammen, aber er ging nicht auf die Provokation ein, sondern fuhr fort: „Dein Problem ist, dass du nicht aufhören kannst, nachzudenken. Das ist auch gleichzeitig deine Stärke, vermute ich. Aber für das Taijutsu-Training ist es zuerst einmal wichtig, dass du dich auf deine Instinkte und Sinne verlassen kannst. Zu viel Nachdenken und Planen macht dir dabei einen Strich durch die Rechnung.“
Shikamaru hatte schon befürchtet, dass sich das Ganze in diese Richtung entwickeln würde.
„Asuma hat gesagt, dass ich meinen Gegnern so theoretisch immer einen Schritt voraus sein könne“, merkte Shikamaru an und hoffte, dass es nicht zu sehr nach einer Beschwerde klang.
Neji nickte langsam und schien noch einmal genau zu überlegen, wie er seine Worte formulieren sollte. Shikamaru fühlte sich ihm ein wenig ausgeliefert, in der engen Kabine, direkt gegenüber in den kleinen Etagenbetten sitzend. Es war auffallend ruhig, als würde draußen kein Lüftchen mehr wehen und das Schiff einfach nur ruhig auf der Wasseroberfläche liegen.
Neji holte tief Luft und versuchte es noch einmal. „Ich denke, wenn du jetzt lernst, deinen Kopf völlig zu leeren und einfach nur zu fühlen, dann profitierst du später so daraus, dass dein Körper von ganz alleine macht, was er muss, während du deine nächsten Schritte planen kannst. Ich glaube, wenn dir das gelingt, hätten die wenigsten Ninjas eine Chance gegen dich. Aber damit das klappen kann, musst du das Denken jetzt erst einmal sein lassen!“
Shikamaru fand, dass einleuchtend klang, was Neji da sagte. Aber konnte das wirklich funktionieren? Auf der anderen Seite, wieso eigentlich nicht? Er war immerhin auch in der Lage, über andere Dinge nachzudenken, während er mit Chouji und Ino über belangloses Zeug quatschte. Wieso sollte es da nicht auch möglich sein, seine Reaktions- und Bewegungsfähigkeit soweit zu verbessern, dass er darüber gar nicht mehr nachzudenken brauchte? Außerdem steckte er sowieso gerade in dieser Situation fest und Neji würde ihn da nicht so einfach davonkommen lassen.
„Also gut, ich werde es ausprobieren. Aber dieses Kopf leeren und über nichts mehr nachdenken hat bisher noch nie geklappt und ich will dir keine großen Hoffnungen machen, dass du etwas daran ändern kannst.“
Neji nickte wieder bestätigend. Dann leitete er Shikamaru an, sich zuerst in eine bequeme Position zu bringen, um sich wieder auf seine Atmung zu konzentrieren.
„Wenn deine Gedanken fließen, dann lass es zu, aber versuche nicht zu sehr darauf Einfluss zu nehmen. Je mehr du dich zurückhältst, also dein aktives, denkendes Ich, desto freier wird dein fühlendes Ich.“
Shikamaru nickte und schloss die Augen. Er atmete ein und aus und hörte das Knarzen und Ächzen des Schiffes, das sich ruhig auf und ab bewegte. Er hörte dumpf, wie die Seeleute ab und zu etwas riefen oder Lees aufgeregte Stimme brabbelte. Er fragte sich, ob Ino sich heute besser mit ihm verstand und sagte sich gleich daraufhin, dass er nicht denken sollte.
Er fühlte seine schmerzenden Körperteile. Vor allem der Schmerz in seiner Schulter stach hervor. Er versuchte, seine Gedanken weiter schweifen zu lassen, aber er spürte, wie sein Unmut über das verpatzte Training ihn zu sehr im Griff hatte. Er versuchte, sich etwas anders zu positionieren und fragte sich, ob die Koje wirklich der beste Platz für eine Meditation sei.
Er öffnete seine Augen, um zu sehen, ob Neji ihn eigentlich die ganze Zeit beobachtete. Aber dieser hatte seine Augen geschlossen und saß kerzengerade auf seiner Koje.
Das sieht echt kein bisschen gemütlich aus. Will er nur ein gutes Vorbild sein, oder ist das seine normale Meditationshaltung?
Shikamaru hatte das Gefühl, dass eine seltsame Aura Neji umgab und er fragte sich, ob er sich das nur einbildete. Nejis Gesicht wirkte irgendwie ganz anders als normalerweise. Vielleicht lag es an dem etwas düsteren Licht in der Kabine, aber er sah irgendwie so zufrieden aus. Das war zumindest das Wort, das Shikamaru als Erstes in den Sinn kam. Aber es war noch mehr. Shikamaru konnte es nicht genau identifizieren. Neji wirkte auf einmal so…
Er fragte sich, ob Neji immer schon so ausgesehen hatte. Es fühlte sich auf einmal so an, als wäre die kleine Kabine ein heiliger Ort und Neji war das Wesen, das hier hingehörte. So ruhig, wie er da saß, sah er doch viel lebendiger aus als sonst. Seine dunklen glatten Haare umrahmten sein Gesicht, als wäre es ein Gemälde.
Ein wunderschönes Gemälde…
Was denke ich denn da für einen Blödsinn?! Ich sollte doch aufhören, zu denken!
Shikamaru zuckte leicht zusammen, als Neji plötzlich seine Augen öffnete. „Was ist, Shikamaru? Ich hatte das Gefühl, dass du es gerade fast hattest!“
Shikamaru hoffte, dass er nicht rot wurde und noch mehr, dass Neji nicht bemerkt hatte, wie er ihn angestarrt hatte. „Wie bitte?“, fragte er verwirrt.
„Deine Aura war gerade so ruhig und gleichmäßig, als hättest du genau den richtigen Zustand für die Meditation erreicht. Es war nur ein kurzer Moment, aber genau das war es, wovon ich gesprochen habe.“
Shikamaru schwieg und überlegte, was Neji genau meinte. Insgeheim fragte er sich noch einmal, ob Neji es irgendwie doch gefühlt hatte, wie er ihn angestarrt hatte.
Neji wartete aufmerksam und als Shikamaru nichts erwiderte, fragte er: „Kannst du versuchen, dich noch einmal in diesen Zustand zu bringen, in dem du gerade warst, bevor du wieder aktiv gedacht hast?“
Er klang neugierig und Shikamaru hatte den Eindruck, dass Neji gern gewusst hätte, was gerade genau in Shikamaru vorgegangen war. Dabei schien er schon mehr davon zu ahnen, als es Shikamaru lieb war. Shikamaru nickte und schloss wieder seine Augen, vor allem, damit Neji nicht doch noch weiter fragte.
Was zum Teufel habe ich da gerade gedacht?!?
Shikamaru versuchte, nicht mehr darüber nachzudenken - das war ja schließlich auch die Aufgabe - sondern, sich das Gefühl, das er eben gerade gehabt hatte, wieder genau vorzustellen. Und er war sich sicher, dass er dieses Gefühl kannte. Wann hatte er es zum letzten Mal gehabt? Was hatte er dabei gemacht? Es war nicht so, dass seine Gedanken vorhin komplett verschwunden waren, eher so, als kämen sie mehr von Innen heraus. Gedanken, die er nicht direkt kontrollieren konnte.
Es war ein wenig wie beim Wolken beobachten. Nein, es war eigentlich genau das Gleiche. Dieses behagliche Gefühl, das sich oft dabei von ganz allein einstellte...
Wolken beobachten soll das Gleiche sein, wie Neji beobachten? So ein Schwachsinn.
Shikamaru vermutete, dass es irgendwie die Atmosphäre in der Kabine gewesen war, die ihn in diesen Zustand versetzt hatte. Und Neji gehörte in dem Moment einfach mit dazu, genau wie die Holzwände oder die Decke, auf der Shikamaru saß.
„Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, aber ich glaube, es war so ähnlich wie beim Wolken beobachten.“
Shikamaru hielt seine Augen weiter geschlossen. Als Neji antwortete, klang seine Stimme viel näher. „Wolken beobachten? Wozu macht ihr das?“
Shikamaru öffnete die Augen und erschrak ein wenig, weil Neji sein Byakugan aktiviert hatte und ihn anscheinend schon wieder genau untersuchte. „Ähm, das machen wir nicht als Teamaktivität oder so. Das ist sowas wie ein Hobby von mir.“
Jetzt war er sich sicher, dass er rot wurde. Es hörte sich einfach so langweilig und uncool an.
Wolken beobachten. Echt super…
Aber Neji schien das nicht komisch zu finden. „Wie genau beobachtest du die Wolken? Schaust du dabei einfach nur in den Himmel?“ Er deaktivierte das Byakugan und schaute Shikamaru gespannt an.
Shikamaru zuckte mit den Schultern. „Ganz unterschiedlich“, antwortete er. „Manchmal liege ich in meinem Zimmer auf dem Boden und schau aus dem Fenster. Es gibt ein paar Plätze in Konoha, die etwas ruhiger sind und sich auch ganz gut eignen. Am besten finde ich es zu Hause in unserem Wald. Dort gibt es mehr als nur ein paar geeignete Plätze dafür. Manchmal ist Chouji dabei, dann reden wir oft über irgendwas. Aber wenn ich alleine bin, denke ich über alles mögliche nach und dann kommt dieses Gefühl manchmal von ganz allein.“
Neji nickte und lächelte ihn zuversichtlich an. Shikamaru spürte, wie sich augenblicklich ein warmes Gefühl wie Wasser in seinem Körper ausbreitete und und die letzten Reste seiner schlechten Laune wegspülte.
„Gut gemacht! Dann hast du einen Zugang zu dir gefunden, der dir dabei helfen kann, diesen Zustand schneller zu erreichen.“
Etwas ängstlich fragte Shikamaru: „Wirst du mich jetzt wieder verhauen?“
Neji senkte den Blick und sprach diesmal ganz leise: „Es tut mir leid, wenn ich dir Schmerzen zugefügt habe. Wir beide sind wohl ziemlich verschieden aufgewachsen und es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie du dich fühlst und wie ich dir am besten helfen kann. Ich bin vermutlich kein allzu guter Lehrer.“
Shikamaru wollte etwas einwerfen, aber Neji sprach schon weiter. „Ich glaube aber trotzdem, dass du gerade einen großen Fortschritt gemacht hast. Weil du erkannt hast, wie du deinem Gehirn eine Pause verschaffen kannst. Vielleicht ist es am besten, wenn du für heute einfach weiter meditierst. Wir sollten es mit dem Kampftraining nicht überstürzen.“
Er kniete sich hin und machte Anstalten, nach unten zu klettern.
„Bleibst du garnicht hier?“, fragte Shikamaru. Neji hielt inne und sah ihn zögernd an.
„Ich dachte, du kannst dich besser entspannen, wenn du alleine bist“, sagte er entschuldigend.
Shikamaru wusste nicht, warum, aber er hatte das Gefühl, dass Nejis Anwesenheit ihm helfen würde.
„Ich habe nichts dagegen, wenn du mich ein bisschen überwachst. Du kannst von mir aus auch dein Byakugan benutzen. Ich weiß nicht, ob ich zu viel tauge, aber ich denke, ich komme mit deiner Hilfe besser voran. Sonst findest du mich in ein paar Stunden vermutlich schlafend hier wieder.“
Neji sah ihn mit großen Augen an und schien zu überlegen, ob das ein Witz gewesen war. Dann nickte er pflichtbewusst und antwortete: „Natürlich, du bist der Missionsleiter. Dann bleibe ich bei dir.“
Den Rest der Schifffahrt verbrachten die beiden in der Meditation. Oder zumindest versuchte Shikamaru es wirklich. Er hielt seine Augen strikt geschlossen, damit seine Gedanken nicht wieder in seltsame Richtungen abdrifteten. Trotzdem war er sich der Anwesenheit Nejis die ganze Zeit über sehr bewusst, denn mit der Zeit nahm er dessen Atemzüge fast genauso laut wahr, wie seine eigenen. Er bildete sich irgendwann ein, sogar Nejis Chakra zu fühlen, das wie eine ruhige Wolke immer weiter und weiter glitt. Es fühlte sich so gleichmäßig und sicher an. Sein eigenes Chakra wahrzunehmen, bereitete ihm seltsamerweise größere Probleme. Es war, als würde Neji seine Sinne irgendwie durcheinander bringen. Trotzdem wollte er nicht, dass er ging, weil er sicher war, dass er ohne ihn einfach aufgeben würde.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, spürte Shikamaru, wie Neji aus seiner Trance erwachte und ihn kurz darauf sanft an seinem Handgelenk berührte.
„Shikamaru! Wir werden bald da sein. Lass uns unsere Sachen packen und aufs Deck zu den anderen gehen.“
Wenig später standen sie mit den anderen an der Reling und sahen zu, wie die Insel immer näher kam. Shikamaru war froh, zu sehen, dass sowohl Chouji als auch Ino zufrieden mit ihrem Trainingstag zu sein schienen. Das ersparte ihm heute Abend bestimmt eine Menge Genörgel. Alles in allem fand er, dass er trotz der schmerzenden Stellen doch ganz gut davongekommen war mit Neji als Trainingspartner.
Lee hingegen machte den Eindruck, erst einmal genug davon zu haben, Ino trainieren zu müssen. Er hatte es wohl aufgegeben, sie davon überzeugen zu wollen, jede freie Sekunde mit Fitnessübungen zu verbringen. Stattdessen stand er zwischen Neji und Tenten und hatte seine Arme um ihre Schultern gelegt, während er ihnen seine neuesten Erkenntnisse für ihr Training mit Sensei Gai offenbarte. Tenten schüttelte den Kopf und versuchte gegen Lees Redeschwall anzukommen, aber Neji schien gar nicht richtig zuzuhören. Er starrte wortlos auf die langsam größer werdende Insel und hatte einen düsteren Ausdruck im Gesicht.
Wieder ganz anders als noch vorhin in der Schlafkabine…
Notes:
Hallo! Ich fliege morgen für drei Wochen in den Urlaub und nehme zwar meinen Laptop mit – aber ob ich zwischen Sonne, neuen Eindrücken und etwas Abstand zum Alltag wirklich zum Schreiben komme, weiß ich noch nicht.
Es kann also sein, dass das nächste Kapitel ein wenig auf sich warten lässt.
Danke, dass ihr meine Geschichte begleitet ❤️
Chapter Text
Am späten Nachmittag lief das Schiff im Hafen von Shishiyoujima ein und die sechs Shinobi verabschiedeten sich vom Schiffspersonal. Dann stiegen sie in den Pferdewagen, der sie zur Burg des Fürsten Arisugawa bringen sollte, welcher der Auftraggeber ihrer Mission war. Seine Tochter sollte mit einem wohlhabenden Großhändler verheiratet werden und da mit der Vereinigung der beiden Familien die Machtverteilung auf der Insel komplett verändert werden würde, gab es auch einige Leute, die gegen diese Heirat waren. Shikamarus Team sollte bei den Feierlichkeiten dafür sorgen, dass alles ruhig und ohne Zwischenfälle verlief.
Bei der Burg angekommen, die zu Choujis Enttäuschung gar nicht wie eine Burg, sondern eher wie ein großes Verwaltungsgebäude aussah, wurden sie von zwei Bediensteten, einer Frau und einem Mann willkommen geheißen. Die Frau nahm Ino und Tenten mit, weil sie die Braut gleich kennenlernen sollten und die vier Jungen folgten dem Mann zu ihrem Schlafquartier. Es war ein recht geräumiges Zimmer mit vier Betten, die so gemütlich aussahen, dass Shikamaru am liebsten das Abendessen abgesagt hätte. Aber da sie beim Essen auf den Fürsten treffen sollten, war das natürlich nur Wunschdenken.
Sie hatten eine knappe halbe Stunde Zeit, um ihr Gepäck im Zimmer abzustellen und sich im kleinen Badezimmer frisch zu machen. Shikamaru warf sein Zeug neben eines der Betten und setzte sich auf die Bettdecke. Die Matratze gab ein ganzes Stück nach und Shikamaru wusste sofort, dass er so viel Zeit wie möglich in diesem Bett verbringen wollte.
Lee begann Sit-Ups zu machen, sobald er aus dem Bad zurück kam. Neji nahm ein paar Kleidungsstücke aus seiner Tasche und faltete sie erneut zusammen, dann ging auch er ins Bad. Chouji kaute ungeduldig auf seiner Unterlippe herum und sehnte offensichtlich das Abendessen herbei. Bald darauf klopfte es an der Zimmertür und der Diener holte sie ab, um sie zum Speisesaal zu führen. Ino und Tenten warteten dort schon an der Tür auf sie.
Der Speisesaal war geräumig und bestand eigentlich nur aus einem riesigen, langen Tisch mit vielen Stühlen, einem großen Kronleuchter an der Decke und ein paar Kommoden und Bildern von irgendwelchen Leuten an den Wänden. Die Diener wiesen allen ihre Plätze zu und dann kam die Familie des Fürsten herein und hieß sie noch einmal willkommen. Die Hochzeit sollte in zwei Tagen stattfinden und vorher würde der Fürst sie noch einmal kurz über die politische Situation auf der kleinen Insel in Kenntnis setzen. Ino und Tenten hatten die Aufgabe, die Braut am Tag vor der Hochzeit nicht aus den Augen zu lassen, da es ihr an diesem Tag nicht erlaubt sei, mit einem Mann im selben Raum zu sein. Es gab ein paar weitere Regeln, die Shikamaru seltsam und unpraktisch vorkamen, an die sie sich alle würden halten müssen.
Dann wurde das Essen aufgetischt. Shikamaru vergaß seine Müdigkeit, als er all die köstlich aussehenden Speisen erblickte. Es gab große Platten mit verschiedenen Gemüsesorten und einen großen Schweinebraten. Und als alle schon mehr als satt waren, kam der Nachtisch. Verschiedene Gebäcke, Cremes und Schokoladenmousse. Shikamaru fragte sich, ob für die Hochzeit noch genug Essen übrig blieb, aber selbst Chouji hatte irgendwann so viel gegessen, dass er nicht mehr konnte.
Nach dem Abendessen sagte der Fürst: „Ihr seid sicher sehr erschöpft von eurer langen Reise. Am Ende des Gästeflures befindet sich ein großes Bad mit einer heißen Quelle, das ihr gern nutzen könnt. Wenn ihr sonst noch etwas benötigt, betätigt bitte das Glöckchen und ein Diener wird sofort erscheinen. Wir müssen euch bitten, den Gästebereich bis zum Sonnenaufgang nicht zu verlassen, da sich alle in höchster Alarmbereitschaft befinden und wir Missverständnisse gern vermeiden möchten. Ich wünsche euch eine gute Nacht!“ Mit diesen Worten stand er auf und verließ das Speisezimmer zusammen mit seiner Frau. Seine Tochter folgte einer Dienerin, und auch Ino und Tenten gingen hinterher zu den Gemächern der Frauen.
Im Schlafzimmer angekommen, konnte Shikamaru sich nicht entscheiden. Sollte er sich gleich ins Bett fallen lassen, oder doch vorher noch das Salz der Meeresluft von sich abwaschen? Da die anderen drei alle beschlossen hatten, noch in der heißen Quelle ein Bad zu nehmen, war es für ihn als Missionsleiter wohl unangebracht, als einziger schon schlafen zu gehen.
Neji hatte sich bereits auf den Weg zum großen Bad gemacht, während Lee im Zimmer noch Liegestützen in einem halsbrecherischen Tempo machte. Chouji hatte sein Handtuch in der Hand und fragte: „Kommst du mit, Shikamaru?“ Shikamaru lag auf dem Bauch auf dem gemütlichen Bett und nickte in das Kissen hinein.
„Wenn ich mich hier irgendwie wieder aufrappeln kann...“
Wie erwartet kam Chouji neben das Bett und rollte ihn mit festem Griff auf den Rücken, um ihm dann die Hand hinzuhalten, damit er Shikamaru hochziehen konnte. Wie oft hatten sie das schon gemacht? Shikamaru war irgendwie froh, dass Neji das nicht gesehen hatte.
Zumindest vermutlich. Wer weiß, was er so alles beobachtet, wenn er allein ist und keiner sieht, dass er sein Byakugan aktiviert.
Er schmunzelte kurz und verwarf den Gedanken dann wieder. Neji war viel zu anständig, als dass er die Privatssphäre von anderen so missachten würde. Träge griff er nach seinem Handtuch und schlurfte hinter Chouji aus dem Zimmer.
Lee rief ihnen hinterher: „Ich komme gleich nach, es sind nur noch knapp zweihundert Liegestützen übrig!“ Shikamaru schloss die Tür hinter sich und schüttelte den Kopf.
Wie kann man nur so dermaßen verrückt sein nach Anstrengung?
„Schade, dass die Mädels woanders schlafen müssen“, sagte Chouji vor sich hin. Shikamaru wusste nicht, worauf er hinauswollte, denn zusammen baden würden sie ja trotzdem nicht. „Wie die Tochter des Fürsten wohl so ist? Beim Essen hat sie kaum gesprochen.“
Du auch nicht, du warst zu sehr damit beschäftigt, so viel wie möglich gleichzeitig in dich reinzustopfen.
„Keine Ahnung, sie scheint zumindest höchstens ein paar Jahre älter zu sein als wir. Schrecklich, wenn man schon so früh heiraten muss...“, antwortete Shikamaru gähnend. Chouji nickte zustimmend. „Ja, sie sah nicht gerade glücklich aus, als ihr Vater über die Hochzeit gesprochen hat. Hoffentlich ist der Mann, den sie heiratet, kein Ekelpaket.“
Shikamaru interessierte sich eigentlich überhaupt gar nicht für diese ganze Hochzeitsgeschichte. Er wollte einfach nur die Mission erfolgreich abschließen und danach ein wenig Zeit haben, um sich auszuruhen.
Kurz bevor sie die Tür zum Bad öffneten, senkte Chouji seine Stimme und raunte Shikamaru zu: „Danke, dass du mitkommst. Ich wäre nicht so gern allein mit Neji oder Lee im Bad.“
Shikamaru seufzte. Das war wieder einmal typisch für Chouji. Er hatte immer Angst, dass jemand blöde Bemerkungen über seinen Körper machte.
Sie traten ein und zogen ihre Sachen aus. Dann betraten sie den großen Baderaum und duschten sich ab. Neji saß mit dem Rücken zu ihnen im Wasser und hatte seine Haare zu einem lockeren Knoten auf seinem Kopf aufgetürmt. Als sie sauber waren, gingen die beiden zum Becken und setzten sich schräg gegenüber von Neji ins Wasser. Er grüßte sie nicht und hatte die Augen geschlossen. Es war im ersten Moment fast zu heiß, wurde dann aber schnell sehr angenehm und Shikamaru musste sich selbst noch einmal darauf hinweisen, dass er die Augen nicht schließen sollte, weil er sonst vermutlich gleich tief und fest schlief.
Chouji fing an, über das leckere Abendessen zu reden und Shikamaru merkte ihm an, dass Nejis Anwesenheit ihn trotzdem nervös machte. Shikamaru antwortete ein paar Mal „Ja“ oder „Mhm“, hatte aber eigentlich keine große Lust auf eine Unterhaltung. Neji hatte die Augen weiterhin geschlossen und Shikamaru fragte sich, ob er versuchte, zu meditieren und ob sie ihn dabei störten. Seine Stirn und damit auch das Fluchsiegel wurde von einem breiten weißen Band verdeckt.
Dann wanderte Shikamarus Blick zu Nejis Narbe, die sich direkt unter seiner linken Schulter befand. Die Wunde war offensichtlich gut verheilt, aber sie hatte eine hässliche rote, wulstige Stelle zurückgelassen. Shikamaru spürte sofort, wie das unangenehme Gefühl des Versagens sich wieder einmal in seinem Magen auszubreiten drohte.
„Ich habe noch nie so gute Zitronenküchlein gegessen“, sagte Neji plötzlich und öffnete die Augen.
Er hatte noch kein einziges Wort gesagt, seitdem die beiden im Bad waren, daher kam es wie aus dem Nichts und Chouji schaute ihn mit großen Augen an, als könnte er nicht fassen, dass Neji ihm tatsächlich geantwortet hatte. Shikamaru fragte sich wieder einmal, ob Neji gespürt hatte, dass er ihn gerade angeschaut hatte, sagte sich aber, dass es einfach nur ein Zufall gewesen war.
„Du magst Süßigkeiten?“, fragte Chouji ganz perplex, aber offensichtlich interessiert. Neji starrte an die Decke und murmelte: „Manche schon. Aber ich esse nicht oft welche.“ Chouji sagte aufgeregt: „Ich fand die Küchlein auch total lecker. Aber nicht so gut, wie den Braten vorher, der war echt allererste Sahne!“
Drittens: Entgegen der Erwartungen mag Neji also Süßigkeiten, unter anderem Zitronenkuchen, gönnt sich aber nicht oft welche. Oder darf er sie nicht oft essen? Wer weiß was der Hyuuga-Clan so alles für lästige Regeln hat.
Ein paar Sekunden später wurde die Tür schwungvoll aufgerissen und Lee kam hereinspaziert.
„So meine Freunde, zweitausend Liegestützen wären geschafft und ich glaube, vielleicht habe ich mich verzählt, deshalb habe ich vorsichtshalber gleich noch fünfhundert mehr gemacht!“
Shikamaru sah Lees Narben am Bein und Arm und hatte das Gefühl, bisher selbst auf seinen Missionen und Kämpfen doch ganz gut weggekommen zu sein. Vermutlich war es aber nur eine Frage der Zeit, bis er sich seine erste schlimme Verletzung zuziehen würde. Andererseits war er auch nicht so kampfversessen wie die Schüler von Sensei Gai.
Neji war inzwischen aufgestanden und duschte sich noch einmal ab. Lee setzte sich neben ihn und erzählte irgendetwas, das Shikamaru wegen des lauten Geräusches der Dusche nicht verstehen konnte. Shikamaru fragte sich, wie Neji es geschafft hatte, aus dem Wasser aufzustehen, ohne dass er es mitbekommen hatte.
„Ich gehe schon zurück“, teilte Neji ihnen mit und verließ das Bad. Shikamaru starrte ihm hinterher. Da Nejis Haare hochgesteckt waren, hatten sie seine Schulter nicht verdeckt und so sah Shikamaru, dass auch auf Nejis Schulterblatt eine große Narbe zurückgeblieben war. Der Pfeil hatte ihn also wirklich buchstäblich durchbohrt. Er schauderte bei dem Gedanken, dass Nejis Leben nur so knapp gerettet worden war und nahm sich noch einmal vor, bei dieser und allen zukünftigen Missionen besser aufzupassen.
Neji schloss die Tür hinter sich und Lee starrte Shikamaru auf einmal ganz misstrauisch an – wobei er splitterfasernackt vor dem Becken stand. „Was? Hast du Angst, dass das Wasser zu heiß ist?“, fragte Shikamaru etwas irritiert, weil Lee seine ganze Pracht direkt vor ihm präsentieren musste.
Chouji kicherte. Lees Augenbrauen zogen sich noch weiter zusammen und er hörte nicht auf zu starren.
Shikamaru zuckte mit den Schultern und schloss seine Augen. Da rückte Lee endlich mit seinem Problem heraus. „Hast du gerade meinen besten Freund komisch angesehen?“
Shikamaru blinzelte verdutzt. „Wie bitte? Was soll ich gemacht haben?“ „Du hast Nejis nackten Körper angeschaut!“, rief Lee und machte immer noch keine Anstalten, ins Wasser zu gehen. „Ähm nein, das hast du dir wohl eingebildet!“, sagte Shikamaru in einem betont gelangweilten Ton und schloss wieder seine Augen.
Was, wenn Neji das gerade gehört hat?
Lee brummte nur zur Antwort. Chouji murmelte: „Was sollte es da auch groß zu sehen geben...“ und kicherte wieder.
„Neji sieht immer perfekt aus, der trainiert ja auch jeden Tag. Bei ihm gibt es bestimmt mehr zu sehen als bei dir!“, grummelte Lee aufgebracht und Chouji hörte auf zu kichern. Shikamaru hörte, dass Lee nun wohl doch entschieden hatte, sich ins Wasser zu begeben und hoffte, dass er ihm nicht zu sehr auf die Pelle rücken würde. Lee hatte so ziemlich alle komischen Angewohnheiten seines Lehrers übernommen, darunter auch, überhaupt kein Gefühl dafür zu haben, wo die Grenzen zum persönlichen Raum eines anderen überschritten waren. Aber er setzte sich ihnen schräg gegenüber, ungefähr dort, wo Neji vorher gesessen hatte und hielt zu Shikamarus Freude endlich einmal die Klappe.
Was bildet der sich bitte ein, mir so komische Dinge zu unterstellen? Wir sind hier alle zusammen in einem Raum, da ist es doch wohl normal, wenn man mal den Blick schweifen lässt. Echt lästig.
Etwas später betrat Shikamaru mit Chouji wieder das Schlafzimmer. Neji war nicht da. Shikamaru fragte sich leicht gestresst, was er wohl machte, da sie ja den Gästebereich nicht verlassen durften.
Demzufolge war Neji vermutlich noch auf der Toilette und würde bestimmt gleich zurückkehren.
Shikamaru ließ sich stöhnend ins Bett fallen und verschwand unter der riesigen, weichen Bettdecke. Hatte er jemals zuvor in so einem weichen Bett gelegen? Er fürchtete, nie wieder aufstehen zu können. Chouji schien auch müde zu sein, denn auch er lag bereits im Bett und schien tief in Gedanken versunken zu sein. Etwas später, als Shikamaru schon beinahe eingeschlafen war, kam Lee ins Zimmer und veranstaltete einen Radau, weil er seinen Schlafanzug unbedingt im Handstand anziehen wollte, was Chouji wieder zum Leben erweckte, der staunend Kommentare dazu abgab.
Shikamaru blinzelte und sah, dass Nejis Bett noch immer unberührt war. Wo blieb er denn nur? Er schien sich öfter zurück zu ziehen, wenn mehrere Personen auf einem Fleck waren.
Ein paar Minuten später war auch Lee unter seiner riesigen Bettdecke verschwunden und anscheinend sofort tief und fest eingeschlafen. Shikamaru überlegte, ob er aufstehen und Neji suchen gehen sollte, entschied sich dann aber aus Faulheit dagegen. Und weil er Neji genug vertraute, dass er die Regeln ihrer Gastgeber nicht einfach so brechen und den Gästebereich verlassen würde.
Notes:
Hey, das war nun schon das neunte Kapitel, ich hoffe, es hat euch gefallen.
Diese Mission ist erst der Anfang, aber sie ist sehr wichtig für die Beziehung von Shikamaru und Neji.Liebe Grüße aus dem abwechselnd sonnigen und gewitterhaften Florida! Ich hoffe, ihr habt auch ein bisschen Zeit, um euch zu entspannen :)
Chapter 10: Sightseeing
Chapter Text
Ein dröhnender Gongschlag zerriss die frühe Morgenstille und riss die vier Shinobi unsanft aus dem Schlaf. Shikamaru hatte Schwierigkeiten, seine verschlafenen Augen zu öffnen. Lee purzelte erschrocken aus seinem Bett und landete recht unsanft auf dem Boden. Neji schlug hektisch die Bettdecke weg und richtete sich alarmiert auf. Er aktivierte sein Byakugan und entspannte sich kurz daraufhin wieder. Seine Stimme klang recht heiser, als er sie beschwichtigte: „Ich denke, das war nur das allgemeine Wecksignal. Die Bewohner bleiben alle ruhig.“
Chouji kam mit einem lauten Gähner unter seiner Decke hervorgekrabbelt. „Bestimmt der Frühstücksruf!“, sagte er und schien sofort hellwach zu sein. Shikamaru fluchte leise vor sich hin und zwang sich dazu, die Wärme des Bettes zu verlassen.
Lee war schon damit beschäftigt, eines der Gewänder anzuziehen, die Fürst Arisugawa extra für sie hatte ins Zimmer legen lassen. Sie sollten auffallen, damit die Feinde des Fürsten durch die Präsenz der Shinobi eingeschüchtert wurden, und es sollte klar sein, dass sie die Hochzeit unterstützten. Deshalb waren die Gewänder in den dunklen Lilatönen des Familienwappens der Arisugawa gehalten. Über das Gewand, das mit goldenem Saum aufwändig vernäht worden war, zogen sie verschiedene, schwarz glänzende Rüstungsteile an. Einen Brustpanzer und Schienen für Arme und Beine, die recht schwer waren und die Shikamaru auch deshalb für absoluten Blödsinn hielt, da sie ihre Beweglichkeit stark einschränkten. Aber der Fürst hatte darauf bestanden, auch wenn es dabei wohl mehr um die Botschaft nach außen hin ging, als dass es sie besonders gut schützen würde.
„Wooah, wir sehen festlich und irgendwie wichtig aus!“, kommentierte Lee, als er sich im Spiegel an der Schlafzimmerwand betrachtete. Shikamaru musste ihm Recht geben. Lee in so einer Aufmachung zu sehen, warf ihn in ein völlig anderes Licht. Der Unterschied zu seinem üblichen, grasgrünen Trainingsanzug war extrem.
„Was die Mädels wohl anziehen?“, fragte sich Chouji laut.
Shikamaru ertappte sich dabei, wie er Neji anstarrte, der sich gerade fertig angekleidet hatte und aus der Zimmerecke in die Mitte trat, um sein Erscheinungsbild hinter Lee im Spiegel zu überprüfen.
Was auch immer die Mädels tragen werden, gegen Neji kommen sie nicht an!
Shikamaru hätte seine Gedanken beinahe laut ausgesprochen, konnte sich aber zurückhalten. Neji wirkte für gewöhnlich recht blass, mit seiner hellen Haut und den weißen Hyuugagewändern, die er fast immer trug. Doch nun verstärkte das dunkle Lila irgendwie die Farbe in seinen blassen Augen und mit dem glänzenden Goldsaum und der schwarzen Rüstung wirkte er festlich und elegant, fast schon königlich. Shikamaru musste sich zwingen, den Blick abzuwenden und sich weiter anzuziehen. Was sich als ziemlich lästig erwies, weil er schon seit ein paar Minuten mit den Verschlüssen der Armschienen kämpfte.
„Warte, ich helfe dir.“ Shikamaru zuckte fast zusammen, als er Nejis Stimme plötzlich so nah an seinem Ohr hörte. Neji zog die Lederriemen der Armschienen für ihn fest und Shikamaru stand einfach nur verlegen da. Was die Situation noch schlimmer machte, waren Nejis Haarspitzen, die Shikamaru an der Hand kitzelten, als Neji sich leicht herunterbeugte. Deshalb lenkte er die Aufmerksamkeit schnell auf den armen Chouji, der sich ebenfalls mit seiner Rüstung abmühte. Er hatte zwar eine größere Anfertigung erhalten als die anderen, musste sich aber dennoch ziemlich hineinquetschen.
„Hey danke Neji, aber den Rest krieg ich auch alleine hin. Vielleicht kannst du noch Chouji helfen...“
Chouji warf ihm einen entsetzten Blick zu und hob abwehrend seine Hände. „Nein, nein, das ist schon okay, danke, ich komme schon klar...“
Da sprang Lee zu Choijis Seite und sah ihn abschätzend an. „Hmm, also so wie ich das sehe, brauchst du ganz klar Hilfe. Ich schlage ein paar Runden Lauftraining vor, dann passt du vielleicht schon eher da rein.“
Chouji lief rot an und Shikamaru konnte genau sehen, wie er versuchte, nicht zu explodieren. „Hast du mich gerade fett genannt?“, knurrte er Lee mit zusammengepressten Lippen an.
Lee, der überhaupt nicht gemerkt zu haben schien, dass er eventuell gerade etwas Beleidigendes geäußert hatte, schüttelte aufrichtig den Kopf. „Nein, das habe ich nicht gesagt. Es ist einfach nur ganz offensichtlich, dass es dir leichter fallen würde, diese Rüstung anzuziehen, wenn du wenigstens ein bisschen mehr Sport machen würdest. Mindestens ein paar hundert Sit-Ups und vielleicht noch...“
Weiter kam er nicht, weil ganz plötzlich die Tür aufsprang und Tenten hereinplatzte. Sie trug ein langes Kleid in dunklem Lila mit feinen verschnörkelten, goldenen Linien darauf. Abgesehen von Armschienen konnte Shikamaru an ihr keine Rüstung entdecken. Die Haare hatte sie zu den üblichen zwei Knoten hochgesteckt, die aber mit schwarzgoldenen Bändern gebunden waren.
„Hey, wie wärs vielleicht mal mit Klopfen?!“, fuhr Shikamaru sie genervt an. „Hier wird sich gerade umgezogen!“ Tenten warf ihm ein entschuldigendes Lächeln zu und sprang dann zu Neji herüber, der gerade seine Haare zu einem Zopf zusammenband.
„Neji! Ich musste gerade tausend Leute um Erlaubnis bitten, euch kurz mal besuchen zu dürfen. Die haben hier so dämliche Regeln, was die Trennung von Männern und Frauen angeht. Total nervig!“
Neji nickte einfach nur ruhig.
„Und was ist mit Ino?“, fragte Shikamaru. Tenten stieß einen langen Seufzer aus. „Ino MUSSTE bei Ayaka bleiben, weil sie am Tag vor der Hochzeit nie alleine sein darf und noch viel weniger als das, darf sie einem Mann begegnen. Da sitzen gerade bestimmt noch zehn Hausmädchen mit ihr im Zimmer und trotzdem durfte nur eine von uns beiden herüberkommen.“
Chouji versuchte Tentens Aufmerksamkeit zu erlangen und fragte total interessiert und immer noch ein wenig rot im Gesicht: „Ayaka ist die Tochter des Fürsten?“
Tenten nickte ihm kurz zu, drehte sich dann aber gleich wieder zu Neji um und strahlte ihn an.
„Neji, du siehst soo toll aus! Ich wünschte, sie hätten mir auch eine Hose gegeben. In diesem langen Kleid zu kämpfen stelle ich mir ziemlich unpraktisch vor.“
Chouji holte Luft und wollte vermutlich etwas über Tentens Aussehen sagen, aber Lee kam ihm zuvor. Er sprang zwischen Tenten und Neji, legte seine Arme über ihre Schultern und rief: „Wir sehen alle drei super aus! Schade, dass Sensei Gai nicht hier ist. Wir müssen unbedingt ein Foto machen und es ihm schenken! Dann kann er richtig mit uns angeben.“
Neji schaute leicht irritiert und schlüpfte unter seinem Arm hervor. Lee beachtete es gar nicht und plapperte weiter Tenten voll, dass sie auch mit dem blöden Kleid jeden Gegner fertig machen würde und sich keine Sorgen machen müsse. Shikamaru behielt seinen Kommentar für sich, dass es recht unwahrscheinlich war, dass sie überhaupt kämpfen mussten.
Chouji war es offensichtlich peinlich, sich weiter in die Rüstung zu zwängen, so lange Tenten im Raum blieb, denn er stand unschlüssig da und zupfte an seinem Ärmel herum.
„Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass du hier bist, Tenten?“, fragte Shikamaru, immer noch etwas genervt. Tenten schüttelte Lees Arm von sich ab und sah Shikamaru hoffnungsvoll an.
„Ich habe mich dort drüben einfach ein bisschen nutzlos gefühlt. Die reden die ganze Zeit nur über Kleider und das Makeup der Braut und solchen Kram. Aber sobald ich auch nur das Wort 'Verteidigung' erwähne, schauen sie mich an, als hätte ich das Brautkleid schmutzig gemacht. Ich dachte, vielleicht kann ich euch bei irgendetwas helfen.“
Bevor Shikamaru antworten konnte, sagte Neji: „Tenten, es ist deine Aufgabe, die Braut zu bewachen. Du wirst dich doch sicher ein paar Stunden lang zusammenreißen und deine Pflicht erfüllen können, oder etwa nicht?“ Tenten starrte ihn wortlos mit enttäuschter Miene an.
Shikamaru wunderte sich darüber, wie streng Neji auf einmal mit seiner Teamkollegin umging. Aber da er die Situation auch nicht ändern konnte, musste er ihm zustimmen.
„Aber wenn sie dort nichts Sinnvolles machen kann… vielleicht kann Tenten ja gleich mit uns auf die Patrouille gehen?“ schlug Chouji vor. Tenten warf ihm einen dankbaren Blick zu und Chouji starrte schnell seine Füße an und wurde wieder rot.
Shikamaru konnte verstehen, dass Tenten keine Lust hatte, bei den ganzen Frauenzimmern zu sitzen und über langweilige Dinge zu reden, aber das war nun einmal ihre Aufgabe und deshalb würde sie sich wohl oder übel damit abfinden müssen.
„Sorry Tenten, aber Neji hat Recht. Der Fürst hat uns hier herbestellt und er bezahlt uns dafür, dass wir unsere Arbeit so erledigen, wie er es sich wünscht. Geh bitte wieder zu Ino und hilf ihr, auf die Fürstentochter aufzupassen. Wir müssen einfach alle nur die Hochzeit morgen überstehen und in zwei Tagen können wir uns wieder auf den Heimweg machen.“ Tenten und Chouji sahen Shikamaru enttäuscht an.
„Hey Tenten, tut mir leid für dich, aber du machst das schon.“ Lee klopfte ihr kameradschaftlich auf die Schulter und lächelte sie aufmunternd an. „Ich denke, die Braut kann froh sein, wenn du an ihrer Seite stehst. Ino allein könnte da nicht viel helfen, das kann ich jetzt nach unseren Trainingseinheiten mit großer Sicherheit sagen!“
Tenten schluckte und nickte dann. Man sah ihr deutlich an, dass sie am liebsten widersprochen hätte, aber sie fügte sich in ihr Schicksal und verabschiedete sich.
„Na dann, ich wünsch euch viel Spaß bei eurer Patrouille. Wir sehen uns dann wohl erst morgen bei der Zeremonie. Wenn etwas sein sollte, schickt uns eine Nachricht.“ Chouji winkte und sagte: „Grüße Ino von uns und passt auf euch auf!“ Tenten nickte und verließ widerwillig das Zimmer.
„Arme Tenten“, murmelte Chouji. Daraufhin baute sich Lee gleich wieder vor ihm auf und sagte viel zu laut: „Mach dir ihretwegen keine Gedanken, das schafft sie schon. Du solltest dich aber nun wirklich beeilen mit dem Anziehen. Sogar Shikamaru ist schon fertig.“
Shikamaru hätte ihm für diesen Kommentar am liebsten einen Stoß in die Seite verpasst, wäre er nicht Lee gewesen. Bei dem konnte man sich einfach nicht sicher sein, ob er es vielleicht falsch verstand und daraus gleich eine Prügelei entstehen würde. Also ging er zu den beiden und sagte nur: „Hey, was soll das denn heißen - sogar Shikamaru? Ich helfe dir Chouji, wir sollten uns wirklich langsam ein bisschen beeilen!
Neji, der anscheinend schon wieder sein Byakugan benutzt hatte, warnte sie vor. „Der Diener ist gleich hier, um uns abzuholen.“ Er stand in der Ecke des Zimmers neben seinem Bett und beobachtete, wie Shikamaru und Lee gemeinsam Chouji dabei halfen, den Brustpanzer zu schließen.
Viertens: Neji aktiviert sein Byakugan auch um eigentlich völlig überflüssige Dinge nachzusehen. Hat er sich vielleicht unbewusst so angeeignet.
Als es gleich darauf an der Tür klopfte, hatten sie es zum Glück gerade geschafft. Chouji nörgelte zwar, weil es „verdammt unbequem“ sei, aber auch er sah nicht schlecht aus und das war es ja, was für den Fürsten zählte.
Der Diener führte sie nach draußen, wo eine offene Kutsche stand, in der Fürst Arisugawa höchstpersönlich schon auf sie wartete. Als sie einstiegen und sich setzten, sagte er: „Ich hoffe, ihr konntet euch von eurer langen Reise gut erholen.“
Alle nickten, mehr oder weniger enthusiastisch. Der Fürst lächelte selbstgefällig. „Sehr gut. Ich zeige euch nun unsere Stadt. Es ist, wie ich ja schon gestern sagte, die einzige Stadt auf dieser Insel und der wichtigste Handelspunkt ist direkt unten am Hafen. Zum Dank, dass ihr uns eure Unterstützung anbietet, möchte ich euch die schönsten Sehenswürdigkeiten zeigen. Der Bräutigam soll heute Abend eintreffen, er möchte euch dann sicher auch noch kennen lernen.“
Die Kutsche setzte sich in Bewegung und schlug in gemütlichem Tempo den Weg zum Hafen ein. Es war ausgesprochen schönes Wetter, der Himmel und das Meer strahlten in schönstem Blau um die Wette und Shikamaru begann unter dem schweren Stoff und der Rüstung schon bald zu schwitzen. Auch Lee sah aus, als wäre ihm heiß und Choujis Stirn glänzte schon vom Schweiß. Neji hingegen ließ sich von der Hitze nichts anmerken. Er wirkte einfach genau so wie immer.
Fünftens: Neji bringt so schnell nichts zum Schwitzen.
„Echt schade, dass die Mädels nicht an der Tour teilnehmen können. Ino ist bestimmt enttäuscht“, raunte Chouji Shikamaru zu, als der Fürst gerade mitten in einem Gespräch mit Lee war, der nicht glauben konnte, dass er noch nie etwas von den Heldentaten seines Lehrers gehört hatte und ihm detailreich beschrieb, was dieser schon alles vollbracht hatte. Neji versuchte, Lee etwas zu bändigen, aber der Fürst schien sich an Lees überquellender Art nicht zu stören.
Shikamaru nickte. "Jaa, Ino wird sicher ausrasten, wenn sie erfährt, was wir uns alles ansehen. Sightseeing ist genau ihr Ding."
Der Fürst hatte Lees Erzählungen wohl doch nur mit einem Ohr zugehört, denn er richtete sein Wort nun an Chouji und Shikamaru. „Wenn sie gerne möchten, können die beiden Damen übermorgen, bevor ihr wieder abreist, gerne noch ein paar Orte besichtigen. So viel bin ich Ihnen schon schuldig. Ich möchte nicht, dass sie wieder heimkehren, ohne die schönsten Fleckchen unserer wunderschönen Stadt gesehen zu haben.“
Chouji lächelte ihn dankbar an. „Vielen Dank. Da würden sie sich sicher sehr freuen.“
Der Fürst verzog die Lippen erneut zu einem selbstbewussten Lächeln. „So, meine werten Herren, nun sind wir am Marktplatz angekommen.“
Die Kutsche hielt an und sie stiegen alle aus. Der Fürst führte sie zu einigen Ständen, an denen teuer aussehende Gewänder, große Mengen an verschiedensten Früchten und unterschiedliche Fischsorten angepriesen wurden. Shikamaru bemerkte, wie die Leute sie anstarrten. Viele boten ihnen Kostproben an und eine ältere Frau schenkte jedem von ihnen einen kleinen Glücksbringer. Es waren buntgewebte Bänder, an denen jeweils eine kleine metallene Tierfigur befestigt war.
Die Frau machte aus der Übergabe eine stille Inszenierung, hielt den Blick jedes Einzelnen fest, als würde sie nach etwas suchen, das nur sie sehen konnte. Bei Shikamaru und Neji verweilte ihr Blick länger, prüfend, abwägend – fast widerwillig, weiterzugehen – während Lee und Chōji ihre Glücksbringer nach einem kurzen, durchdringenden Blick erhielten.
Schließlich hatte sie ihre Wahl getroffen. Mit bedächtiger Sorgfalt legte sie jedem seinen Glücksbringer in die Hand, als würde sie damit ein unsichtbares Versprechen besiegeln, und verabschiedete sich mit einer tiefen, beinahe feierlichen Verbeugung.
Lees Tier war ein Tiger, Chouji bekam einen Bären, Shikamaru einen Adler und Neji einen Wolf. Sie bedankten sich und der Fürst erklärte ihnen, dass diese Tiere alle auf der Insel zu finden seien und die Glücksbringer sie vor Bösem bewahren würden, wenn sie die Insel wieder verließen. Die alte Frau sei in der Lage, anhand ihrer Aura zu bestimmen, welcher Glücksbringer am besten passte.
Anschließend machten sie auf einem kleinen Platz in der Mitte des Marktes Halt, auf dem ein Springbrunnen stand. Rings herum waren mehrere Tische mit Bänken aufgebaut worden und an einem davon ließen sie sich nieder. Dann ließ der Fürst ihnen verschiedene Speisen und Getränke bringen. Shikamaru verspürte wegen der Hitze keinen großen Hunger, bediente sich aber an den saftigen Früchten, die ein bisschen wie kleine Pfirsiche aussahen. Die Shinobi schienen hier tatsächlich große Aufmerksamkeit zu erregen, denn immer mehr Leute versammelten sich um sie herum.
Ja, klar... Das hier passiert nur zum Dank für unsere Unterstützung… Der eigentliche Dank ist die Bezahlung, aber das was hier gerade veranstaltet wird, ist einzig und allein eine Machtdemonstration. Der Fürst will zeigen, dass er die Unterstützung Konohas hat, um seinen Gegner einzuschüchtern. Für eine Insel, die selbst keine Ninja ausbildet, bedeutet es wohl viel, gleich vier davon auf einem Fleck zu sehen. Auch wenn wir strenggenommen alle noch nicht besonders erwachsen aussehen. Mit Ausnahme von Neji vielleicht…
Als hätte Neji seine Gedanken gelesen, warf er ihm einen neugierigen Blick zu. Im Gegensatz zu Chouji und Lee hatte auch er nicht viel von dem Essen angerührt.
„Was für ein Tier hast du?“, fragte Neji ihn. Shikamaru brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er meinte, aber dann fiel sein Blick auf den Glücksbringer. „Sieht aus wie ein Adler“, antwortete er und hielt den Glücksbringer hoch, damit Neji ihn betrachten konnte. Neji streckte seine Hand danach aus und Shikamaru reichte ihn hinüber. Neji nahm ihn in die Hand und strich einmal beinahe liebevoll mit dem Daumen darüber. „Er ist schön. Vielleicht bringt er dir ja wirklich Glück.“ Dann gab er ihn wieder zurück.
Shikamaru fragte sich, ob Neji etwa abergläubisch war. Das passte überhaupt nicht zu seinem Bild von ihm. Deshalb entschied er sich, dieses Thema noch etwas genauer zu untersuchen, bevor er seine These zu den anderen hinzufügte.
„Du hast einen Wolf bekommen?“, fragte Shikamaru. Neji nickte und zeigte ihm seinen Anhänger. „Der passt gut zu dir“, bemerkte Shikamaru, aber Neji zuckte mit den Schultern. „Wenn du meinst.“, sagte er und steckte den Glücksbringer wieder ein.
Als sie gegessen hatten, manche mehr, andere weniger, führte Fürst Arisugawa sie wieder zu der Kutsche zurück und die Fahrt ging weiter am Hafen entlang. Der Wind war angenehm kühl und der Fürst erzählte ihnen von der Geschichte der Stadt und der ganzen Insel und Shikamaru hatte Mühe, sich wach zu halten und interessiert zu tun. Zu seiner Überraschung war Lee um einiges verlässlicher, als er gedacht hätte. Er stellte viele interessierte Fragen und unterhielt sich ausführlich mit dem Fürsten und auch Neji beteiligte sich hin und wieder am Gespräch.
Da merkt man doch, dass die beiden ein Jahr älter sind als wir.
Chouji saß einfach nur staunend da und hörte zu. Shikamaru hatte sich im Vornherein schon mit den wichtigsten Informationen über die Insel vertraut gemacht, die Tsunade ihm als Missionsleiter hatte zukommen lassen und konnte sich nicht so sehr für die Erzählungen des Fürsten begeistern. Stattdessen überlegte er, ob sie wohl Zeit für einen Mittagsschlaf bekämen. Er vermutete jedoch, dass der Fürst den ganzen Tag streng verplant hatte.
Kurz darauf hielten sie an einem großen Tempel an, wo die Gottheit der Insel verehrt wurde. Hier würde morgen das Ehepaar vermählt werden, und es huschten einige Leute umher, um Blumenkränze aufzuhängen und die Bankreihen für die Zuschauer bereitzustellen. Der Fürst bezeichnete sich zwar als nicht besonders gläubig, aber er führte sie dennoch durch den Tempel und zeigte ihnen viele seiner Kunstwerke.
„Das wäre was für Ino“, flüsterte Chouji. Shikamaru stimmte ihm zu.
Hoffentlich wird sie morgen noch ein wenig Zeit haben, sich die Bilder anzusehen.
Als er sich umdrehte, sah er, dass Neji weiter hinten stehen geblieben war, und eine Steinfigur betrachtete. Es war eine ältere Frau, die einen kleinen Käfig in der linken Hand hielt, in dem ein Vögelchen saß. Neji starrte die Figur so eindringlich an, als wollte er durch sie hindurchsehen. Was er mit dem Byakugan auch ohne Probleme hätte tun können.
Als sich die anderen immer weiter entfernten, rief Shikamaru Neji leise zu: „Hey, wir verlieren den Anschluss!“ Neji sah ihn kurz an und sagte leise: „Entschuldigung.“ Dann warf er der Figur einen letzten Blick zu und schloss zu Shikamaru auf.
„Alles klar bei dir?“, fragte Shikamaru. Neji nickte. „Ja. Ich finde den Gedanken nur ein wenig beunruhigend, dass es so etwas wie einen Gott wirklich geben könnte.“ Shikamaru lachte kurz. Sag das lieber nicht zu laut, solange wir uns hier in dem Tempel befinden.
Neji nickte und entschuldigte sich erneut. Er sah Shikamaru an und schien zu überlegen, ob er etwas sagen sollte. Dann senkte er seinen Blick aber, wandte sich ab und beschleunigte seine Schritte, um die anderen einzuholen. Chouji stand etwas weiter vorn und wartete auf Shikamaru. Als Neji an ihm vorbeiging, lächelte er ihn unsicher an, wurde jedoch komplett ignoriert.
„Ich verstehe nicht, wie du dich so normal mit ihm unterhalten kannst, Shikamaru“, sagte er, als Shikamaru ihn eingeholt hatte. Shikamaru kratzte sich am Hinterkopf. „Er ist eigentlich voll in Ordnung, wenn man mit ihm allein ist“, antwortete er, woraufhin Chouji ungläubig den Kopf schüttelte.
Der Fürst zeigte ihnen, wo sie während der Zeremonie stehen und worauf sie achten sollten. Da sich bisher aber noch keine feindlich gesinnten Leute gezeigt hatten, sei er ganz guter Hoffnung, dass auch morgen alles friedlich bleiben würde.
Der Rest des Tages verging auf ähnliche Art. Zwischendurch saßen sie in der Kutsche und hörten den Geschichten des Fürsten zu, der wirklich ausgesprochen gerne redete. Ab und zu hielten sie an und sahen sich besondere Gebäude an, wie beispielsweise den Leuchtturm oder das Inselgefängnis. Sie wurden auf eine Obstplantage geführt, auf der unter vielen anderen Sorten auch die kleinen Pfirsiche angebaut wurden. Überall herrschte ein emsiges Treiben.
Die Leute hier scheinen echt gerne zu arbeiten, dachte Shikamaru und sehnte sich wieder nach dem weichen Bett im Gästezimmer.
Dann machten sie noch an einem Aussichtspunkt weiter oben am Hügel Halt. Von dort sah man fast die ganze Stadt und dahinter erstreckte sich das Meer. Es war ein wunderschöner Anblick, der Shikamaru wenigstens für ein paar Augenblicke seine Müdigkeit vergessen ließ.
alicegarry on Chapter 1 Thu 14 Aug 2025 05:10PM UTC
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RhiyaDarkfire on Chapter 1 Thu 14 Aug 2025 05:26PM UTC
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